Joseph Kerman meint meiner Erinnerung nach in seinem Buch zu den Streichquartetten, dass op.130 so "dissoziativ" geraten sei, dass selbst ein Gewaltakt wie die Große Fuge dem Werk zu keiner schlüssigen Einheit mehr verhelfen könne. (Sozusagen der extreme Gegensatz zu dem zyklisch durchkomponierten op.131.)
Ich finde das zwar nachvollziehbar, aber ein bißchen übertrieben.
Meine Vermutung ist inzwischen, dass Beethoven hier bewusst die Divertimento-Tradition aufgreifen wollte. Er hatte ja schon ein frühes Streichtrio mit Mozarts KV 563 als Modell komponiert. D.h., wenn man die Ansprüche an eine emphatische Werkeinheit vielleicht auch aufgrund dieses Bezuges etwas herunterschraubt, ist das Stück eben eine "bunte Mischung" (und subtilere motivische Zusammenhänge finden schlaue Leute immer). Die Tonartenfolge ist im Rahmen: B-Dur, b-moll, Des-Dur (IIIb), G-Dur (VI), Es-Dur (IV), B-Dur.
Die Satztypen in 2-5 entsprechen denen eines Divertimentos oder einer Serenade. Ich hatte vor Jahren schonmal die Idee, dass Beethoven hier Aspekte seiner späten langsamen Sätze quasi getrennt in "Reinform" präsentiert. Während die großen Variationssätze in op.127 und 131 "gesangliche" und "scherzando"-Variationen innerhalb eines Satzes enthalten und op.132 die Choralteile und das tänzerische "Neue Kraft fühlend" als entsprechende Abschnitte, hat man hier zwei kürzere Sätze, von denen der erste nur die durchbrochene Arbeit, die Figurationen in einer doppeldeutigen scherzando-Atmosphäre präsentiert, während man in der Kavatine "reinen Gesang" findet. Auch das findet sich aber schon so ähnlich in Mozart-Serenaden (oder später im Schubert-Oktett): Ein "reines adagio" und ein mäßig gehender (andante/allegretto) Romanzen- oder Variationensatz.
Der Kopfsatz ist zwar sehr eigenartig, aber schon ein Sonatensatz. Mit langsamer Einleitung, die eigentlich mitsamt der Exposition wiederholt werden soll, und häufiger Abwechslung zwischen adagio und allegro.