Erich Wolfgang Korngold: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 - mehr Caruso als Paganini?

  • Das in diesem Faden öfters genannte Wort Süßlich ersetzte ich mal keck durch Sentimental. Für mich gehört so etwas unbedingt zu einem guten und warmherzigen Violinkonzert. Wem das nicht liegt, empfehle ich unbedingt die Konzerte von Prokofjew. Es war sicher kein Mangel an Ideen, dass Korngold Stücke aus seinen Filmmusiken verwendete. Doch warum sollten diese schönen Melodien dem Vergessen anheimfallen!


    Ist denn Korngolds Violinkonzert nicht schon Klassiker? 22 Aufnahmen habe ich gesammelt - und fast jeder bekannte Solist spielte es ein. Eine Zeitlang war ich geradezu süchtig nach dem Werk. Trotz der Masse an CDs mit diesem Konzert, greife ich dennoch immer wieder zu dieser Einspielung:



    Ich mag das sonore Spiel von James Ehnes. Nicht unberechtigt sagt man ihm einen gewissen Hang zum Heifetz-Klang nach. Außerdem beinhaltet die CD noch zwei sehr wichtige andere Konzerte für Violine und Orchester aus dem letzten Jahrhundert.


    Gruß
    Josquin

  • daß es bei Korngold überhaupt keinen Unterschied zwischen seinen Bühnenwerken, seinen Orchesterwerken und Konzerten zu seiner Filmmusik gibt.
    Er ist sich immer treu geblieben.

    Das ist in der Tat offenbar schwer zu akzeptieren. Aber langsam ändert sich das, vor allem dank einiger guter Aufnahmen der Sinfonie, in der man schön hören kann, dass es eben diesen Personalstil gibt (besonders im "Trio-Teil" des Scherzos).
    Ich sehe ihn als "Erfinder" der Filmmusik à la John Williams (den ich sehr schätze), er hat Filmmusik geschrieben "like writing an opera" und sich keinem "Hollywood-Stil" unterworfen - denn er hat diesen Stil begründet.


    Zum Violinkonzert: Ich habe eine Aufnahme mit Perlman, der m.E. die richtige Balance zwischen süffig und geschmackvoll findet und wirklich hinreißend spielt. Leider steht, wie so oft bei Perlman, das Orchester aufnahmetechnisch so weit im Hintergrund (oder in einer Besenkammer), dass der Spaß an der tollen Instrumentation verloren geht. Trotzdem eine Empfehlung, zumal die Kopplung mit dem herrlichen Konzert von Goldmark sehr gelungen ist.

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

  • Meiner Meinung nach ist es nur logisch und konsequent wenn Korngold einige seiner Filmmusik-Themen für den Konzertsaal, z. B. wie hier in seinem Violinkonzert, verwendet und weiter verarbeitet. Nur so konnte er sicher sein, dass seine Filmmusiken von Dauer sind und nicht nur für das Kino bestimmt sind wo sie evtl. in irgendwelchen Archiven verstaubt wären.


    Was ich an dem Violinkonzert interessant finde ist die wie immer bei Korngold geniale Instrumentierung des Orchesters. Da sitzt kein riesiges Sinfonieorchester wie bei Strauss oder Mahler. Doppeltes Holz, zusätzlich in einigen Passagen spielen Piccolo, Englischhorn, Bassklarinette und Kontrafagott. Fast sparsam sind die Blechbläser besetzt: 2 Trompeten, 4 Hörner und nur 1 Posaune. Raffiniert wird es dann bei den Schlaginstrumenten: Glockenspiel, Röhrenglocken, Xylophon, Vibraphon, Gong sowie Harfe und Celesta. Damit erzielt Korngold diese schönen lyrisch-flirrenden Klänge.


    Kurz gesagt: Ich höre das Werk immer wieder sehr gerne.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Zitat von Lionel

    [...] Raffiniert wird es dann bei den Schlaginstrumenten: Glockenspiel, Röhrenglocken, Xylophon, Vibraphon, Gong sowie Harfe und Celesta. Damit erzielt Korngold diese schönen lyrisch-flirrenden Klänge.

    Mich spricht das auch sehr an, und dennoch kann ich verstehen, wenn man die Effekte nicht sonderlich schätzt. (Es soll ja auch Dirigenten geben, welche die Ondes Martenot in der Turangalila-Sinfonie zurückdrängen ...)


    Findet sich diese unverwechselbare Schlagzeug-Besetzung (oder eine ähnliche) eigentlich auch schon in der frühen Sinfonietta ? Das habe ich jetzt nicht im Ohr.


    :cincinbier: Wolfgang



    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Die Orchesterbesetzung der Sinfonietta kann man hier nachlesen.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Danke, Lionel!


    In der Tat sind die Ähnlichkeiten doch so groß, dass ich mich gerne dazu hinreißen lasse, einzugestehen, ein klein wenig belehrt worden zu sein! :)


    Ich hätte nicht gedacht, dass die Komposition einen eigenen Artikel bei wikipedia hat. (Ich hätte natürlich nachsehen können ... :versteck1: )


    :verbeugung2:

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Stellenweise gibt es hier ziemlich viel "Meinung" bei gleichzeitig offensichtlicher Unwissenheit, wie dies eben schon 1987 der Fall war.
    Und die Zeiten, wo ich enthusiastisch dagegen kommentiert habe, die sind vorbei.


    Irgendwann reicht es mir auch mal.

    das ist schade.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht


  • Ich habe wie ich dank dieses Threads festgestellt habe ja auch die zuletzt von teleton erwähnte CD-Aufnahme dieses Werks mit Anne-Sophie Mutter und dem von André Previn dirigierten London Symphony Orchestra, aufgenommen im Studio One der Londoner Abbey Road Studios im Oktober 2003 (CD DGG 00289 474 5152) – gekauft habe ich die CD seinerzeit wegen des Tschaikowsky-Violinkonzerts Mutters mit den Wiener Philharmonikern.


    Gestern (animiert durch den Thread) endlich gehört, mein Eindruck:


    Was in der SRF2 Kultur Diskothek Anfang 2017 gesagt wurde stimmt schon, Anne-Sophie Mutter drückt ziemlich drauf. Ich möchte das aber umdeuten. So wie ich es höre, setzt sie sich mit Leib und Seele für diese Musik ein, gibt sie ihr Bestes. Das mag halt manchmal überforciert wirken. Erneut hat dieses Konzert beim Wiederhören für mich seinen eigenen Zauber entfaltet, schon im 1. Satz mit der Kadenz mittendrin, dann vor allem in der Romance des 2. Satzes und auch im bunten, virtuosen 3. Satz. Mir gefällt bei diesem Werk auch der üppige Orchestersatz sehr gut, der die wieder verwendeten Filmmelodien groß auskostet. Previn weiß das schön auszubreiten. Und Mutter scheint dieses Werk, scheint diese Aufnahme eine echte Herzensangelegenheit zu sein.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Ich bin bis jetzt Korngold musikalisch einzig in Form der Arie "Glück, das mir verblieb" aus "Die tote Stadt" begegnet.


    Der allererste Eindruck war: Es berührt enorm. Trotz (oder wegen) der Komplexität der Harmonik und auch der Anforderung, dies zu singen (ich habe es natürlich nicht selbst versucht). Ich habe durchaus Lust auf die gesamte Oper.


    Das "Berührende" mag vielleicht manchem Selbstverständnis zur Musik des 20. Jahrhunderts zuwiderlaufen, jedoch muss mE Musik dieser Epoche nicht zwangsläufig spröde sein.


    :wink: :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)


    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • "süßliche Klangfarben" gibt es traditionellerweise im langsamen Satz und stellenweise im Kopfsatz (wo sie aber mit Scherzando-Abschnitten usw. kontrastiert werden), aber überhaupt nicht mehr im rasanten, spielfreudigen Finale.

    das ist natürlich richtig. das Finale fetzt ganz schön, und die lydische Quart, die schon im Kopfsatz prominent den Anfang macht, spielt auch eine große Rolle. daß es immer mal wieder ziemlich "süß" klingt, also sehr viel mit eher zarten, aparten Klangwirkungen gespielt wird, kann man doch nicht ernsthaft bestreiten... die Frage ist, muss man das negativ bewerten?
    Die Klangwirkungen, die wir als "filmmusikartig" kennengelernt haben und die dann wohl originärer Korngold sind, finde ich jedenfalls ganz gut - es schadet doch nicht, wenn an die Wirkung auf den Hörer gedacht wird, wie in der Version des Finale-Themas mit Starwars-mäßigen Hörnern! und ja, danach wirds auch wieder sehr zart und überirdisch. das ist einfach unheimlich inspirierte und effektvolle Musik!

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • das ist natürlich richtig. das Finale fetzt ganz schön, und die lydische Quart, die schon im Kopfsatz prominent den Anfang macht, spielt auch eine große Rolle. daß es immer mal wieder ziemlich "süß" klingt, also sehr viel mit eher zarten, aparten Klangwirkungen gespielt wird, kann man doch nicht ernsthaft bestreiten...

    Das verwirrt mich jetzt vollends: Du zitierst einen Satz, in dem ich "süßliche Klangfarben" nicht nur ausdrücklich bestätigt sondern diese sogar konkret lokalisiert habe, um dann zu erwidern, man könne ihr Vorhandensein "doch nicht ernsthaft bestreiten". Das ist ungefähr so, als würde ich sagen "das Korngold-Konzert steht in D-Dur" und Du würdest dann erwidern "man kann doch nicht ernsthaft bestreiten, dass es in D-Dur steht". Was soll das?


    die Frage ist, muss man das negativ bewerten?

    Ich weiß nicht, wer "man" ist. Deshalb kann ich die Frage auch nicht beantworten. Wer meint, den Ausdruck von irgendeinem Stück "negativ bewerten" zu müssen, soll das tun (wenn es auch eigentlich näherliegend wäre, dann statt dessen einfach ein anderes Stück zu hören, welches den gewünschten Ausdruck hat). Bestimmt meint auch jemand kritisieren zu müssen, dass die Matthäus-Passion so gar nicht lustig ist...


    Stellenweise gibt es hier ziemlich viel "Meinung" bei gleichzeitig offensichtlicher Unwissenheit,

    Das bringt es auf den Punkt. Aber hier heißt das nicht "Unwissenheit" sondern "unbefangene Neugier".


    Christian

  • Du zitierst einen Satz, in dem ich "süßliche Klangfarben" nicht nur ausdrücklich bestätigt sondern diese sogar konkret lokalisiert habe, um dann zu erwidern, man könne ihr Vorhandensein "doch nicht ernsthaft bestreiten".

    Ich meinte tatsächlich, daß auch im Finale, wo Du sie ausdrücklich nicht "lokalisiert" hattest, solche Farben auftreten.


    die Frage ist, muss man das negativ bewerten?

    Ich weiß nicht, wer "man" ist.

    wenn man auf das Benennen, oder auch nur andeutende "anscheinend Hören" (wir sind ja nur Unwissend) solcher Farben so unfreundlich bis ärgerlich reagiert, liegt der Verdacht nahe, daß man da eine Wertung impliziert.
    Nix für ungut. Das Werk ist auf jeden Fall zu gut, um als Aufhänger für diese Nickeligkeiten zu dienen.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • sondern eher so etwas wie ein entspannterer Ausdruck derselben Spiel- und Lebensfreude, von dem dieser ansonsten geprägt ist. Ich finde (nicht nur hier) gerade diesen Optimismus besonders bewegend, der viele von Korngolds Werken prägt und sowohl zu seiner persönlichen Lebenswirklichkeit als auch der politischen Realität seiner Zeit in einem fast protestierenden Kontrast steht. Korngolds Musik ist durchaus Musik ihrer Zeit, aber sie spiegelt nicht deren Entsetzlichkeiten sondern setzt ihnen die Utopie des Schönen entgegen.

    Das ist sehr schön in Worte gefasst.


    Wieso man aber die dabei neben anderen auftretenden Klänge partout nicht "süßlich" nennen darf, erschließt sich mir immer noch nicht.

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  • [...]Der urspr. hier gestandene Satz wurde entfernt, weil er sich auf einen vorhergehenden Beitrag bezieht, der sich jetzt im "Marsfeld" befindet und für sich keinen Sinn ergibt.
    Lionel - Für die Moderation -



    Zu der Aufnahme hatte ich mich bereits in gebührender Kürze weiter oben geäussert. Leider ist diese Aufnahme nicht Bestandteil der wirklich mustergültigen Kompilation seiner Stereoaufnahmen geworden. Wohl weil sie bereits 1953 noch in mono aufgenomen wurde. Offenbar hat er dieses Konzert später nicht mehr aufgenommen, was schade ist, denn dann wäre sie ja in der Box drin. Aber die LP klingt trotzdem noch recht frisch.


    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Nicht Korngold klingt nach FIlmmusik sondern diese nach Korngold. Formal hat das Konzert wie gesagt mit Filmmusik ohnehin nichts zu tun.

    ;) Im Prinzip hatte andrejo ja recht, wenn er den Eindruck hatte Filmmusik im Violinkonzert zu hören ... und zwar in allen drei Sätzen.


    :alte1: Bei meiner Neuen NAXOS-CD ist im Textheft angegeben, dass Themen aus den drei Sätzen des VC von 1945 aus folgenden Filmen stammt:
    1.Satz; dem Film 1937 Another dawn und 1938 Juarez
    2. Satz; dem Film 1936 Antony Adverse
    3. Satz; dem Film 1937 The Prince and the Pauper


    Wegen meinen nicht so umwerfend guten Meinungen zum Korngold - VC, die ich eher auf meine Aufnahme mit Previn/Mutter (DG) zurückführte, habe ich mir eine weitere Aufnahme mit guten Kritiken bestellt:



    NAXOS, 2007, DDD


    Es zeigt sich bei dieser CD, dass es nicht immer die grossen Namen sein müssen um anständiges an Aufnahmen auf die Beine zu stellen.
    Die Aufnahme ist tatsächlich gut und wirkt insgesamt deutlich expessiver als die DG-Aufnahme. Trotzdem gefällt mir in Satz 1 und 3 die Previn/Mutter-Aufnahme noch besser, weil orchstral einfach voluminöser und stahlender und ASM´s Hingabe bei ihrem Spiel ist letztendlich in den Sätzen 1 und 3 auch vorzuziehen. Aber der zweite Satz ist bei Philipe Quint deutlich weniger mit dieser Ultra-Romanik übersäht, sondern sachlicher. Dieser Ultra-Romantic-Sound bei Korngold liegt mir einfach nicht.


    Die Ouvertüre zu einem Drama, op.4
    und die
    Concert-Suite zu "Viel Lärm um nichts", op.11
    sind schöne bis nette Ergänzungen von zwei Frühwerken, die sich in der mexikanischen Aufnahme mit dem Orchester Sinfonica de Minera / Carlos Miguel Prieto hören lassen können.

    ______________


    Gruß aus Bonn


    Wolfgang

  • Die Abwertung des Violinkonzerts im Zusammenhang mit seiner Verbandelung mit Filmmusik liegt wohl daran, dass die Filmmusik und die Konzertsaalmusik unterschiedlichen Bedürfnissen gehorcht und unterschiedlich bewertet wird. Das geht schon bei der Musik für den Stummfilm los und hält sich bis heute. Komponisten, die beide Bereiche bedienen, komponieren dann jeweils auch recht unterschiedlich (z.B. Williams). Ausnahmen bestätigen eher die Regel (Schönberg, Eislers Regen-Musik).


    Ein "Filmmusik-Vorwurf" ist daher nicht einfach nur Blödsinn oder Verwechslung von Ursache und Wirkung - letzteres wäre vielleicht bei Gustav Holst der Fall, nicht aber bei Korngold, der ja im Violinkonzert Filmmusikelemente verarbeitet.


    Mein Korngold-Favorit bleibt das frühe Klavierkonzert.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Die Abwertung des Violinkonzerts im Zusammenhang mit seiner Verbandelung mit Filmmusik liegt wohl daran, dass die Filmmusik und die Konzertsaalmusik unterschiedlichen Bedürfnissen gehorcht und unterschiedlich bewertet wird.

    naja, vielleicht hats auch damit zu tun, daß in der Filmmusik auf eine Weise "weiter" komponiert werden kann, die in der strengen E-Musik unter das Verdikt fallen würde, den "Materialstand" (Adorno) nicht ausreichend zu reflektieren...
    Mir persönlich gefällts, nach mehrmaligem Hören sagt mir auch der 2.Satz zu, während dem 1. für meine Begriffe jetzt garnichts mehr fehlt. Wo ich erst "Wucht" vermisst habe, höre ich jetzt wunderbar weiche Klangstärke, z.B. in der Reprise des 1.Satzes ... Es ist halt schon seehr tonal, bei öfterem Hören läßt man sich auch nicht mehr so von kleinen Ausweichungen in die Irre führen - manche Kadenz geht schon recht schnell zurück in die Tonika*, das ist klassischer als z.B. Bruckner. (Natürlich auch nicht so weiträumig, insofern passend).
    Man kann doch von Glück reden, daß das gerade entstehende Bedürfnis nach Filmmusik einem so ungebrochen tonal denkenden Genie wie Korngold ermöglicht hat, erfolgreich zu komponieren und dabei hohe Standards in diesem neuen Genre zu setzen. Und wenn dann noch so geile Musik für ebenso tonal hörende Hörer wie das Violinkonzert entsteht, um so besser.


    *z.B. im Finalthema, dessen 2.Hälfte für mich doch ein bißchen brav "ausgeht".

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht


  • naja, vielleicht hats auch damit zu tun, daß in der Filmmusik auf eine Weise "weiter" komponiert werden kann, die in der strengen E-Musik unter das Verdikt fallen würde, den "Materialstand" (Adorno) nicht ausreichend zu reflektieren...

    Genau, das wäre so ein "Bedürfnis", dem Konzertsaalmusik Genüge tun sollte. Entsprechend hat man als Filmmusik vielfach einfach Tschaikowsky und Co. verwendet, die nicht mehr dem Entwicklungsstand entsprachen.

    Zitat

    Man kann doch von Glück reden, daß das gerade entstehende Bedürfnis nach Filmmusik einem so ungebrochen tonal denkenden Genie wie Korngold ermöglicht hat, erfolgreich zu komponieren und dabei hohe Standards in diesem neuen Genre zu setzen.

    Insofern könnte man bedauern, dass Sibelius nicht für Hollywood gearbeitet hat ... äh, jetzt wird's OT.
    :versteck1:
    Es haben aber auch Komponisten weiter "altmodisch" komponiert, ohne sich auf Filmmusik zu beschränken - Pepping fällt mir da in Korngolds Generation ein ... schon wieder OT.
    :versteck1:

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    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Mittlerweile habe ich die bestellte CD erhalten und das Violinkonzert mehrfach gehört:


    Vilde Frang, hr-Sinfonieorchester, James Gaffigan (2016)


    Ich gebe zu, beim ersten Hören hatte ich schon den Eindruck einer etwas süßlichen, seichten Filmmusik, eben Hollywood, wie es dem Klischee entspricht. Sehr anspruchsvoll erschien es mir erst nicht.


    Das änderte sich dann aber: Beim wiederholten Hören wurden mir die klanglichen Raffinessen, die das ganze Werk durchziehen, immer deutlicher. Die Einleitung scheint auf einen schmalzigen Song hinzulenken, aber das wird dann schnell abgebogen in ein wunderbar feingesponnenes Gewebe, in das Solist und Orchester eingeflochten werden (bitte um Verzeihung für meine etwas kitschige Metaphorik!), nicht als Gegeneinander, sondern sehr organisch.


    Zum Finalsatz: Wenn ich es richtig höre, ist das ein freier Variationssatz, das melodisch recht einheitlich bleibt und die Umgebung des Themas nicht verläßt. Dennoch wirkt das nicht monoton, dank ständiger "Lichtwechsel": Korngold ist bekanntlich - und das auch hier - ein Meister der Orchesterfarbe. Die Musik zeigt einen großen Reichtum an klanglichen Schattierungen, was ich beeindruckend finde.


    Jetzt, da ich das Werk mehrfach gehört habe, glaube ich sogar eine gewisse Nähe zu Alban Bergs Violinkozert wahrzunehmen; auch Mahler, Strauss und Schreker sind nicht um Welten entfernt.


    Das hr-Sinfonieorchester und Vilde Frang spielen schlicht und klar, ohne Forcierungen, ganz und gar unangestrengt, die Solistin mit feinem Ton, sehr schön! In gleicher Weise ist sie mir bereits vor ein paar Wochen im Konzertsaal aufgefallen, da gab es das Violinkonzert von Edward Elgar; das ist auch der Grund, warum ich mich für diese Aufnahme entschieden habe.


    Die CD enthält noch das Violinkonzert von Benjamin Britten; auch das eine ganz vorzügliche Aufnahme!


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz
    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Das in diesem Faden öfters genannte Wort Süßlich ersetzte ich mal keck durch Sentimental.

    nein, das finde ich tatsächlich unpassend irgendwie - hab heute mal wieder auf meiner Fahrt vom Havelland in die Prignitz die halbe Stunde Korngold-Vk genossen und über die "Süßlichkeit" nachgedacht - jetzt würde ich eher sagen: "schmerzhafte Süße", gerade im langsamen Satz, aber auch in der Fortführung des ersten Themas, auf einem e-moll9(13?)... das empfinde ich nicht als sentimental, eher teilweise von verlorener, "der Welt abhandengekommener" Schönheit.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

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