25.10.1885 - In Meiningen wird Johannes Brahms´ 4. Sinfonie uraufgeführt...
...was ich (vor 2, 3 Jahren) mal zum Anlass genommen hatte, "Brahms" + "Meiningen" in die Suchmaschine einzugeben . . .
°° Die dritte Sonate für Violine ((op.108; 1889)) ist "seinem Freunde Hans v. Bülow" gewidmet. B. war dem einzig genialen Manne durch eine Einladung nach M. näher getreten, die ihm...1891 zugegangen war... Seit jenem Jahr kam B. fast alljährlich nach M., ein stets willkommener Gast...eines der...kunstverständigsten deutschen Fürsten... Der G e s a n g d e r P a r z e n ((op.89; 1883)) aus Goethes Iphigenie (ist diesem) gewidmet...
°° Wie wohl sich B. am Hofe des Herzogs fühlte, hat in geradezu bezaubernder Weise J. V. Widmann...geschildert...: "Seine Aufgeräumtheit und seelische Heiterkeit kannte in M. keine Grenzen, und, da die hohen Herrschaften daselbst wohl bemerkten und ihrerseits glücklich waren, einem solchen Meister frohe Stunden zu bereiten, war über diese Meininger Tage ein Sonnenschein ausgegossen..." Von M. ging dann auch die grosse B.-Propaganda aus, die nunmehr Bülow in Scene setzte... B` Klavierkonzerte, seine Symphonien, die Ouvertüren nebst den Haydn-Variationen bildeten den eisernen Bestand des Concertrepertoires Bülows und seiner "Meininger".
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** Bei einem...Besuche, den wir Bülow...1887 im Hotel Imperial abstatteten, sprach dieser davon, daß er...gern wieder als Pianist auftreten würde, wenn er sich eine neue bedeutende Aufgabe, die vor ihm noch keiner gelöst habe, stellen könnte. "Es wird Ihnen nichts übrig bleiben", sagte ich, "als das ganze `Wohltemperierte Klavier´ an einem Abend zu absolvieren". Bülow nahm die scherzhaft gemeinte Äußerung ernst. "Es ist...beinahe unmöglich, die vierundzwanzig Präludien und Fugen so in den Kopf und in die Finger zu bekommen, daß man sich getrauen darf, sie fehlerlos zu absolvieren. Aber es muß gehen. Ich selbst habe schon daran gedacht. Was meinst Du dazu?" wandte er sich an B. "Mir imponiert das ganz und gar nicht", entgegnete dieser, "wenn Ihr versprecht, ...weiter zu plaudern, spiele ich sie alle vierundzwanzig sofort. Da dies aber zu lange dauert, so könnt Ihr mich auf die Probe stellen mit einem beliebigen Viertel oder Sechstel"... Jeder nannte zwei Tonarten, und B. spielte die dazugehörigen Präludien und Fugen in so vollendeter Klarheit und mit so tiefer Empfindung, daß...wir hingerissen zuhörten. "Vor einer solchen Konkurrenz streiche ich die Segel", sagte Bülow, als B. mit der es-moll-Fuge geendet hatte...
** Wie mit dem Klavierspielen verhielt es sich mit dem Dirigieren... Grosser, der mit Simrock zur ersten Aufführung der e-moll-Symphonie...nach M. gekommen war, weiß davon zu erzählen. In seinem...Zeitungsberichte erwähnt er nicht nur, daß...B., der auf Wunsch des Herzogs zwei Sätze...im geräumten Saal wiederholte, mit seinem Feuer das Orchester elektrisierte, sondern auch, daß Bülow dem Referenten gestanden habe, er kenne neben Wagner keinen Dirigenten, der, wenn er sich für ein Werk interessiere, es so zu dirigieren verstehe wie B.
°° Bei seinem mehrfachen Aufenthalte in M. hatte B. die Kunst des Clarinettisten der Hofcapelle Mühlfeld...bewundern gelernt. Wiederholt hatte er sich von ihm auf seinem Instrumente vorspielen lassen, vor allem Etüden und Stücke, aus denen er so recht die Eigenart dieses Instrumentes kennen lernen konnte. Die Frucht dieser "Studien" war zunächst das Trio in A-moll ((op.114; 1892)) für Clavier, Clarinette >oder Bratsche< und Violoncello, ein Werk von ungemeiner...Durchsichtigkeit des Baues und Schlichtheit der Empfindung, das freilich, ganz ebenso wie die beiden Sonaten ((F-Moll u. C-Dur op.120)) für Clavier und Clarinette, durch das Clarinetten-Quintett op. 115 in Schatten gestellt wird... Am 24.November 1891 wurden op. 114 und 115 zum ersten Male von dem Componisten unter Mitwirkung von Joachim...und Mühlfeld am Mer Hofe zu Gehör gebracht. So viel Werke für Kammermusik B. auch geschaffen hat, keines ist so durchtränkt von Wohlklang wie das Clarinetten-Quintett... Da fehlt keine Nuance, keine Ausdrucks- und Vortragsform, die nicht beweist, wie eingehend der Meister dies Instrument auf seine künstlerische Verwendbarkeit geprüft und wie er ihm alles auf das Feinste abgelauscht hat, was es Schönes und der Kunst Würdiges in den Händen eines vollendeten Meisters leisten kann.
°° aus H.Riemann - "Johannes B." ...Berlin 1900 (2. Auflage); zit. v. archieve.org
** aus M.Kalbeck - "Johannes B." ...Berlin 1921 (4. Auflage); zit. v. zeno.org