Britische Sinfonik, die kaum bekannt ist

  • Britische Sinfonik, die kaum bekannt ist

    In kaum einem anderen Land wurden im 20. Jahrhundert so viele Symphonien komponiert wie auf der britischen Inseln. Es scheint fast so als wenn man die zwei Jahrhunderte davor ohne wesentliche Beiträge überkompensieren wollte. Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass ich eine gewisse Affinität zu diesem Genre haben und damit bin ich hier ja offensichtlich auch nicht allein. Nun gibt es über viele der britischen Komponisten schon eigene Threads. Diese wollen wir hier nicht berücksichtigen, sondern jene, die noch keinen haben und wo ein eigener Thread vielleicht auch nicht lohnt.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Gordon Jacob (1885-1984)

    Gordon Jacob - 10 Jahre jünger als George Butterworth - blieb dessen und seines eigenen Bruders Schicksal erspart. Auch er kämpfte im 1. Weltkrieg auf dem Schlachtfeld, geriet aber in Gefangenschaft und kehrte nach Kriegsende in die Heimat zurück. In der Gefangenschaft durcharbeitete er ein Lehrbuch für Harmonie und begann zu komponieren. Diese Studien setzte er dann bei Stanford und Vaughan-Williams am RCM fort und wurde an selbiger Institution Lehrer bis zu seiner Pensionierung 1966.


    Gordon Jacob schrieb zwei Symphonien, eine erste 1929 und eine zweite 1945, letztere ein Art Kriegssymphonie. Beide Werke sind stilistisch ähnlich, die Tonsprache ist im Prinzip spätromantisch mit Einflüssen der klassischen Moderne, die Musik des Lehrers und die von Elgar scheinen hier und da durch, aber der Tonfall ist schon ein eigener. Exzellent und farbig Instrumentiert ist das Musik, die ich sehr gut hören kann. Zumal wenn sie akustisch so opulent und stringent dargeboten wird wie von Barry Wordsworth und dem London SO. Eine der vielen Perlen im Lyrita-Katalog.


    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Daniel Jones - der walisische Sinfoniker

    Daniel Jones, geboren am 7.12.1912 in Pembroke und verstorben am 23.4.1993 in Swansea hat die meiste Zeit seines Lebens in seiner Heimat verbracht. Er kam aus einer musikalischen Familie und hat schon im Kindesalter Klaviersonaten komponiert. Seit Schultagen war er eng mit dem berühmten walisischen Dichter Dylan Thomas befreundet, zu dessen preisgekrönten Theaterstück/Hörspiel Under the milk wood er später die Musik beisteuerte. Er studierte an der Royal Academy of Music bei einem Harry Farjeon Komposition und bei Henry Wood dirigieren. Ein Stipendium 1935 ermöglichte es ihm zwei Jahre durch Europa zu reisen. Im 2. Weltkrieg war er Kryptograph und Entschlüssler von Nachrichten von Kriegsgegnern. danach widmete er sich seinen Kompositionen - üblicherweise Auftragswerke - und dem Dirigieren, vor allem von eigenen Werken.


    Jones schrieb insgesamt 14 Symphonien (und außerdem 8 Streichquartette die auch auf Tonträger vorliegen und in meiner Sammlung stehen).


    Die Symphonien sind über seine gesamte Schaffensperiode verteilt:


    1. Symphonie (1947) 4 Sätze 50'17
    2. Symphonie (1950) 4 Sätze 43'24
    3. Symphonie (1951)
    4. Symphonie (1954) 3 Sätze 31'35 In memorian Dylan Thomas
    5. Symphonie (1958)
    6. Symphonie (1964) 3 Sätze 29'14
    7. Symphonie (1972) 5 Sätze 21'54
    8. Symphonie (1972) 5 Sätze 24'32
    9. Symphonie (1974) 4 Sätze 19'31
    10. Symphonie (1981) 4 Sätze 19'27
    11. Symphonie (1983) 4 Sätze 18'45
    12. Symphonie (1985)
    13. Symphonie (1992)


    Die Symphonien mit Angabe der Spielzeiten sind alle auf dem Lyrita-Label eingespielt, entweder unter Charles Groves oder Bryden Thomson.



    Die erste Symphonie entstand 1944-47 und reflektiert noch die Kriegsjahre. Mit gut 50 min ist es seine längste Symphonie. Würde man sie hören ohne zu wissen, von wem sie komponiert wurde, würde man sicherlich nicht auf einen britischen Komponisten tippen. Mit Elgar, RVW oder Walton hat sie nichts zu tun, man würde eher auf einen deutsch-österreichischen Komponisten tippen. Mahler und im Scherzo und Finale vor allem Bruckner sind die Einflüsse, die man ausmacht. Das Scherzo klingt sogar ein wenig nach Mendelssohn. Ansonsten fallen mir noch Bezüge zu Rachmaninoff auf. Aber insgesamt eine doch recht eigene Tonsprache, die vor allem im britischen Umfeld heraussticht. Ein überaus interessantes Werk, das ich sicher noch öfter hören werde.




    Die Rundfunkaufnahme von 1990 geht klanglich völlig in Ordnung auch wenn ich mir orchestermäßig eine noch präzisere Umsetzung vorstellen könnte. Aber ohne Vergleich ist das natürlich rein hypothetisch.



    Eine Würdigung der Symphonien von Daniel Jones findet man hier


    https://www.wrightmusic.net/pd…iel-jones-paul-conway.pdf

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • York Bowen (1884 - 1961)

    York Bowen war ein musikalisches Multitalent. Sein musikalisches Talent wurde früh erkannt und er erhielt bereits von seiner Mutter Klavierunterricht. Als achtjähriger trat Bowen als Solist in einem Klavierkonzert von Jan Ladislav Dussek öffentlich auf. In seiner musikalischen Ausbildung erhielt er Unterricht am Blackheath Conservatorie und an der Royal Academy of Music wo er Klavier, Komposition sowie Orgel, Bratsche und Horn studierte bzw. an diesen Instrumenten ausgebildet wurde. Im Jahr 1903 war er Solist in seinem 1. Klavierkonzert, das bei den Proms unter der Leitung von Henry Wood uraufgeführt wurde und Camille Saint-Saëns, der dabei war, beeindruckte. 1909 wurde Bowen Professor an der Royal Academy of Music. Während des Ersten Weltkrieges war Bowen Hornist bei der Schottischen Garde. Zu seinem Hauptwerk zählen die 24 Präludien für Klavier op. 102, die er Kaikhosru Shapurji Sorabji widmete.


    York Bowens Kammermusik (Klavierwerke, Werke für Violine, Viola, Violoncello und Klavier, Streichquartette etc.) ist durch einige Aufnahmen recht gut dokumentiert.


    Als Sinfoniker trat Bowen mit seinen zwei Sinfonien (1. Sinfonie G-Dur, op. 4 von 1902 & 2. Sinfonie e-moll, op. 31 von 1909) in Erscheinung. Die Erste Sinfonie entstand noch während Bowens Studienzeit an der Royal Academy of Music und ist für ein mittelgroßes Orchester besetzt u. a. doppelte Holzbläser, vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Tuba, Streicher und Pauken und hat drei Sätze. Obwohl es ein Frühwerk ist erkennt man durchaus, das man es mit jemanden zu tun hat, der weiss war er will. Der erste Satz hat vielleicht noch einen etwas akademisch wirkenden Charakter ist aber klar strukturiert, d. h. da mäandert nichts herum. Lyrische Passagen prägen den zweiten Satz mit schönen Orchesterfarben und das Finale überzeugt mit einer klaren Lebensbejahung. Während Bowens Studienzeit erklang vermutlich nur ein Satz aus diesem Werk und danach wurde es lange Zeit gar nicht mehr gespielt.


    Die Zweite Sinfonie hat vier Sätze und hat eine größere Orchesterbesetzung als die 1. Sinfonie: dreifache Holzbläser, sechs Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagwerk, zwei Harfen und Streicher. Vor allem an den Hornpartien merkt man, dass Bowen selbst auf Profiniveau Horn spielte. Teilweise spielen die sechs Hörner sechsstimmig und werden nicht nur zur größeren Fülle verwendet. Der erste Satz Allegro ist von einem Motto-Thema geprägt, das besonders von den Holz- und Blechbläsern immer wieder markant vorgetragen wird. Das Nebenthema wird dagegen von den Streichern (Celli) bestimmt, welches am Ende des Satzes die Coda dominiert während das Motto-Thema in den Hintergrund rückt. Im folgenden Lento werden die Streicher acht- bis neunstimmig aufgegliedert und es entsteht ein impressionistischer Klang. Das Solohorn spielt das Hauptthema des langsamen Satzes. Das Scherzo ist ein funkensprühendes Intermezzo und Bowen beweist, dass er mit der großen Orchesterbesetzung sehr gut umzugehen weiss. Das Finale ist der kraftvolle Höhepunkt des Werkes mit einem Thema, das mit einem großen Strom der Inspiration stetig anwächst.


    Die einzige Aufnahme der beiden Sinfonien scheint diese Chandos-Aufnahme zu sein, die ich sehr empfehlen kann:

    (AD: 10. & 11. Oktober 2010, Studio 7, New Broadcasting House, Manchester)


    BBC Philharmonic
    Sir Andrew Davis


    Es gibt noch eine Aufnahme der zweiten Sinfonie mit dem Royal Northern College of Music Symphony unter der Leitung von Douglas Bostock gekoppelt mit Orchesterwerken von Frederic Austin und Edgar Bainton, die ich aber nicht kenne:

    (AD: 15. - 16. Dezember 2001, Royal Northern College of Music, Manchester)


    Bei dieser Aufnahme handelt es sich um die ersten Einspielungen dieser Werke.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Daniel Jones ist ein Komponist, der mich selbst schon lange beschäftigt. Vor vielen Jahren kam ich an Rundfunkeinspielungen seiner Sinfonien Nr. 1, 2&12 – die Aufnahmen seiner ersten beiden Sinfonien sind mittlerweile ja zum Glück auf CD veröffentlicht worden. Schon damals hat mich seine Musik fasziniert. Vermutlich ist seine Erste Sinfonie die für ihn am wenigsten charakteristische – wie Wieland ja bereits angemerkt hat, ist es seine längste, später hat er sich in aller Regel deutlich kürzer und prägnanter gefasst, und auch seine charakteristische Rhythmik, sein Spiel mit metrischen Strukturen, das seinen Personalstil auszeichnet, ist hier noch eher in Ansätzen vorhanden. Trotzdem gefällt auch mir dieses Werk sehr, insbesondere von seiner Atmosphärik her, tendenziell eher in dunklen, fast ein wenig nebligen Farben gehalten.


    Die Zweite Sinfonie ist sicherlich ein Markstein in seinem Schaffen, zwar auch noch eher lang gehalten (ca. 43 Minuten), aber schon sehr charakteristisch, insbesondere in den Ecksätzen herrscht ein nervöser, dramatischer Tonfall vor, der am Ende darin kulminiert, dass das Kopfmotiv der Sinfonie regelrecht durchs Orchester gejagt wird. Die Erste Sinfonie endet noch (recht überraschend) in E-Dur; die Zweite dagegen mit einer Art Aufschrei in a-moll.


    Sicherlich sind Werke wie die 10. oder 11. Sinfonie aber noch ein ganzes Ende konziser und pointierter, teilweise ja mit Scherzo-Sätzen, die kaum zwei Minuten in Anspruch nehmen. Über die Rhythmik habe ich oben bereits kurz gesprochen; die Harmonik ist im Vergleich zu den frühen Sinfonien (hier) sicherlich noch einmal verschärft, ohne aber den tonalen Rahmen grundsätzlich zu verlassen (insgesamt ist Jones sicherlich ein traditionell orientierter Komponist). Für mich sind Werke wie die Zehnte Sinfonie mit ihrem am Ende in wuchtigen Akkorden kulminierenden Spannungsbogen schon wirklich tolle, individuelle und sehr hörenswerte Musik.


    Insgesamt hat Jones 13 (nicht 14) Sinfonien komponiert. Ich schätze mich glücklich, von allen eine Aufnahme zu besitzen. Falls von Interesse, hier die Längen der nicht auf CD erschienen Sinfonien:
    Sinfonie Nr. 3 – ca. 30 Minuten
    Sinfonie Nr. 5 – ca. 43 Minuten
    Sinfonie Nr. 12 – ca. 17 Minuten
    Sinfonie Nr. 13 – ca. 28 Minuten
    Lyrita hat übrigens angekündigt, auch die übrigen Jones-Sinfonien auf CD herauszubringen, wobei ihre Projekte leider in letzter Zeit allgemein etwas ins Stocken geraten zu sein scheinen.


    Übrigens noch ein interessantes Detail zu Jones' sinfonischem Zyklus: die erste zwölf Sinfonien durchwandern sozusagen alle möglichen zwölf Grundtöne. Das sieht wie folgt aus:
    Sinfonie Nr. 1 – e
    Sinfonie Nr. 2 – a
    Sinfonie Nr. 3 – h
    Sinfonie Nr. 4 – gis
    Sinfonie Nr. 5 – cis
    Sinfonie Nr. 6 – d
    Sinfonie Nr. 7 – fis
    Sinfonie Nr. 8 – f
    Sinfonie Nr. 9 – c
    Sinfonie Nr. 10 – b
    Sinfonie Nr. 11 – es
    Sinfonie Nr. 12 – g
    Insgesamt dominieren hierbei Molltonarten; die ersten beiden Sinfonien stehen z.B. eigentlich klar in e- bzw. a-moll. Später ist die Harmonik zwar freier, aber wie gesagt besteht meisten eine starke Moll-Tendenz, so etwa bei den Sinfonien Nr. 10&11. Die Zwölfte ist dagegen ein überraschend sonniges, beinahe nostalgisches Werk in G-Dur. Eine Ausnahme stellt in gewisser Hinsicht die Fünfte da, weil sie zwar am Anfang in cis(-moll) gehalten ist, jedoch in D-Dur endet (wie Mahlers Fünfte, nebenbei bemerkt). Vielleicht ist es daher kein Zufall, dass Jones' Sinfonie Nr. 13 dann noch mal in cis(-moll) steht, um sozusagen eine "echte" Sinfonie in cis nachzuliefern; dies ein Gedenkwerk "in memoriam John Fussell", das (für Jones eigentlich eher untypisch) mit einer regelrechten Schlussapotheose endet.


    Dies ist ein hochinteressanter Zyklus, zu dem ich seit Jahren immer wieder sehr gerne zurückkomme.

  • Vielen Dank, lieber Holger, für Deine umfangreichen Ergänzungen. Die Symphonien 3, 5, 12 und 13 sind derzeit alle bei youtube verfügbar. Ich habe gerade die 3. (leider nur in mono) und die 13. gehört. Beides den Nebengeräuschen zufolge Airchecks. Wäre schön, wenn die bei Lyrita noch offiziell nachgereicht würden, sind ja größtenteils sogar die gleichen Interpreten.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Ja, es handelt sich dabei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um Rundfunkmitschnitte. Im Falle der Einspielung der Sinfonie Nr. 13 kann ich das sogar mit Sicherheit sagen, denn es scheint sich bei dem YouTube-Video um meine Version davon zu handeln, die ich früher mal mit anderen Sammlern geteilt habe (anscheinend hat sie jemand auf YouTube hochgeladen). Ich habe sie vor Jahren auf Kassette erhalten von jemandem, der sie in der Tat im Radio mitgeschnitten hatte.


    Dass es sich stets mehr oder weniger um die gleichen Interpreten handelt, ist kein Zufall: wenn ich das gerade richtig im Kopf habe, hat Bryden Thomson so um 1990 herum Jones' Sinfonien Nr. 1–12 mit dem BBC National Orchestra of Wales (das damals noch BBC Welsh Symphony Orchestra hieß) für den Rundfunk aufgenommen. Diese Aufnahmen sind es, die Lyrita nun auf CD veröffentlicht. Da Thomson 1991 verstorben ist, konnte er die 13. Sinfonie nicht mehr einspielen. Gelegentlich steht übrigens auch heute noch eine Jones-Sinfonie auf den Programmen des BBC National Orchestra of Wales; ich habe recht neue Rundfunkmitschnitte der Sinfonien Nr. 10&12 mit Grant Llewellyn am Pult.


    Drei der 13 Sinfonien tragen übrigens Untertitel, und jedes Mal ist es eine Widmung zum Gedenken: die Vierte "In memory of Dylan Thomas", die Elfte "In memoriam George Froom Tyler" und die Dreizehnte "In memoriam John Fussell".

  • Ernest John Moeran (1894 – 1950)



    Sinfonie g-Moll (1934-37)



    Arnold Bax bemerkte einmal über seinen Kollegen: „Während seiner ersten 30 Jahre war er Engländer und sammelte beflissen die Volkslieder East Anglias, aber für den Rest seines Lebens war er fast ausschliesslich Ire“.Der Dualismus aus der Musik der beiden Volksgruppen war bei Moeran ein bestimmendes Element in seiner Musik. Die Liebe zur Volksmusik stammte schon von seinem Vater, einem Pastor in der Grafschaft Norfolk, der sich die Musik seiner Mitmenschen zum Teil in den Wirtshäusern erlauschte. Aber auch Zeitgenössen wie Delius, Walton, Stravinsky oder Sibelius hinterliessen ihre Spuren bei dem Komponisten.


    Neben dieser einen Sinfonie (eine zweite blieb unvollendet) schrieb Moeran noch eine Reihe Orchestermusik und Konzerte (Violine und Cello), sowie sehr schöne Lieder und Klavier- sowie Kammermusik. Er war wie sein Vater ein fleißiger Sammler von Volksmusik, und pflegte Kontakte mit vielen komponierenden Zeitgenossen, vor allem Philip Arnold Heseltine (bekannt unter seinem Pseudonym Peter Warlock), unter dessen Einfluss er leider auch das Trinken begann und zum Alkoholiker wurde. Er starb überraschend, wahrscheinlich an den Folgen eines zerebralen Aneurysmas, und wurde tot im Kenmare River aufgefunden.


    Seine Sinfonie g-Moll ist noch durchaus traditionell gestaltet, und zeugt von seiner Beschäftigung mit Volksmusik aus Norfolk und Irland. Nach Moerans eigenen Worten ist der erste Satz der Sinfonie in der Grafschaft Kerry, einer schroffen Küstenlandschaft im Südwesten von Irland entstanden. Über den zweiten Satz schrieb er „ .. in den Sanddünen und Marschen von East Norfolk“. Hier ist auch das Vorbild Sibelius zu spüren, indem die Musik aus fragmentarischen Teilen zu einer Melodie findet. Angeblich basiert der Satz auf dem Lied „The Shooting of his Dear“, einem Volkslied aus Norfolk. Die düstere Melodie der Celli, begleitet von wirbelnden Figurationen der Holzbläser, Harfe und Streicher ist charakteristisch für das ewig gegen die Küste brandende Meer.


    Nach einem glitzernden Scherzo folgt ein Finale bei dem wiederum offensichtlich Sibelius Pate gestanden hat. Die Stimmung wird durch eine langsame Einleitung angedeutet. Das Hauptthema hat jedoch deutlichen Tanzcharakter, und im Nebenthema werden wieder nachdenklichere Töne angeschlagen, wobei die leichte Melancholie einer kargen Küstenlandschaft immer wieder durchscheint. Den Satz beschließen mächtige Akkorde, die durch brutale Paukenschläge eingeleitet werden.


    Ich finde die Beschäftigung mit der Musik von Moeran sehr lohnend, denn seine Musik hat gestalterische und klangliche Elemente die mir sehr gefallen, wie z.B. die Affinität zum meer und zu wilder Küstenlandschaft, was auch in seiner Sinfonie immer wieder zu spüren ist.


    Meine einzige Aufnahme des Werkes ist jene mit Vernon Handley und dem Ulster Orchestra, einem unermüdlichen Streiter für das musikalische Erbe seiner Heimat.



    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Martin Yates hat versucht sie zu komplettieren, das Ergebnis kenne ich aber nicht.



    Ich kenne sie. In ihrer Grundstimmung völlig anders als die Erste, viel positiver, optimistischer. Wo in der Ersten Zwielicht und Dunkelheit herrschen, strahlt hier die Sonne über der Musik. Man muss dazu sagen, dass Martin Yates' Anteil an dieser Sinfonie nicht ganz gering ist; insbesondere für das Finale lag wohl so gut wie gar kein Material vor. Ich finde das Ergebnis aber ziemlich überzeugend und bin froh, etwa die üppige Melodik des Kopfsatzes nicht missen zu müssen.


    Bezüglich der von Eusebius vorgestellten Ersten: ein ganz tolles Werk, glutvoll und ausdrucksstark, in der Tat von Volksmusik geprägt, dabei aber ziemlich düster und elegisch bis stellenweise sogar schmerzerfüllt. Moeran wurde ja im Ersten Weltkrieg schwer verwundet und verlor einige Freunde im Krieg, und zuweilen werden diese Erlebnisse mit der g-moll-Sinfonie (als eine Art Requiem) in Verbindung gebracht. Das Scherzo erscheint mir immer ein wenig wie das Blümlein zwischen den Abgründen. Vor vielen Jahren empfahl Michael Schlechtriem mal diese Aufnahme:



    die ich mir seinerzeit kaufte. Es handelt sich dabei um die allererste Einspielung der Sinfonie aus den frühen 1940ern. Natürlich in historischer, aber für ihr Alter doch sehr guter Klangqualität, und in einer bemerkenswert intensiven, eindrucksvollen Interpretation.

  • Hallo,


    bei mir steht noch eine CD mit Violin- und Cellokonzert. Solisten sind Lydia Mordkovich bzw. Raphael Wallfish. Hinzu kommen die beiden kleineren Orchesterstüke "Lonely waters" und "Whythorne's shadow".


    Mein Exemplar der Handley-dirigierten Symphonie enthält noch die "Rhapsody" mit Margaret am Piano.

    Helli

  • Das Label Naxos hat hier ebenfalls einige sehr gute Moeran-Einspielungen heraus gebracht :


    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Moeran ist ja wahrscheinlich fast schon zu bekannt für den Thread.
    ;)

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Das Label Naxos hat hier ebenfalls einige sehr gute Moeran-Einspielungen heraus gebracht

    Und was findest Du sehr gut an diesen Einspielungen? Ich kenne sie noch nicht und hätte gerne Näheres erfahren.

    Moeran ist ja wahrscheinlich fast schon zu bekannt für den Thread.

    Vielleicht hast Du ja einen weniger bekannten in Putto (sorry, in Petto) :D


    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Arnold

    Hi,
    ich habe hier noch zwei Klavierkonzerte von Erik Chisholm (1904-1965).

    Und die soll ich jetzt als Symphonien durchgehen lassen? :neenee1:


    Tatsächlich hat Eric Chisholm Symphonien geschrieben, zumindest die 2. "Ossian" wurde auch vom unermüdlichen Martin Yates für Dutton Epoch eingespielt. Wie so häufig bei diesem Label ist die CD aber vergriffen und wird nur zu einem Mondpreis am Sekundärmarkt angeboten.


    Bei den britischen Kollegen gibt es das Teil noch für einen reellen Preis, habe ich gleich mal bestellt.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Hi Wieland,


    stimmt, Symphonien sind es nicht, aber Konzerte für Soloinstrument und Orchester laufen bei mir durchaus als "symphonisch".


    Habe grad noch eine Box in meinem Regal gefunden: "The British Symphonic Collection" (zwar wird das putto bemäkeln, einige Komponisten seien zu bekannt, aber sei es drum). Als "wenig bkannt" würde ich hier Alan Bush, George Butterworth, Ruth Gipps, Samuel Coleridge-Taylor, Edward Gregson oder John McCabe ansehen.

    Helli

  • Habe grad noch eine Box in meinem Regal gefunden: "The British Symphonic Collection" (zwar wird das putto bemäkeln, einige Komponisten seien zu bekannt, aber sei es drum).

    Ja, da sind interessante Sachen drauf, die habe ich auch noch auf der Liste der möglichen Anschaffungen. Bei jpc gibt es derzeit eine Lyrita-Sonderaktion, da gibt es dutzende von wenig bekannten Symphonien. z.B. die 1. von Arnold Cooke kann ich sehr empfehlen, muss ich noch ausführlich drüber schreiben.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Tatsächlich hat Eric Chisholm Symphonien geschrieben, zumindest die 2. "Ossian" wurde auch vom unermüdlichen Martin Yates für Dutton Epoch eingespielt. Wie so häufig bei diesem Label ist die CD aber vergriffen und wird nur zu einem Mondpreis am Sekundärmarkt angeboten.

    Man sollte immer einen 2. Blick riskieren, denn neben den Mondpreisangeboten gibt es meistens auch solche zu vernünftigen Preisen, nur findet man die häufig nicht sofort. Warum das so ist habe ich noch nicht herausgefunden. Es liegt wohl an den Suchfunktionen bei amazon.



    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Habe grad noch eine Box in meinem Regal gefunden

    Es wäre sicher informativer, wenn nicht immer nur die Cover gepostet würden, sondern etwas zum lesen. Z.B. über den Komponisten oder über persönliche Erfahrungen. Sonst reichte es auch, eine Liste mit selten gespielten Sinfonien britischer Komponisten hier einzustellen, und das Thema wäre durch. Soll sich doch jeder selber schlau machen, ist ja alles im Netz vorhanden.


    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!