VERDI: Un ballo in maschera – Grande e generoso

  • Nachdem ich am Freitag im hiesigen Nationaltheater einen überraschenderweise ganz ordentlichen Maskenball genießen durfte, habe ich zuhause mal geschaut, was das Regal denn so an Maskenbällen hergibt. Noch gar nicht gehört hatte ich diese Aufnahme:



    Das habe ich dann schnell nachgeholt. Das Ensemble ist ja geradezu verschwenderisch - zwar stand Ruggero Raimondi Ende der 70er Jahre noch eher am Beginn einer großen Karriere, eine luxuriöse Besetzung für den Samuel war er aber schon damals.
    Der Star ist natürlich Domingo - für mein Empfinden war das damals seine beste Zeit. Hervorragende Phrasierung, Spitzentöne, die natürlich und nicht ertrotzt wirken wie später oft, und ein großes Melos, was insbesondere im Duett mit Amelia Wunder wirkt.
    Der Renato des Renato Bruson ist gewohnt elegant, aber er hat mir in dieser Partie ein bißchen zu wenig Dämonie, gerade in der Verschwörungsszene - da hätte ich auch lieber etwas kernigere Tiefe gehabt, aber das ist ein lediglich geschmackliches Detail, das der sehr guten Gesamtleistung des Sängers keinen Abbruch tut.
    Katia Ricciarelli war eigentlich eine ideale Amelia - sie wirkt immer ein klein wenig abwesend, wie in einer anderen (Vorstellungs)welt: anders kann der ganze Schlamassel, in den sie alle Beteiligten bringt, ja auch gar nicht entstehen. Wo sie dann leidend seuzend singen kann, klingt sie am besten.
    Nicht zufrieden bin ich mit der Leistung von Elena Obraztsova. Sie findet für jeden Ton eine andere, meist häßliche, Farbe, und legt so viel glucksende Wucht in ihren Vortrag, daß es bestenfalls unkultiviert wirkt. Stimmliche Gewalt und Durchschlagskraft hat sie zweifelsohne, und auf der Bühne mag das mit einer soliden schauspielerischen Leistung gepaart auch angehen, aber die Aufnahme wird durch ihre Eigenheiten nicht verbessert.
    Was bleibt, ist der Oscar von Edita Gruberova - was soll man sagen? Makellos wie immer, aber das Spitzbübische, was auch zu dieser Figur gehört, finde ich bei ihrer gesanglichen Darstellung eher nicht.


    Abbado und Chor und Orchester der Scala muszieren so engagiert und kundig, wie es dieses an großer musikalischer Schönheit so reiche Stück verdient.


    Fazit: eine wertvolle Ergänzung der Maskenball-Sammlung.


    Morgen werde ich mir die DVD aus Covent Garden anschauen, mit einer etwas anderen Besetzung.


    Grüße!


    Honoria.

    "...and suddenly everybody burst out singing." (Busman's Honeymoon)

  • Eine Aufnahme eher für Spezialisten verdient in jedem Fall einen Hinweis: der New Yorker Mitschnitt mit Jussi Björling in der Hauptrolle. Leider ist es nie zu einer Studioaufnahme gekommen ; bei der Produktion mit Solti war er vorgesehen, doch kam es dann zum Krach (über dessen Verlauf und Ursachen es ein halbes Dutzend Versionen gibt) ; und ehe die Angelegenheit bereinigt werden konnte war Björling tot... Daher muß man, um einen der besten Riccardos überhaupt zu hören, auf die Aufführung von 1940 zurückgreifen:

    Einzelne giebt es sogar, auf deren Gesicht eine so naive Gemeinheit und Niedrigkeit der Sinnesart, dazu so thierische Beschränktheit des Verstandes ausgeprägt ist, daß man sich wundert, wie sie nur mit einem solchen Gesichte noch ausgehn mögen und nicht lieber eine Maske tragen (Arthur Schopenhauer)

  • Zitat

    Armin Diedrich:


    Eine Aufnahme eher für Spezialisten verdient in jedem Fall einen Hinweis: der New Yorker Mitschnitt mit Jussi Björling in der Hauptrolle. Leider ist es nie zu einer Studioaufnahme gekommen ; bei der Produktion mit Solti war er vorgesehen, doch kam es dann zum Krach (über dessen Verlauf und Ursachen es ein halbes Dutzend Versionen gibt) ; und ehe die Angelegenheit bereinigt werden konnte war Björling tot... Daher muß man, um einen der besten Riccardos überhaupt zu hören, auf die Aufführung von 1940 zurückgreifen:


    Ja, der Riccardo war meiner Meinung nach eine der besten Rollen Björlings, und dieser Mitschnitt bewahrt einen großen Opernabend. Ich mag auch das Dirigat Ettore Panizzas gern, denn ich finde, es zeigt auch die tänzerische, teilweise trügerisch leicht klingende Seite der Musik dieser Oper sehr gut.


    Der Riccardo war ja eine der Lieblingsrollen Björlings und schon 1954 hat er mit Toscanini für eine Studioaufnahme geprobt. Aus gesundheitlichen Gründen musste er damals kurz vor der Einspielung absagen, und Jan Peerce sprang ein. Einige Jahre später kam dann der Krach mit Solti, und Björling flog aus dem Ensemble – es hat nicht sollen sein…


    Auch die anderen Rollen des 1940er Mitschnitts sind gut besetzt, und die Ensembleszenen höre ich in dieser Aufnahme besonders gern. Vor allem das Quintett È scherzo od è follia hat es mir hier angetan. Björling singt zunächst mit leichtem, mokanten Ton (ohne Lachpassagen einzubauen), der allerdings immer zweifelnder wird und zum Schluss sehr melancholisch klingt. Und er „wirft“ sich zum Schluss so in die Musik hinein, dass er vom Ensemble förmlich aufgefangen wird. Und einen ähnlichen Eindruck habe ich auch beim Di tu se fedele.


    Wegen des „historischen“ Klangbildes ist der Met-Mitschnitt vielleicht nicht jedermanns Sache und in dieser Hinsicht noch problematischer ist ein Mitschnitt vom April 1950 aus New Orleans, der klanglich einige starke Beeinträchtigungen hat (meine Aufnahme ist allerdings von VAI Audio, aber ich denke, es liegt am Mitschnitt allgemein). Björling hat hier nicht mehr die jugendliche Leichtigkeit; das Tänzerische, Anmutige der 1940er Aufnahme ist für eine etwas dramatischere Gesamtkonzeption aufgegeben worden.



    Suzy Morris kämpft als Amelia wohl einige Male mit Intonationproblemen und hat sicherlich nicht die stilistische Leichtigkeit der Milanov – mich packt aber ihre Darstellung sehr: Die zwiespältigen Gefühle der Figur, ihre Verzweiflung, das ist hier ganz großes Kino und wirkt dennoch nicht aufgesetzt.


    Marko Rothmüller ist mit seinem leichten Bariton sicherlich keine typische Verdi-Stimme, singt jedoch sehr gestisch, besonders in der nächtlichen Szene, als er das Liebespaar ertappt (meine Lieblingsszene in dieser Aufnahme), außerdem mit feinem Legato, das ich besonders in „Eri tu“ sehr schätze.


    Aber insgesamt ist dieser Mitschnitt auch wegen des problematischen Klangbildes wohl wirklich eher Sammlern zu empfehlen.


    Viele Grüße
    :wink:
    Federica

  • Gestern habe ich nach langer Zeit einmal wieder diese Aufnahme aus dem Jahr 1975 angeschaut:

    Der Einfachheit halber paraphrasiere ich den Höreindruck, den ich schon einmal woanders schriftlich niederlegte und der sich nicht wesentlich geändert hat.


    Den Gustavo singt Placido Domingo. Er klingt am Anfang leicht gequetscht, es wird dann aber besser, im Duett mit Amelia ist er großartig. Er war nun auch damals noch sehr jung (34 Jahre) - dafür ist es eine sehr gute Leistung. Mit den Jahren gewann er noch gestalterische Tiefe, schon die von mir weiter oben angesprochene Aufnahme ist wesentlich nuancierter.


    Katia Ricciarelli singt die Amelia. Es war wohl ihre Glanzzeit in den 70ern, und sie hat wunderschöne Piani, aber irgendwie möchte ich sie immer schütteln, um sie aufzuwecken - sie wirkt auch stimmlich manchmal etwas unbeteiligt.


    Beim Renato von Piero Cappuccilli kann ich nur sagen: ja! So muß man Renato singen! Zu der überwältigenden Klangfülle kommt noch eine perfekte Textverständlichkeit - selbst als Schauspiel wäre es so noch sehr gut.

    Der Oscar von Reri Grist hat mir beim erneuten Hören trotz des federleichten Singens besser als damals gefallen, weil sie die Rolle immerhin auch sehr gut gestaltet.


    Elizabeth Bainbridge singt die Ulrica mit einer großartigen, metallischen Höhe; gleichzeitig bewältigt sie besser als viele mir bekannte Sängerinnen die überaus schwierigen tiefen Noten dieser tiefsten Verdi-Frauenpartie.


    Den Samuel gibt Gwynne Howell korrekt dunkel dämonisch.


    Orchester und Chor von Covent Garden werden von einem noch jugendlichen Claudio Abbado inspiriert geleitet.


    Das Manko der DVD ist die miserable Aufnahmequalität. Der Ton schleift bisweilen stark, das Bild ist manchmal körnig, und es gibt nur eine Einheitsuntertitelung auf Englisch, was mich zwar nicht stört, aber da sie nicht abschaltbar ist, empfinde ich diese Zwangsbeglückung als Manko. Der Handel verlangt für diesen Import aus UK echtes Geld (über 30€) - da würde ich, heute vor die Kaufentscheidung gestellt, doch etwas zucken.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing." (Busman's Honeymoon)


  • Liebe Honoria,


    die Aufnahme habe ich mir gestern auch mal wieder angehört und hier kann ich aber auch alles, was du über sie schreibst teilen.
    Domingo ist stimmlich 'at his best', gefällt mir aber auch in der Ausgestaltung seiner Rolle hier ganz ausgezeichnet.
    Elena Obraztsovas merkwürdiges Timbre kann ich nie ertragen, aber hier wirkt ihre Darstellung für mich auch noch gleichzeitig "unkultiviert" und dennoch auch maniriert, mit gesanglichem 'Overacting' und gerät dabei hier nicht auch noch die Intonation an vielen Stellen ins Unsaubere?


    :wink: Matthias

  • Mit der Abbado-Aufnahme bin ich nie so richtig warmgeworden, zuviele Beteiligte wirken auf mich eher unbeteiligt: Bruson immer gentlemanlike bis zum bitteren Schluss, Ricciarelli elegisch flötend, Gruberova der reinste Koloraturenautomat ohne einen Anflug von Charme und Keckheit. Obraztsova mit beeindruckender Tiefe, leider auch sonst unterirdisch. Und neben dem Rigoletto-Duca schien mir Riccardo/Gustavo immer diejenige Verdi-Partie zu sein, für die sich Domingo am wenigsten eignet: zuviel Erdenschwere, zu wenig Eleganz. Bruson als Riccardo, Domingo als Renato, das wär's gewesen :D. Abbado unterschreitet natürlich ein bestimmtes, sehr hohes Niveau fast nie, hat aber anderenorts auch schon inspirierter dirigiert.



    Viele Grüße


    Bernd

    .

  • Lieber Bernd!


    Verschreie es nicht am Ende leistet sich das noch Placido, und singt wirklich den Renato, der hat sich schon manches auf seine gereiften Tage erlaubt.


    LiebeGrüße sendet DirPeter aus Wien. :wink: :wink:

  • gereiften Tage

    Lieber Peter,


    klingt elegant, Respekt. Das ist Wiener Noblesse. Darf man damit dann auch seine künftigen Fehltritte in diese Schublade einordnen?



    Servus aus München


    Kristin :wink: :wink: :wink:

    Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt (Eugen Roth)

  • Nur zur Abrundung des Bilds:
    diese Aufnahme läßt man am besten im Regal.


    Die Produktion stammt aus dem Jahre 1943 und hat berühmte Mitwirkende, aber die hatten größtenteils einen rabenschwarzen Tag.
    Benjamino Gigli als Riccardo keift in's Mikrofon, als wollte er einem Marktweib Konkurrenz machen; er singt so hektisch und selbst für seine Verhältnisse unreflektiert, daß einem vor dem Land graust, dem ein solcher Gouverneur vorsteht.
    Maria Caniglia als Amelia läßt ebenfalls den gewohnten Wohlklang vermissen; wahrscheinlich ließ sie sich von Gigli mitreißen.
    Für Gino Bechi als Renato kann ich mich ebenfalls nicht erwärmen. Er singt scheppernd und plakativ, keine Spur von der Gestaltung einer der dankbarsten Bariton-Rollen der Literatur.
    Fedora Barbieri als Ulrica ist in Ordnung, aber die Hexe ist ja ohnehin ziemlich autistisch angelegt - man singt halt seinen -hier gewohnt wohltönenden- Part strikt durch. Es gibt schlimmere Ulriken.
    Von Elda Ribettis Oscar kann man das nicht sagen - meine Güte, natürlich soll Oscar ein Teenager sein, aber man muß nicht wie ein Kindergartenkind in's Mikrofon krähen, um die Partie glaubwürdig zu gestalten.


    Tullio Serafin dirigiert Chor und Orchester der Oper Rom. Hektisch, künstlich, aufgesetzt. Kann es daran liegen, daß es eine Kriegsproduktion ist? Jedenfalls kommt diese CD in den Schrank und wird da von mir so schnell auch nicht wieder herausgeholt.


    Grimmige Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing." (Busman's Honeymoon)


  • Riccardo: José Carreras
    Amelia: Montserrat Caballé
    Renato: Ingvar Wixell
    Ulrica: Patricia Payne
    Oscar: Sona Ghazarian
    Silvano: Jonathan Summers
    Samuel: Robert Lloyd
    Tom: Gwynne Howell
    Ein Richter: Robin Leggate
    Amelias Diener: William Elvin


    Orchestra and Chorus of the Royal Opera House, Covent Garden (London)
    Sir Colin Davis
    (07/1978 & 01/1979)


    Robert Levine, der nicht nur eine lesenswerte Callas-Biographie, sondern auch das amüsante Plädoyer für die Oper „Weep, Shudder, Die: A Guide to Loving Opera“ verfasst hat, kennt sich in der Welt der Oper und der Opernaufnahmen aus. In Punkto der hier vorgestellten Aufnahme von Verdis Maskenball schreib Levine auf ClassicsToday zwei vollkommen korrekte Dinge, nämlich, dass zum Aufnahmedatum José Carreras der Besitzer der schönsten Tenorstimme weltweit war und dass die Caballé zu diesem Zeitpunkt ebenfalls zu den schönsten Sopranstimmen überhaupt gehört habe. Darum, aber auch nur darum sei diese Aufnahme ein Fest, und zwar immer dann, wenn einer der beiden oder – noch besser – beide gemeinsam sängen. Was soll ich sagen: der Mann hat Recht. Sowohl Carreras also auch die Caballé sind hier tatsächlich in Bestform (bei ihr war das in diesen Jahren ja leider nicht konstant so).


    Carreras ist in meinen Ohren der ideale Riccardo: elegant, selbstbewusst, selbstsicher bis hin zur Naivität. Stimmlich liegt ihm die Partie ganz außerordentlich. Mit schon fast baritonalem Schmelz, jeder Ton ideal sitzend, glänzend phrasierend, den Charakter Riccardos ganz unangestrengt auslotend ist er bei der Gestaltung dieser Rolle – in meinen Ohren – ein würdiger Nachfolger Bergonzis.


    Dass ich die Caballé gerne lobe und preise dürfte unseren Opernfreunden hier schon aufgefallen sein. Nun lag ihr nicht jede Partie, schon gar nicht am Ende der 70ger, die Amelia gehört allerdings dazu. Leicht, mädchenhaft, verzweifelt und unschuldig, mit gewohnt phänomenaler Atemtechnik und phantastischen Griffen in die Pianissimo-Schubalde liefert sie eine wirklich wunderbare Darstellung.


    Die beiden anderen großen Partien sind allerdings nicht sonderlich günstig besetzt, tatsächlich kann man den Eindruck haben, dass hier die B-Besetzung zum Einsatz kommt.


    So war Ingvar Wixell zwar durchaus ein veritabler Bariton, was man beispielsweise anhand seiner Darstellung des Scaripa nachvollziehen kann (die „Tosca“ war zeitnah in der gleichen Besetzung – Carreras, Caballé, Wixell, Davis - wirklich glänzend produziert worden). Der Renato liegt ihm allerdings nicht. Technisch macht ihm die Partie keine Schwierigkeiten, aber sein Timbre ist zu hart, zu tenoral, zu kultiviert, sein Ton ohne rechten Körper. Eine psychologisch überzeugende Darstellung des Umschlages von treuem Freund zum Riccardo-Mörder gelingt ihm nicht, überhaupt fehlt ihm hier die Butter beim Fisch, die Italianità oder – wie es ein singender Freund von mir bei solcher Gelegenheit immer sagt: der Wumm.


    Patricia Payne als Ulrica ist nicht einmal durchschnittlich. Sie singt sich so durch, der technische Anspruch der Partie nimmt sie dermaßen in Beschlag, dass sie keine Gelegenheit hat, die Figur zu gestalten. Die einzige Dämonie, die von ihr ausgeht, hat ihren Ursprung darin, dass sehr deutlich wird, wie teuflisch schwer diese Partie überzeugend umzusetzen ist. Dass das ganz anders geht, zeigen Shirley Verrett, Giuletta Simionato der Fiorenza Cossotto bei Muti.


    Sona Ghazarians Oscar ist piepsig. Mehr nicht.


    Die beiden Verschwörer Tom und Samuel sind mit den eigentlich immer eindrucksvollen, grimmigen Briten Gwynne Howell und Robert Lloyd bestens besetzt, auch Jonathan Summers als Silvano und Robin Leggate als Richter und William Elvin als Amelias Diener sind ordentlich besetzt.


    Chor und Orchester des Royal Opera House singen und spielen höchst routiniert - bisweilen so routiniert wie ein Orchester gegen Ende einer Spielzeit. Das hat aber viel mit Sir Colin Davis’ Dirigat zu tun, das einigermaßen blutleer, wenn nicht akademisch wirkt. Da fehlt die berühmte Innenspannung, der Druck, mit dem man eine Verdi-Oper dirigieren muss, der Zug nach vorn, die Leidenschaftlichkeit, die an jeder Ecke hervorbrechen sollte.


    Insgesamt frage ich mich nach dem Hören, wie wohl der vier Jahre zuvor entstandene Mitschnitt mit Carreras und Caballé gelungen ist, der den beiden mit Renato Bruson einen höchstwahrscheinlich passionierteren Renato und mit Francesco Molinari-Pradelli einen im Genre sich natürlicher bewegenden Dirigenten zur Seite stellt?


    :wink: Agravain

  • Diese Aufnahme habe ich schon lange nicht gehört,



    es ist eine LIVE Aufnnahme aus der Scala Milano, 1957, mit Maria Callas als wundervoll singender Amelia und mit ihrem Lieblingspartner Giuseppe di Stefano als Riccardo. Er sagte einmal in einem Interview dass diese Oper eine seiner Lieblingsopern sei. Ettore Bastianini konnte zwar auf der Bühne kaum spielen aber er ist ein fabelhafter Renato gewesen - auch in Wien. Giuletta Simionato als Ulrica ist eine Wonne zum anhören. Auch sie war eine der Lieblingsmezzos in Wien. Eugenia Ratti singt einen kristallklaren Pagen Oscar nur für einen Pagen schon mit etwas reiferer Stimme.


    Gianandrea Gavazzeni dirigiert den Chor und das Orchester Scala bewährt gut. :juhu: :juhu:


    Das Alter merkt man dieser Aufnahme nicht an - außer das damals noch die Handlung in Boston spielte.

  • Eine ganz besondere Aufnahme ist wohl diese hier:



    Ich habe diese LIVE - Aufnahme aus Edinburgh noch als LP Gesamtaufnahme und mir auf 2erCDs gebrannt.


    Bewundernswert ist hier die Amelia von Ljuba Welitsch und alles was man von ihrem Spieltemperament und Stimmschönheit sagen konnte fällt hier auf. Es ist die Frau die leidet in einer ausweglosen Liebe. Mirto Picchi ist ein schön singender und sich der Liebe vollkommen bewusster Riccardo. Paolo Silveri als Renato ist wundervoll, er leidet, dass er Freundes-brüchig wird und werden muss. Jean Watson eine unheimliche Ulrica und Alda Noni der Oscar, glänzend mit den Koloraturen nur so perlend.


    Bei keiner anderen Aufnahme habe ich das Quintett des 2. Aktes - Amelia, Riccardo, Renato, Samuel, Tom so rasant gespielt und gesungen gehört und so aufregend wie hier.


    Das diese Aufnahme [ein Konzertmitschnitt] vom 29.7.1949 ist glaubt man der Helle der Aufnahme kaum. Es spielt das Glyndebourne Festival Orchestra und der Chor der Festspiele, der Dirigent ist Vittori Gui.


    Diese Aufnahme ist auf alle Fälle eine Empfehlung die sie wert ist. :juhu: :juhu:


    :wink:

  • Hallo Peter,


    ich habe die Aufnahme in dieser wunderschönen Ausgabe..... mit dem sehr schönen Portrait der Welitsch ! :)
    Und ja sie singt die Amelia mit einer ausgesprochen schönen Stimme ! Das Duett mit Picchi ist fantastisch und sehr emotional !


    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/21Q3Z1R7TZL._SL500_.jpg]


    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Lieber palestrina!


    Ich habe Ljuba Welitsch noch kennenlernen dürfen, denn ihre Stimme war ja nicht mit einem Schlag weg [könnte man bei der Ehe mit dem Wachmann fast meinen], denn sie sang ja noch eine der Walküren, 1. Dame bis etwa 1958,


    und dann darf man nicht ihre komödiantischen Rollen, wie z. B. im Film "Helden" die Mutter der Liselotte Pulver nicht vergessen. Sie war eine "Institution" humorvoll, trotzdem, auch nach der Scheidung und liebenswürdig.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter. :wink: :wink:


  • MET 1991 - Da die Aufführung gestern in ORF III gezeigt wurde, gebe ich - nur erste - Eindrücke von mir: Pietro Faggionis Inszenierung beeindruckt durch schöne Kostüme und teilweise nicht üble Kulissen, verdirbt aber viel durch eine Personenführung, die sich teilweise leider nur unter hohles Opernpathos einordnen läßt. Gestik und Posen wirken mitunter fast schon peinlich übertrieben und äußerlich.Da ändern einige gute Momente auch nicht viel (was mir gefallen hat: Wie Gustavo-Pavarotti von der Todesprophezeiung getroffen ist, das aber zu überspielen versucht, wobei seine Verstörtheit dennoch immer wieder durchkommt - das war echt gut. Wenn man dagegen aber die Oscar-Verrenkungen beobachtet, Gustavos Sterbegrimassen oder Amelias Verzweiflungsklischees, dann wendet man sich mit Grausen). Schade, daß sich Faggioni zumeist mit Oberflächenspektakel begnügte.
    James Levine dirigierte sehr gut, wenngleich manchmal für mich etwas forsch. Aber Verdi liegt ihm gut, kein Zweifel.
    Luciano Pavarotti als König hatte nicht seinen besten Tag, mußte sich langsam warmsingen und hatte zum Schluß sichtlich Mühe durchzuhalten. Aber ein Pavarotti mit Abnützungserscheinungen ist und bleibt noch immer ein Erlebnis und läßt viele andere Tenöre in Bestform hinter sich. Er ging aber auf die Intentionen des Regisseurs meines Erachtens zu bereitwillig ein.
    Aprile Millo sang die Amelia gut. Ich fand sie aber nicht außergewöhnlich oder besonders differenzierend. Freilich hatte sie es besonders schwer, da ihr das Regiekonzept offenbar nicht viel Möglichkeiten bot.
    Leo Nucci als Renato bemühte sich, sang brav, blieb aber der vokal-musikalischen Charakterisierung doch viel schuldig, obwohl er einige beindruckende Augenblicke hatte.
    Florence Quivar, die Ulrica - gut. Ob sie immer wirklich ganz sauber sang, mag ich nach nur einmaligem Hören nicht beurteilen.
    Harolyn Blackwells Oscar beeindruckte durch bewegliche und meist mühelose Höhe. In den unteren Lagen war aber nichts los, da klang die Stimme farblos und nichtssagend. Wenn man die Virtuosität etwas eingedämmt und die Gefühlswerte besser zum Ausdruck gebracht hätte, ja wenn... Immerhin: Alle diese Kritik, auch die vorher geäußerte, soll nicht das hohe Niveau schmälern, daß man der Aufführung musikalisch bescheinigen kann.
    Ausgesprochen gut das böse Grafenpaar. Das waren zwei maßstäbliche Leistungen.


    Liebe Grüße
    Waldi

    ______________________


    Homo sum, ergo inscius.

  • (cover zu finden bei Amazon.com)


    MYTO Historical Line 2003


    Zu haben auch bei Bongiovanni:  


    und Cantus Classics:


    Beim Live-Mitschnitt einer Genfer Aufführung von 1946(!) neigt man vor dem Kauf zum Zögern, aber die Namen Mario del Monaco und Giulietta Simionato gewannen mit ihrer Anziehungskraft dann doch die Oberhand über meine Skrupel - Laus Deo (Gottlob)! Denn für diese Zeit und diese Bedingungen ist die Tonqualität trotz einiger Schwankungen tadellos. Daß man nicht mit spätere Maßstäbe anlegen darf, versteht sich von selbst, aber ich war positiv überrascht.


    Nino Sanzogno geht die Sache zunächst bedächtig an, kommt dann auf Touren und gestaltet dann recht effektvoll, läßt es manchmal sogar etwas knallen, schaltet jedoch auch zeitweise zurück fast bis zum Schleppen. trotz dieser etwas forcierten Dramatik spürt man aber den versierten Verdi-Dirigenten. Keine Interpretation im Top-ten-Bereich, aber immerhin genußvoll.


    Der junge Mario del Monaco als Riccardo dokumentiert einmal mehr, daß er auf der Bühne ganz anders zur Geltung kommt als im Studio. Er verläßt sich keineswegs nur auf die Attacke oder sein ausgesprochen betörendes Timbre. Natürlich wird er ab und zu etwas ungestüm, aber das fügt sich ganz gut in den Charakter des mit sich ringenden Helden. Sicher zeichnet del Monaco kein psychologisch sehr vertieftes Charakterporträt, aber auch keinen einseitigen Typus. Teilweise erreicht seine Leistung durchaus Referenzniveau. Leider hat man ihm - was in der Zeit der Aufnahme öfter passierte - die zweite große Arie gestrichen.


    Solches möchte ich der Ulrica der Simionato uneingeschränkt zuerkennen. Die setzt Maßstäbe.


    Carla Castellanis Amelia gehört stilistisch eher zur damals schon konservativen Richtung. Technisch exzellent mit perfekten Tönen. Ausdruck wird zwar nicht vernachlässigt, bleibt aber nachgeordnet bzw. innerhalb standardmäßiger Routine. Daß sie bald ins Lehrfach überging, kann man gut verstehen. Trotzdem schade, daß es offenbar nicht viele Aufnahmen von ihr gibt, die Kehle besitzt Goldschimmer.


    Auch Pietro Biasini, der Renato, mutet im Stil etwas retardierend an. Stimmlich imposant, stark als Persönlichkeit, jedoch in punkto Gefühlsleben teilweise etwas primitiv oder künstlich wirkend. Insgesamt beeindruckend, aber eben stilistisch gewöhnungsbedürftig.


    Marisa Morel trifft das Bübische des Oscar ganz genau. Daß sie in der Höhe manchmal etwas schrill anmutet, könnte mehr der Tontechnik anzulasten sein, aber da will ich mich nicht festlegen.

    ______________________


    Homo sum, ergo inscius.

  • Hallo Waldi,


    mich würde sehr interessieren, wie du diesen Turiner "Ballo in maschera" von 2012 (mit Gregory Kunde als Riccardo) beurteilst: "https://www.youtube.com/watch?v=ZwMeTTVuUYU". Ich verstehe nicht viel von Stimmen, aber es war der einzige, der mich bisher nachhaltig fesseln konnte, was vorher weder Pavarotti noch Domingo noch Alvarez geschafft haben :hide: .


    VG, stiffelio

  • Liebe stiffelio,


    Den kenne ich leider noch nicht. Sobald ich etwas dazu sagen kann, melde ich mich natürlich.



    Liebe Grüße


    Waldi

    ______________________


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  • Jetzt habe ich ein bißchen hineingehört. Erste Eindrücke: Gutes Dirigat, die Inszenierung nicht besonders. Amelia stimmlich besser als Oscar, der aber nicht schlecht ist. Kunde als Riccardo (interessant, daß man 2012 noch die "amerikanische" Version spielt!) recht ordentlich, aber keine Spitzenbesetzung. Dazu ist die Stimme einige Quentchen zu unbeweglich und zu wenig sinnlich. Ein leicht rauher Riccardo mit etwas heldischem Beiklang - das ist an sich durchaus möglich, aber in der Spitzengruppe klingt es doch anders.


    LG


    Waldi

    ______________________


    Homo sum, ergo inscius.


  • MYTO 2011


    Live-Aufführung 1961


    Wirft man einen ersten Blick auf die Besetzungsliste, dann erwartet man, eine typische Scala-Vorstellung zu hören, aber nein, es ist ein Mitschnitt aus Bologna. Eine stimmige Aufführung auf hohem Niveau, die Tonqualität ist nicht exzellent, aber einigermaßen solid. Oliviero der Fabritiis bekommt das Orchester sehr bald gut in den Griff, achtet auf Schönklang, aber auch auf Charakterisierung. Mit Leyla Gencer als Amelia und Carlo Bergonzi als Amelia und Riccardo kann man natürlich zwei der damals (ich möchte betonen: auch heute noch immer!) hervorragendsten Interpreten dieser Partien genießen, aber die anderen Protagonisten halten da durchaus mit. Mario Zanasi (1927-2000) als Renato verfügt über eine sehr schöne, passende Stimme ebenso wie das Verräterpaar Samuel und Tom (Alessandro Maddalena, dessen Daten ich nicht finden konnte, und Giovanni Foiani, * 1929). Die Ulrica singt Adriana Lazzarini, die sich, 1929 geboren, offenbar auch noch zu den lebenden italienischen Legenden zählen darf. Die früh verstorbene Dora Gatta (1928-1979), ist ein überzeugender Oscar mit leichten Abstrichen in der Höhe.
    Zu Bergonzi ist nur anzumerken, daß er als schmachtender Liebhaber hier am besten überzeugt, während das dramatische Element weniger zur Geltung kommt.
    Im Hinblick auf Entstehungszeit und Entstehungsbedingungen gebe ich der Aufnahme gerne 4-4,5 Sterne.

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    Homo sum, ergo inscius.

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