Wenn ich Dich, lieber Christian, insoweit ein klein wenig korrigieren darf: Ich verlange anspruchsvolle Programme, wenn sie angekündigt sind. Nur dann. Aber dann möchte ich sie auch hören.
Wenn Du "verlange" durch "wünsche" oder meinetwegen auch durch "erwarte" ersetzt, stimme ich Dir zu. Kunst bleibt aber einfach ein Risiko, welches man zwar mit genügend Erfahrung einigermaßen abschätzen und kalkulieren aber niemals ganz ausschließen kann, es sei denn man bleibt einfach in der Komfortzone. Das Problem bei der Erarbeitung neuen und anspruchsvollen Repertoires ist doch, dass man erst mit der Arbeit das Stück und seine Anforderungen nach und nach erkennt. Bei der heute üblichen Vorlaufzeit von meist mehreren Jahren müssen sich Leute wie Trifonov also zu einem Zeitpunkt auf ein Programm festlegen, zu dem sie noch gar nicht wissen können, was da genau auf sie zukommt. Ich habe das selbst einige Male erlebt, zuletzt vor zwei Jahren, als ich ein gutes Jahr vor dem Konzert ganz locker ein Stück zugesagt habe, von dem ich dann ein paar Monate später entsetzt feststellen musste, dass es mich an meine absoluten Grenzen bringen würde. Auch wenn das letzten Endes und dank eines irren Aufwandes noch einmal gut gegangen ist, hätte es auch schief gehen können. Und die handwerklichen Schwierigkeiten, um die es hier ging, sind ja noch am ehesten abzuschätzen und zu kalkulieren. Was soll man aber machen, wenn man bei der Arbeit an einer scheinbar einfachen Mozart-Sonate feststellt, dass sie einem musikalisch je mehr über den Kopf wächst, als man sich mit ihr beschäftigt? Gerade bei Mozart kennt das übrigens so ziemlich jeder Musiker, und die meisten nehmen dann halt irgendwann eine Version, die einigermaßen zu funktionieren verspricht. Manche haben aber solche künstlerischen Skrupel, dass sie das einfach nicht können und dann irgendwann gar nicht mehr "funktionieren", berühmtestes Beispiel war wohl Carlos Kleiber. Der schlechteste war er deshalb nicht...