Do., 19. Mai 2022: WIEN (Staatsoper): Richard Wagner, Götterdämmerung
Fünf Jahre ist meine letzte „Götterdämmerung“ her (Mai 2017), was für mich Grund genug war, heute wieder hinzugehen, um zu sehen, ob sich mein „durchwachsener“ Eindruck dieses Stückes bestätigt: Ja, das hat er leider (stellenweise recht gut, aber um ein Vielfaches zu lang!), somit werde ich meine nächste „Götterdämmerung“ nicht eher als in fünf Jahren hören...
Der mittelmäßige Eindruck könnte natürlich auch den Sängern anzulasten sein, weil eine „Götterdämmerung“ ohne Siegfried und Hagen einfach nicht funktioniert. Sehr gut gefallen hat mir hingegen Nina Stemme, die dem Vernehmen nach in dieser Serie ihre letzten Wiener Brünnhilden singt (mir wurde außerdem erzählt, dass sie in einem Interview geäußert habe, demnächst an Klytämnestra zu denken), und mir, der ich in meiner Opern-Anfangszeit kein Fan von ihr war, gefällt sie immer besser! Die Stimme ist herrlich dunkel, erreicht aber die Höhen wunderbar, zudem besitzt sie ein schönes Timbre und genügend heldisches Metall in der Stimme. Freilich bin ich nicht taub dafür, dass sie jetzt mit 59 Jahren nicht mehr so unverbraucht wie dereinst klingt (auf Youtube kann man sich übrigens Stemme-Aufnahmen aus dem Jahre 1993 anhören), das stört mich aber nicht. Dafür war der Siegfried von Michael Weinius ein Totalausfall: Gut, in Wien ist man Stephen Gould gewohnt; dass Weinius an jenen nicht herankommt, nimmt nicht wunder, dennoch war ich sehr irritiert von seiner kleinen, unschönen, meckernden, leisen Stimme, zudem waren mehrere Notenwerte entsetzlich ungenau (also daneben), und im Text war er auch unsicher; dass er das hohe c im dritten Akt nicht einmal versuchte, war vielleicht besser so. Albert Dohmen sang den Hagen im ersten Akt sogar akzeptabel, um dann im zweiten und dritten Akt zu zeigen, dass er mit der Rolle völlig überfordert ist: Im zweiten fehlte (insbesondere beim Mannenruf) das Stimmvolumen, und im dritten war er dann am Ende seiner Kräfte, insgesamt also zum Vergessen. Darüber hinaus finde ich sehr ärgerlich, dass der Hagen jetzt schon wieder (nach Falk Struckmann, der allerdings auf „seine“ Art sehr gut war und vor allem richtig fies-hinterhältig) von einem Bariton gesungen wurde.
Wenngleich also Siegfried und Hagen quasi nicht existent waren, hinterließen die Sänger der kleinen Rollen einen überwiegend sehr guten Eindruck: Szilvia Vörös zeigte als Waltraute, dass sie zu den kostbarsten Ensemblesängerinnen gehört, ebenso Regine Hangler als Gutrune (und dritte Norn). Eine Luxusbesetzung für den Alberich war Jochen Schmeckenbecher, der in der von ihm gewohnten sehr hohen Qualität antrat, akzeptabel war Clemens Unterreiner als Gunther. Die kleinen Frauenrollen waren mit Noa Beinart, Joanna Kędzior, Patricia Nolz und Stephanie Maitland sehr gut besetzt, lediglich Stephanie Houtzeel fiel – wieder einmal – unangenehm auf (diesmal als zweite Norn). Sehr gut waren das Orchester unter Axel Kober, der recht schnelle Tempi wählte ohne die Aufführung gehetzt wirken zu lassen (113+63+73 min), und der Chor. Die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf ist durchschnittlich und harmlos. Sehr wenig Andrang am Galeriestehplatz (dafür viele bekannte Gesichter).