Rassismusverdacht im Nussknacker
Aus der Presseschau in einen eigenen Faden überführt
Weg mit den Chinoiserien - Rassismusverdacht im Nussknacker:
Aus der Presseschau in einen eigenen Faden überführt
Weg mit den Chinoiserien - Rassismusverdacht im Nussknacker:
Klar hat sich Petipa das aus den Fingern gesogen, so wie auch Puccini seine 'Madame Butterfly' oder all die Franzosen mit ihren exotischen Opern. Aber wenn Satire alles darf, weil sie frei ist und Kunst ist, warum darf Kunst selber nicht mehr alles? Warum muss man sie wegsperren, statt über sie zu diskutieren? Gesprächsanlass und so.
Jede Form der Kunst, die Exotisches darstellt und älteren Datums ist, ist doch eigentlich Rassismus verdächtig, mindestens der beleidigenden Klischees. Soll das jetzt alles weg? Muss das jetzt alles weg?
Das ist doch Teil unserer Geschichte und der haben wir uns zu stellen. Wegschließen, absetzen, verschweigen etc. löst doch gar nichts. Im Gegenteil.
Wolfram
Das ist doch Teil unserer Geschichte und der haben wir uns zu stellen. Wegschließen, absetzen, verschweigen etc. löst doch gar nichts. Im Gegenteil.
Deshalb sagt der verlinkte Bericht ja auch ganz in deinem Sinne:
"Statt die sündteure "Nussknacker"-Produktion von 2013 ein- für allemal zu canceln, setzt sie auf eine akribische Analyse der Inszenierung und schickt sie solange ins Depot. Wer das für überflüssig hält, kultiviert ein Ballett-Image von vorgestern: Hauptsache hübsch, Weltbild gleichgültig!"
und
"Es ist absolut wünschenswert, dass der Berliner "Nussknacker" nach der Begutachtung wieder ins Rampenlicht zurückkehrt - gerahmt von Publikumsformaten und kulturhistorischer Expertise".
Denn
"Seitdem haben zahlreiche Ensembles ihren "Nussknacker" einer Inspektion unterzogen und seine Konturen zeitgemäß gestrafft. Was bedeutet, dass ethnische Karikaturen entschärft oder historisiert wurden, wie es sich nun mal für eine ernsthafte Diversitätskultur gehört".
Ich habe den Eindruck, ihr seid euch da ziemlich einig...
Ich habe den Eindruck, ihr seid euch da ziemlich einig..
Nicht ganz, denn letztlich wird sie erstmal ins Depot geschickt und "Seitdem haben zahlreiche Ensembles ihren "Nussknacker" einer Inspektion unterzogen und seine Konturen zeitgemäß gestrafft." geht trotzdem nicht. Das ist Übertünchen von Unliebsamen. Warum auch hier nicht Zeigen und Kommentieren, falls es überhaupt notwendig ist. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass man dem Publikum nun so gar nichts mehr zutraut.
Wolfram
Es geht allerdings gar nicht um die Gefahr, dass jemand als Rassist aus einer Ballett-Vorstellung kommt, der es vorher nicht war. Die Befürchtung ist, dass sich irgendwer als beleidigt zu erkennen geben kann. Und statt dass man dem dann sagt, dass das unbegründet ist, knickt man lieber schon in vorauseilendem Gehorsam ein und findet sich dabei auch noch ganz toll. Das hat mit dem Ende des historischen Bewusstseins zu tun, dass die Postmoderne im Zuge und zur Unterstützung des Aufstiegs des Neoliberalismus eingeleitet hat. Nun ist alles eine große Gegenwart (wie es Heiner Müller Ende der 80er prophezeit hat), und alles wird an den jeweilig gerade gültigen Maßstäben gemessen. Künstlerische gibt es nicht mehr, aber nahezu täglich wechselnde Sprech- und Zeigeverbote tun es auch. Und man findet sich natürlich sehr klug, wenn man Kant vorwerfen kann, dass er in mancher Hinsicht nicht gedacht hat wie wir heute. Es ist der Triumph der Haltung des Famulus Wagner, allerdings ganz und gar nicht lustig. (Goethe hat sich nicht träumen lassen, dass diese Haltung einmal zur gesellschaftilchen Norm werden könnte, sonst hätte er darüber vielleicht nicht gewitzelt.)
Es geht allerdings gar nicht um die Gefahr, dass jemand als Rassist aus einer Ballett-Vorstellung kommt, der es vorher nicht war. Die Befürchtung ist, dass sich irgendwer als beleidigt zu erkennen geben kann. Und statt dass man dem dann sagt, dass das unbegründet ist, knickt man lieber schon in vorauseilendem Gehorsam ein und findet sich dabei auch noch ganz toll. Das hat mit dem Ende des historischen Bewusstseins zu tun, dass die Postmoderne im Zuge und zur Unterstützung des Aufstiegs des Neoliberalismus eingeleitet hat. Nun ist alles eine große Gegenwart (wie es Heiner Müller Ende der 80er prophezeit hat), und alles wird an den jeweilig gerade gültigen Maßstäben gemessen. Künstlerische gibt es nicht mehr, aber nahezu täglich wechselnde Sprech- und Zeigeverbote tun es auch. Und man findet sich natürlich sehr klug, wenn man Kant vorwerfen kann, dass er in mancher Hinsicht nicht gedacht hat wie wir heute. Es ist der Triumph der Haltung des Famulus Wagner, allerdings ganz und gar nicht lustig. (Goethe hat sich nicht träumen lassen, dass diese Haltung einmal zur gesellschaftilchen Norm werden könnte, sonst hätte er darüber vielleicht nicht gewitzelt.)
Sehr gut dargestellt, auf den Punkt. Danke!
Mir scheint, Du hast übersehen, dass es der Standpunkt eines »Leftis« (wie Du das wohl nennst) ist, dem Du so enthusiastisch zustimmst.
Tatsächlich meine ich (und habe das zugegebenermaßen nur mit einer kurzen Andeutung ausgedrückt), dass das eigentliche Problem an diesen Bestrebungen ist, dass sie die Linke spalten und diskreditieren und außerdem (das ist der eigentliche Zweck) die Gesellschaft nicht nur spalten (das besorgt de Bundesregierung besser), sondern atomisieren, indem sie in eine große Menge narzisstischer Individuen verwandelt, die miteinander um die maximale Aufmerksamkeit konkurrieren. Dass Sie damit keine linken Interessen vertreten, ist offensichtlich, weniger offensichtlich ist, wessen Interessen sie vertreten, wenn man aber das von Mrs. Thatcher formulierte grundlegende Dogma des Neoliberalismus ansieht (»There is no such thing as society«) und einbezieht, sieht man schon ganz gut, welche Politik da betrieben wird. Und ein Blick auf das, was man von den Dokumenten der Mont-Pelerin-Gesellschaft weiß, zeigt dann schnell, dass genau diese Atomisierung exakt den Zielen der Bestrebungen dient, die dem Neoliberalismus erfolgreich zum Triumph verholfen haben. In dieser ideologischen Ausrichtung nahezu ausnahmslos aller politischen Bewegungen und Parteien auf die Bestätigung des Status Quo und den weiteren Ausbau des Bestehenden liegt das eigentliche Problem, nicht in ein paar ungedruckten oder von der Inquisition überarbeiteten Büchern oder Filmen. Das kann man zur Not rückgängig machen. Die Zerstörung der Gesellschaft und die Diskreditierung jeder Alternative nicht. Jedenfalls nicht so leicht.
Die Kritik lässt sich so von links wie von rechts teilen. Ich kann da, wohl zu Ihrem Bedauern, voll mitgehen.
Das bezweifle ich zwar, da ich nicht glaube, dass man die Diskreditierung und Schwächung der Linken von rechts aus bedauern kann, aber es ist auch egal. Ich brauche weder Zustimmung noch Ablehnung und habe Aussagen wie »ganz meine Meinung, großartig, vielen Dank« schon immer lächerlich und überflüssig gefunden.
Bemerkenswerte Umgangsformen, einen Beitrag, der Zustimmung ausdrückt, als „lächerlich und überflüssig“ zu bezeichnen. Das sagt viel über die sich so äußernde Person aus. Aber grobe Manieren sind, meiner Empirie nach, bei sich selbst als links bezeichnenden oder so einzustufenden Menschen durchaus statistisch wahrscheinlicher als bei liberalen und rechten. Insofern: „Lefties do what lefties do.“
Hier kann gern weiter diskutiert werden. Allerdings unter Wahrung der Forenregeln; insbesondere sei auf die Regeln 9 bis 11 verwiesen!
Hallo Wolfsschlucht,
erfreulich, dass erneut Beiträge von dir zu lesen sind.
Zugegeben: Diskussion über Rassismusverdacht im Nussknacker kommt mir nicht besonders interessant rüber. Viel lieber zieht sich mein Brägen RT-Beiträge rein.
Aber grobe Manieren sind, meiner Empirie nach, bei sich selbst als links bezeichnenden oder so einzustufenden Menschen durchaus statistisch wahrscheinlicher als bei liberalen und rechten. Insofern: „Lefties do what lefties do.“
Mein Brägen vermutet, dass du damit auch vor allem Liebhaber sog. konventionellen Inszenierungen versuchst zu verteidigen. Durchaus ehrenwert .
Falls du gleichfalls dich dieser Zielgruppe zurechnest, könnte dein Versuch, der sich vor allem auf subjektiv einzeln (meiner Empirie nach) rüberkommende Argumentation (damit ohne Notwendigkeit) stützt, also "Lefties" statisch (?) vergleichweise größenen Anteil an gröberen Manieren zuzuweisen, der von dir anvisierten Zielgruppe sog. konservativer Kulturkonsumenten image-mäßig sehr schaden. Er würde dem Verdacht sich aussetzen, dass diese quasi für bessere Menschen sich halten. Neutralen bzw. rt-unentschiedenen Lesern käme dies im ungünstigen Fall als Hofart rüber.
Und sowas - wie eben Imageschaden deiner anvisierten Zielgruppe - kann doch nicht in deinem mutmaßlichen Interesse an einem kulturpolitischen Rollback für das Mucken-Theater/Oper liegen. Gelle ?
Zumal dein Posting sich dem Risiko von Widerspruch aussetzen könnte. Denn einerseits versuchst deine Behauptung mit "statistsch" zu untermauern, was sowieso durch entsprechende Daten zu unterfüttern wäre. Andererseits verweist du auf meine Emperie.
Mein Brägen bleibt weiterhin gespannt auf weitere Beiräge von dir im RT-Thread.
Respekt vor Euch dreien in allen Ehren! Wenn das mal nicht strotzt vor Dialektik, was hier abgeht, und insofern sublimst humoristisch in der Wirkung! [Das ist nicht der Optimalsmiley, aber jeder andere würde auch nicht passen.]
Wolfgang - in summa wohl eher Leftie als Rightie ... mir scheint aber, dass solche Schienen in der Postmoderne nicht mehr funktionieren ... also so richtig nicht mehr.
Wolfgang - in summa wohl eher Leftie als Rightie ... mir scheint aber, dass solche Schienen in der Postmoderne nicht mehr funktionieren ... also so richtig nicht mehr.
Ja, das ist die Behauptung der Postmoderne. Man weiß ja (oder kann es eben an dieser Behauptun leicht erkennen), wessen Interessen sie vertritt. Und eben dazu gehört, dass alles in einen Brei vermatscht wird, so dass Unterschiede nicht mehr erkennbar und demzufolge verändernde Impulse dann auch nicht mehr entstehen können. Es ist nicht schwer, diese Haltung einer politischen Richtung zuzuordnen. Und wenn es die gibt, gibt es zwangsläufig auch ihre Gegenteil, auch wenn diese Gegend zur Zeit nur extrem dünn bevölkert ist.
Wolfgang - in summa wohl eher Leftie als Rightie ... mir scheint aber, dass solche Schienen in der Postmoderne nicht mehr funktionieren ... also so richtig nicht mehr.
Ja, das ist die Behauptung der Postmoderne. Man weiß ja (oder kann es eben an dieser Behauptun leicht erkennen), wessen Interessen sie vertritt. Und eben dazu gehört, dass alles in einen Brei vermatscht wird, so dass Unterschiede nicht mehr erkennbar und demzufolge verändernde Impulse dann auch nicht mehr entstehen können. Es ist nicht schwer, diese Haltung einer politischen Richtung zuzuordnen. Und wenn es die gibt, gibt es zwangsläufig auch ihre Gegenteil, auch wenn diese Gegend zur Zeit nur extrem dünn bevölkert ist.
In Nordamerika ist die Zuordnung der Postmoderne zu einer politischen Richtung ziemlich eindeutig. Dort ist sie nahezu ausschließlich von einer identitätspolitisch geprägten politischen Linken okkupiert. Die Annahme dabei ist, dass es gerade diese Haltung sei, die Veränderung herbeiführt. Ganz so einfach ist die Welt also nicht, auch wenn mancher sich das wünschen mag, um das eigene Bild der Dinge bestätigt zu bekommen.
Aber wir sollten hier wohl besser zum "Nussknacker" zurückkehren.
LG
in summa wohl eher Leftie als Rightie ... mir scheint aber, dass solche Schienen in der Postmoderne nicht mehr funktionieren
Ja, das ist die Behauptung der Postmoderne.
für mich stimmt das so nicht, ich finde viele Ansätze in der Postmoderne interessant und würde niemals der Aussage zustimmen, dass rinks und lechts irgendwie bedeutungslos geworden wären. Für diese Aussage stimmt:
Man weiß ja (oder kann es eben an dieser Behauptun leicht erkennen), wessen Interessen sie vertritt.
Zurück zum Thema: Der Stein des Anstoßes sind die "chinesischen" Szenen des Nußknackers, die nun einmal dumpf-ignorante Stereotypen aus der Zeit des europäischen Imperialismus transportieren und nicht mehr in die (post)moderne Zeit des gegenseitigen Respekts passen. Der heutige Chinese ist für uns halt nicht mehr ein gelbhäutiger Ulk mit vorstehenden Zähnen, der drollige Musik macht, sondern ein gleichberechtigter Erdenbürger. Man muss die Menschen von früher nicht auf anachronistische Weise kritisieren, um ein Werk der damaligen Zeit nicht mehr im selben Geiste heute aufzuführen.
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