• Leibowitz und Beethoven

    Leider eher ein Geheimtipp, tatsächlich aber einer der besten, wenn nicht der beste aller Zeiten!

    Ich denke, inzwischen ist das kein Geheimtip mehr, und mit dem Superlativ wäre ich vorsichtig. Seinerzeit allerdings, in den 1960ern/70ern war das, was Leibowitz mit Beethoven gemacht hat (zu erwähnen ist auch Hermann Scherchen) sicher wegweisend; inzwischen gibt es immerhin viele, die in dieser Tradition genannt werden müssen, z. B. Gardiner, Norrington, Zinman, Mackerras, Gielen, P. Järvi u.v.m. Auch Blomstedt und Jansons gehören m. E. in die erste Reihe. Selbstverständlich ist meine Aufzählung unvollständig und gibt nur meine persönliche Favorisierung wieder.


    Vgl. auch


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz
    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Über eine Gesamtaufnahme der Schostakowitsch-Oper "Lady Macbeth von Mzensk" op. 29, die ich morgen live in der Staatsoper Hamburg erleben werde, verfüge ich nicht, aber immerhin habe ich 17 Minuten aus dem 1. Akt auf diesem Galina Wischnewskaja-Album mit dem London Philharmonic Orchestra sowie dem Herrn Gemahl am Dirigentenpult:


  • Hier lief:



    Johann Sebastian Bach: Messe h-Moll BWV 232


    Isabelle Poulenard, Guillemette Laurens, René Jacobs, John Elwes, Max van Egmond, Herry van der Kamp

    Collegium musicum van de Nederlandse Vereniging

    Le Petite Bande

    Gustav Leonhard


    Durchgeistigt. Gefällt mir sehr.


    Davon ab ist die ausführliche Einführung von Walter Blankenburg sehr lesenswert.

    In selbiger findet sich übrigens folgender denkwürdiger Satz, der ziemlich gut formuliert, was mich hier (und in vielen anderen Kompositionen und deren unterschiedlichen Lesarten) auf der einen Seite interessiert und auf der anderen bewegt: „Indes, Entstehungsgeschichte, Gestaltungs- und Stilelemente sind nicht wesentlich an sich, sondern bilden die transparente Hülle um einen geistigen Gehalt.“


    :wink: Agravain

  • Anna Tsybuleva

    Von dieser Pianistin habe ich mir gerade das Brahms-Album mit Ruth Reinhardt gekauft. Wegen der Dirigentin, nicht wegen der Pianistin.


    Lachsalven löste bei mir der von der Pianistin verfasste Booklettext aus, wonach sie sich im Sommer 2015 mit Brahms auseinandergesetzt habe, mit seinem Leben, seinen Briefen und seinen Kompositionen, aber dann ganz plötzlich feststellen musste, dass Brahms überraschenderweise schon tot ist. Das ist wirklich kein Scherz. Originaltext: "And suddenly, I read that Brahms has died". Wie musikhistorisch ungebildet kann man sein und trotzdem eine Pianistenkarriere machen?

    2 Mal editiert, zuletzt von music lover ()

  • Dabei hatte ich mich schon so auf die Uraufführung seines 9. Klavierkonzerts in Ges-Dur, op. 503 mit dem Meastro selbst am Flügel gefreut. :megalol:

    :megalol:


    Ich frage mich auch, was diese Pianistin denn beim Lesen der Briefe von Brahms z.B. an Clara Schumann oder an Robert Schumann geglaubt hat. Dass die auch alle noch leben?

  • Ich frage mich auch, was diese Pianistin denn beim Lesen der Briefe von Brahms z.B. an Clara Schumann oder an Robert Schumann geglaubt hat. Dass die auch alle noch leben?

    das dürfte mit ziemlicher Sicherheit auf eine Ungeschicklichkeit des Übersetzers zurückführen sein, dem evtl. nicht bekannt war dass die Leutz alle nicht mehr leben.


    Allerdings, wenn die Pianistin sich nur 5-6 Jahre mit Brahms beschäftigt hat und dann gleich diese Aufnahme machen musste, dann erklärt mir das einiges...

    Nach deiner lobenden Erwähnung der Dirigentin hatte ich kurz in das zweite Klavierkonzert reingehört. Die Pianistin schien mir massiv überfordert, vielleicht nicht manuell, aber um so mehr im nötigen Zugriff. Es ist schön ruhig, ebenmäßig, unbrahmsisch.


    Bin gespannt wie die Aufnahme auf dich wirkt. Eventuell gebe ich dem 3. Satz noch eine Chance.


    Gruß,
    Khampan

  • Lachsalven löste bei mir der von der Pianistin verfasste Booklettext aus, wonach sie sich im Sommer 2015 mit Brahms auseinandergesetzt habe, mit seinem Leben, seinen Briefen und seinen Kompositionen, aber dann ganz plötzlich feststellen musste, dass Brahms überraschenderweise schon tot ist. Das ist wirklich kein Scherz. Originaltext: "And suddenly, I read that Brahms has died". Wie musikhistorisch ungebildet kann man sein und trotzdem eine Pianistenkarriere machen?

    Frag mal, wie viele Musikerkollegen Ahnung noch vom alten Jazz haben? Vor Dizzy und Monk gab es keinen Jazz. Und genau SO klingen sie dann auch. Warum sollte es nicht auch in der Klassik möglich sein, dass solche Flachtüten keine Ahnung haben, wer Brahms war und ob er lebt oder nicht ? Ich watre auch immer noch auf die Achte von Sibelius oder die Siebte von Nielsen, aber da scheint sich ja auch nix mehr zu tun. Immerhin schreibt der Segerstam noch seine 350.Sinfonie, wenn wir Glück haben. Grins1 Grins1 Grins1

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Nach deiner lobenden Erwähnung der Dirigentin hatte ich kurz in das zweite Klavierkonzert reingehört. Die Pianistin schien mir massiv überfordert

    Absolut Deiner Meinung. Ich finde diese Einspielung höchst mittelmäßig, ohne große interpretatorische Aussagekraft. Die Pianistin haut mich alles andere als um. Auch die Dirigentin, die mir bei Dvorák 5 sehr gefallen hat, reißt hier nichts raus.

    Frag mal, wie viele Musikerkollegen Ahnung noch vom alten Jazz haben? Vor Dizzy und Monk gab es keinen Jazz. Und genau SO klingen sie dann auch. Warum sollte es nicht auch in der Klassik möglich sein, dass solche Flachtüten keine Ahnung haben, wer Brahms war und ob er lebt oder nicht ?

    Traurig, aber wahr. Ich habe ja während der ersten beiden Semesters meines Jurastudiums ein bisschen "studium generale" gemacht und auch Vorlesungen und Kurse an der Musikhochschule in Hamburg sowie am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg besucht (u.a. eine Mahler-Vorlesung von Constantin Floros). Die Musik- und Musikwissenschaft-Studenten, die ich dort kennengelernt habe, mochten vielleicht ganz toll auf ihren jeweiligen Instrumenten gewesen sein, aber Ahnung von Musikgeschichte und der aktuellen Musikszene hatte kaum jemand. Namen, die ich in den Mund nahm wie z.B. Maurizio Pollini oder Claudio Abbado waren zwar der Dozentin, nicht aber den anderen Studenten bekannt. Ich erinnere noch, dass ein Doktorand, mit dem ich mich unterhielt, noch nie etwas von den Berliner Philharmonikern gehört hat. Ein solches Orchester war ihm völlig neu.


    Wäre vielleicht ein Thema für einen eigenen Thread.

  • Die Musik- und Musikwissenschaft-Studenten, die ich dort kennengelernt habe, mochten vielleicht ganz toll auf ihren jeweiligen Instrumenten gewesen sein, aber Ahnung von Musikgeschichte und der aktuellen Musikszene hatte kaum jemand. Namen, die ich in den Mund nahm wie z.B. Maurizio Pollini oder Claudio Abbado waren zwar der Dozentin, nicht aber den anderen Studenten bekannt.

    So in etwa ist es auch heute noch. Ich weiß von einem inzwischen mehrfachen Preisträger im Jazz, den ich zufällig als jungen Teenager kennen gelernt habe, dass er seine liebe Mühe hatte, um solche Standards wie "Caravan" zu spielen. Natürlich kann der darüber wahnsinnig improvisieren, aber das Thema vorstellen, wie es Sinn ergibt, das konnte er nicht wirklich. Doch mit 13 Jahren auf dem Altsaxophon Stücke im aberwitzigen Tempo von Charlie Parker, und später dann von John Coltrane zu spielen, das hat der aus dem Ärmer quasi geschüttelt. Er hat gerade erst mit seiner preisgekrönten Band vor dem Bundespräsidenten gespielt. Nur so viel dazu. Frage aber mal nach, ob er Dir einen Abend aus dem "Goldenen 20-er Jahren" spielen kann, da kommt fassungsloses Kopfschütteln. Die Basis, die Seele des Jazz, die geht ihm ab (ich wiederhole mich, aber kann wirklich sein Instrument hervorragend spielen. Darum geht es überhaupt nicht). Und seinen in etwa gleichaltrigen Kollegen auch.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Hier mal der von mir belächtelte Satz im Zusammenhang des Textes. Sie schreibt über den Sommer 2015 und ihre damalige Beschäftigung mit Brahms:

    Zitat von Anna Tsybuleva

    I live with his music in my soul, I hear it in my head, whilst on the train, in the park, or having a cup of coffee with croissant in a café on the street.


    And suddenly I read that Brahms has died.


    "What? Wait! It cannot be! I played his Concerto this morning, he was fine, he was in his prime!"

    Ich hoffe, das wörtliche Zitat ist kurz genug (auch im Verhältnis zu dem von mir in den vorherigen Postings diesbezüglich Geschriebenen), dass es so hier stehen darf.

  • Wäre immerhin auch als etwas verschrobene Aussage zu einer von der Pianistin gemeinten Aktualität von Brahms' Musik denkbar .... immerhin hat sie irgendwo Musik studiert ...

    Originaltext: "And suddenly, I read that Brahms has died".

  • Ich glaube im Dritten Satz wird klar, wie sie es gemeint hat.

    ♪┏(°.°)┛┗(°.°)┓┗(°.°)┛┏(°.°)┓ ♪

  • Wäre immerhin auch als etwas verschrobene Aussage zu einer von der Pianistin gemeinten Aktualität von Brahms' Musik denkbar

    Ich glaube im Dritten Satz wird klar, wie sie es gemeint hat.

    Auch im Zusammenhang ihrer Worte kann ich dem Satz "And suddenly I read that Brahms has died" keinen irgendwie gearteten Sinn entnehmen. Hätte sie das sagen wollen, was man ihren Worten wohlwollend entnehmen könnte, dann wäre ein Satz wie "And all that happens to me although the man is dead, but his music is still alive" sinnvoll gewesen.


    Aber der Satz "And suddenly I read that Brahms has died" - der sogar einen eigenen Absatz bekommen hat, womit die Zäsur gegenüber dem vorher Geschriebenen zum Ausdruck kommt - ergibt einfach keinen anderen Sinn, als dass die Autorin davon überrascht war, dass Brahms tot ist. Für sie war er offenbar, bevor sie dies gelesen hat, noch am Leben. Oder sie hat sich gar keine Gedanken darüber gemacht. Aber jedenfalls war dies ("suddenly") eine plötzliche, neue Erkenntnis.

  • Ja es ist sehr unglücklich geschrieben oder schlecht übersetzt, da stimme ich absolut zu.

    Aber sie weiß natürlich, dass Brahms nicht mehr lebt.

    ♪┏(°.°)┛┗(°.°)┓┗(°.°)┛┏(°.°)┓ ♪

  • Ich gehe von einem Druckfehler aus.

    Im dritten Satz schreibt sie ja, wie gegenwärtig er ihr durch seine Musik ist.

    „And suddenly I rea-alize-d that Brahms usw.“ würde dann aus meiner Perspektive schon einen gewissen Sinn machen.


    :wink: Agravain

  • Lachsalven löste bei mir der von der Pianistin verfasste Booklettext aus, wonach sie sich im Sommer 2015 mit Brahms auseinandergesetzt habe, mit seinem Leben, seinen Briefen und seinen Kompositionen, aber dann ganz plötzlich feststellen musste, dass Brahms überraschenderweise schon tot ist. Das ist wirklich kein Scherz. Originaltext: "And suddenly, I read that Brahms has died". Wie musikhistorisch ungebildet kann man sein und trotzdem eine Pianistenkarriere machen?

    Ich bezweifle sehr, daß sie es im wörtlichen Sinne gemeint hatte. Es geht eher darum auszudrücken, wie nah - im übertragenden Sinne: lebendig - ihr seine Musik ist. Es ist vielleicht tatsächlich etwas seltsam ausgedrückt, wenn sie davon schreibt, daß sie plötzlich von Brahms' Tod erfahren hat. Aber daß sie es tatsächlich nicht gewußt haben sollte...nee...

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    jd

  • Aus dem Zusammenhang wird mir völlig klar, wie sie es meint.

    Du hast recht . So verstehe ich auch , wie sie es meint . Es gibt halt nicht nur schwarz auf weiß , sondern auch zwischen den Zeilen .

    Good taste is timeless / "Ach, ewig währt so lang " "Not really now not anymore" "But I am good. What the hell has gone wrong?"

  • Es geht eher darum auszudrücken, wie nah - im übertragenden Sinne: lebendig - ihr seine Musik ist.

    Vor allem auch wie lebendig ihr Brahms als Mensch in seiner Musik erscheint. Sie spricht ja davon. dass sie sich mit ihm durch seine Musik unterhält. Sie bemerkt, wie seine Persönlichkeit durch seine Musik zu erkennen ist. Auch teile er seine philosophischen Ideen in seiner Musik.


    Und dann wacht sie aus ihrer Reverie auf. Und ihr wird klar, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen der so lebendigen Musik und der sogenannten Realität.


    Sie sagt dann das Wichtigste....."I felt the fantastic power of music on me. It connected us through the ages, through space". Mit anderen Worten: Brahms ist nicht tot, obwohl er gestorben ist.

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