Eben gelesen

  • Oscar Wilde - Lady Windermere's Fan



    Noch so ein scheinbar unscheinbares Juwel. Oberflächlich, lächerlich, absurd....was soll's? Tja. Der Clou der Sache könnte sein, dass derjenige, der es oberflächlich findet, selber oberflächlich ist und besser auch so bleibt, denn sonst kann man sein Leben nicht leben. Don't go down the rabbit hole. Wenn man genau hinschaut, wird hier alles in Frage gestellt. Wahrheit, Moral, Treue, Loyalität, Instinkt, Intellekt, Integrität, Liebe, Mutterliebe.....alles kann man so oder so sehen, so oder so bewerten, so oder so verstehen. Derjenige, der sich seiner Sache absolut sicher ist, ist aber auf der nächsten Ebene der Esel. Am Ende schwimmt man in einem Meer von Ungewissheiten. Woran soll man sich halten? Was sind bleibende Werte, haltgebende Werte, moralische Werte, universelle Werte, welche man sich als verlässliche Richtlinien setzen könnte? ....Gibt es eine Antwort? Oder gibt es keine Antwort? Oscar Wilde hat es wieder einmal geschafft. Spiegel im Spiegel im Spiegel. Man schaut in eine Richtung und sieht etwas, aber es war nur das, was man selber in diesem Moment sehen kann.. Alles zwecklos also, diese Versuche sich selber und die Welt zu ergründen. Besser ist es nicht zu tief zu schürfen und mit dem Strom zu schwimmen so gut es geht.

    Man kann diese Häppchen von Wilde amüsiert weglegen. Vielleicht ist es besser so. Alles oberflächlich. And very Oscar Wilde.

  • 'Eben gelesen' stimmt noch nicht ganz, bin noch dabei:



    Von daher bin ich mir noch nicht sicher, worauf das Buch überhaupt hinauswill, aber der Beginn ist schon einmal ansprechend. So will ich es einmal nennen.


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Vorher gab es das:



    Laut Amazon-Rezension: »Ein unverstellter Blick auf einen großen Moralisten.« ZDF aspekte. Nun ja, das würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Eher der unverstellte Blick auf einen Theatergänger. Kästner erscheint mir hier nämlich so, als würde er dieser ganzen grauenhaften Weltgeschichte zuschauen wie einem sehr schrägen Theaterstück. Immer ein leicht distanzierter, ironischer Blick.


    Ganz viel Kriegsgeschehen und dabei ebenso viele Gerüchte, was wiederum dann dieses Tagebuch wirklich sehr interessant macht. Der Einblick in den Alltag in Nazi-Deutschland mitten im Krieg mit all den geflüsterten Wahrheiten, den ständigen Korruptionen, den Versuchen, irgendwie zu überleben. Propagierte Ideologie versus Leben in Trümmern und das in jeglicher Hinsicht. Das kommt schon immer irgendwie durch, aber immer gebrochen durch diesen seltsam schrägen Blick Kästners. Vielleicht erzählt das Buch dann doch letztlich mehr über den Autor als über die Zeit.


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)


  • Tillmann Bendikowskis „Ein Jahr im Mittelalter“ ist mir vor einiger Zeit geschenkt worden. Nun habe ich endlich die Zeit gefunden, es in einem Zug durchzulesen – und es war mir insgesamt ein Vergnügen.

    Bendikowskis Buch richtet sie sich im Wesentlichen an jene Leserinnen und Leser, die sich mit dem (deutschen) Mittelalter noch nicht oder doch zumindest nur wenig auseinandergesetzt haben. Dies ist kein tiefschürfendes Fachbuch, sondern vielmehr eine Einladung dazu, sich auf unterhaltsame Art und Weise einen Weg ins Mittelalter zu bahnen. Der Autor nimmt die geneigte Leserschaft an die Hand und geleitet sie durch verschiedene Bereiche der Lebensrealität jener Zeit. Ich hatte aufgrund des Titels tatsächlich etwas anderes erwartet, und zwar eine Darstellung dazu, wie Jahreskreislauf und Menschenleben im Mittelalter miteinander verzahnt waren. Doch das Jahreszeitliche ist, das wird schnell nach Einstieg in die Lektüre deutlich, im Grunde nur der Aufhänger und das lockere Verbindungsglied mit dessen Hilfe Bendikowski populäre Mittelalter-Themen (die Bandbreite reicht vom Stadtleben über die Kreuzzüge, Rittertum, Sex, Folter, Glaube, Leben, Tod, Kleidung hin zu Burgen- und Kathedralbau und Rechtsprechung) miteinander verknüpft. Pro Monat wählt er sich ein Hauptthema, das mit dem Monat oder der Jahreszeit aber im Grunde nicht viel zu tun hat. Seinen zeitlichen Schwerpunkt legt Bendikowski ins 12. Jahrhundert. Die historischen Ereignisse jenes Säkulums (Kreuzzüge, Wormser Konkordat, Regnum Kaiser Barbarossas usw.) und deren Genese dienen als Hintergrund des Bilderbogens, den er aufzieht. Dabei entsteht auf 400 Seiten ein farblich saftiges Mosaik aus Anekdoten, Quellentexten und wohlrecherchierten Alltagsfakten, das in seiner Fülle schon fast etwas überbordend ist. Aber wenn man sich es zum Ziel setzt, in volle Menschenleben hineinzugreifen, dann geht es im Grunde auch kaum anders.

    Bendikowski Stil, der plaudernd, alltagsnah und freundlich-distanziert ist, sorgt dafür, dass man sich durchweg gut unterhalten fühlt. Es ist ein heiterer, seinen Gegenstand liebender Vergil, mit dem man hier durch die lichten und düsteren Ecken der Epoche wandert. Daneben ist das Buch schön bebildert und mit einem sehr soliden Literaturverzeichnis bestückt. Ich hatte meine Freude daran!


    :wink: Agravain

  • Nach wie vor in Thomas Manns erstaunlichen Josephroman, so gesehen nix Neues hier (außer daß der erste, die "Geschichten Jaacobs", mir deutlich mehr gibt als der zweite, der "Junge Joseph", und den eigentlich nur durchrudere um nach Ägypten zu kommen; aber ich habe ja immer Zweitlektüre :)


    Und das ist dies hier:


    Bret Easton Ellis, "The Shards".


    Ich hatte niemals vorher irgendwas von diesem Autoren gelesen. Auch nicht seinen Skandalerfolg "American Psycho", nie in der Hand gehabt, aber den Skandal damals schon mitbekommen.


    "The Shards" ist ein ungeheuer beunruhigendes Buch (ich bin erst halb durch). Es spielt unter reichen Jugendlichen in Hollywood, sonnendurchflutet alles, und im Hintergrund metzelt ein Seriemörder, aber bislang gibt's keine Gewalt in diesem Buch, nur ein bißchen schwulen Sex. Es passiert auch wenig und die Protagonisten sind reich, dumm und uninteressant. Trotzdem hat der Roman eine fast körperliche Intensität, und er macht echt Angst: nicht diese Stephen King -Angst, woan noch ne Kerze anmacht und sich wohlig gruselt, sondern eine existentielle Furcht. Ich weiß garnicht wie der Ellis das eigentlich macht.


    Kurz gesagt: mich hat lange kein Buch mehr so erreicht, so gefesselt und mitgenommen ohne daß ich sagen könnte wieso überhaupt - den Backkatalog von Ellis habe ich bestellt, ich will alles lesen was der Mann gemacht hat. Großes Buch!


    Über Thomas Mann dann später mehr, der wird mich eh Jahre begleiten Grins1 also auch Euch



    :)





    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • Oh ja!


    Ich wundere und ärgere mich seit Jahrzehnten darüber, daß Dickens nicht den Ruf hat wie etwa Tolstoi (der ein ganz großer Bewunderer von Dickens war). Ein Wunderwerk von einem Roman, den sollte man gelesen haben, und wenn man das hat wartet eine ganze Welt zum Staunen und Entdecken denn aufhören geht nicht mehr...



    :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • Die Dickens Lektüre von "Zwei Städte", ein ziemlich "zusammengehauener" Roman in einer Qualität, wie man sie Tolstoi nie hätte durchgehen lassen, wird unterbrochen.

    Aber ich lese dennoch zuende, weil neben der haarstäubenden Handlung man etliches von dem Verhältnis Frankreich/England zur Zeit und nach der Franz. Revolution erfährt, das nicht unbedingt in Geschichtsbüchern zu finden ist.

    Egal.

    Unterbrochen wird es, weil ich erstmals, obwohl seit ca. 30 Jahren im Regal

    Wolfgang Koeppen. "Tauben im Gras" las.

    Aktuell ist nun: Eine Lehrerin aus Ulm weigert sich, das Buch als Abitext in BaWü zu akzeptieren, weil darin (geschrieben 1951!) dauernd das N-Wort vorkommt und nun eine wahrlich deftige Debatte losgebrochen ist.

    Dass das N-Wort so oft vorkommt, ist kein Wunder, denn in einer der vielen parallel erzählten Geschichten aus dem amerikanisch besetzten München von 1950/51 wird auch eine Liebesgeschichte einer Kriegerwitwe mit 11 Jährigen Sohn Heinz zu dem schwarzen Soldaten Washington erzählt und Heinz und Mutter haben so einiges auszuhalten.

    Höhepunkt ist übrigens, als sie schwanger von Washington das Kind abtreiben lassen will, er es aber um ihrer Liebe willen verhindert, was sie fuchteufelswild macht. Soviel zum Rassimus.

    So war es eben. Die Deutschen ersetzten ihren Antisemitismus durch Rassismus und Koeppen beschreibt das.sehr genau.

    Aber das ist nur ein Aspekt dieses wunderbaren Buches.

    Ich kann jetzt verstehen, weshalb Suhrkamp als Verlag Koeppen jahrelang finanzierte. "Tauben im Gras " sind besser als alles, was ich an frühen Werken Bölls oder gar Arno Schmidt gelesen habe. Und ne Thomas Mann "Verarsche" kommt auch vor, köstlich.


    Tja und dann wird in der SZ auf DDR Literatur bzw. Literatur von Leuten aus der DDR hingewiesen, die zur Zeit dank guter Übersetzungen in den USA gefragt sind und auf Listen von "Book awards" stehen.

    Hier sind es zwei/drei Werke, die ich nochmals nachlesen sollte

    Wolfgang Hilbig: "Ich"

    Die Verstrickung des IM Cambert mit der Regierung. Vieles spielt sich im wahrsten Sinn unter der Erde ab.


    Und dann,- aber das ist meine Meinung-, der geniale Fortsetzer Hilbigs Schaffen.

    Clemens Meyer mit zwei Romanen, die vor Ostern dran sind:

    "Als wir träumten"

    und natürlich das von mir schon mehrfach erwähnte Meisterwerk

    "Im Stein"


    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

    Einmal editiert, zuletzt von Doc Stänker ()

  • Agatha Christie - The Murder of Roger Ackroyd - Der Mord an Roger Ackroyd



    Hm. Dumm, wenn man die Lösung vorher weiss, wie es bei mir der Fall war. Aber dennoch....ist es wirklich ihr Bestes? And then there were none ist mir als um einiges komplexer und verblüffender in Erinnerung geblieben.

  • ist es wirklich ihr Bestes?

    Tatsächlich finde ich es sehr schwierig Dame Agathas „Bestes“ zu identifizieren. Der berühmte Bruch in „The Murder of Roger A.“ macht den Roman schon besonders. Aber der Fall selbst?


    Meine Favoriten auf den Titel wären vielleicht diese:


    Nemesis

    The A.B.C. Murders

    Sad Cypress

    und

    The Crooked House.


    Und den Rest mag ich auch. Grins1


    :wink: Agravain

  • Agatha Christie - The Murder of Roger Ackroyd - Der Mord an Roger Ackroyd



    Hm. Dumm, wenn man die Lösung vorher weiss, wie es bei mir der Fall war.

    Nun ja, nach knapp hundert Jahren dürfte sie sich etwas herumgesprochen haben…

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • So, dies wird ein bißchen Kraut und Rüben, es hat sich doch einiges an Leseerlebnissen zusammengesammelt. Ich fange mal an mit Bret Easton Ellis "The Shards", denn inzwischen ist er zuende gelesen.



    Ein ausgewiesener Skandalautor wegen seines "American Psycho"s, ich aber gehöre zu den wohl nicht sehr zahlreichen Lersern die weder den noch sonst irgendwas von ihm kannten vorher. Und wenn ich die "Shards" nun ins Gesamtwerk einordnen kann dann andersrum: weil ich mehr von ihm in Rückblick las, mit diesem als Lokomotive, sozusagen, die mich dann in die andren Sachen hineinzog.


    "Shards"" finde ich einen ganz außergewöhnlichen Roman, um Längen besser als alles was ich danach las von Ellis. Ein Psychothriller um eine Mordserie eines Schlächters (sind es mehrere?) Im Highschoolbiotop wohlhabender, partyversessener und leerer Jugendlicher, in Ichform dargeboten vom Erzähler, der ebenso leer und nach Sinn taumelnd ist. Ein ungemein beunruhigendes Buch, sehr, sehr dichte Atmosphäre, in dem wenig geschieht, das aber gründlich und unheilsschwanger. Er hat seine Längen, aber die sind nur lange Anläufe zu noch mehr Verunsicherungen. Und wie das alles sich dann auflöst, und auch eben nicht auflöst, sondern eine konstante Beunruhigung im Leser (in mir jedenfalls) hinterläßt, wie dieses Buch nachwirkt nachdem ich schon lange eigentlich durch war, sowas habe ich sehr selten nur erlebt. Ein Horrortrip mit feiner Klinge, in seiner Art ein Meisterwerk. Puh. Boah. Welch ein Hammerroman!


    Dann las ich vom selben Autor erstmal "Unter Null" -- macht Sinn, weil sein Alter Ego in den Sharks eben daran gerade arbeitet





    Sein Erstling, geschrieben mit 18 eigentlich für einen Kurs in Creative Writing, nur daß der. Lehrer begeistert war und ihn einem Verlag empfahl und er so veröffentlicht werden konnte und viel Furore machte. Ganz nett, aber noch unausgereift irgendwo, für seine 180 Seiten n bissl zu lang.


    Und dann doch American Psycho, der Splitterhaft-Pornographische Skandal in der US-Literaturvder späten 80er Jahre.




    Ich sag's gleich: Den brach ich nach 300 von 550 Seiten ab: aber nicht der (allerdings bestürzend bestialischen) Brutalitäten wegen, sondern weil dies Buch einfach zu lang ist für das was es verdeutlichen will an innerer Leere des Yuppietums und deren Auswüchse. Nach der Hälfte ist alles gesagt, jeder hat's begriffen, dann kreist es alles nur noch um sich selbst. Bis dahin allerdings hat es brillante Stellen, der innere Auflösungsprozeß der icherzählenden Hauptfigur, die Leere, die Zweifel, die absurden Rituale (Sport, Kleidung, Konsum),, die in der ersten Hälfte nur gelegentlich und sparsam eingestreuten Gewaltphantasien, das alles fand ich eindrücklich, bewegend und virtuos gemacht. Wenn diese Yuppiezombies da in ihren Sternerestaurants saßen und sich gegenseitig mit Sprachmüllcodes bei der Stange hielten ohne auch nur zu wissen wer da ihnen gegenüber saß, da fühlte ich mich gelegentlich an Grüßen DeLillo erinnert... Es entlarvt sich grandios und virtuos selbst, dieses Brokergesabbel... Die Schlachtbank des letzten Drittels ist dann eigentlich unnötig. Zuende lesen wird zur surrealen Verschwendung. Das Buch ist zu lang. Es trägt keine 550 Seiten. Aber schön nun mal ein differenziertes Bild eines erstmal durchaus differenzierten Buches zu haben, das dann kein rechtzeitiges, vertretbares Ende findet sondern sich in eigenen Gewaltstrudel abhanden kommt. Im Ganzen mißlungen, im Entwurf aber groß.



    Nun zum Joseph in Ägypten zurückzufinden wird eine ganz eigene Aufgabe werden, auf die ich mich freue... ich bin ja sehr weit fortgetragen vom Bret Easton Ellis, der sehr viel kann, vileicht mehr als er zu gestalten imstande ist, der mich aber sehr fasziniert. Ich seinen "Luna Park" noch testen.


    Ich hatte erregende Lesezeiten, wenn auch nicht alle funktioniert wie vom Autor wohl gedacht!








    Grins1



    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • Bei mir gab es die letzte Zeit eine geballte Ladung Wien:



    Warum auch immer ich jetzt erst auf Doderer gekommen bin, immerhin wird man nicht immer vom Leben bestraft, wenn man zu (so) spät kommt, sondern manchmal trotzdem reich belohnt. Beide Romane ähneln sich ja in Thematik, Personenvielfalt, Schauplätzen etc. und sind trotzdem wunderbare Lektüre, jeder für sich.


    Doderer - ein österreichisches Unikum, wie ein Freund ihn bezeichnete? Ich würde vielleicht gar nicht so weit gehen, bei einer Literatur, die so viel 'Schräges' hervorgebracht hat. Aber Doderer ist schon eine Klasse für sich. Wunderbare Charakterzeichnungen, eine Freude am Hin und Her bei Personen und Zeiten, eine Lust (und ein Können) am Spiel mit Sprache, eine Fülle von Bildern, die sich man sich alle einprägen möchte und ein unendlicher Humor. Doderer ist einfach beste Literatur, anspruchsvoll, mitreißend, süffig trotz allem.


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Danach gab es etwas aus einer ganz anderen Richtung:



    Immer hatte ich den Roman nach gut vierzig Jahren mal wieder lesen wollen, allerdings war mein Exemplar verschwunden. Nun habe ich ihn endlich wieder, sofort gelesen und mein Eindruck von damals bestätigte sich erneut. Große Literatur! Sehr geradlinig, sehr wagemutig (für 1941), kurz, komprimiert, dabei alles gesagt, was gesagt werden muss.


    6 Personen suchen ein Schicksal bzw. das Schicksal sucht sie. Ein Mord wird geschehen, das teilt die Autorin uns schon im zweiten Absatz mit und ziemlich schnell wird dem Leser klar, wer der Tote wohl sein wird. Aber das ist natürlich nicht das Entscheidende, sondern vielmehr der Weg, der dorthin führt, bzw. es sind die handelnden Personen, die uns nun in all ihrer Zerstörung vorgestellt werden. Und das nicht mitleiderheischend, nicht jammervoll betroffen, nicht verurteilend oder gar parteilich, sondern geradezu kühl - sachlich, sezierend, analysierend und trotzdem verstehend und teilnehmend. - So ist es, da kommt es her, da wird es hingehen.- McCullers entrollt eine Zwangsläufigkeit, die mitreißt und die wohl gerade wegen der Nüchternheit der Darstellung ein umso größeres Verständnis und auch Mitleid auslösen kann.


    Dabei berührt sie große Fragen: Wer ist Schuld? Wie wird man zu dem, der man ist? Wo biegt man falsch ab? Kann man aussteigen? Muss man aussteigen? Leben, Routine, Alltag, Sex, Angst, Scham, Gier, Trieb, Psyche, Neurose - es ist alles da, auf engstem Raum, aber nie aufgesetzt oder zwanghaft untergebracht. Diese Menschen sind so wie sie sind, es gibt Gründe dafür und man könnte ihnen allen 'eine runterhauen' - und sie gleichzeitig in den Arm nehmen.


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Lang nichts mehr geschrieben hier, ich habe ein bißchen ein schlechtes Gewissen, denn ich lese ja unablässig.... Mal kusorisch:


    Die TM-Lektüre des Josephs ist nach Beendigung des zweiten Bandes ("Der junge Joseph") ein bissl nach hinten geschoben worden. Man (ich) liest das nicht einfach so am Stück weg, es wäre auch schade darum. Nach ein paar Wochen Pause steht jetzt aber "Joseph in Ägypten" auf dem Programm. Der junge Joseph erwies sich als zwar großartig, aber in Teilen (besonders betrifft die die ersten drei "Hauptstücke") auch als zäh.


    Neben TM hab ich mich vor allem für Bret Easton Ellis begeistert. Nachdem sein Neuer, "The Shards", einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, wendete ich mich seinem sonstigen Werk zu. "Unter Null" hat mir ganz gut gefallen, wenn man bedenkt, daß dies ein Buch eines 19jährigen Anfängers ist. American Psycho ist vielleicht unterschätzt, weil er natürlich auf die extremen Splatter- und Pornoszenen reduziert ist (kein Wunder). Aber ich habe auch eine glänzende Satire auf die in den 80ern grassierenden Yuppeszene und ihre extreme Sinnentleertheit gefunden, mit Dialogen, die mich an DeLillo erinnert haben, nur vergröbert. Trotzdem hab ich ihn abgebrochen nach 350 Seiten, mir wurds dann zu heftig, und was der Autor zu sagen hat hat er gesagt. Aktuell bin ich in Lunar Park



    Und der gefällt mir sehr: Ellis beginnt autobiographisch und driftet dann langsam in eine fantasierte, absolut irre Geschichte mit Horrorelementen ab, bis der Leser nicht mehr weiß was oben und unten ist.


    Murakamis "Kafka am Strand" las ich nochmal, und es ist einer der Murakamis mit der stärksten Sogwirkung. Und ich bin viel in den Briefen von Hesse, denn der Suhrkamp-Verlag bringt eine zehnbändige Gesamtausgabe heraus (Band 9 erscheint am 27.6. und ist vorbestellt, die früheren landen eben nach und nach hier an), aber das ist natürlich mein ganz eigenes Ding, denn Hesse (dem man viel vorwerfen kann in Richtung Larmoyanz und plattem Romantizismus und überhaupt, ich bin ja nicht blind und weiß es selbst), ohne den gäbe es mich garnicht, und seine Briefe sind mir heut wichtiger als sein eigentliches Werk und ich brauche das eben.


    Soweit meine Wasserstandsmeldung. Ich werde hier regelmäßiger schreiben, nehm es mir jedenfalls vor.


    Zum Schluß noch eine Neuerwerbung, ein ganz großer Tip, ein tolles Buch:



    Eben begonnen, ein elegisches, nachdenkliches Werk zum Versinken, und auch aist bibliophiler Sicht ein Meisterstück (wenn Ihr mal was zum Verschenken braucht an Jemand der/die dem Meer zugetan ist und gern liest: hier isses Grins1 )



    :)

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    (Shunryu Suzuki)

  • Hallo Garcia,

    dein Link zeigt nichts an, und ich bin doch neugierig welches Buch du meinst.

    Bei mir ist es im Moment "Träume in den Zeiten des Krieges" von Ngugi wa Thiong'o, autobiographisches aus seiner Kindheit.


    Gruß, HollaD

  • Er müßte jetzt funktionieren, der Link, nachdem ich von Amazon auf jpc gewechselt habe. Falls es nur für mich sichtbar ist: "Auf See" von Maupassant, eine Mischung aus Erzählung und Essay anläßlich einer Segeltour, die er im Mittelmeer gemacht hat. Ein Buch wie eine Pause in einer immer irrer werdenden Welt (was er damals wohl schon ähnlich empfunden haben mag).


    Sichtbar?


    :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • Kein Buch, aber eine sehr interessante Broschüre.....




    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

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