Austausch über Höreindrücke von Sängerjubilaren

  • Es gibt ja die Videoaufzeichnung ihrer Münchner Sieglinde neben Robert Schunk als Siegmund.

    Jep. Die Vorstellung, in der ich war, wurde dafür aufgezeichnet, aber Raffeiner war so übel, daß nachgedreht werden musste.

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Der schwedische Tenor Set Svanholm (wir hatten ihn erst kürzlich im Rätsel-Thread) wurde heute vor 119 Jahren geboren.


    Zu ihm habe ich kein so inniges Verhältnis wie zu Frau Varady, da nicht mehr live erlebt auch auch kein absoluter Platten-Liebling von mir, der war in diesem Fach Lauritz Melchior - und als ich einmal eine Wagner-Oper mit Flagstad und Svanholm hörte, ärgerte ich mich etwas, dass sie nicht mit Flagstad und Melchior war... - sicher ungerecht, zumal ich Svanholm dann doch noch in einer Aufnahme sehr schätzen lernte, die Melchior (bis auf die Arie) nicht eingespielt hat, nämlich as Rienzi (Wien unter Krips, leider entsetzlich zusammengekürzt).


    Zum Hör-Vergleich schlage ich Siegmunds Schwert-Monolog von 1954 vor.


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    Mein erster Hör-Eindruck: schöne, gut durchgebildete Stimme, die unter der unteren Mittellage mitunter etwas "plärrig" klingt, da er sie künstlich zu verbreitern sucht, aber die Tiefe ist wieder sehr schön. Melchior phrasiert besser, in Artikulation und Ausdruck nehmen sie sich hingegen nicht viel. Tolle "Wälse"-Rufe! Danach könnte es für meinen Geschmack ein bissl lyrischer und zugleich emphatischer sein. Statt Linien singt er vieles Ton für Ton etwas abgehackt. "Ihres Blickes Strahl streifte mich da" gerät großartig. "Bleich" gerät leider nicht bleich. "Tief in des Busens Berge" hingegen großartig.

    Fazit: Nicht meine Lieblingsinterpretation (die dirigiert Bruno Walter), aber schon ein tolles heldentenorales Material, wie ich es heute sehr gerne mal live in dieser Rolle erleben würde...

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • Ich höre an sich Svanholm recht gerne, schlicht aus dem Grunde, weil ich wirkliche Heldentenöre schon sehr schätze. Ob das nun die richtige Partie für ihn ist, da bin ich mir nicht so sicher. Ich würde dir in allem zustimmen, mir fehlt hier v.a. das Lyrische, dass nach den Wälse-Rufen eigentlich notwendig ist. Er geht weiter als Held durch diesen Abschnitt, von Ton zu Ton, wie du es genannt hast, aber die lyrische Emphase geht ihm eher ab dabei.


    Trotzdem:

    aber schon ein tolles heldentenorales Material, wie ich es heute sehr gerne mal live in dieser Rolle erleben würde...

    Unterschreibe ich sofort, wenn auch lieber als Siegfried. Wenn man es sich schon aussuchen dürfte. :)


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Mal sehen, ob eine ältere und tiefere Stimme vielleicht die "Austauscher-Quote" etwas erhöht (ansonsten kann ich das ab morgen auch in einer privaten "Koversation" mit "Wolfram" abhandeln...)


    Heute vor 130 Jahren wurde der Bassbarion (oder auch Bass Buffo) Eugen Fuchs geboren.


    Bekannt ist er - sicher nicht nur mir - zuallererst als Beckmesser der Bayreuther Kriegsfestspiele von 1943, überliefert im Mitschnitt unter Wilhelm Furtwängler.


    Daher auch ein Beispiel aus diesem Mitschnitt (sein Festwiesen-Lied):


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    Seinerzeit wurde ich mit diesem Mitschnitt nicht glücklich, weder mit der technischen Qualität (und den Kürzungen) als auch mit der Besetzung - diese gefällt mir auf nahezu allen Positionen beim Mitschnitt unter Hermann Abendroth aus gleichem Jar wesentlich besser. (Ausnahme: Greindl mit seinem noch richtig schwarzen Bass als Pogner.)


    Fuchs begegnet einem natürlich als Ensemblemitglied regelmäßig auf den Besetzungszetteln der Staatsoper Berlin, zu Vorkriegs- und Kriegszeiten ebenso wie nach Kriegsende im Ausweichsquartier Admiralspalast und auch noch in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre im wiedereröffneten Stammhaus Unter den Linden. Etwa 30 Jahre lang gehörte Eugen Fuchs dem Solistenensemble des ersten deutschen Opernhauses an.


    Eine jüngste Begegnung mit diesem Sänger gab es für mich vor zwei Jahren beim Besuch der Wagner-Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zu Berlin. Dort gab es u.a. einen "Klangraum", der die antisemitischen Sterotypen in Wagners Musik aufspüren wollte und wo Ausschnitte aus Wagner-Partien wie Alberich, Mime und eben Beckmesser mit Ausschnitten aus synagogalen Gesängen vermischt wurden, um die Aufnahme dieser Wendungen in Wagners Musik (aus Gründen der Rollencharakterisierung) zu betonen. Und da entschied man sich bei der Rolle des Beckmessers ("natürlich") für den Kriegsfestspiel-Beckmesser Eugen Fuchs. Was ich da (unter diesen ganz spezeillen Bedingungen) von ihm hörte, hat mich nicht unbedingt positiv angesprochen.


    Nun ein ganz aktueller Höreindruck:


    Mein Eindruck ist schon sehr zwiespältig und seine Interpretation kommt mir schon sehr "historisch" vor. Seit einigen Jahrzehnten besetzt man den Beckmesser ja sehr häufig mit edlen, schönen Baritonstimmen (von Schmitt-Walter über Prey, Schulte, Lorenz, Schmidt usw. bis hin etwa zu Volle 2007 in Bayreuth) - Eugen Fuchs hat keine besonders schöne, wohlklingende Stimme und will wohl auch gar nicht schön oder edel klingen. Er ist vielmehr ein Bassbuffo und unterstützt mit seinem nicht sehr schönen Gesang offenbar die Lächerlichmachung Beckmessers. Wirklich sauber oder gar intonationsrein ist das auch nicht gesungen ("Verlanger" stößt oben hörbar an Grenzen, "besehn" ebenso). Sehr gut ist hingegen seine Textverständlichkeit. Schimmert hier noch Cosimas Ideals eines Schauspielers als Beckmesser-Besetzung durch?

    Trotzdem: Fuchs singt und klingt eben so GANZ anders als meine live erlebten Beckmesser-Lieblinge Siegfried Lorenz und Eike Wilm Schulte. Damals war das aber wohl eine ganz übliche Besetzung, Rollennachfolger an der Berliner Staatsoper wurde der Bassbuffo Heinrich Pflanzl und nach ihm kam der Stellennachfolger von Eugen Fuchs, Bassbuffo Reiner Süß.


    Fazit: Hat man damals so besetzt (Fuchs mit Beckmesser), sollte man m.E. heute nicht mehr so besetzten, weil dieses Unvollkommene im Gesang der Rolle zusätzlich viel von ihrer Würde nimmt.


    Kezal passt da hingegen vermutlich immer noch weit besser zu Fuchs als Beckmesser. (Gibt's auch bei Youtube, habe ich jetzt nicht reingehört, erwarte auch nicht, dass er Frick udn Böhme erreichen kann.)


    Wie hört ihr Eugen Fuchs als Beckmesser heute? Ist seine Interpretation, wenn schon nicht grandios, so doch wenigstens akzeptabel? Oder nutzt er stimmliche Mittel, um seine Rolle zu diskriminieren?

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • Schimmert hier noch Cosimas Ideals eines Schauspielers als Beckmesser-Besetzung durch?

    Das kann ich mir ganz gut vorstellen, schließlich hat ja Wagner selbst die Wichtigkeit der schauspielerischen Begabung für seine Interpreten nachdrücklich betont. Mir kommt es so vor, daß die vokalen "Mängel" hier durchaus Absicht sind. Fuchs bzw. sein Regieanweisung zielt meiner Meinung nach auf eine einseitige Charakterisierung Beckmessers, während wir inzwischen geneigt sind, das Skurrile mit einem tragischen Beigeschmack zu verbinden.

    ______________________


    Homo sum, ergo inscius.

  • Heute kann der wohl berühmteste deutsche Bass der Gegenwart, René Pape, seinen 59. Geburtstag feiern. Berühmt ist er schon seit den Neunzigern, der berühmteste wohl schon seit den "Nuller" Jahren, als sich die Alte Garde (Adam, Vogel, Moll, Sotin) von der Bühne zurückzog. Misst man Popularität nach MET-Auftritten und MET-Übertragungen, hätte er sogar jeden der Genannten an Popularität überflügelt. Aber darum geht es hier ja nicht, sondern um Gesangsqualitäten.


    Da Pape seit mehr als 30 Jahren Ensemblemitglied der Deutschen Staatsoper Berlin ist, habe ich ihn dort (an einem meiner Stammhäuser) natürlich sehr häufig gehört, beginnend als Don Fernando in "Fidelio", es folgten mehrere "Zauberflöten"-Sprecher und "Aida"-Könige, aber auch schon Figaro, Don Alfonso, Procida und Gremin, dann kam bald alles, was gut und teuer ist: Sarastro, Leporello, Don Giovanni, Rocco, Landgraf, König Heinrich, König Marke, Pogner, Fasolt, Hunding, Wotan, Banco, König Philipp, Ramphis, Boris Godunow, Timur und vieles mehr. Ich habe es immer sehr geschätzt, wenn er besetzt war (es gab Spielzeiten, da sang er nur 5 Abende am Haus) und er hat mich auch häufig beeindruckt - wirklich ergriffen (wie etwa seine Fachkollegen Siegfried Vogel oder Matti Salminen) war ich bei ihm eigentlich nie. Woran das genau liegt, weiß ich auch nicht so recht.


    Nun also ein Wiederhören der ersten Arie des König Heinrich, die Aufnahme soll laut Videobeschreinung aus dem Jahre 2010 stammen. 2009 nahm sich Pape ja eine längere Auszeit (damals offiziell wegen Kreislaufproblemen, seit seiner schriftlichen Entschuldigung für einige Facebook-Kommentare im Sommer letzten Jahres sind auch andere Gründe denkbar) und kam für mein Gefühl stimmlich aus dieser Pause nicht wieder so heraus, wie er hereingegangen war. Gerade in den "Zehner"-Jahren wähnte ich, dass die Stimme an Volumen und Durchschlagskraft verloren habe - im Vergleich zu den 1990er und "Nuller" Jahren.


    Aber frisch und neu gehört:


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    Vom ersten Ton an ist klar: Diese Stimme verkörpert Autorität, jeder Zoll ein König, der gefürchtete Einstieg auf E funktioniert problemlos und wunderbar. Vorbildlich wie immer ist seine Textartikulation, er schafft es auch, den Text nicht nur verstehbar, sondern auch erlebbar zu machen. Mit dieser Arie unterstreicth Pape seinen Ausnahmerang unter den deutschen Bassisten der letzten 20 Jahre. Lediglich am Ende beim "Feind" und beim "deutsches" (Land) scheint er sich etwas zu mühen, wobei das noch höhere "niemand" dann wieder sehr souverän kommt.


    Mag sein, dass er das vor 2009 noch voller und somit eindrucksvoller gesungen hat, aber unabhängig davon ist das, was ich auf dieser Aufnahme von 2010 höre, schon sehr gut, auch wenn die Höhen mitunter etwas schlank geführt werden.


    Aufgrund seiner exzellenten Textverständlichkeit schätzte ich ihn auch stets besonders im deutschen Fach, wo viel Text zu servieren und auch zu transportieren ist (das betrifft schon Heinrich, Marke und Pogner, ganz besonders lag und liegt ihm natürlich der Gurnemanz - und auch die große Erzählung des "Walküren"-Wotan war bei ihm ein Ereignis, obgleich er eigentlich keine wirkliche Wotansstimme hatte und die beiden Partien inzwischen nicht mehr singt. Den Gipfel Wanderer hat er nie erklommen, ebenso wenig den Sachs (der 2008 konkret geplant war) - und die großen Straussschen Bass-Charakterrollen hat er bislang auch umschifft (Ochs war 2020 konkret geplant, Morosus und La Roche hingegen nicht, lediglich der Peneios kam und wurde in diesem Jahr der letzte Live-Auftritt, den ich bislang von Pape hatte).


    Mögen Stimme, Gesundheit und Vernunft ihm noch lange zu Gebote stehen und uns noch so manchen tollen Opernabend bescheren.

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • René Pape kenne ich gut, als ich begann, mich für Opern zu begeistern, war er der Star unter den Bassisten und bei allen im Fernsehen übertragenen Galas und bei Gesamtaufnahmen dabei. Ich habe aber auch den Eindruck, dass es ruhiger geworden ist um ihn, obwohl 59 Jahre für einen Bassisten, der Väter und Großväter, Könige und Autoritäten singt, ja eigentlich noch kein Alter sind. Ich habe mal nachgesehen: Die Aufnahmen, die ich von Pape habe, stammen aus den Jahren 1998 bis 2006: Ein knappes Jahrzehnt, in dem Pape sehr präsent war und das mir seine große Zeit gewesen zu sein scheint. Er bekam dann am Ende der 2000er Jahre ja auch einen Vertrag mit der Deutschen Grammophon, um Soloalben herauszubringen - für einen Bassisten eine Ausnahme, die seine seinerzeitige Stellung und seinen Star-Status unterstreicht. Das erste Album "Gods, Kings & Demons" erschien Anfang 2008, aus dem zweiten, im Juni 2010 mit der Staatskapelle Berlin und Papes Mentor Daniel Barenboim aufgenommenen, ("Wagner") stammt die verlinkte Aufnahme von König Heinrichs Monolog. Es war dann aber auch schon Papes letztes Album, wenn ich das recht sehe.


    Damit zur verlinkten Aufnahme: Den Einstieg finde ich etwas merkwürdig. Ich kann gar nicht genau sagen, was es ist, aber dieser Ton, der nicht sofort da ist, sondern sich erst "einruckelt", klingt komisch für mich. Aber dann ist Pape auch voll da, mit ganz viel Würde und Autorität, einer exzellenten Textverständlichkeit (die sehr bewusst artikulierten, etwas gerollten "r" mögen auf manchen Hörer schon altmodisch wirken). Sehr schön die Betonung des Wortes "Frieden", indem es in der Artikulation und Färbung abgesetzt und plötzlich unerwartet in der Lautstärke zurückgenommen wird - das habe ich so noch nicht gehört, ich müsste mal in die Noten gucken, was da an der Stelle steht.


    Ich kannte diese Aufnahme bisher noch nicht, aber ich habe mir im Wagner-Jahr 2013 die gute zehn Jahre vor diesem Recital entstandene "Lohengrin"-Gesamtaufnahme unter Daniel Barenboim gekauft und nun wieder hervorgeholt, um die Stelle im Vergleich zu hören. Ja, die Stimme klingt da schon noch fitter, unangestrengter, gerade in der Höhe. Bei dieser Gesamtaufnahme war Pape Mitte dreißig und es scheint stimmlich für ihn keine Einschränkungen zu geben. Was Pape aber hinzugewonnen hat, ist eine noch präzisere Artikulation (die im oben verlinkten Beispiel schon fast ins Manirierte kippen kann) und eine noch differenziertere Gestaltung. Trotzdem, ich bin mit der früheren Aufnahme glücklicher: In seiner großen Zeit (wie gesagt: Ende Neunziger, Anfang 2000er) hatte Pape eine absolute Luxusstimme, einen vollen, schönen, charaktervollen Bass zum Verlieben, und er war ein guter Gestalter mit seinem Bewusstsein für den Text und für Zwischentöne. Den Star-Status, den er damals hatte, hatte er schon ganz zu recht. Ich kann mich auch nicht erinnern, mal in irgendeiner Kritik ein schlechtes Wort über ihn gelesen zu haben. Nur als Mensch scheint er, was man inzwischen so mitbekommt, nicht unbedingt symathisch zu sein.


    Als Papes Nachfolger, fällt mir beim Schreiben jetzt ein, kann man vielleicht den sechs Jahre jüngeren Georg Zeppenfeld ansehen, der für genau die gleichen Qualitäten gelobt wird: Das exquisite Stimmmaterial, die differenzierte Gestaltung, die gute Textverständlichkeit, und über den man ebenso nie ein schlechtes Wort liest. Im Gegenteil: Vor zwanzig Jahren hieß es in den Kritiken, wenn Pape als König Heinrich, König Marke etc. besetzt ist, dann weiß man, dass alles gut ist. Heute liest man diese Haltung über Zeppenfeld.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • stimmenliebhaber -zu Eugen Fuchs möchte ich anmerken, das er im Bayreuther Mitschnitt unter Furtwängler stark indisponiert war.

    Er war ja in den 1930er Jahren der Beckmesser der Berliner Staatsoper. Natürlich muss man Abstriche machen, was die Interpretation betrifft, aber das ist ja auch schon 80 Jahre her.


    LG Bassbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten...


    GB

  • Allerdings hatte Abendroth damals in Bayreuth insgesamt das jüngere Team, zumal Kunz

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Lieber "Cherunino",


    vielen Dank für deine Rückmeldung.


    (die sehr bewusst artikulierten, etwas gerollten "r" mögen auf manchen Hörer schon altmodisch wirken).

    Ja, in Zeiten, wo Dirigenten zu Sängern sagen "Können Sie den Konsonanten da noch wegbekommen?" Grins1 und wo viele Gesangslehrer am allerwenigsten Wert auf Textverständlichkeit legen, wo man sich quasi dran gewöhnt hat, nicht alles zu verstehen (wenn überhaupt was), mag das "altmodisch" wirken. Auf mich, der Gesang als gleichberechtigte Verbindung von Wort und Ton, von Sprache und Musik betrachtet, wird das niemals altmodisch wirken, sondern vielmehr als selbstverständlich. Da Pape das wohl auch so sieht oder zumindest 8in den 1980er Jahren in der DDR) noch so gelernt und seitdem auch noch nicht verlernt ht, wird er diesbezüglich immer einen dicken Stein bei mir im Brett haben.

    Als Papes Nachfolger, fällt mir beim Schreiben jetzt ein, kann man vielleicht den sechs Jahre jüngeren Georg Zeppenfeld ansehen, der für genau die gleichen Qualitäten gelobt wird: Das exquisite Stimmmaterial, die differenzierte Gestaltung, die gute Textverständlichkeit, und über den man ebenso nie ein schlechtes Wort liest. Im Gegenteil: Vor zwanzig Jahren hieß es in den Kritiken, wenn Pape als König Heinrich, König Marke etc. besetzt ist, dann weiß man, dass alles gut ist. Heute liest man diese Haltung über Zeppenfeld.

    Jein. Einerseits stimme ich dir zu, dass beide sehr ähnliche Stärken haben und beide deshalb auch zwei tolle Gurnemänze sind. andererseits finde ich, dass Zeppenfeld von Papes ehemaliger Prachtstimme alein vom Material her doch ein ganzes Stück entfernt ist, dass seine Stimme schmaler ist und gerade in der Höhe auch enger ist, als es die Papes zumindest mal war. Ich kann mich an "Ring"-Abende in Dresden erinnern, wo ich ihn nicht gehört habe, wo er schlicht nicht übers Orchester rüberkam (zwar akustisch ungünstig positioniert, aber Ain Anger, der im "Rheingold" als Fafner direkt neben ihm stand, kam problemlos durch, auch bei der Dresdner "Meistersinger"-Premiere hatte er zumindest in den ersten beiden Akten Probleme durchzukommen - und auch beim diesjährigen Bayreuther Gurnemanz, den ich ja am 27.8. vor Ort live erlebt habe, gab es einige Stellen, wo er in der Höhe nicht so über das Orchester kam, wie es wünschenswert wäre - in Bayreuth samt Deckel, wohlbemerkt! Also: vom Material her sehe bzw. höre ich da schon noch einen Unterschied - was das Gestaltungsnivau betrifft, wandelt Zeppenfeld hingegen ganu klar und positiv auf Papes Spuren und erreicht hier ähnlich eindrückliche Rolleninterpretationen.

    (Nebenbei: Dass Zeppenfeld nicht kritisiert werden würde, stimmt so auch nicht ganz, denn nach der Fernsehübertragung vom "Parsifal" war doch vielfach vom Sänger mit dem einen, einzigen Gesichtsausdruck zu lösen. Das fiel mir im Fernsehen mit den vielen Großaufnahmen natürlich auch auf, live hingegen überhauüt nicht, ich saß glücklicherweise weit genug weg. :D )

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • zu Eugen Fuchs möchte ich anmerken, das er im Bayreuther Mitschnitt unter Furtwängler stark indisponiert war.

    Lieber Bassbariton,


    gibt es dafür einen schriftlichen Beleg oder ist das einfach nur dein subjektiver Eindruck? Natürlich wäre es schön, wenn es noch andere Beckmesser-mitshcnitte von ihm gäbe, wo er dann nicht indisponiert war und man vergleichen könnte. Gibt es aber leider nicht. Insofern war die Frage, die mich beschäftigt hat: Müht er sich an einigen Stellen unabsichtlich oder vielleicht sogar absichtlich als Teil seiner Interpretation. Bei der Beantwortung dieser Frage ist dein Hinweis sicherlich hilfreich in der Abwägung, aber ganz klar wird die Sache dadurch für mich auch noch nicht.

    Allerdings hatte Abendroth damals in Bayreuth insgesamt das jüngere Team, zumal Kunz

    Zweifellos, daher mag ich diese Aufnahme mit Schöffler, Suthaus und Witte ja auch viel lieber - wobei mich nun gerade Kunz nicht so recht überzeugt, der wirklich schon noch SEHR jung und leichtgewichtig in der Rolle. Bei mozart gefällt er mir doch wesentlich besser.

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • Da Pape das wohl auch so sieht oder zumindest 8in den 1980er Jahren in der DDR) noch so gelernt und seitdem auch noch nicht verlernt ht

    Ne, ne, das habe ich (wie geschrieben) anders gehört: Während Pape (bei damals schon sehr guter Textverständlichkeit) mit Anfang/Mitte 30 noch einfach diesen luxuriösen Prachtbass ausstellen konnte und die Stimme auch mal einfach strömen lassen, wird in der späteren Aufnahme, wo alles nicht mehr ganz so unangestrengt geht, jedes "r" auf einmal deklamierend gerollt, werden die Konsonanten härter, die Betonungen schärfer bis hin an die Grenze zu einer etwas theatralischen Manieriertheit. Nichts mit "das hat der immer schon so gemacht". Grins1


    Aber nochmal, um den Einwand direkt vorweg zu nehmen: Auch in den Aufnahmen aus den späten 1990er und frühen 2000er Jahren ist der Umgang mit dem Text sehr, sehr gut, sowohl auf deutsch, als auch auf italienisch.

    Nebenbei: Dass Zeppenfeld nicht kritisiert werden würde, stimmt so auch nicht ganz, denn nach der Fernsehübertragung vom "Parsifal" war doch vielfach vom Sänger mit dem einen, einzigen Gesichtsausdruck zu lösen.

    Ja gut, über seinen Gesichtsausdruck wurde gelästert. Aber über seinen Gesang hat niemand ein schlechtes Wort gesagt. Das Standard-Lob für Zeppenfeld ("toller Gestalter", "sichere Bank") können die RezensentInnen schon in die Kritik schreiben, bevor die Aufführung überhaupt angefangen hat.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Die finnische Sopranistin Karita Mattila feiert heute ihren 63. Geburtstag.


    Als Musikstück schlage ich Schuberts "Ave Maria" (in lateinischer Sprache) vor, aufgenommen 2002, also zu einer Zeit als die Heute-Nicht-Mehr-Sopranistin noch Sopranistin war.


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    Wie wäre es denn, wenn heute mal jemand anderes als ich mit der Schilderung seiner Höreindrücke anfangen würde? Ich zwar auch gehört, muss ja aber nicht immer anfangen...

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • Hier möchte ich noch den 85. Geburtstag von Edda Moser nachtragen, der am 27. Oktober stattfand. Und zwar natürlich mit der berühmten Einspielung von "Der Hölle Rache" unter Sawallisch. Edda Moser selbst hat erzählt, bei der Aufnahme besonders erbost gewesen zu sein, da sie gerade erfahren hatte, dass Frau Sawallisch (selbst Sopranistin, aber aus Rücksicht auf die Karriere ihres Mannes nicht aktiv) im Vorfeld alles darangesetzt habe, sie als Königin der Nacht zu verhindern.


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    Liebe Grüße,

    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Heute, am Allerheiligentag 2023, wäre Victoria de los Ángeles 100 Jahre alt geworden. Es dürfte sich im Forum herumgesprochen haben, dass ich ein großer Fan dieser Sängerin bin, und mir ist es nicht ganz leicht gefallen, eine einzige Aufnahme für diesen Thread auszuwählen.


    Ich habe mich für eine Live-Aufnahme von der Met 1958 entschieden, von einer Partie, die Victoria de los Ángeles leider - ebenso wie ihre Wagnerrollen - nie im Studio aufgenommen hat (angeblich war eine Aufnahme für die EMI mal geplant, ist dann aber nicht zustandegekommen).


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    Ich halte mich mit meinen Höreindrücken erst einmal zurück und lasse euch ran,

    liebe Grüße,

    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Eigentlich wollte ich mich an dieser von mir selbst eröffneten Rubrik nicht mehr beteiligen, nachdem mein Reaktivierungsversuch der Rubrik Anfang September mangels Beteiligung ins Leere lief - und ich objektiv erkennen musste, dass das Interesse an einem Austausch über Höreindrücke in diesem Forum doch ganz primär der Instrumentalmusik gilt, wo die entsprechenden Rubriken florieren, beim "Musikstück der Woche" ebenso wie beim Streichquartett und in anderen Unterrubriken.


    Nun soll mir der 100. Geburtstag der von mir verehrten Sopranistin aber Anlass genug sein, kurzzeitig mit meinem gefassten Vorsatz zu brechen.


    Eingestellt wurde die Sängerin als mit dem "Lied von der Weide" (nicht auch mit dem anschließenden Gebet) der Desdemona im 4. Akt von Verdis Oper "Otello". Verdi soll ja mal gesagt haben, dass die Desdemona nicht schwer zu besetzen sein, man müsse einfach nur die Sängerin mit der schönsten Stimme nehmen. Ist dies hier nun so?


    Gleich der erste Ton spricht mich schon ungemein an, ich wähne hier von Anfang an diese ungekünstelte Natürlichkeit zu hören, die ich an dieser Stimme so liebe. Dann allerdings sofort ein Schreckmoment: der erste erreichte Spitzenton klingt alles andere als toll, sondern viel eher gepresst und gequält, beinahe wehtuend. Das mag sicherlich der Tagesform geschuldet sein und wird vor allem bei jeder folgenden Wiederholung dieses hohen Tones immer besser und besser - trotzdem weist das doch auch darauf hin, dass diese Stimme nicht unbegrenzt war. Die Fortspinnung der Phrase bis zur unforcierten Tiefe am Ende gelingt dann jedoch wieder ganz wunderbar, man kann ihr einzigartiges Timbre voll genießen und ich persönlich rechne es ihrem Gesangsstil ganz hoch an, dass sie die Tiefe eben nicht so brustet wie manch andere Sopranistin, sondern sich auch in dieser Lage einen schönen, natürlichen Ton bewahrt. Bei den Wiederholungen von "Salce" wird das Kostbare ihres Timbres besonders deutlich: dieses leichte Vibrato transportiert ganz wunderbar die Emotionen der Rolle, in diesem Falle Unruhe und Angst. Allerdings singt die de los Angeles mal vibratoärmer und mal vibratoreicher, wobei mir nicht ganz klr ist, ob sie das ganz bewusst steuert und unterschiedlich einsetzt oder ob ihr das einfach so "passiert".

    Der Wiederholungsaufschwung nach oben gelingt schon besser als beim ersten Mal, der Spitzenton bleibt allerdings sehr vibratoarm, da ist mir ein schwebenderes, kopfigeres Piano bei anderen Sängerinnen lieber.

    Die zweite Widerholungsstelle "Salce" klingt erregter als die erste.

    Beim dritten Aufschwung bekommt der hohe Ton jetzt doch seinen vibratösen Wohlklang und damit auch mehr emotionale Erregung - also doch Absicht? Diese Steigerung wahrscheinlich, dass der erste hohe Ton am Beginn so daneben geht, aber sicherlich nicht.

    Beim "Cantiamo" blüht die Stimme dagegen immer besser auf als wie beim "Piangea", beim ersten Mal allerdings anscheinend auch noch ein bissl bewusst "gezügelt". Gegen Ende der ersten Strophe klingt die Stimme in der Höhe kurzzeitig leider wieder "leicht säuerlich".

    Allerdings klingen danach bei ihr sogar die quasi gesprochenen Passagen wie betörender Gesang.

    "Povera Barbara" wunderbar filigran, das langgehaltene hohe "amar" klingt dann allerdings gegen Ende wieder etwas unfrei.

    Die Wiederaufnahme des Liedes nach Emilias "vento"-Einwurf, dann stimmlich wieder etwas enger als wünschenswert.

    Nach dem ersten, entspannten "Emilia Addio" wird es etwas veristisch...

    "Buona notte" - wunderbar unprätentiös

    Der große Ausbruch "Ah! Emilia, Emilia, Addio!" anfangs wunderbar gelungen, hier blüht auch die Höhe voll auf, ohne dass sie Sängerin forcieren müsste, danach aber wird die Stimmführung wieder etwas enger und gefährdeter als wünschenswert bzw. einfach ein bissl zu sehr veristisch für Verdi (bei aller gebotener Emotionalität, aber diese kann diese Sängerin auch anders ausdrücken als durch Sprechgesang).


    Eigentlich müsste man jetzt natürlich noch das Gebet hinterherhören, das gesangstechnisch von anspruchsvoller ist, aber das ist hier nicht eingestellt.


    Fazit: Spricht mich insgesamt mit diesem natürlichen Grund-Klang der Stimmen, dem erkennbaren Ausdrucks- und Gestaltungswillen sowie der in der Stimme transportieren Emotionalität sehr an, irritiert an einigen Stellen in der Höhe aber doch auch durch eine gewisse Unvollkommenheit, die eine gewisse stimmliche Gefährdung bzw. Begrenzung ("kurze Höhe") eben doch auch miterlebbar macht. Dazu ein einigen Stellen etwas zuviel "Verismo" für Verdi.


    Soweit mein subjektiver Hör-Eindruck der hier eingestellten Aufnahme.

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

  • Ich habe auch festgestellt, dass die Beteiligung hier nach anfänglich gutem Austausch leider etwas erlahmt ist. Aber so schnell die Flinte ins Korn werfen will ich dann doch wieder nicht.


    Unter den vielen Aufnahmen habe ich absichtlich eine Live-Aufnahme herausgesucht, obwohl man bei diesen Met-Mitschnitten der 1950er Jahre schon deutliche Abstriche im Klangbild machen muss, die bei zeitgleichem guten Studio-Mono nicht mehr so ins Gewicht fallen. Die Stimme wirkt aber recht gut eingefangen (mit sängernahem Mikrophon?), was man vom Orchester nicht unbedingt behaupten kann. Victoria de los Ángeles hat die Desdemona-Arien schon vier Jahre früher, 1954, im Studio aufgenommen, was interessante Vergleiche ermöglicht. So verzichtet sie im Studio weitgehend auf veristische Klangeffekte, die sie der Bühne vorbehält; die Höhen sind in der Studioaufnahme auch besser.


    Das bringt mich gleich zu einem weiteren eher theoretischen Punkt, bevor ich meine konkreten Höreindrücke schildere: Die Höhen sind bei Victoria de los Ángeles immer wieder irritierend, manchmal aber auch sehr sicher, und ich weiß nicht, ob man das jeweils der Tagesverfassung zuschreiben soll, oder einem vielleicht fehlgeleiteten Gestaltungswillen, oder ob da etwa auch die Tontechnik, die mit der doch sehr obertonreichen Stimme gerade in den Höhen Schwierigkeiten gehabt haben könnte, zumindest eine Mitverantwortung trägt. Jedenfalls singt Victoria de los Ángeles 1954 ein d''' in Manon, 1959 einen ganzen Koloraturreigen von c''' und des''' in der Traviata, 1965 ein d''' und mehrere cis''' in Contes d'Hoffmann, ohne dass man da irgendwelche Höhenprobleme merkt (bei ihrem c''' in den Filles de Cadix von 1965 übersteuert lediglich das Mikrophon hörbar, aber in echt klang das sicher sehr gut). In anderen Aufnahmen klingt sie dagegen schon um e''/f'' herum scharf und angestrengt, was ich manchmal sehr störend finde ("Come in quest'ora bruna" im Simon Boccanegra oder das Pie Jesu im Fauré-Requiem); bei der Desdemona hingegen kann ich damit leben, da es die Zerbrechlichkeit des Charakters auf durchaus anrührende Weise unterstreicht. Dass der gezielte Einsatz von Vibrato Absicht sein dürfte, legt auch der Vergleich mit der Briefszene der Charlotte nahe, in der de los Ángeles ihre Interpretation auch wesentlich auf dem Spiel mit unterschiedlichen Vibratointensitäten aufbaut.


    So, jetzt aber zum eigentlichen Thema, dem Höreindruck: Vom ersten Ton an finde ich es faszinierend und unerreicht, wie Victoria de los Ángeles ihren Stimmklang - ohne ihn zur Unkenntlichkeit zu verändern - so emotional aufladen kann, dass man als Zuhörer wirklich ganz in die Szene hineingezogen wird. Mir ist das noch bei keiner anderen Sängerin in diesem Ausmaß begegnet und es ist mir auch ein Rätsel, wie sie das macht. Die Trostlosigkeit, die Desdemona fühlt, kann sie so wirklich zur Gänze in die Stimme legen, ohne zu äußerlichen Effekten greifen zu müssen (dass sie es dann zum Ende hin dennoch tut, ist eine andere Sache). Das Timbre ist sowieso wie immer sehr besonders und kommt in der reichlichen Mittellage der Canzone auch gut zur Geltung. Die Höhen sind, wie schon angesprochen, etwas unausgeglichen, aber die Tiefe ist dafür sehr harmonisch eingebunden ("gut verblendet") und weich, allerdings doch deutlich eine Sopran-Tiefe, keine Mezzo-Tiefe (obwohl de los Ángeles ja auch Mezzo-Partien gesungen hat). Die "Salce"-Rufe sind wunderbar, jeder einzelne ein bisschen unterschiedlich gestaltet, jeder einzelne sehr berührend. Ich finde das eine exemplarische Interpretation der Szene, de los Ángeles ist Desdemona, sie singt sie nicht nur. Man könnte die Canzone vielleicht technisch runder singen (siehe Renata Tebaldi), aber kaum emotional mitreißender gestalten.


    Die Fortsetzung kann man hier hören:

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    Liebe Grüße,

    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • ich meine konkreten Höreindrücke schildere

    Lieber "Areios",


    ich habe deine Höreindrücke gerade gelesen und dabei festgestellt, dass wir das schon sehr ähnlich hören.


    Heute Nachmittag habe ich mir auch nochmal die Serafin-Studioaufnahme der "Suor Angelica" angehört, die ich in den 1990ern so gerne hörte und dann lange nicht mehr gehört habe. Letztlich ist mein Eindruck ganz ähnlich wie hier: Die Mittellage und explizit auch die Tiefe finde ich ganz wunderbar, in der Höhe empfinde ich sie mitunter aber irritierend bis geradezu störend. Ist diese gefährdete bzw. teilweise wirklich unschöne Höhe (im Studio!) vielleicht der Grund dafür, dass sie ihre Bühnenkarriere ganz ähnlich wie die gleichaltrige Callas bereits Anfang der 1960er Jahre und damit recht früh aufgab? Würde die Höhe klingen wie Tiefe und Mittellage, wäre dies in der Tat eine, nein, DIE Jahrhundertstimme. So aber ist sie eher eine von vielen bedeutenden Stimmen mit Stärken und Schwächen. Bei allem, was mich an der Varady mitunter störte (extrem gebrustete Tiefe, S-Fehler, unterschiedlicher Registerklang), hatte sie eben doch mitunter betörende Höhen, wie ich sie heute von Victoria de los Angeles weder hier als Desdemona noch in besagter Studioaufnahme auch nur annähernd so gehört habe. Und auch Anja Harteros hatte in ihrer großen Zeit (die leider unwiderbringlich vorbei zu sein scheint, sofern sie überhaupt ihre Bühnenlaufbahn fortsetzt) häufig eine ganz wunderbare, leichte, schwebende Höhe ohne jedes Forcieren. Frau de los Angeles hat die Höhen auch, aber eben doch viel zu häufig nur sehr unschön und scharf. Daher bin auch von meinem heutigen de-los-Angeles-Hören von ihrem Höhenproblem doch etwas ernüchtert - bei allen großen Vorzügen, die diese Stimme trotzdem zweifellos hat. :wink:

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

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