Operntelegramm Saison 2022/2023

  • Link funktioniert nicht (ISBN-13 geht nicht, ISBN-10 geht).

    Ah, das wusste ich nicht! Sollte ich mir wohl merken...

    Ich vermute, Du meinst das dort besprochene Buch:

    Ja, ganz genau, das meine ich. Und es beruhigt mich ja, dass Alviano es dort so gut besprochen hat und genau die Dinge lobt, die mir an dem Buch auch gut gefallen! Da fühle ich mich doch bestätigt! ;)

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Kennst du schon dieses Buch?

    Da hat der Autor Ralph Bollmann alle Opernhäuser in Deutschland besucht und schreibt jeweils zwei, drei unterhaltsame Seiten über jeden dieser Besuche, über die Städte, die Opernhäuser, Begegnungen, Eindrücke etc. Ich habe mir das Buch vor ein paar Jahren gekauft, weil ich durch den Titel aufmerksam geworden bin (das Landestheater Detmold ist von mir aus das nächste Operntheater und das, mit dem ich gewissermaßen "aufgewachsen" bin). Ich nehme das Buch immer wieder mal hervor und liebe es sehr! :S

    Ja, das kenne ich natürlich... :saint:


    Ein wirklich schönes Projekt, das Herr Bollmann da betrieben hat. Ein bisschen inspiriert bin ich schon auch dadurch. Vor allem was meine Expeditionen in für mich eher abgelegene Provinzopernhäuser angeht. Ich teile auch die Bollmann'sche These, dass man durch einen Besuch eines Stadttheaters durchaus einiges über die (hochkulturaffine) Gesellschaft vor Ort erfahren kann. Und die Lektüre ist auch sehr informativ hinsichtlich der kommunalen Verankerung der Häuser und des Wohl und Wehes ihrer Finanzierung.

    ...auf Pfaden, die kein Sünder findet...

  • Gestern war die Premiere von "Werther" im Gärtnerplatztheater in München. Ich mache es mir jetzt leicht und verlinke zwei Kritiken dazu.

    Eine vom Bayerischen Rundfunk

    Kritik – Umjubelter "Werther" in München: Traut Euch ins Offene, Freunde! | News und Kritik | BR-KLASSIK | Bayerischer Rundfunk

    und eine aus dem Online Merker (der Autor dieser Kritik ist Brunello sehr gut bekannt)

    » MÜNCHEN/ Staatstheater am Gärtnerplatz: WERTHER. PremiereOnline Merker

    Ich kann den Besuch nicht nur in München und Umgebung wohnenden Opernfreunden empfehlen (eventuell mit dem alternativen Dirigenten Oleg Ptashnikov)

  • Köln: Verdi - Luisa Miller


    Ganz kurz: Mané Galoyan in der Titelrolle ist ein Ereignis! Ich weiß nicht, ob ich live jemals eine so gute Sängerin für mittleren Verdi gehört habe (vielleicht Anja Harteros als Troubadour-Leonora vor ca. 12 Jahren)! Pianissimo bis an die Grenze, ohne dass Tonfülle verlorenginge, gleichzeitig in keiner Lage Mühe, über das volle Orchester zu kommen, virtuose Passagen mit hoher Genauigkeit, perfekte Intonation, große Farbpalette - begeisternd! Sehr erfreulich auch Rodrigo Porras Garulo als Rodolfo, endlich mal wieder ein Tenor ohne Forcieren! Das Gürzenich-Orchester spielt unter Roberto Brizzi Brignoli sehr Verdi-angemessen, vielleicht eine Spur zuviel "col casco" für das Stück, das Christof Loy mit starker Konzentrierung auf Personenführung eher als Kammerspiel inszeniert, mehr Kabale und Liebe als Luisa Miller. Passend dazu das leicht klaustrophobische und ziemlich puristische Bühnenbild von Johannes Leiacker.

    Bernd


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  • Hallo zusammen,


    ich bin am Samstag im Nationaltheater München, gewesen, um mir Die Teufel von Loudon von Krzysztof Penderecki anzuschauen, meine Buchung in der Premieren-Aufführungsstaffel im vergangenen Sommer war leider wegen Corona ausgefallen. Die 1969 in Hamburg uraufgeführte Oper gehört sicher nicht zu den bekanntesten Opern des 20. Jahrhunderts, es geht um reale Vorkommnisse im frühen 17. Jh. in einer französischen Kleinstadt, die in einem Exorzismus und der Verbrennung eines Priesters kulminieren. In den Aufführenden, insbesondere Regisseur Simon Stone und Vladimir Jurowski hat die Oper aber sehr starke Fürsprecher gefunden. Von den Sängern haben mir Ausrine Stundyte in der weiblichen (Jeanne) und Nicholas Brownlee in der männlichen Hauptrolle (Grandier) sehr gut gefallen. Beider Rollen enthalten sehr viel gesprochenen Text, aber auch zahlreiche stimmliche Ausnahmesituationen (der Exorzismus am Beginn des Zweiten Akts). Wie schon bei dem sängerisch extrem diversen Schönberg/Purcell-Duo hat sich Stundyte als intensive Gestalterin dieser Horrorrolle erwiesen. Aber auch die weiteren Rollen - Ursula Hesse von den Steinen als Claire, Danae Kontora als Philippe, Kevin Connors als Adam, Jens Larsen als Barré und Jochen Kupfer als Mannoury - waren überwältigende Sängerdarsteller in diesem sehr belastenden Opernerlebnis. Erstaunlich für so ein niederschmetterndes Stück war der Jubel nach der Vorstellung sehr groß. Noch heute und übermorgen live an gleicher Stelle.


    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Ein regelrechtes Sängerfest gab es gestern abend bei der Premiere von Händels Giulio Cesare in Egitto im Kölner Staatenhaus. Herausragend dabei Kathrin Zukowski als Cleopatra, Anna Lucia Richter als Sesto und Adriana Bastidas Gamboa als Cornelia. Raffaele Pe in der Titelrolle sang im ersten Akt noch etwas unausgeglichen, reihte sich aber nach der Pause auf gleichem Level mit ein. Ebenfalls stark Matthias Hoffmann als Achilla, etwas schwächer, mit manchmal recht flackerndem Mezzo, Sonia Prina als Tolomeo. Kongenial das Gürzenich-Orchester unter Rubén Dubrovsky, hervorragend einstudiert, die Sänger auf den Punkt begleitend, dazu tolle Solisten an den obligaten Instrumenten (nur das Solo-Horn ein wenig ungenau), ein prachtvoll klingendes Continuo mit Laute und Theorbe und einer wunderbaren Cellistin. Die beiden Hörnerpaare in der Sinfonia vor der Schlussszene waren antiphon, jeweils ganz außen, positioniert; schöner Effekt.


    Das Kölner Publikum honorierte schon unter der Vorstellung mehrere Arien mit bravi und Fußgetrampel, am Ende donnernder Applaus standing ovations und ein nochmal herausgeklatschter Vorhang.


    Starkes Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann: Karge Hintergrundbilder (Video, mal sinnvoll eingesetzt), wenig Requisiten, dazu von den Seiten hereinfahrende schwarze, lichtumrandete "Prospekte", die einerseits filmschnittartige Highlights auf Teile der Szenerie erlauben, andererseits an die Praxis des Barocktheaters erinnern. Die Regie (Vincent Boussard) schafft es allenfalls teilweise, acht- oder zehnminütige Arien sinnvoll zu bebildern, ein häufiges Problem in heutigen Inszenierungen von alten Musiktheaterwerken. Was er sich ansonsten so bei der Inszenierung gedacht hat, kann man zum Teil dem Programmheft entnehmen; nachvollziehen konnte ich das nur teilweise. Immerhin: es wird nicht langweilig in den gut dreieinhalb Stunden inkl. einer Pause (einige Kürzungen: zwei von Cleopatras acht Arien sind ganz gestrichen, und vermutlich wurde die eine oder andere Arie gestutzt). Das Publikum bezog das Regieteam am Ende jedenfalls in den tosenden Beifall mit ein.


    Sehr starke Produktion!

    Bernd


    Fluctuat nec mergitur

  • Franz Schreker - Der Singende Teufel. Oper Bonn


    In Bonn gibt es seit Sonntag Franz Schrekers spätes Werk Der singende Teufel (1928) zu sehen und zu hören. Wohl die erste ungekürzte Produktion seit der der Berliner Uraufführung unter Erich Kleiber.


    Ein erstarkendes Christentum liegt im Widerstreit mit heidnischem Volk. Der junge Orgelbauer Amandus Herz soll, angetrieben von Pater Kaleidos, die von seinem Vater begonnene große Orgel fertig bauen. Aber Amandus liebt Lilian, die heidnische Jungfrau; sie will ihn zum Anführer der ihren gewinnen im Kampf gegen die Mönche. Als er sich von ihr lossagt, fällt sie als Opfer zur Sonnenwendfeier dem barbarischen Ritter Sinbrand in die Hände. Als die Heiden das Kloster angreifen, werden sie von den machtvollen Klängen der Orgel (dem "singenden Teufel") gestoppt, aber die sanften Register, die Amandus anschließend ziehen will, versagen den Dienst: Pater Kaleidos lässt die Heiden niedermetzeln. Darüber wird Amandus irre. Um ihn aus seinem Wahn zu erlösen, zündet Lilian das Kloster an und sinkt vor ihm sterbend zusammen.


    Sperriges Stück, das sich nicht recht zwischen Fantasie-Mittelalter, Religionskritik und Künstlerproblematik zu entscheiden weiß. Regisseurin Julia Burbach entschied sich, den Fokus auf letzteres zu legen und legt die Hauptrolle als Alter Ego des Komponisten aus, Bezüge auf Freuds Psychoanalyse inklusive, was das nicht sehr handlungsstringente Libretto duchaus nahelegt. Die sehr deutliche Religionskritik interessiert sie weniger, sie ist im Stück aber auch unübersehbar genug angelegt. Kann man zu Beginn noch den Eindruck gewinnen, als stünden "gute" naturreligiöse Heiden "bösen" verbohrten Christen gegenüber, stellt sich bald heraus, dass die Heiden auch nicht besser sind - Hass und Schändung und Mordbrennerei allenthalben. Wo am Ende des dritten Aktes die Orgel (da spielt natürlich Schrekers Riesenorchester) die Schlacht entscheidet, würde manch einer das Finale erwartet haben - aber Schreker setzt noch eins drauf. Im vierten Akte tritt ein "Maurischer Pilger" auf, der den Atheismus predigt ("Es gibt zwei Sorten Menschen: Die Gläubigen, die haben keine Vernunft; und die Vernünftigen, die haben keinen Glauben"); erstaunlich viel Raum gibt Schreker dieser Nebenfigur! Am Ende mag der Komponist sich aber lieber doch nicht entscheiden und lässt den Chor singen: "Wie man's dreht und wie man's wendet, ewig bleibt's ein Rätselraten [...] diese ew'ge bange Frage".


    Äußerlich gibt die Produktion alles, was das Theater so hergibt: opulentes Bühnenbild mit viel Verwandlung, Drehbühne, Einfahrten von Seiten- und Hinterbühne, fantasievolle Kostüme. Die Hauptszenerie habe ich als "in der Orgel" gedeutet, nicht so genau erkennbar und umso beeindruckender (Bühne und Kostüme: Dirk Hofacker). Dazu ein siebenköpfiges Tanzensemble, das wohl den Wiederhall der äußeren Geschehnisse in Amandus' Kopf versinnbildlicht (Choreographie: Cameron McMillan). Jedenfalls ist ordentlich was aufgefahren!


    Wer auf die süffig-opulente Musik Schrekers aus seinen früheren Erfolgsopern wie den "Gezeichneten" hofft, muss auf die Orchesterzwischenspiele (4 Akte, 10 Bilder) warten. Ansonsten tendenziell zurückhaltende Orchestrierung, spröde, fahle Musik, nicht selten an den äußersten Grenzen der Tonalität. Im Vergleich zu den früheren Stücken auch sängerfreundlicher, insofern sie hier nicht so sehr gegen das Schrekers durchaus noch verwendetes Riesenorchester ansingen müssen; gleichzeitig aber schwer zu singen, da die Stimmen eben oft auch nicht vom Orchester "getragen" werden.


    Phänomenale Leistung von Mirko Roschkowski, der praktisch unterbrechungslos auf der Bühne ist und teilweise auch noch in die Tanzchoreographie eingebunden ist. Dabei eine völlig unangestrengte (das war vor Jahren bei ihm nicht immer so) und volltönende Stimme mit vorbildlicher Textverständlichkeit. Auf gleichem Niveau als Lilian Anne-Fleur Werner - den Namen sollte man sich merken! Auch Dshamilja Kaiser als heidnische Priesterin Alardis und Tobias Schabel als Pater Kaleidos stehen dahinter nicht zurück. Dazu zwei beachtenswerte Nebenfiguren: mit großer Stimme Tae Hwan Yun als Lenzmar und mit kleiner Stimme, aber großartigem Spiel Carl Rumstadt als Maurischer Pilger.

    Großartig auch der riesige Chor und brilliant das Beethovenorchester unter Dirk Kaftan, das vor allem in den Zwischenspielen das Haus ans Beben brachte. Großer und lang anhaltender Beifall in der nicht voll besetzten Bonner Oper.


    Starke Produktion für ein Stück, das man so schnell vermutlich nicht wieder zu sehen kriegen wird. Noch bis 16. Juni.

    Bernd


    Fluctuat nec mergitur

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