Shakespeare - Henry VIII.

  • 'Men's evil manners live in brass...' - oder sie leben halt in einem Shakespeare - Stück weiter.


    'The Life of King Henry the Eight' - wer erwartet da nicht pralles Theater und erst recht bei Shakespeare? Und diese Erwartung wird nicht enttäuscht. Feiern und Gelage, ein Krönungsumzug, Gerichtsverhandlungen, eine feierliche Taufe, natürliches menschliches Leid und Unrecht, Intrigen, Verhaftungen, Tod, aber auch Glücksmomente, Aufstiege und sogar ein wenig Liebe. Es ist alles da, was Theater auch ausmacht, überreich, nur fehlt es vielleicht an der literarischen Qualität, aber dazu später.


    Ziemlich genau ist das Jahr der Uraufführung bekannt, 1613 (Shakespare befand sich schon drei Jahre wieder in Stratford), weil während einer der ersten Aufführungen das Globe-Theater in London abbrannte. Auf der Bühne gezündete Böller hatten es in Brand gesteckt. 1613 heiratete auch Elizabeth, die Tochter von James I., König von England, so dass das Stück wohl als Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten gedacht war. Überliefert ist es nur durch den First Folio von 1623. Als Quelle dienten einmal mehr die 'Chronicles' von Holinshed und zudem John Foxes 'Acts and Monuments', eine Geschichte des Protestantismus.


    Inhaltlich geht es um die berühmt-berüchtigte Trennung des Königs von seiner ersten Frau Katharine, die Heirat mit Anne Bullen, den Fall Kardinal Wolseys und die Geburt der Tochter Elizabeth. Eingeflochten darin ist das Schicksal des Duke of Buckingham und der Aufstieg Thomas Cranmers, des Erzbischofs von Canterbury.


    Zunächst einmal scheint das Stück ein wenig diffus zu sein, denn scheinbar stehen die einzelnen Schicksale (Katharine, Anne Bullen (sie hat übrigens nur eine kurze Szene mit dem König), Wolsey, Buckingham, Cranmer) recht unverbunden nebeneinander. Alle haben ihre Momente, treten auf, müssen, wie auch immer, die Bühne und oftmals das Leben wieder verlassen, sind aber nicht durchgehend von Bedeutung. Das gilt nur für eine Rolle, für den König. Auch wenn er nicht agiert (und das kommt sehr häufig vor), ist er präsent, bleibt er Mittelpunkt, bezieht sich alles auf ihn. Er ist das verbindende Element, der zunächst Wolsey trägt und dann fallen lässt, der Buckingham verurteilt, der die Ehescheidung von Katharine vorantreibt (und ihr trotzdem immer gewogen bleibt), der Anne Bullen heimlich heiratet, der Cranmer schützt und schließlich seine Tochter Elizabeth feiern lässt. Das Stück ist fast eine einzige Huldigung dieses Königs, nur fast, weil er im ersten Teil, in der Beziehung zu seinen beiden Ehefrauen, durchaus Schwächen zeigt. Das ändert sich dann aber und Henry erscheint quasi als Deus ex machina, der gütig und weise alles zum allgemeinen Wohlgefallen zu Ende bringt.


    Es ist eine Geschichte des Falls der scheinbar Mächtigen. Wolsey, der Bösewicht des Stücks, fällt, weil er in seinem Ehrgeiz seinen König hintergeht. Katharine, eigentlich unschuldig, fällt, weil es die Staatsräson so verlangt. Dass es da noch andere, weniger ehrenwerte Motive gab, deutet Shakespeare eher nur kurz an. Und Buckingham, ein typischer Politiker, schuldig und unschuldig zugleich, fällt, weil er einem Mächtigeren im Wege steht. Cranmer ist kurz davor zu fallen, Intrigen gegen ihn laufen auf Hochtouren. Aber er wird 'überleben', weil es eben diesen 'Deus ex machina' gibt.


    Es war wohl wirklich ein 'Hochzeitsgeschenk' an Elizabeth und ihren Vater James I., eine Huldigung an die Rolle eines Monarchen und die seiner Tochter, die hier als Elizabeth I. in einer Schlussapotheose fast zur Heiligen verklärt wird. Es ist aber keine Charakterstudie, von wem auch immer. Es gibt spannende Szenen und Auseinandersetzungen, in denen die einzelnen Figuren viel von sich verraten, aber es gibt eigentlich keine Entwicklung der handelnden Personen. Zwar dürfen Katharine, Buckingham und Wolsey edel und geläutert von der Welt Abschied nehmen (und das sind großartige Monologe!), aber das sind eher unvermittelt erscheinende Auftritte. Eigentlich herrscht eine gewisse Starrheit vor, ist es mehr eine Präsentation verschiedener Typen oder auch Trabanten, die um ihre 'Sonne' kreisen.


    Auch wenn 'Henry VIII.' lange Zeit auf der Bühne sehr beliebt war, es gibt halt viel zu sehen, ist es keines seiner Meisterwerke. Dementsprechend hat sich die Literaturkritik auch sehr schnell darauf geeinigt, dass es eine geteilte Autorenschaft geben muss. Die vermeintlich guten Partien schrieb man natürlich Shakespeare zu, die schlechteren... - dafür fand sich dann immer jemand. In der letzten Zeit scheint sich das verändert zu haben. Auf der Bühne sieht man das Stück seltener, hingegen findet die Literaturkritik wohl mehr Gefallen daran. Und schon scheint es kaum noch Zweifel an der alleinigen Autorenschaft zu geben.


    Trotzdem mag ich es irgendwie, wenn auch nicht unbedingt als Gesamtes, aber wegen der vielen starken Momente und Einzelszenen. Das ist dann wirklich packendes, mitreißendes, bewegendes Theater. Und vielleicht bedarf es wirklich einer Inszenierung, die den Huldigungscharakter von Machtkonstellationen und auch ihre Schattenseiten einmal in den Vordergrund rücken würde. Vielleicht gibt es die sogar, ich kenne aber bislang nur zwei Umsetzungen, die relativ konventionell an das Stück herangehen.


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Zum Kennenlernen wunderbar geeignet:



    Aus der berühmten BBC-Serie, ganz konventionell inszeniert, aber sehr gut gespielt.


    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ebenso konventionell:



    Live aus dem Londoner Globe, schauspielerisch erheblich schlechter, aber dafür kann man die Publikumswirksamkeit erleben.


    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

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