Sollte man Simmel mit reinnehmen?

Bedeutende deutschsprachige Romane seit 1950
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Statt zu Böllern, lieber im Lenz im Grass einen simmeln.
Oder so ähnlich.
Gruss aus Kiel
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Sollte man Simmel mit reinnehmen?
Ich möchte jetzt hier nicht den arroganten Germanisten machen
Aber ob man Simmels Oeuvre zu den bedeutenden deutschsprachigen Romanen nach 1950 rechnen kann? Ich weiß nicht, aber ich bin für Gegenargumente offen
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Das Parfüm war sprachlich wie vom Sujet her grandios. Schlinks Vorleser hat mich beeindruckt. Ist nicht Manns Hochstapler aus der Nachkriegszeit? Dann muss er rein dazu. Die verlorene Ehre von Böll auch, unbedingt!
Das war es erst mal, glaube ich. Es gibt noch so viel mehr. Vor allem aus der Gegenwartszeit habe ich erstaunlich viel Nachholbedarf. Diverses steht ungelesen in den Regalen und wartet.
Wie konnte ich Süsskind vergessen? Unbedingt! Schlinks Vorleser ebenso
Du hast Recht: Die Menge an Literatur ist kaum überschaubar . Und ich gebe dem Doc recht wenn er schreibt, so mancher Roman müsse erst das Stahlbad der Zeit bestehen. Juli Zeh? Corpus Delicti ist zwar in Zeiten von Corona hochaktuell - aber mir persönlich wirkt diese Dystopie zu kalkuliert - oder zu konstruiert. Was wir auslassen, wenn wir uns auf Romane fokussieren sind Novellen oder kürzere Erzählungen überhaupt. Da fallen mir dann spontan Ingo Schulze, Peter Stamm oder von Schirach ein.
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Sollte man Simmel mit reinnehmen?
Ich möchte jetzt hier nicht den arroganten Germanisten machen
Aber ob man Simmels Oeuvre zu den bedeutenden deutschsprachigen Romanen nach 1950 rechnen kann? Ich weiß nicht, aber ich bin für Gegenargumente offen
Nun, eine Gesamtauflage von 73 Millionen und Übersetzungen in 30 Sprachen sind schon ein Argument. Und schreiben konnte er… Bedeutung muss nicht mit hohem literarischen Anspruch einhergehen.
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Nun, eine Gesamtauflage von 73 Millionen und Übersetzungen in 30 Sprachen sind schon ein Argument. Und schreiben konnte er… Bedeutung muss nicht mit hohem literarischen Anspruch einhergehen.
Wäre ich jetzt böse, würde ich sagen, Konsalik hat ähnliche Auflagen erreicht, Dan Brown vermutlich ebenso. Reine Auflagenzahlen sind kein Argument.
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Christa Wolf: Der geteilte Himmel
Läuft unter Erzählung, deshalb wahlweise:
Christa Wolf: Nachdenken über Christa T.
Wolfram
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Nun, eine Gesamtauflage von 73 Millionen und Übersetzungen in 30 Sprachen sind schon ein Argument. Und schreiben konnte er… Bedeutung muss nicht mit hohem literarischen Anspruch einhergehen.
Wäre ich jetzt böse, würde ich sagen, Konsalik hat ähnliche Auflagen erreicht, Dan Brown vermutlich ebenso. Reine Auflagenzahlen sind kein Argument.
Allerdings konnte Simmel als Schriftsteller wesentlich mehr als Konsalik, so daß ich auch den ins Spiel gebracht habe. Dazu seine durchaus sympathische pazifistische Tendenz, die ihn ebenfalls abhebt, sorgfältige Recherche und gut gebaute Plots. Es ist eben die Frage, wie man „Bedeutung“ definieren will. Leute wie Schulze oder Stamm sind was für die „happy few“, aber ein Autor, von dem statistisch in jedem bundesdeutschen Haushalt zwei Bücher standen, ist von Relevanz…
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Ich würde Simmel jedenfalls berücksichtigen, freilich nur mit wenigem aus seinem OEuvre.
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Ich würde Simmel jedenfalls berücksichtigen, freilich nur mit wenigem aus seinem OEuvre.
Sicher, Goethe liest man ja auch nicht wegen dem „Bürgergeneral“
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Machen wir doch mal einen Exkurs zu Johannes Mario Simmel.
Er begann als ernster Schriftsteller. "Mich wundert, dass ich so fröhlich bin."
1960 hatte er sein Thema gefunden. Zunächst in etwa wie ein deutscher James Bond und dann immer weiter direkt am aktuellen Zeitgeist.
Ich habe "Es muss nicht immer Kaviar sein," "Liebe ist nur ein Wort", "Lieb Vaterland.." "Und Jimmy ging zum Regenbogen" verschlungen!!
Vielleicht auch, weil für den damals noch titellos pubertierenden Doc alle 50 Seiten ein Fick beschrieben wurde.
Seine Themen fasste kaum jemand anders an und schreiben konnte Simmel unglaublich süffig.
Das war ne ganz andere Liga als Konsalik, der ja schon mal seine Figuren komplett durcheinander brachte und anders als Simmel immer von den guten Deutschen im WKII überzeugt war (Arzt von Stalingrad). Außerdem konnte Konsalik nicht schreiben, total unbeholfene Sätze, wie mit der Axt geformt.
Ne, da war Simmel illusionslos. Was bei Walser in "Ehen" nur Gesellschaftsverhalten ist, wird bei Simmel zur kriminellen Energie der Restitution 50iger Jahre. Da er es mit Sex and Crime ordentlich würzte und immer strahlende Helden hatte, ist es zwar keine große Literatur, aber unterhaltsam und da sehr gut recherchiert auch lehrreich.
Ken Follett, Ludlum und andere sind mit ihm vergleichbar und alle haben Respekt verdient. Nur bei Simmel blieb die Fantasie immer geerdet.
Ich mochte seine Werke.
Gruß aus Kiel
PS. Es folgt ein unanständiger Simmel Witz.
Sitzen zwei Herren am Tisch.
Holt einer aus der Jackentasche ein ca. 25 cm langes Männchen und stellt es auf den Tisch.
Das Männchen ist lebendig, nimmt den Hut ab und sagt.
“Guten Tag, mein Name ist Johannes Mario Simmel und ich möchte ihnen aus meinen Werken vorlesen“
„Wo hast Du den denn her?“
„Ich traf einen Zauberer und rettete ihn. Da hatte ich einem Wunsch frei“
„Wo hast Du ihn gerettet.?“
„Im Park, da sollte er noch sein“
Rennt der andere los und kommt nach einiger Zeit zurück.
„Du Dein Zauberer muss schwerhörig sein. Ich wünschte 5 Millionen in kleinen Scheinen. Da lagen plötzlich fünf Ferkel mit Zitronen im Maul!“
„Ja, glaubst Du etwa, ich wünschte mir einen 25 cm langen Simmel?“
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Ist nicht Manns Hochstapler aus der Nachkriegszeit? Dann muss er rein dazu.
Der Krull ist ein problematischer Fall und an sich kein reinrassiger “Nachkriegsroman”. Seine Entstehungsgeschichte zieht sich (länger als bei der Josephs-Tetralogie oder bei Wagners Ring) über mehr als 40 Jahre hin.
Die ersten Ideen dazu stammen von 1901. Bereits 1910 skizziert er den gesamten Roman (in 6 Teilen) bis zum Tod von Krull, der aber so nie komplett geschrieben werden sollte. 1910-11 schreibt er das Buch der Kindheit und fängt 1912 nach der Beendigung des Tod in Venedig bereits mit dem zweiten Buch an.
1922 erscheint das “Buch der Kindheit”, was in der späteren Ausgabe von 1954 das erste Buch darstellt. Dieses erste Buch endet mit dem Selbstmord von Krulls Vater. Allerdings war schon 1922 der Roman deutlich weiter gediehen, denn es ist bekannt, dass er bereits vor Ausbruch des ersten Weltkriegs 1913 mit viel Erfolg Lesungen des (wohl am meisten bekannten) Musterungskapitels vornahm. Die Kapitel 1-5 des zweiten Buchs (mit dem Musterungskapitel als Abschluss) erschienen dann 1937 zusammen mit dem Buch der Kindheit beim Querido-Verlag in Amsterdam als erweitertes Fragment.
Erst 1950, nach Abschluss des Erwählten, nimmt Mann den Krull wieder auf. Er hat nach der Veröffentlichung des dann immer noch unvollendeten Romans im Jahr 1954 (Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, mit dem Untertitel: Der Memorien erster Teil) zwar immer betont, er habe dort weiter geschrieben, wo er vierzig Jahre zuvor aufgehört hatte, und an das zuletzt geschriebene Wort einfach das nächste angehängt. Definitiv erfolgten jedoch zuerst Überarbeitungen einiger bereits publizierter Kapitel, bevor er mit dem siebten Kapitel des zweiten Buchs (Krulls Reise nach Paris) Neuland betrat.
Die Veröffentlichung von Der Memoiren erster Teil erfolgte, wie gesagt, 1954, und schloss mit den Worten “Und hoch […] sah ich unter meinen glühenden Zärtlichkeiten den königlichen Busen wogen”. Zwar hatte Thomas Mann das »Bedenken, daß in das III. Buch und also in den Band die argentinische Episode noch mit eingeschlossen [sein] sollte« (Tagebuch 11.1.1954), aber es blieb doch beim Ende in Lissabon.
Am 6. September 1954 schreibt er an Emil Preetorius: »…So gebe ich jetzt das zum Roman-Band erweiterte Fragment des Felix Krull heraus, als Ersten Teil des Ganzen, und tue, alsob die Fortsetzung dieser Scherze unterwegs wäre, während doch von Weiterem noch kein Wort auf dem Papier steht und ich im Grunde weiß, daß ich das Unding nie zu Ende führen werde«. (Thomas Mann, Briefe III, S. 356, Fischer Verlag)
Diese Infos und mehr dazu finden sich in:
Kommentar zu “Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull”, Große Kommentierte Frankfurter Ausgabe (GKFA) Band 12.2, Fischer Verlag 2012
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Simmel habe ich etwa bis 12,13 viel gelesen, er stand eben bei den Büchern meiner Eltern herum. Schreiben konnte er, Plots entwickeln auch, Charaktere entwickeln mit mehr als einer Facette ebenso, spannend war es, der zeitgeschichtliche Hintergrund in manchen der Bücher war gut recherchiert und das Gefühlige kam einigermaßen unkitschig. Eben hochklassige Unterhaltungsliteratur. Nicht mehr, aber weniger auch nicht. Wäre er etwa Brite gewesen wäre er nicht so in der Vergessenheit versunken, glaube ich. Wie gut die gealtert ist sollte ich irgendwann mal überprüfen ("Liebe ist nur ein Wort" mochte ich seinerzeit besonders, wohl wegen dem Internatshintergrund - wenn ich's mal versuchen sollte nehme ich den).
Ein paar Anregungen fallen mir jetzt, am Feierabend, ein wo ich vor den Büchern sitze.
Hermann Kasack, "Die Stadt hinter dem Strom" (1947) - fällt evt unter Offtopic, denn er ist zwar Nachkriegsliteratur aber knapp vor 1950, nämlich von '47.
Uwe Tellkamp "Der Turm" - hab ich ihn hier überlesen? Etwas lang aber großartig in seiner Art.
Thomas Mann: "Der Erwählte" von 1951: ziehe ich dem irgendwie recht ziellos vor sich hin mäandernden Krull doch weit vor, bei allen Manierismen des Spätstils, die sich hier voll austoben. Aber ein staunenswertes Alterswerk ist er allemal.
Daniel Kehlmann "Tyll", eine wunderbare Darstellung dessen was im 30jährigen Krieg möglich war, fatalerweise.
Und von Grass mag ich auch irgendwie die seinerzeit vielgescholtene Rättin. Klar hat er sich durch Friedensbewegung und Waldsterben und Kohlregierung zu politischen Dummheiten hinreißen lassen, aber erzählt ist der relativ straff und sprachlich voll unbegeborgener Schätze.
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...und, aber klar!, Peter Weiss, ",Abschied von den Eltern". Wie könnt ich den vergessen? Und Dürrenmatt mit seinem "Richter und sein Henker" und mehr noch "Der Verdacht", auch so gut können Kriminalromane sein.
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Bedeutend waren für mich in der Wendezeit vor allem die Romane von Stefan Heym. Von meinen 100 D-Mark "Begrüßungsgeld" habe ich mir die Taschenbuchausgaben seiner verfügbaren Bücher gekauft (und gelesen): "Fünf Tage im Juni", "Schwarzenberg", "Collin", "Der König David Bericht", "Nachruf" und einige andere mehr. Am meisten beeindruckt und noch über einige Jahre beschäftigt hat mich sein Roman "Ahasver".
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Von Peter Weiss aber auch 'Die Ästhetik des Widerstands'. Bin zwar gescheitert, aber das sagt ja nix.
Wolfram
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Allerdings konnte Simmel als Schriftsteller wesentlich mehr als Konsalik, so daß ich auch den ins Spiel gebracht habe. Dazu seine durchaus sympathische pazifistische Tendenz, die ihn ebenfalls abhebt, sorgfältige Recherche und gut gebaute Plots. Es ist eben die Frage, wie man „Bedeutung“ definieren will. Leute wie Schulze oder Stamm sind was für die „happy few“, aber ein Autor, von dem statistisch in jedem bundesdeutschen Haushalt zwei Bücher standen, ist von Relevanz…
Würde ich diskutieren wollen. Stamm wie Schulze sind mitnichten Autoren für die "happy few" - sprachlich klar und präzise. Kein Wort zu viel. Im Mittelpunkt stehen alltägliche Situationen, nehmen wir mal "Agnes" oder Kurzgeschichten wie "Eisweiher",
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„happy few“ in dem Sinne, daß 98 Prozent der Leute sagen würden: „Hä? Wer bitte?“ So jemand wie Grass wurde vielleicht nicht unbedingt gelesen, aber er war bekannt, sogar einigermaßen populär.
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den
Von Peter Weiss aber auch 'Die Ästhetik des Widerstands'. Bin zwar gescheitert, aber das sagt ja nix
...gescheitert bin ich auch, aber ich würde ihn nicht hineinnehmen. Wozu? Weil es eine absatzlose Fleißarbeit ist, in der alle, aber alle, Genauigkeiten und hochsensiblen psychologischen Einsichten seiner früheren Schriften zugunsten einer radikal dummen Weltsicht erbarmungslos eleminiert wurden? Den "Schatten des Körpers des Kutschers", eine Art artifizieller Vorstudie zum Abschied von den Eltern mit reinzunehmen, ja; aber die Ästhetik des Widerstandes ist doch nichts als ein 1000 seitiger Beleg für die Tragik, die sich ereignet wenn sich jemand vom künstlerischen Bewältigen-wollen seiner Verletzungen sich versteigt dazu, alles politisch erklären wollen zu müssen oder das zu glauben. Ein Offenbarungseid. Ein schlechtes, weil ausschließlich von irregeleiteten Ideologien gefördertes Buch, das traurig macht wenn man den frühen Peter Weiss kennt. Ein Jammer.
Da kommt mir aber Alfred Andersch in den Kopf. Ich kenne ihn schlecht . Passte er in diesen Steinbruch hier? Ich frage Besserkenner..
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alles politisch erklären wollen zu müssen
Es gab ja eine Zeit, in der das absolut an der Tagesordnung war, womit wir wieder bei der Frage der 'Bedeutung' wären. 'Bedeutend' eben auch hinsichtlich ihrer Verankerung in der Entstehungszeit und (hier) als quasi eine Zusammenfassung der Gedankenwelt dieser Epoche. Von daher würde ich die 'Ästhetik' nicht so einfach über Bord werfen wollen.
'Absatzlos' - das war allerdings auch einer der Gründe, die mich gekillt haben.
Andersch sollte auch mit hinein. Z.B. 'Sansibar - oder der letzte Grund'
Wolfram
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