Ralph Vaughan Williams hat eine ganze Reihe von Werken für Soloinstrument und Orchester verfasst. Als "Konzert" (Concerto) bezeichnete er das Konzert C-Dur für Klavier und Orchester, das Konzert a-moll für Oboe und Streicher, das Konzert f-moll für Basstuba und Orchester und das "Concerto Accademico" d-moll für Violine und Streichorchester. Weiter zu nennen sind die Suite "Flos Campi" für Viola, Chor und Orchester, "The Lark Ascending" für Violine und Orchester, die "Fantasia on Sussex Folk Tunes" für Violoncello und Orchester, die "Suite for Viola and Orchestra", die "Romance in D Flat for Harmonica and Strings with Pianoforte" und die zu Studentenzeiten begonnene "Fantasia for Piano and Orchestra".
In diesem Faden soll es um das Klavierkonzert in C-Dur gehen, das Vaughan Williams für die Pianistin Harriet Cohen (die Lebensgefährtin von Arnold Bax) komponierte. Die ersten beiden Sätze des dreisätzigen Werks entstanden 1926, der abschließende dritte Satz 1930/31. In der Zeit dazwischen vollendete der Komponist das Ballett "Job" und begann die Arbeit an seiner Sinfonie Nr. 4.
Im Oktober 1931 sandte Vaughan Williams die fertige Partitur an Harriet Cohen. Leopold Stokowski machte sich Hoffnungen, dass die Uraufführung des Werks in New York City unter seiner Leitung erfolgen könnte, aber der Komponist hatte die Uraufführung bereits der BBC versprochen. Sie fand statt am 1. Februar 1933 in London mit der Widmungsträgerin Harriet Cohen und dem BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Sir Adrian Boult, und zwar im Rahmen eines Konzerts, das in der ersten Hälfte auch Schuberts "Unvollendete" sowie in der zweiten Hälfte "Garden of Fand" von Arnold Bax und "Sea Drift" von Frederick Delius enthielt. Ausweislich eines Briefs an Harriet Cohen ließ der Komponist dem Uraufführungsdirigenten Boult die Freiheit (er nannte dies "carte blanche"), die Orchestration auszudünnen, sollte sie ihm zu dick erscheinen. Nach der Uraufführung revidierte Vaughan Williams das Finale, strich u.a. ein Zitat aus der Sinfonie Nr. 3 von Arnold Bax, für das er in einer Konzertbesprechung kritisiert worden war ("why did he bring in a quotation from Bax's Third Symphony just before the end?"). 1936 erschien das Klavierkonzert schließlich im Druck.
Das Klavierkonzert hat die Satzbezeichnungen
Toccata: Allegro moderato - Largamente - Cadenza
Romanza: Lento
Fuga chromatica con Finale alla Tedesca
Die Aufführungsdauer beträgt ca. 25 bis 30 Minuten.
Vaughan Williams behandelte das Klavier in den beiden Ecksätzen perkussiv, im Stile von Bartóks Klavierkonzerten. Nicht umsonst zeigte sich der im Publikum sitzende Béla Bartòk nach einer von Hermann Scherchen geleiteten Aufführung im Oktober 1933 in Straßburg begeistert von dem Werk. Hingegen wird über den langsamen Satz häufiger geschrieben, dass er an Ravel erinnere, bei dem Vaughan Williams 1908 studiert hatte. Ich persönlich habe hinsichtlich dieses Satzes eher Assoziationen an die Tonsprache späterer Werke von Gerald Finzi.
1946 bearbeitete Vaughan Williams das Klavierkonzert gemeinsam mit dem Pianisten Joseph Cooper für zwei Klaviere und Orchester. Die Anregung hierzu soll Sir Adrian Boult gegeben haben. Erneut revidierte er das Finale, indem er nach der letzten Kadenz (auf Themen aus den ersten beiden Sätzen) das Werk nicht mit zehn Tuttischlägen, sondern nunmehr sanft ausklingen ließ. Das Werk endet nun mit einem leisen H-Dur-Akkord der Klaviere. Die Uraufführung dieser Fassung erfolgte am 22. November 1946 in London mit den Solisten Cyril Smith und Phyllis Sellick sowie dem London Philharmonic Orchestra. Uraufführungsdirigent war erneut Sir Adrian Boult.
Die erste Aufnahme des Werks entstand 1950 in den USA, und zwar in der Fassung für zwei Klaviere und Orchester. Vorgelegt wurde sie von dem Klavierduo Arthur Whittemore und Jack Lowe, begleitet vom Robin Hood Dell Orchestra of Philadelphia unter der Leitung von Vladimir Golschmann:
Der Uraufführungsdirigent Sir Adrian Boult hat das Klavierkonzert in der Fassung für zwei Klaviere und Orchester 1968 mit den Pianisten Vitya Vronsky und Victor Babin eingespielt, greifbar in einer umfangreichen Box oder auch einzeln:
Von Louis Lortie gibt es sowohl eine Aufnahme der Fassung für ein Klavier und Orchester (mit dem Dirigenten Peter Oundjian) als auch der Fassung für zwei Klaviere und Orchester (mit der Pianistin Hélène Mercier und dem Dirigenten Sir Andrew Davis), die beide auf Chandos erschienen sind:
Howard Shelley hat die Fassung für ein Klavier und Orchester zweimal aufgenommen, und zwar mit den Dirigenten Vernon Handley (1984) und Bryden Thomson (1990). Er verwendet eine Fassung, in der das Finale wie in der 1946 revidierten (also der für zwei Klaviere umgearbeiteten) Version leise ausklingt:
Weitere Aufnahmen der Fassung für ein Klavier und Orchester haben Piers Lane und Ashley Wass vorgelegt:
Die Fassung für zwei Klaviere und Orchester ist neben der bereits erwähnten Mercier/Lortie-Aufnahme auch in diesen fünf weiteren Einspielungen greifbar:
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