Notierung der Registrierung für die Orgel?

  • Hallo,


    - ich habe trotz krampfhaften Suchens kein passenderes Forum gefunden, deshalb jetzt hier -


    Ist eigentlich in Orgelnoten die Registrierung angegeben, und wenn ja, wie?

    Ich habe mir im Internet einige Orgelnoten angesehen, aber nie Hinweise gefunden, wie welche Stellen zu registrieren sind.

    Heißt das, dass der Organist die Registrierung selbst bestimmen kann - man könnte auch sagen: muss?

    Und: Ist es dem Komponisten egal? Vertraut er dem Organisten?


    Bin gespannt ...

    Das verstehst du noch nicht, sagten sie. Ich verstand. (Fred K. Linden)

  • Wenn du bei J.S. Bach nachschaust, wirst du nur sehr selten Hinweise zur Spielweise (z.B. Dynamik) finden, geschweige denn Registrierungshinweise.
    Aber jüngere Komponisten geben da durchaus relativ präzise Vorschriften zur Registrierung. Wenn du Beispiele suchst, schau mal bei IMSLP z.B. unter Charles Tournemire nach.

    Piece Symphonique oder Sept Choral op. 67

    :wink:

  • Mir stellt sich da eher die Frage, ob eine solche Vorgabe in Anbetracht des komplexen instrumenten- und raumabhängigen Klanges überhaupt sinnvoll sein kann?

  • Mir stellt sich da eher die Frage, ob eine solche Vorgabe in Anbetracht des komplexen instrumenten- und raumabhängigen Klanges überhaupt sinnvoll sein kann?

    Natürlich sind diese "Vorgaben" im Licht der konkreten Realisierung zu betrachten.
    Was man nicht erwarten darf, ist die Möglichkeit einer 1:1 Umsetzung der Vorgabe auf konkrete Register, weil diese bei jeder Orgel verschieden sind.

    Allerdings sind die Orgelregister in Familien unterteilt, die sich klanglich unterscheiden, wie z.B. Zungenregister oder Mixturen. Wenn man diese als Registrierungsvorgaben benutzt, ist man unabhängig von der konkreten Realisierung, hat aber ein Klangvorstellung vermittelt, die es dem Organisten erlaubt eine konkrete Realisierung zu wählen. Natürlich wird das von Orgel zu Orgel und von Organist zu Organist zu einem etwas anderen Ergebnis führen, aber "die Richtung stimmt". (Schliesslich führt ja auch eine vermeintlich exakte Spielvorgabe wie "forte" bei jedem Interpreten zu einem etwas anderen Ergebnis.)


    Genau das wenden die meisten Komponisten (die ja oft auch Organisten sind) an.
    z.B: Steht zu Beginn des ersten der Sept Chorale Poem d'Orgue von Tournemire:


    III Fonds 8,4 (preparez Mixtures, Anches 8,4) Grundstimmen 8,4 (vorbereiten: Mixtur, Zungen 8,4)

    II Fonds 8,4 (preparez Mixtures, Anches 8,4) Grundstimmen 8,4 (vorbereiten: Mixtur, Zungen 8,4)

    I Fonds 8,4 (preparez Mixtures, Anches 8,4) Grundstimmen 8,4 (vorbereiten: Mixtur, Zungen 8,4)

    Ped Fonds 16,8,4 (preparez Mixtures, Anches 8,4) Grundstimmen 16,8,4 (vorbereiten: Mixtur, Zungen 8,4)


    Das ist sozusagen die Grundeinstellung, die dann im Notentext nach Bedarf weiter detailliert wird.
    Wir lernen, dass sich der Komponisten offenbar eine dreimanualige Orgel vorgestellt hat, die auf den Manualen die "gleichen" Einstellungen hat, nämlich 8' und 4' Register aus den "Grundstimmen" (der Organist weiß was das ist). Selbst diese "gleiche" Einstellung auf den Manualen wird in der Regel nicht "gleich" klingen, weil eben pro Manual nur verschiedene Register zur Verfügung stehen.
    In Klammern stehen gewissermaßen Vorbereitungen für später, wenn auf Knopfdruck zum Beispiel ein Satz von Zungenregistern hinzukommen soll.


    Das man mit diesen wenigen Worten nur die Oberfläche von dem ankratzt, was später noch an Registrierungvariationen passieren soll, wird spätestens dann klar, wenn man den Notentext überfliegt.


    PS: Eine Registrierungsanweisung im weitesten Sinne ist es auch, wenn der Komponist in der linken Hand forte und in der rechten piano vorschreibt, denn wie soll man das anders realisieren als durch eine "laute" Registrierung in der rechten Hand und eine "leise" in der linken.

    So z.B. bei Brahms Choralvorspiel und Fuge über "O Traurigkeit, o Herzeleid", wo dies zu Beginn die einzige(!) Spielanweisung auf 6 Seiten ist.

    :wink:

  • Viele Komponisten haben wenige bis keine Angaben zur Registrierung gemacht.


    Ein Grund ist: Keine zwei Orgeln (ab einer bestimmten) Größe sind gleich, selbst Register gleichen Namens klingen an verschiedenen Orgeln verschieden. Welchen Sinn würde es also machen, wenn ein Komponist ein Stück komponiert und an einer Orgel mit 60 Registern die von ihm gedachten Register angibt, wenn ein anderer Organist dasselbe Stück an einer Orgel mit 30 Registern aufführen will?


    Im Frankreich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die "großen" Orgeln einigermaßen standardisiert, so dass zwischen Orgel dieses Typs (Cavaillé-Coll) die Registerangaben oft mit nur geringen Abstrichen übertragen werden können. Zu einer deutschen Orgel aus derselben Zeit wird es schon schwieriger.


    Ja ... ein Fass ohne Boden.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ein Grund ist: Keine zwei Orgeln (ab einer bestimmten) Größe sind gleich, selbst Register gleichen Namens klingen an verschiedenen Orgeln verschieden. Welchen Sinn würde es also machen, wenn ein Komponist ein Stück komponiert und an einer Orgel mit 60 Registern die von ihm gedachten Register angibt, wenn ein anderer Organist dasselbe Stück an einer Orgel mit 30 Registern aufführen will?

    Das war der Grund meiner Frage. Scherzos Erläuterungen fand ich dazu durchaus einleuchtend.


    Ja ... ein Fass ohne Boden.

    In der Tat

  • Zu einer deutschen Orgel aus derselben Zeit wird es schon schwieriger.

    Aus diesem Grunde schreibt z.B. Reger in seiner zweiten Orgelsonate Registrierungshinweise wie:


    II sehr dumpfe Registrierung

    III sehr lichte Registrierung

    eventuell 16', falls ein ganz schwacher vorhanden.


    Das ist hinreichend allgemein, um auf jeder Orgel eine Lösung zu finden.

    :wink:

  • Ganz herzlichen Dank Euch!


    Eure Erklärungen sind erhellend und einleuchend. Und Ihr habt Euch richtig Arbeit gemacht!


    Ich verstehe jetzt auch, warum sich das gleiche Stück bei verschiedenen Organisten auf verschiedenen Orgeln unterschiedlich (aber nie krass anders) anhört.


    Liebe Grüße,

    Manfred

    Das verstehst du noch nicht, sagten sie. Ich verstand. (Fred K. Linden)

  • waren die "großen" Orgeln einigermaßen standardisiert, so dass zwischen Orgel dieses Typs (Cavaillé-Coll) die Registerangaben oft mit nur geringen Abstrichen übertragen werden können.

    Naja: Auf einer Cavaillé-Coll-Orgel klingt das gleiche Register auf einer der anderen ca. 509 Cavaillé-Coll-Orgel natürlich genauso (ok: mindestens ähnlich)...

    Gilt aber auch für G.F. Steinmeyer oder März und ganz viele andere. Aber dazwischen liegen halt u.U. Welten. Und andere Raumakustik.

    Ich verstehe jetzt auch, warum sich das gleiche Stück bei verschiedenen Organisten auf verschiedenen Orgeln unterschiedlich (aber nie krass anders) anhört.

    Das hängt jetzt auch etwas von der "Schule" und der entsprechenden Orgeltraditionen ab. Französische Organisten spielen Bach anders als spanische anders als deutsche.

    viele Grüße


    Bustopher



    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

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