Streichquartett der Woche - ein lockerer Austausch

  • [...] zu schön, um "wahr" zu sein [...]

    Literarisches Fin de Siècle schlechthin? Thomas Mann schlechthin?


    Insofern hätte Britten den Duktus vielleicht getroffen. Ob Britten indes wahrhaftiger ist als Thomas Mann? Ob man das beantworten kann?


    Ich bin kein so großer Verehrer von Thomas Mann. Ich bevorzuge Kafka. Grins1


    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich finde es hochgradig modern, vielleicht weniger in Bezug auf das musikalische Vokabular und die Grammatik (Passacaglia), als vielmehr in Bezug auf die kryptische Semantik und auf strukturelle Gegebenheiten ... die Sekunden im ersten Satz, dann - komplementär - die Septimen um zweiten ... expressionistisch à la "Erwartung" ist das ja nicht, aber hochexpressiv - doch eben nicht vordergründig ...

    :thumbup:

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich bin kein so großer Verehrer von Thomas Mann. Ich bevorzuge Kafka. Grins1

    Ich ebenfalls!!


    :)

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • kryptische Semantik

    Das finde ich sehr treffend! Wahrscheinlich ist das auch einer der Kernpunkte, die das Stück für mich modern erscheinen lassen. Im Vergleich zu DSCH sowieso, aber der war ja auch nicht avantgardistisch in seiner wie freiwillig auch immer konstellierten Parallelwelt.

  • Ich habe unser Quartett der Woche jetzt ein paar mal gehört. War auch überrascht, wie modern das ist. Der Schlusssatz macht mir in dem Sinn zu schaffen, dass ich ihn ziemlich reizlos finde. Wie eine karge Landschaft. Die Oper habe ich ungehört auf DVD. Ich würde es aber als sehr merkwürdig empfinden, wenn man eine Oper hören muss, um ein Quartett mit Verständnis zu hören.

  • Ich habe unser Quartett der Woche jetzt ein paar mal gehört. War auch überrascht, wie modern das ist. Der Schlusssatz macht mir in dem Sinn zu schaffen, dass ich ihn ziemlich reizlos finde.

    Vielleicht liegt es auch an den Aufnahmen, die du gehört hast? Das Amadeus Quartett kannst du getrost ad acta legen. Der Cellist ist in der Passacaglia mit seinen vier Tönen überfordert, tut mir leid das so sagen zu müssen. Ansonsten erwähntest du noch das Philharmonia Quartet Berlin. Das ist o.k., aber noch nicht das Ende der Fahnenstange.

    Gerade der Schlusssatz hat mich in der Interpretation des Sorrel Quartet süchtig gemacht. Es kostet ja nichts, das mal bei Spotify anzuhören.


    Hier stimme ich dir ausdrücklich zu:

    Ich würde es aber als sehr merkwürdig empfinden, wenn man eine Oper hören muss, um ein Quartett mit Verständnis zu hören.

    Ich kenne die Oper auch nicht (bin kein Opernhörer, mit wenigen Ausnahmen, v.a. Janacek). Ob mir dadurch etwas zum Verständnis des Streichquartetts fehlt, weiß ich nicht und ist mir auch egal. Wenn mich ein Werk aus sich selbst heraus so in seinen Bann schlägt, nehme ich gern in Kauf dass mir möglicherweise irgendwas entgeht.

  • Vielen Dank für den Tipp mit den Sorrels! Das hat sich echt gelohnt ... Wahnsinnsaufnahme, die vielleicht noch einen Tick überzeugender als die mit den Dorics ist.


    Wie eben in "Jeden Tag ein Streichquartett ..." gepostet: Bei den Sorrels verstehe ich erst die Bezüge zu Mahler 9. Es klingt tatsächlich so weltverloren-transzendent wie in einem Abschnitt des dritten Satzes bei Mahler. Und im letzten Satz gibt es herrliche Farben. Hier höre ich weniger Bezug zu Mahler 9, ist aber auch nicht so wichtig. Das steht mMn näher an Schostakowitsch. Na ja, Passacaglia halt ...

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Kann leider aus Zeitgründen erst am Sonntag dazu schreiben, sorry, nur soviel, damit doch etwas noch rechtzeitig zum Werk der Woche da steht - für mich ist der langsame Satz aus Brittens 3. Streichquartett mit dem Agathon-Satz aus Leonard Bernsteins Serenade verwandt. Ich habe die Belcea-Aufnahme und bin sehr froh damit.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Kann leider aus Zeitgründen erst am Sonntag dazu schreiben, sorry, nur soviel, damit doch etwas noch rechtzeitig zum Werk der Woche da steht - für mich ist der langsame Satz aus Brittens 3. Streichquartett mit dem Agathon-Satz aus Leonard Bernsteins Serenade verwandt. Ich habe die Belcea-Aufnahme und bin sehr froh damit.

    Da höre ich gerne mal nach!


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Es ist Samstag, und wieder regt sich freudige Erwartung ... morgen wird Felix Meritis bekannt geben, welches Werk er für diese Runde ausgesucht haben wird ...


    ... dann folgen, so ich nichts und niemanden übersehen habe:

    • Braccio
    • AlexanderK
    • Gurnemanz
    • Scherzo
    • Quasimodo

    Vielleicht tritt noch jemand dieser Runde bei? Die nächste würde ansonsten wie folgt beginnen:

    • MB
    • Wieland
    • Rosamunde
    • Knulp
    • Abendroth
    • andréjo
    • Felix Meritis

    Viele Grüße

    MB

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Nachdem nun auch die Belcea-Aufnahme einströmte, hat sich der Kreis meiner Favoriten für Britten 3 um eines vergrößert:

    - Sorrel (vorne), Doric, Auryn, Belca.


    Nicht in diese Gruppe gehört das

    - Endellion Quartet.


    Auf das Anhören eines Live-Mitschnitts mit dem Uraufführungsensemble kann ich nach den Meinungen hier wohl auch verzichten?

    UA 19. Dezember 1976, diese Aufnahme entstand bei den Schwetzinger Festspielen am 21. Mai 1977:


    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Da ich später und heute Abend wohl keine Zeit haben werde, möchte ich mich schon mal für die vielen Beiträge bedanken!


    Die späte Britten-Nummer habe ich noch einmal solider und vielfältiger kennengelernt. Das Sorrel-Quartett liegt auf der Warteliste. Mehr soll es aber nicht mehr geben per Haptik.


    :thumbup: :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich habe inzwischen auch den Schlusssatz mit Sorrel gehört, deren Aufnahme hier zurecht von vielen favorisiert wird. Aber wirklich näher gebracht haben sie mir den letzten Satz auch nicht (was natürlich nicht an den Musikern liegt).

  • Um ca. 20 min verfrüht starte ich nun mit dem Quartett der nächsten Woche! Wenn ich mich nicht täusche, hatten wir bisher kein einziges „klassisches“ Streichquartett, sodass ich diese Woche gerne dem Gründer und Großmeister der Gattung widmen möchte: Joseph Haydn. Aus dem Fundus von über 80 Streichquartetten eines auszusuchen, ist naturgemäß nicht einfach, aber ich habe mich schließlich für op. 76,6 in Es-Dur entschieden. Es ist eines der erstaunlichsten und ungewöhnlichsten Streichquartette Haydns und des 18. Jahrhunderts überhaupt. Es beginnt mit einem völlig schmucklosen und trockenen Variationssatz, der plötzlich in einer Fuge mündet. Der langsame Satz mit der ungewöhnlichen Bezeichnung Fantasia ist eine harmonische Erkundungstour. Er beginnt deshalb ohne jegliche Vorzeichen und pendelt sich schließlich auf H-Dur – eine äußerst ungewöhnliche Tonart – ein. Dieser Satz könnte auch vom späten Beethoven sein. Mit dem Menuett, eigentlich ein Scherzo, hören wir zum ersten Mal relativ normale Klänge, bis das Trio uns wieder in exotische Gefilde entführt: aufsteigende und absteigende Skalen, kontrapunktisch verdichtet. Der Schlusssatz ist ein rhythmisches Verwirrspiel um ein a priori unbedeutendes Thema. Doch Haydn weiß aus Stroh Gold zu spinnen.


    Aufnahmen gibt es natürlich wie Sand am Meer, da Haydns op. 76 wohl zu seinen am häufigsten eingespielten Werken zählt.


    Hier kann man bei youtube der Einspielung des ehrwürdigen Takács Quartetts lauschen - mit Noten:


    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Bin wieder zu Hause. Dank an Felix Meritis für diese Wahl. Das freut mich, auch wenn sich meine Einspielungen in engen Grenzen halten. Doch was nicht ist, kann gegebenenfalls auch noch werden.


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Wie der Zufall will, ist die Einspielung von den Takács eh ein Klassiker der Haydndiskographie. Man kann also mit dem Youtubelink absolut das Auskommen finden. Ich habe jetzt eben zum ersten Mal dieses Quartett mit Noten gehört: das lohnt sich absolut, denn die bizarren Eigenheiten werden so noch viel deutlicher.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

    Einmal editiert, zuletzt von Felix Meritis ()

  • Op. 76 Nr. 6 ... selbst bei diesem irrsinnig kreativen Ausnahmekomponisten Haydn, dessen Werke wir gerne nach Dutzenden zählen, ist das ein Ausnahmewerk ... ich hatte ja auf op. 80 getippt :versteck1: , umso mehr nach der gestrigen Erwähnung des Werkes, freue mich aber sehr über den Haydn!


    Die Takács-Aufnahme steht hier, ich höre sie gerne, sie kommt für meine Ohren jedoch mit ziemlich fettem Klang daher, so dass ich meinen Favoriten für op. 76 noch suche. Amadeus, Kodály, Mosaiques und Auryn stehen noch im Regal. Letztes Jahr habe ich eine Haydn-Totale mit den Tatrais einströmen lassen, die fand ich wunderbar, auch op. 76 war imho sehr überzeugend. Halt so etwas ähnliches wie die Mozart-Violinkonzerte mit Suk und dem Prager Kammerorchester, umwerfend musikantisch, und man kümmert sich im Zweifelsfalle einen Dreck um HIP und so neumodisches Zeugs.


    Da fällt mir ein, dass die Dorics ja auch schon op. 76 auf das Medium bannten ... das wird eine schön-anstrengende Woche! Grins1

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • .. ich hatte ja auf op. 80 getippt :versteck1: , umso mehr nach der gestrigen Erwähnung des Werkes, freue mich aber sehr über den Haydn!

    So ein one trick pony bin ich auch wieder nicht! ^^


    Gestern lief zur Vorbeitung auch op. 76,6 - aber das habe ich natürlich nicht herausposaunt! Grins1

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich danke ebenfalls für die Wahl. Haydn hatte ich nach der Perückenandeutung kürzlich kommen sehen, aber natürlich nicht, welches Quartett genau. Habe 76/6 überhaupt nicht im Ohr und bin gespannt, komme aber wahrscheinlich erst morgen dazu.

  • Ja, ein bisschen hatte ich mich schon verplappert!


    Zum langsamen Satz: beim gestrigen Hören mit Noten ist mir klar geworden, dass die Begleittexte zu den jeweiligen Aufnahmen hier etwas irreführend sind. Der Satz beginnt natürlich bereits in H-Dur, allerdings ohne gesetzte Vorzeichen. Ziemlich genau ab der Hälfte des Satzes gibt es dann die fünf Kreuzzeichen, ohne aber, dass Haydn mit dem Modulieren aufhören würde. Im Gegenteil: die Modulationen sind hier mindestens so wild wie vorher. Das muss irgendeinen Sinn haben, den ich nicht erkenne.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!