Streichquartett der Woche - ein lockerer Austausch

  • Weil dieser Sonntag zeitumstellungsbedingt eine Stunde weniger hat - und weil die Magie der Einleitung des 1. Satzes keinen weiteren Aufschub duldet ;) 1:


    Das Streichquartett der Woche ist diesmal Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett Nr. 19 C-Dur KV 465, das letzte der sechs "Haydn-Quartette", genannt "Dissonanzenquartett".


    Hier findet sich eine detaillierte Werkeinführung von Mauerblümchen :top: :top: :top: .


    Das Quatuor Mosaïques, mit Noten:

    Wolfgang Amadeus Mozart - String Quartet No. 19 "Dissonance", K. 465 [With score]
    -Composer: Wolfgang Amadeus Mozart (27 January 1756 – 5 December 1791)-Performers: Quatuor MosaïquesString Quartet No. 19 in C Major, K. 465, written in 1785...
    www.youtube.com


    Weitere Aufnahmen gibt´s auf youtube, wohl in vielen CD-Regalen usw.


    Wünsche eine erbauliche, möglichst wenig dissonante Hör- und Diskussionswoche! Oder zunächst jedenfalls, wie Mauerblümchen ein paar Postings weiter unten freundlich, aber bestimmt fordert:

    "Notebook aus, Klappe halten und zuhören:" ;) 2


    :wink:

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Und schon wieder eine schöne Idee, das Dissonanzenquartett - da dürfte ich drei Einspielungen finden, zumindest. Dank an Alexander! Ebenso an MB!


    Das war's auch schon mit Klappe auf. Ab ins Bett, es ist schon wieder eins vorbei. ||


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • :top:

    Ich war mir sicher, dass Alexander eines von den großen Mozart-Quartetten wählen würde, hatte aber eher mit dem A-Dur op. 464 gerechnet!

    Sehr schön, da können wir diese Woche wirklich aus dem Vollen schöpfen!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ein Highlight der Literatur - sehr schön! Wird wieder eine tolle Woche ... danke für die Wahl! :sofa1: Es geht wohl wieder mit dem Budapester Streichquartett (1952) los ... vielleicht gibt es ja noch mehr interessante hisotrische Aufnahmen. Griller? Und dann Mosaiques, Klenke, ...

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Habe meine erste Runde schon hinter mir - mit dem Budapest String Quartet. Ein fantastisches Werk! Ich muss zugeben, den Sinn der Einleitung des ersten Satzes nie verstanden zu haben. Die darin enthaltene Chromatik kommt im ersten Satz ja gar nicht mehr vor. Allerdings umso mehr im langsamen Satz. Das ist selbst für mozartsche Verhältnisse ein unglaublich chromatisches Stück Musik. Es ist für mich unbegreiflich, wie ein Mensch so etwas erfinden kann! Das ist mMn der Unterschied zu Haydn. Seine Musik klingt wie von einem genialen Menschen ersonnen, Mozarts aber wie von oben diktiert und durch das Medium Mozart auf Papier gebracht. Man verzeihe mir dieses kitschige Klischee, aber solche Stücke wie dieser langsame Satz sind für mich einfach unfassbar schön und wie eine Naturerscheinung.


    Zur Interpretation: Patina hin oder her, ich liebe den Mozart vom BSQ. Muskulös aber doch gefühlig.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

    Einmal editiert, zuletzt von Felix Meritis ()

  • Als nächstes kam das Hagen Quartett dran mit ihrer preisgekrönten Gesamteinspielung von Mozarts Quartetten (mW gibt es auch eine neuere Teileinspielung).


    Perfektes Zusammenspiel ergibt eine Aufnahme ohne Fehl und Tadel! Dieses Quartett scheint mir technisch doch sehr anspruchsvoll zu sein. Die vertrackte Rhythmik im Finale und im langsamen Satz braucht ein Spitzenteam und der Part der ersten Geige ist teilweise durchaus mit dem Solopart in einem Violinkonzert aus dieser Zeit zu vergleichen. Gemütliche Hausmusik ist das nicht!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Schöner als mit so einem Quartett hätte der hier total verregnete Sonntag nicht beginnen können. In greifbarer Form gibt es das Dissonanzenquartett bei mir mit dem Guarneri Quartett, dem Artis Quartett, dem Alban Berg Quartett, dem Franz Schubert Quartett Wien und mit den Juilliards. Angefangen habe ich mit dem Alban Berg Quartett, dessen Aufnahme ich als viel zu orchestral empfinde. Viel mehr Freude macht mir das Guarneri Quartett (1974), da habe ich - auch wenn das ein wenig platitüdenhaft klingt - das Gefühl einem Gespräch von vier Leuten zuzuhören, statt mit tausend in einem grossen Saal zu sitzen.

  • Was mich betrifft, so bin ich an moralischem Zugewinn sehr interessiert - und der wird auch kommen. ;) :)


    Das Dissonanzen-Quartett ist bedeutende Musik, daran gibt es sowieso keinen Zweifel. Ebenso wenig an dessen Schönheit. Ganz persönlich hätte ich bei den Streichquartetten zunächst KV 428, dann - wie Felix Meritis - KV 464 und an dritter Stelle KV 421 favorisiert. Dann käme wohl in der Tat KV 465.


    Ich höre die letzten zehn Quartette immer mal wieder und nur was vorher komponiert wurde von Mozart zu diesem Genre, lege ich ich allenfalls selten auf.


    Mit der eben nicht gemütlichen Hausmusik von soeben bin ich gerne dabei. Ob man das Jagdquartett, KV 458, und nicht von Rihm, zum Beispiel als solches sehen kann? Wenn ich jetzt behaupte: Schon eher ..., dann wird mir sicher jemand erläutern, warum ich im Unrecht bin. Also tu ich's lieber nicht ...


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ganz persönlich hätte ich bei den Streichquartetten zunächst KV 428, dann - wie Felix Meritis - KV 464 und an dritter Stelle KV 421 favorisiert.

    Diese Bemerkung hat mich dazu verleitet, meine Präferenzen in dieser Werkgruppe zu erkunden, und ich fürchte, ich kann Deine Erwartung nicht ganz erfüllen :versteck1:


    An erster Stelle steht ganz klar KV 428 - so weit so richtig! Dann aber kommt für mich KV 387.

    KV 464 ex aequo mit KV 465, dann KV 421. KV 458 ist mit einigem Abstand der 6. Aber auch dieses Quartett liebe ich.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ach, im Zweifelsfall mögen tue ich alle zehn. Details wären zu diskutieren, aber das kann ich selber kaum und das ist gewiss vom jeweiligen Wiederhören abhängig und das muss jetzt hier im Thread auch gar nicht sein. :)

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • "Von oben diktiert"? - Oder: "lange, mühevolle Arbeit"? (wie es in Mozarts Widmungsschreiben an Haydn heisst).

    Vielleicht beides. Kaiser Joseph II beschwerte sich ja über die vielen, vielen Noten. Mich frappiert jedenfalls immer wieder die kleinteilige, raffinierte Ausarbeitung der einzelnen Stimmen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Lieblingsquartett aus den Sechsen? Das, das ich gerade höre ...?


    Bei mir lief gerade eine Aufnahme des Werkes mit dem Quartetto Italiano, die im Juli 1952 entstand, also lange vor der Gesamtaufnahme des Ensembles. Wunderbar. Da bin ich den Plattenfirmen sehr dankbar, dass sie nicht nur neue Quartettformationen mit (bevorzugt) coveraufhübschenden, leicht bekleideten jungen Damen unter einen möglichst renditeträchtigen Vertrag nehmen, sondern hier so eine altbackene Aufnahme wieder herausgaben. Und es war noch einer der Majors … Damit will ich nichts Grundsätzliches gegen weiblich besetzte Ensembles gesagt haben, ganz im Gegenteil bin ich von den Mozart-Aufnahmen der Klenkes sehr angetan. Die Liste ließe sich leicht verlängern, Zaide, Esmé, ...



    Die Introduktion – ein Kunstwerk für sich, weidlich gewürdigt mit ihren „verbotenen“ Dissonanzen, ihren Querständen, ihren Mini-Kanons … der Beginn des ersten Themas der nachfolgenden Exposition kommt mehrfach angedeutet in der Introduktion vor. Zufall?


    Erstes Thema. Achtelpuls herrscht vor, übrigens wie in den einleitenden Cellotönen der Introduktion, nur halt schneller. Die Wiederholung behält den Achtelrhythmus bei, nur erscheint er nun im durchbrochenen Satz, d. h. die durchlaufenden Achtel ergeben sich erst in der Zusammenschau aller Stimmen. Aber lückenlos. Erste Ausweichung in den Subdominantbereich – das lässt dem zweiten Thema dann eine unverbrauchte Tonart (Dominante) übrig.


    In der Überleitung dann die ersten Sechzehntel, erst nur als Nachklapp eines punktierten Rhythmus, dann als Viererguppe, dann im durchbrochenen Satz. Eine herrlich disponierte rhythmische Steigerung.


    Zweites Thema. Kommt erst mit großer geigerischen Geste daher und wird dann zum filigranen Dialog Wo das erste Thema gleichförmig begann, ist hier von Anfang an Auflockerung angesagt.


    Erstes Thema: Achtel. Zweites Thema: Sechzehntel. Drittes Thema (wenn man es denn so nennen möchte): …. Triolen! Lange Schlussgruppe.


    Die Durchführung lebt dann von durchgehendem Achtelpuls. Erstaunlich.


    In der Reprise ist das erste Thema dann stark verkürzt, die Ausweichung in den Subdominantbereich fehlt.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Diese Aufnahme habe ich heute auch gehört. Fang chronologisch an, sagte ich mir.


    Vielen Dank, übrigens, Mauerblümchen, für deine vielen Informationen. Sehr nützlich!


  • Bei mir kam im ersten Durchgang das Cuarteto Casals dran. Gramophone fand die Aufnahme gut, ich auch.


    Mein erster Gedanke: Perfekte Musik. Eine Fülle thematischer Einfälle, egal in welchem Satz, mit einem unvergleichlichen Selbstverständnis und ohne jede Geschwätzigkeit in ein Großes und Ganzes gefügt, keine Note zuviel. Hoffe, ich komme die nächsten Tage noch zu weniger globalen Einsichten, zum Lesen des Werkthreads und zum häufigen Hören.

  • Zu guter letzt habe ich heute noch KV 465 vom Klenke Quartett angehört:


    Wieder habe ich mich in meiner Begeisterung für die Mozartinterpretationen dieses Quartetts bestätigt gefühlt. Perfekte Musik auf perfekte Art gespielt. Hier passt für mich einfach alles: engagiert, schlank im Ton aber trotzdem sehr intim, differenziert und kontrastiert. Das Andante ist hier einfach göttlich gespielt. Überhaupt dieses Andante! Was Großartigeres gibt's doch gar nicht!? (Außer das in KV 428... :love: )

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Mit dem Quatuor Mosaiques, also dezent historisch informiert, und über die von Alexander per yt eingestellten Noten habe ich mir das Quartett nach überschaubarer Zeit wieder zu Gemüte geführt. Ich teile den oben beschriebenen Eindruck, dass die Introduktion gewisse Erwartungen weckt, die dann nicht erfüllt werden, nicht erfüllt werden können, meine ich. Das tut nun der Genialität dieser Einleitung keinen Abbruch, war aber schon immer vielleicht der heimliche Grund, warum dieses Quartett keine der drei Medaillen von mir erhalten hat. Dennoch: Manche harmonische Rückung, mancher originelle imititative Effekt - verleiht dem Satz allenthalben den Rang eines Meisterwerks. Die Melodik per se tut es meines Erachtens nicht - vielleicht ein wesentlicher Unterschied zu KV 428.


    Doch der zweite Satz ist in der Tat genial, raffiniert, mit unerwarteten Wendungen. An das wieder etwas konventionellere Menuett schließt sich dann ein Finalsatz an, der mir noch einmal interessanter erscheint als der Kopfsatz. Dies dank seiner plastischen Dynamik-Kontraste zum Beispiel. Kontrapunktische Ansätze finden sich im ganzen Quartett.


    Längere Passagen des C-Dur-Quartetts in mehreren Sätzen verlaufen in Oktav-Parallelen. Die Bewegungen sind andererseits schon chromatisch durchsetzt. So entsteht - in einem ganz positiven Sinne für mich - eine Zwiespältigkeit, die vielleicht von der Einleitung suggeriert wird. Den Schritt, den die Einleitung (scheinbar oder anscheinend) vorgibt, zu gehen, hat Mozart dann nicht gewagt. Wir bewegen uns im Reich des Spekulativen? Hätte Mozart den Schritt gewagt in einem weniger heiteren Werk oder in Moll? Ist das Dissonanzen-Quartett nach der Einleitung als uneingeschränkt heiter zu sehen? Oder sogar die Einleitung?


    Gegen den frischen und transparenten Klang der Mosaiques-Leute habe ich ohnehin keine Einwände. Es ist schön, dass sie (nahezu) alle Wiederholungen spielen. Oft wird ja nur - generell bei klassischer Kammermusik - die Exposition des Kopfsatzes wiederholt, fast immer geschieht dies nicht bei der Wiederaufnahme des Menuetts nach dem Trio. Ein wenig Schubert'sche Länge? An Schubert hat mich die eine oder andere harmonische Wendung durchaus erinnert - seltsamerweise mehr, als dies im harmonisch radikaleren Es-Dur-Quartett der Fall ist. Vielleicht liegt es daran, dass die Harmonik bei Schubert in einem weitläufigeren Kontext variiert, bei Mozart in einem engeren, dort wo sie eine auffällige Rolle spielt. Das C-Dur-Quartett ist ruhiger als das in Es-Dur, es scheint mir insofern weitläufiger. Aber solche Behauptung unter deutlichem Vorbehalt - zu weit möchte ich nicht hinauslehnen.


    Eigentlich bin ich jetzt bereits versöhnt mit dem Werk und verleihe ihm die zweite Bronze-Medaille [ ;) ].

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Sehr herzlicher Dank für die so positive Annahme dieses Quartettvorschlags!

    Bei mir werden es diese Woche (aus Zeitgründen erst heute am Abend beginnend) jedenfalls die (auf CD verfügbaren) Aufnahmen mit dem Quatuor Mosaïques, dem Hagen Quartett und dem Alban Berg Quartett werden, sowie dann gerne auch weitere Empfehlungen von hier. Die Einleitung zum 1. Satz hintereinander mit dem Quatuor Mosaïques und dann mit dem Hagen Quartett, das war schon mal spannend. Das Hagen Quartett beginnt für mich schärfer, noch ernster, und was dieses Quartett dann aus dem zweiten Teil der Einleitung für Nuancen herauszaubert! Dafür finde ich den Übergang zum Hauptsatz beim Quatuor Mosaïques noch magisch schöner. Diese sanfte Stimmungsaufhellung, die Sonne geht auf...

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

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