Streichquartett der Woche - ein lockerer Austausch

  • Kodály wäre auch nicht zu verachten.

    "Leg auf, ich will dir's tragen" (Paul Gerhardt) ... ;) ... auch von den Modiglianis durfte ich viel Gutes hören ...

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wie findet ihr eigentlich die Aufnahme des Leipziger Streichquartetts? Mit gefällt sie gut, ich habe allerdings nur wenig Vergleich (nur die Aufnahme vom ABQ, die ich schon länger nicht mehr gehört habe, die ich aber aus der Erinnerung nicht besser fand).

  • Ich hör sie mir nachher mal an und erweitere dann diesen Beitrag. Aber wenn jemand schneller ist, dann gibt es halt zwei Meinungen, die sich ja weder unterscheiden noch decken müssen. :)


    Ein paar andere finde ich auch noch, falls ich dazu komme.


    EDIT:


    Jetzt habe ich wieder Lust, möglichst alle meine Aufnahmen zu vergleichen und meine Meinung dazu zu äußern. Die Zeit wird sich finden.



    Leipziger Streichquartett (Seidel, Büning, Bauer, Moosdorf) - 1995


    Ohne Einschränkung kann man mit dieser Einspielung leben, wenn man keine andere kennt oder kennenlernen möchte - sie ist in einem guten Sinne altmodisch. Historische Informiertheit höre ich nicht wirklich heraus.


    Der Dunkel-Hell-Kontrast wird nicht eingeebnet, aber in keiner Weise mit dem Zeigefinger apostrophiert. Nichts ist hier schroff oder nachdrücklich oder gar didaktisch vermittelnd - ich hätte aber keine Einwände gegen das Maß dynamischer Differenzierung. Insgesamt würde ich die Sicht der Leipziger als maßvoll und mild bezeichnen. Schuberts Melancholie dürfte am wesentlichsten sein für die Interpreten. Insofern wird auch das Gemeinsame der Charaktere in den vier Sätzen betont und es werden nicht die Gehalts- und Stimmungsunterschiede herauspräpariert. Vielleicht hätte ich mir den langsamen Satz weniger beiläufig gewünscht. Die Aufhellung des Finales ist als Zielpunkt wahrnehmbar und wird in dessen Verlauf auch nicht in Frage gestellt - insofern erscheint eine positive Grundhaltung hier nicht nivelliert. Darüber dürfte man sich streiten können ...


    Auch die Klangqualität ist in Ordnung; audiophil ist sie nicht, eher weich und temperiert - und von daher zur Intention der Musiker wohl passend.


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

    Einmal editiert, zuletzt von andréjo ()

  • Als nächstes meine älteste CD - angeschafft zu Zeiten, wo mein Blick für unterschiedliche Deutungen noch ganz am Anfang stand, als es keine Foren gab. Allerdings bin ich von daher überrascht, dass die Aufnahme genauso alt ist wie die der Leipziger.


    Kennengelernt habe ich das Quartett (natürlich) deutlich früher, wohl schon in den späten Siebzigern oder frühen Achtzigern. Auf LP finde ich es allerdings nicht, es könnte wenige (zwei?) Rundfunkmitschnitte geben; die suche ich nicht heraus.



    Brandis-Quartett (Brandis, Brem, Strehle, Boettcher) - 1995


    Den ersten Satz meiner kurzen Wertung von oben kann ich übernehmen.


    Die Einspielung ist vielleicht etwas vordergründiger als bei den Leipzigern, heller - was auch an der besseren Klangqualität liegen könnte -, dadurch weniger geheimnisvoll und eindimensionaler. Der zweite Satz gefällt mir allerdings besser. Das Finale erscheint hier weniger als aufhellender Zielpunkt, da dessen Charakter eher eine bloße Nuancierung gegenüber den vorausgehenden Sätzen bedeutet. Dennoch muss ich gestehen - hierbei vielleicht voreingenommen wegen der preisgünstigen Erstanschaffung -, dass mich die Aufnahme stärker angesprochen hat als erwartet.


    Ich habe noch vier weitere Aufnahmen gefunden, jüngeren und in einem Fall älteren Datums, aber erst in den letzten Jahren gekauft.


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

    Einmal editiert, zuletzt von andréjo ()

  • Eine noch - die anderen morgen oder übermorgen.


    - ich nehme mal an, dass hier keine andere Einspielung des Quartetto Italiano enthalten ist. Eine große Sammlung wurde anderweitig schon verlinkt - von MB, glaube ich.


    Quartetto Italiano (Borciano, Pegreffi, Farulli, Rossi) - 1976


    Von der Klangqualität her, die mir das Violoncello zu sehr heraushebt, nicht, aber interpretatorisch erscheint mir diese etwas ältere Aufnahme den zweien von oben durchaus überlegen.


    Schubert hoch pathetisch und dunkel, dynamisch äußerst differenziert, ohne Milde, aber - auch da nicht historisch informiert - ohne jene anderswo nicht immer, aber manchmal schon motivierten modernistischen Schärfen. Das heißt letztlich, dass Schubert hier in keinem Augenblick verzärtelt wird und keinerlei klassizistische Glättung erfährt, aber dass man ihn ganzheitlich empfindet. Auch der Finalsatz hellt weniger auf als bislang oben so wahrgenommen, selbst das Menuett hat nichts Österreichisches an sich - meine ich, kann man vielleicht ganz anders sehen.


    Der Anfang des Quartetts wirkt beinahe verzweifelt, aber den Gesamteindruck würde ich so nicht umschreiben.


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.


  • The Fitzwilliam String Quartet (Russell, Barcham Stevens, George, Pendlebury) - 2018


    Klanglich eine sehr gute Einspielung.


    Das britische Ensemble spielt auf historischen Instrumenten mit Darmsaiten.


    Alle Stimmen sind sehr schön ausgeleuchtet, in den Durchführungsabschnitten wird auf Steigerung, Farbigkeit und Transparenz Wert gelegt. Es fehlt der Einspielung dabei an jeglicher Grellheit und Exzentrik in den Kontrasten, allerdings erscheint mir insbesondere der Finalsatz dann doch ein wenig träge, vielleicht auch der Kopfsatz. Angemessen markant und eigenständig die mittleren Sätze, der Kopfsatz tendiert eher zur Melancholie, was mich schon überzeugt. Aber meine Lieblingseinspielung ist das wohl nicht - da warte ich auf die beiden, die noch kommen ;) :) -, obwohl es einen (privaten) HIP-Bonus und einen für den Sound gibt.


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Da die Woche sich allmählich dem Ende zuneigt, möchte ich nur noch kurz auf zwei Aufnahmen hinweisen, die ich für ganz vorzüglich halte:


    Da ist einmal die bereits erwähnte mit dem Artemis-Quartett, die bei Schubert die Kontraste recht scharf und klar herausarbeiten, ohne daß das Melodiöse zurückgesetzt wird; die bereits erwähnte Melange aus Melancholie und Lebenslust höre ich da deutlich heraus, nicht nur bei D.804, sondern auch bei D.703:


     


    Und dann: Die berühmte "Stuhlkante" höre ich auch dort, vielleicht minimal zurückhaltender als die Artemis-Leute, aber sehr emotional: Das heute nur noch wenig bekannte Heutling-Quartett hat 1968-71 die Quartette Nr. 7-15 eingespielt (außerdem dabei das Streichquintett mit dem Quatuor Hongrois mit Laszlo Varga, 2. VC):



    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz


    Wissen Sie denn nicht, daß die Menschen manchmal nicht auf der Höhe ihrer Werke sind?
    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • - eine einzelne CD finde ich auf die Schnelle nicht; vielleicht ist auch gleich die Dreier-CD erschienen und dann noch eine


    Auryn-Quartett (Lingenfelder, Oppermann, Eaton, Arndt) - 1995


    Nur scheinbar klingt der Kopfsatz am Anfang eher konventionell, da die Themenaufstellung klassisch temperiert geschieht, eher sonor als fahl oder melancholisch, nicht zu hell und nicht zu dunkel. In seinem Verlauf lassen sich dann die feinen Abstufungen in Charakter und Dynamik durchaus klar erkennen. Dabei gilt auch hier - wie bisher eigentlich bei allen Aufnahmen - der Verzicht auf den Effekt. Der Variationensatz erscheint milder, aber zweifellos vielschichtig. Dunkel und sonor auch das Menuett, dessen Trio natürlich aufhellt, aber nichts Verspieltes oder Heiteres vermittelt, sondern nur von Sorge befreit erklingt - goldfarben, wenn man so will. Das Finale wirkt dann in der Tat beschwingter, nur dezent abgedunkelt, dort wo es relevant ist..


    Das Zusammenspiel der vier Musiker halte ich für untadelig und wird durch die sehr gute Aufnahmetechnik unterstützt. So viel Transparenz wie nötig, noch wichtiger scheint mir aber der homogene Klang.


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Nachdem letzte Woche Zeit und Laune nicht so ganz gepasst haben, werde ich mir gerne mal den Quartettsatz vergleichend anhören - mit den gleichen Alternativen wohl. Das mache ich aber nur für mich, keine Angst! :P ;) Alexander wird es mir nicht nachtragen und Philberts Beitrag zum ""Rosamunde"-Quartett" - oder so ... - hat mir bewiesen, dass da einer durchblickt. Ich hab's geahnt ...


    Vorher kommt später aber noch - Traram! - das Artemis-Quartett. Ich werde mich hüten, es zu kritisieren. :P Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich es überhaupt schon mal gehört habe mit D 804 - dem großen letzten Schubert-Quartett habe ich jedenfalls bereits gelauscht. Artemis mit spätem Schubert müsste meine jüngste Anschaffung sein und da zeichnet mit Sicherheit das Forum verantwortlich.


    Die beiden Cover hat soeben Freund Gurnemanz in vorauseilendem Gehorsam - kleiner Scherz :versteck1: - eingestellt. Ein drittes werde ich nicht suchen.


    EDIT: Gschmarri. Es gilt nur das erste Cover. [Ein weiteres werde ich nicht suchen.] - Allerdings fehlt auf dieser Ausgabe, die ich mir auch gekauft habe, der Quartettsatz, wie mir soeben auffällt. Der hätte nun wirklich noch Platz gefunden. :cursing:

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Freund Gurnemanz in vorauseilendem Gehorsam - kleiner Scherz

    :boese1: Grins1 :cincinbier:

    Es grüßt Gurnemanz


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    Jean-Paul Sartre


    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.

    Helmut Lachenmann

  • Nur ganz kurz zu der Einspielung mit Artemis von 2012:


    Ich bin gerne dabei, dass es auch anders, aber nicht überzeugender geht. Persönlich (!) brauche ich an einigen Stellen nicht so viel Vibrato und von der Aufnahmetechnik her werden Auryn und auch andere wahrscheinlich erreicht, wahrscheinlich, aber nicht übertroffen - was ja auch nicht nötig ist.


    Vielleicht lege ich mir noch Belcea zu - dann aber auf jeden Fall in einer kleinen Sammlung, die ich ins Auge gefasst habe und wo sich beispielsweise auch der komplette Bartok findet. Da ist der Nachholbedarf bedenklich groß - dessen wurde ich mir nicht erst im Kontext dieser unserer Serie bewusst.

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • The Fitzwilliam String Quartet (Russell, Barcham Stevens, George, Pendlebury) - 2018
    [...]

    allerdings erscheint mir insbesondere der Finalsatz dann doch ein wenig träge, vielleicht auch der Kopfsatz. Angemessen markant und eigenständig die mittleren Sätze, der Kopfsatz tendiert eher zur Melancholie, was mich schon überzeugt. Aber meine Lieblingseinspielung ist das wohl nicht - da warte ich auf die beiden, die noch kommen ;) :) -, obwohl es einen (privaten) HIP-Bonus und einen für den Sound gibt.

    den gleichen HIP-Bonus und noch einen für zügigere Tempi könnte das Quatuor Terpsycordes gewährt bekommen, das auf dieser CD exakt das gleiche Programm spielt:



    Außer in den Binnensätzen von D 810, wo beide Ensembles gleichauf liegen, sind die Franzosen deutlich zügiger unterwegs. Auch sie haben Exzentrisches nicht nötig, könnte dir gefallen.

    Länger nicht mehr gehört, da ich leider D 804 nicht besonders mag (egal welche Einspielung), aber D 810 fand ich stark, auch live hat mich das Ensemble überzeugt.

  • Danke Dir für den Tipp, Khampan! Auf eine hin und her kommt es jetzt nicht mehr an. ;) :)

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich habe vor ca. 1 1/2 Jahren meine Aufnahmen dieses Quartetts verglichen. Meine nicht besonders tiefschürfenden Eindrücke waren diese:

    Ich habe meine CD-Aufnahmen des sogenannten Rosamunde Quartetts (D 804, a-moll) hintereinander angehört. Es fällt mir nicht leicht zu vergleichen, da man die Aufnahme, die man hört, mit der oder denen vergleichen muss, von denen man nur noch den Gedächtniseindruck hat. Enttäuscht hat mich - unerwartet - ein wenig das Quartetto Italiano, das für meinen Geschmack zu langsam spielt. (Aber ich liebe ihr G-Dur Quartett D 887). Beim Ungarischen Streichquartett finde ich die "nervösen Zuckungen" im Kopfsatz zu verwaschen, was aber nicht am Alter der Aufnahme liegt. Belcea, Artemis und Sine Nomine sorgen für stärkere Kontraste und Konturen als das Melos Quartett (harmonia mundi France), sie bietet, mit dem ich meinen Streifzug begonnen bin. Das wenig bekannte Schweizer Quartett Sine Nomine, spielt wohl am meisten extrovertiert. Aber dem Rosamundequartett tut vielleicht gerade etwas mehr Zurückhaltung gut.

  • Aber dem Rosamundequartett tut vielleicht gerade etwas mehr Zurückhaltung gut.

    Dieser Eindruck hat sich für mich verstärkt, selbst wenn mir die Artemis-Aufnahme, die vielleicht als einzige der von mir zuletzt gehörten keineswegs zurückhaltend ist, wirklich gut gefällt. Aber auch diese Formation spielt nicht in der Radikalität, wie wir sie bei Beethovens f-Moll-Quartett ein paar Mal kennengelernt haben. Das könnte schon mit dem spezifischen Charakter Schubert'scher Musik zu tun haben. Aber hinter dieser meiner Meinung steckt nun keine vielfach erprobte Sachkenntnis, sondern möglicherweise ein Klischee.


    Ein Klischee, bei dem die Ausnahmen die Regel bestätigen. Die vorletzte Klaviersonate wäre eine solche Ausnahme im zweiten Satz.

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Einen schönen guten Morgen an diesem ersten Tag des zweiten Halbjahres!


    Morgen ist Scherzo dran - ich freue mich auf seine Wahl des nächsten Streichquartetts der Woche und bin gespannt!


    Rosamunde möchte zunächst mal kein weiteres Werk auswählen.


    Damit folgen in dieser (zweiten) Runde:

    • Scherzo
    • putto
    • maticus
    • MB
    • Pizzicato
    • Quasimodo

    Die nächste Runde begönne dann wiederum mit

    • Wieland
    • Knulp
    • Abendroth
    • andréjo
    • Felix Meritis
    • Braccio
    • AlexanderK
    • Gurnemanz
    • Scherzo

    Ich hoffe sehr, niemanden versehentlich ausgelassen zu haben ...


    Hier nochmal die herzliche Einladung an alle Forianer*innen, in diesem Thread mitzuschreiben, auch wenn sie nicht auf "der Liste" stehen!


    Gutes Hören, gutes Diskutieren!


    Viele Grüße

    MB

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Da ich im parallelen Thread "Musikstück der Woche" das SQ der Woche schon quasi geleakt habe, mache ich es hier nochmal offiziell.


    Das SQ der nächsten Woche ist:


    Claude Debussy: Streichquartett g-moll op. 10


    Entstanden in zeitlicher Nähe zum Prélude á l'après midi d'un faune.
    Wie dieses habe ich auch das Streichquartett in den letzten Jahre eher links liegen gelassen.
    Das soll sich hiermit ändern.

    :wink:

  • Danke, Maestro Scherzo! :thumbup: :thumbup:


    Und bescheidene Hinweise werden ganz unbescheiden entgegengenommen. :cincinbier:

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

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