Heute Morgen habe ich mich intensiv mit einer der ältesten CDs in meiner Sammlung beschäftigt.
Die CD ist aus dem Jahre 1986, sie ist auf dem Kölner Largo-Label erschienen und beinhaltet zwei Klaviertrios interpretiert durch das (heute?) wenig bekannte Clementi-Trio Köln.
Die Trios sind:
- Opus 11 von Fanny Mendelssohn-Hensel
- Klaviertrio (1921) von Rebecca Clarke
CD-Veröffentlichungen, die sich Komponistinnen widmen sind heutzutage populär, aber 1986 war das sicherlich noch eine Pioniertat.
Was macht dieses CD nun zu einer Rarität?
Findet man das Album auf Spotify oder Apple Music? Nein. (Oder irgendwie doch...Siehe weiter unten.)
Auf Amazon wird man immerhin fündig:
Aber ohne Cover und es gibt die CD nur über einen Drittanbieter für unverschämte 103,03 Euro zu kaufen. Oder gebraucht für 16,99 Euro.
Interessant ist die bei Amazon zu findende Rezension von Stereoplay, die vermutlich zeitnah zur Veröffentlichung der CD publiziert wurde. Das Album wurde nicht gerade überschwänglich rezipiert. Opus 11 läge schon zweimal auf Platte vor, Repertoirewert habe jedoch das Klaviertrio von Clarke;
Zitat von Stereoplay (1986?)Was diese Einspielung mit dem Kölner Clementi- Trio zusätzlich interessant macht, ist die Kombination mit dem Klaviertrio von Rebecca Clarke, dem 1921 entstandenen Werk einer englischen Komponistin, deren Name im 17bändigen Lexikon "Die Musik in Geschichte und Gegenwart" nur einmal in einem Nebensatz erscheint. Eine "Fundsache" also, und nicht nur für Feministinnen: Denn das Clarke-Trio ist, auch wenn es alles andere als avantgardistisch klingt, doch zumindest anhörbar,...
Heutzutage ist Rebecca Clarke etwas bekannter. Es gibt zu ihr eine deutschen Wikipedia-Artikel

und man findet ihre Werke auf mehreren dutzend Tonträgern.
Das abschliessende Urteil von Stereoplay ist allerdings vernichtend:
Zitat von Stereoplay (1986?)Das Problem dieser "Largo"-Aufnahme ist ihre Klangqualität, die ausgesprochen mickerig wirkt. Alle drei Instru-mente kommen strähnig und dünn, klar, aber schwächlich, undynamisch und relativ farblos. Dies beeinträchtigt die Gesamtwirkung erheblich, es läßt sich über die interpretatorische Leistung des Clementi-Trios daher kaum mehr sagen, als daß sie sauber und zügig ist.
Über diese Kritik der Audioqualität kann ich mich nur wundern. Ich finde die Audioqualität sehr gut. Allerdings fällt auf, dass man die Lautstärke stark hochdrehen muss. Aber dies ist für Audiophile eher ein gutes Zeichen, nämlich ein Hinweis, dass auf dynamische Kompression verzichtet wurde. Man sollte denken, dass dynamische Kompression in den 80ern noch kein grosses Thema war. Um so mehr wundert mich der explizite Vermerk auf der Rückseite des Booklets:
ZitatProduced by Uwe Buschkötter
Recorded at Studios Cornet in April 1985 by Thomas Kern with Sony Digital Recording System using no noise reduction limiting or compressing.
Largo Records, 5000 Cologne 41,...
(Hervorhebung durch mich.)
Hier wird also durchaus ein audiophiler Anspruch des Labels sichtbar, der offenbar von Stereoplay damals nicht gewürdigt wurde. (Hätte man dort vielleicht einfach mal am Lautstärkeregler drehen sollen?)
Wer steckt hinter Largo Records? Über den Gründer Uwe Buschkötter, der hier auch als Produzent genannt wird, gibt es einen Wikipedia-Eintrag:
Über das Label selbst findet man kaum weitere Informationen.
Äusserst rätselhaft ist folgende Zufalls-Entdeckung. Die Musik-Identifizierungsapp Shazam identifiziert von allen Tracks auf der CD nur zwei das Moderato ma apposionato und das Andante molto semplice des Clarke-Opus. Allerdings werden diese Tracks einer anderen CD und einem ganz anderem Werk zugeordnet:
Gleiches Label, gleiches Ensemble, aber hier handelt es sich nun angeblich um das Moderato bzw. das Très animé aus einem Klaviertrio aus dem Jahre 1978(!) von Germaine Tailleferre. Diese Album findet sich bei Spotify, und in der Tat sind die Tracks identisch zu denen auf meiner CD. Die übrigen Tracks sind nicht identisch.
Höre ich also seit Jahren Tailleferre? Oder sind die beiden Tracks doch auch von Clarke? Zum Glück findet sich Clarkes Trio auch auf dieser CD
Via Spotify konnte ich anhand dieses Albums nachweisen, dass die Angaben auf meiner CD korrekt sind. Hätte mich auch sehr gewundert, wenn nicht, denn die Stücke würden in dem Werk von Tailleferre ziemlich quer in der Landschaft stehen. Ob die "Tailleferre-Tracks" nur bei den Streaming-Diensten oder auch schon auf der CD falsch zugeordnet sind, kann ich nicht entscheiden.
Natürlich findet man die detaillierte Informationen zu der hier besprochenen CD bei Discogs.

Ich wusste nun nicht wohin mit diesem Beitrag. Daher habe ich einen neuen Thread eröffnet, worin Ihr andere Tonträgerraritäten samt Internetrecherche vorstellen könntet.
Alternativ aber findet vielleicht die Moderation einen geeigneteren Platz für meine nerdige Archäologie rund um diese Scheibe.