Musikstück der Woche - ein lockerer Austausch

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  • Hier läuft gerade die Asrael-Sinfonie mit Jiří Bělohlávek (1946-2017) und der Tschechischen Philharmonie, die Aufnahme von Juni 1991:


     


    Sie gefällt mir ausgezeichnet. Nicht nur klanglich, denn die Mosaiksteinchen des wunderbaren Werkes fügen sich nun viel sinnvoller für meine Ohren zueinander. Mag natürlich auch daran liegen, dass ich die Sinfonie nun mehrmals in kurzer Zeit hörte.


    Mindestens zwei weitere Aufnahmen gibt es mit Bělohlávek, ein Live-Mitschnitt aus Juni 2008 in Prag mit dem BBC Philharmonic, wo Bělohlávek sechs Jahre Chefdirigent war, und ein Remake mit der Tschechischen Philharmonie bei Decca aus Oktober 2014:


     

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe


  • Wenn man das Werk noch nicht gut kennt, ist es nicht leicht, meine ich, der zwar markanten, aber melodisch doch sehr zurückhaltenden Leitmotivik zu folgen. Aufmerksamkeit scheint mir ohnehin geboten, soll der Gesamteindruck nicht gänzlich verwaschen bleiben, und auch die Bereitschaft einer Stunde lang der epischen Breite zu folgen, denn nach wie vor finde ich die Musik als zwischen Trauer und Trost angesiedelt, mit einem Schuss Aufruhr, aber nur einem Schuss, auch pendelnd zwischen einer plastischen Klassizität - in c-Moll, wie es sich quasi gehört - und einer dezenten Farbigkeit, die das Impressionistische bisweilen streift (1), aber ich empfinde sie nicht als dramatisch. Zumindest ist es so wenig eine klassische Dramatik wie bei Bruckner. Suk ist kein uferloser Spätromantiker, mir fehlen eigentlich auch die Berührungspunkte zu Mahler, dazu scheint mir Asrael dann doch gleichermaßen dunkel im Ton wie hell in der Struktur, aber es ist doch eher das Wesen einer großen Tondichtung als das einer Sinfonie aus dem Geist von Beethoven oder Brahms.


    Das tröstliche Ende, der gewiss nicht triumphale Choral, lässt dann die Zurückschau erst in ihrer ganzen Eindringlichkeit aufleuchten - bei meinem nächsten Durchgang, vielleicht noch die Woche, werde ich es mir, nach dieser ganz milden Apotheose, hoffentlich erlauben können, das thematische Material besser zu durchschauen.


    Es ist Musik auf den zweiten akustischen Blick, aber ich verstehe mehr als gestern quasi, warum diese Musik so an Relevanz gewonnen hat in den letzten Jahren, auch wenn es Aufnahmen seit Jahrzehnten gibt. Denn die konventionellen Konzertführer, auch der nicht ganz so konventionelle von Csampai/ Holland, dessen Auflage von 2005 ich besitze, haben kein Interesse an Asrael. Bestenfalls wird der Titel benannt.


    Ansonsten habe ich den Eindruck, dass - wenn man denn genau genug hinhört und ein wenig Erfahrung mitbringt - das biographische Hintergrundswissen natürlich nicht schadet, aber nötigenfalls entbehrlich ist, um sich in die Sinfonie einzugewöhnen. Ich weiß nicht genau, ob man Suks Meisterwerk mit Franz Schmidts vierter Sinfonie sinnvoll vergleichen kann. Im Hinblick auf das Biographische wird das möglich sein, doch auch die Idee - hoffentlich nicht nur meine Idee - der Abfolge mehrerer Trauermärsche unterschiedlichen Charakters bei Schmidt ließe sich vielleicht in Analogie setzen. Für weniger bedeutend halte ich Schmidts wichtigste Sinfonie sowieso nicht.


    (1) Die anderen drei Tondichtungen aus Suks sinfonischer Tetralogie, die ich offen gestanden häufiger gehört habe - sie sind natürlich in obiger Viererbox enthalten - enthalten das malerische Element deutlicher - das mahlerische, meine ich, genauso wenig.


    PS: Ich habe letzte Woche nicht wirklich mitgelesen und nehme auch jetzt erst die Vorbeiträge explizit zur Kenntnis. Wenn sich etwas wiederholt an Meinung und Eindruck, um so besser, wenn sich etwas widerspricht, möge es Diskussionsgegenstand sein. Da ich die Musik so oft nicht hören werde, will ich es bei Neumann belassen, dem ich Authentizität zubilligen möchte. Übrigens sieht mein Gramophone Classical Music Guide in der Ausgabe von 2008, die ich mir mal gekauft habe, die Einspielung durch Rafael Kubelik als erstrangig, mehrere Vergleichseinspielungen vor allem tschechischer Interpreten werden genannt und auf die Folgeplätze verwiesen.


    Danke den Kollegen und im Besonderen Braccio, nicht nur, aber vor allem, für die Erörterung der biographischen Hintergründe, die über das hinausgeht, was ich zügig gefunden habe.


    :) Wolfgang


    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • ... extratopisch, Vorlage: MB ...




    An Isa Kreijcis Serenade habe ich seit vielleicht fünfzig Jahren einen kleinen Narren gefressen. Muss man nicht verstehen. Zwei Aufnahmen kenne ich, obige nicht ...


    ;) :)

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Wenn man das Werk noch nicht gut kennt, ist es nicht leicht, meine ich, der zwar markanten, aber melodisch doch sehr zurückhaltenden Leitmotivik zu folgen.

    Zustimmung hierzu, lieber Wolfgang, und - mit vielleicht kleinen Einschränkungen - auch zu Deinen übrigen Ausführungen. Eine gewisse Dramatik würde ich bspw. der Klimax des Kopfsatzes nicht absprechen wollen, allein in Anbetracht des Einsatzes der großen Trommel. Oder eben der Marsch im zweiten Satz? Aber vermutlich verstehen wir den Begriff unterschiedlich. Tondichtung ja, aber Symphonie schon auch, oder? Recht klare Satzcharaktere, etwas ungewöhnlich in der großen Anlage lediglich der zweite langsame Satz. Es ergibt sich aber doch eine großangelegte Bogenform.

    Die Nähe zu Schmidt 4 habe ich dumpf auch empfunden. Dumpf, weil ich Schmidts Symphonie schon wieder ewig nicht gehört habe. Da muss ich meine Eindrücke wieder auffrischen.

  • Wir könnten wieder mal zusammenkommen, lieber Kollege Braccio. ;) :)


    Vom thematischen Material her ist es wohl durchaus eine Sinfonie - ich habe ja implizit eingeschränkt, dass Beethoven und Brahms ein engeres Verständnis hatten - bei Beethovens Sechster könnte man sowieso diskutieren, aber es gab ja den Terminus der Tondichtung damals noch nicht - meine ich - man möge mir im Fall des Falles widersprechen. Das Programm ist einerseits explizit dank Titelbenennung, andererseits vage - kann eine mythologische Gestalt ein Programm darstellen oder ersetzen? Und Deinen spezifischen Eindrücken will ich auch nicht widersprechen, weil ich nicht recht wüsste, wie und wo und warum. :P


    "Dramatik" ist ein diffiziler Terminus. Da denke ich als alter Deutschlehrer recht eng an ein Konfliktpotenzial, das tragisch, komisch oder in Mischformen zu Ende geführt werden kann. Dem steht das Konzept der Epik entgegen, das ich zu Asrael sogar gelesen habe als Konzept und von dem ich aber ohnehin überzeugt bin. Der Todesengel erzählt oder wird erzählt - mit musikalischen Mitteln gezeigt wird ein Geschehen, das sich quasi mit einem realen Geschehen deckt - was niemand heraushören muss, wenn er die Hintergründe nicht kennt. Wir Liebhaber kennen sie halt. Was die musikalischen Mittel anbelangt, so meine ich - das ist jetzt schwerer zu beweisen und zu widerlegen -, dass die thematische Anlage eben auch nicht in Beethoven'schen Kontrasten sich primär beschreiben lässt - allenfalls sekundär, im Hinblick auf einzelne Eindrücke. Da nehme ich gerne die Perkussion hinzu.


    Schmidts Sinfonie empfinde ich allerdings als gänzlich frei von Dramatik. Sie ist überhaupt viel statischer in ihrer Haltung - mir gefällt das und vorerst ziehe ich sie Suks Hauptwerk vor, aber das ist vermutlich bereits auf der puren Geschmacksebene angesiedelt.

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Da denke ich als alter Deutschlehrer recht eng an ein Konfliktpotenzial, das tragisch, komisch oder in Mischformen zu Ende geführt werden kann. Dem steht das Konzept der Epik entgegen, das ich zu Asrael sogar gelesen habe als Konzept und von dem ich aber ohnehin überzeugt bin.

    Überzeugend, da gehe ich gern mit!

  • Oft ist es ja so, dass unter mehreren Aufnahmen desselben Werkes mit demselben Dirigenten die erste Aufnahmen die beste ist. Hier tendiere ich jedoch zur dritten:



    Česká filharmonie

    Jiří Bělohlávek

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich warte mal noch die Woche ab und kaufe mir dann vielleicht eine Alternative ... Fluch und Segen oder so des Musikforums ... Aber natürlich kenne ich auch alle Eure alternativen und unalternativen Ideen zu diesem Thema ... Im Falle Schmidt 4 war die Alternative die bessere Alternative ...

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Bei mir heute diese:



    Nach Ashkenazy und Bělohlávek die vielleicht beeindruckendste bisher gehörte Interpretation. Aber vielleicht komme ich auch nur einfach dem Stück noch näher. Ich fand es allerdings von Anfang an sehr ansprechend.


    Nach Ashkenazy und Bělohlávek die vielleicht beeindruckendste bisher gehörte Interpretation.

    Die (BR/Hrůša) habe ich gestern auch angefangen. Finde ich gleichfalls sehr stark.

    Diese CD wird voraussichtlich morgen auch mich erreichen, bin schon sehr gespannt darauf.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Auf den ersten Lausch war die Mackerras-Aufnahme eher eine subtil ausgehörte als eine knallige:


    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Heute auch in mehreren Etappen gehört. Großes Kino, meine ich.

    Im dritten Satz konnte ich heute schon Assoziationen mit Mahler verstehen.

  • Im dritten Satz konnte ich heute schon Assoziationen mit Mahler verstehen.

    Höre gerade die Aufnahme mit Jakub Hrůša und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und kann das gut mitvollziehen. ja, Mahler (auch)!


    Die Münchner Aufnahme von 2018, heute erworben und gleich im CD-Player, fesselt mich vor allem in ihrer Klang-Vielschichtigkeit, höchste Orchesterkultur vom Besten, zwischen feinsten Passagen und umso heftigeren Schicksalsschlägen. Eine orchesterklangliche Zauberaufnahme (für mich).

    Herzliche Grüße
    AlexanderK


  • Gegen Ende der Asrael-Runde heute nun die Aufnahme mit Tomas Netopil am Pult der Essener Philharmoniker. MB hatte sie anfangs erwähnt.


    Bin äußerst angetan. Spiel an der vordersten Stuhlkante, tolle Orchesterkultur, sehr guter Klang. Eher auf der zügigen Seite, sehr intensiv. Bei dieser Gelegenheit fiel mir wieder auf, welch unterschiedliche Wandlungen das Hauptmotiv in seinem Charakter erfährt. Genial!

  • Ich besitze Einspielungen der Sinfonie unter Belohlavek (BBC-SO), Mackerras, Neumann, Pesek und Petrenko. Meine Erstbegegnung war mit Neumann auf Supraphon, so weit ich das in Erinnerung habe. Petrenko kam später erst, dann aber gleich die Box bei JPC.


    Zwischenzeitlich hatte ich immer mal wieder andere Einspielungen noch im Visier (jene aus Essen etwa, aber auch Ashenazys Einspielung). Am Ende wurde es keine weitere Einspielung. Ich denke, dass mir diese fünf Aufnahmen ausreichen werden. Welche ich als Favorit auswählen würde weiß ich nicht. Sie sind, und das finde ich höchst erfreulich, alle mMn sehr gut gelungen. Bei so einem Mosnterwerk sicher eine reife Leistung, sowohl vom Dirigenten, aber auch dem Orchester.


    Dass man hier mit der Tschechischen Philharmonie keinen Fehler machen kann, sollte klar sein. Neumann und Pesek sind die ältesten Einspielungen bei mir. Vielleicht hier mit dem ganz kleinen Nachteil der Aufnahmequalität, aber das ist jetzt Jammern und Kritik auf sehr hohem Niveau.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Was mich betrifft, so besitze ich ja (bislang?) nur Neumann. ;) Mein aufnahmetechnisches Jammern und Kritisieren wäre sogar auf noch höherem Niveau ...

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Nach meiner Bělohlávek-Supraphon-CD habe ich ein wenig in andere Aufnahmen hineingehört (K.Petrenko, Hrůša) und fand die ebenso großartig. Es drängte sich mir der Eindruck auf, wer sich mit diesem Werk auseinandersetzt, der kann gar keine (nur) mittelmäßige Interpretation abliefern. Dafür ist die Sache zu ernst.


    Übrigens hervorragende Wahl für das Musikstück der Woche (wie auch Bruckner 2), gratuliere Freund Braccio. Ich wäre nicht auf so eine Idee gekommen, daher lasse ich mich gern weiter in diesem Thread überraschen.

  • Hier gab's heute die Aufnahme mit Ashkenazy bei Ondine.



    Nicht schlecht, aber eventuell nicht so herausragend, wie in einigen Online-Rezensionen zu lesen ... Belohlavek III bleibt mein Favorit. Fehlen noch Petrenko und Netopil.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Mein Vorschlag ist


    Mieczysław Weinberg: Kammersinfonie Nr. 4 für Streichorchester, Klarinette und Triangel Op. 153


    Das Op. 153 wurde 1992 komponiert und ist Weinbergs letztes, vollendetes Werk.


    1. Lento – Meno mosso –

    2. Allegro molto – Moderato – Meno mosso –

    3. Adagio – Meno mosso –

    4. Andantino – Molto ritenuto – Meno mosso – Doppio più lento (adagissimo)


    Aufgrund der Kürze des Werkes von ca. 32-33 Min. schlage ich 1 Woche vor.


    Einspielungen gibt es relativ viele. Ich finde (wovon die letzten beiden wohl nicht mehr richtig erhältlich sind):


                


    Auch auf yt gibt es einiges, etwa (die vergriffene CD):

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    maticus

    Social media is the toilet of the internet.

    --- Lady Gaga


    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.

    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,

    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.

    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.

    --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Danke für die Auswahl! Letzte Werke haben von vornherein eine besondere Anziehungskraft, finde ich. Ich habe glaube ich die Aufnahmen mit der Kremerata und aus Helsingborg schon einmal gehört, kann mich aber nicht mehr an die Musik erinnern. Das wird sich ändern.

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