Vielen Dank nun auch von mir für den dieswöchigen Musikstück-Impuls. Für mich war dies völliges Neuland. Danke auch für den wikipedia Link dazu! Nun wissend, dass es sich ursprünglich um einen Hirten-Wechselgesang handelt, komme ich etwas vom "Pentatonik-Kitsch" des spontanen Ersthörens weg. Aus Zeitgründen waren jetzt bei mir nur mal die gleich zu Beginn angebotene Netania Davrath (Vanguard 1961) und Frederica von Stade (CBS 1982) drin, wobei mich die zweite Aufnahme vom Gesang und von der Gesamtstimmung her mehr angesprochen hat.

Musikstück der Woche - ein lockerer Austausch
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Frederica von Stade gefällt mir auch sehr, selbst wenn ich im Rahmen dieses gegenüber Netania Davrath etwas stärker stilisierten Duktus Victoria de los Angeles bevorzugen würde.
Über meine ordentliche Anlage gehört und nicht über die PC-Lautsprecher, fällt Davrath dann doch klangtechnisch ab.
Hier habe ich einen Konzertmitschnitt mit ausgewählten Stücken gefunden - hauptsächlich ist aber die Partitur zu sehen. Sehr überzeugend! Der Name der Sopranistin sagt mir nichts. Das Ensemble Oxalys kenne ich mit Kammermusik, etwa von Reger.
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Alexander spricht von "Pentatonik-Kitsch". Von der Assoziation abgesehen, die ich nun nicht unoriginell finde - denn es gibt zur Genüge solcherlei Chinoiserien -, muss ich mal nachhören, ob man die Pentatonik so pauschal erkennt. Sie wäre ja keineswegs untypisch für Tendenzen gerade in der westlichen Folklore - man denke an Schottland, Irland, auch England oder Nordamerika. Mir ist es halt zuvor nicht aufgefallen.
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Mir gefällt das Lied schon gut, auch weil mir die französische Musik über die Jahre immer lieber geworden ist. Tendenziell finde ich die Instrumentierung auch etwas "trop beaucoup", wirklich stören tut es mich aber nicht. Nach Bauernleben klingt es in meinen Ohren freilich nicht, sondern nach pariser Kunst. Für mich ist seit vielen Jahren Saint-Saëns' La Cloche der Inbegriff dieses französischen Gesangsstils (komponiert in den 1850er Jahren!). Ich höre es oft.
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Mir gefällt das Lied schon gut, auch weil mir die französische Musik über die Jahre immer lieber geworden ist. Tendenziell finde ich die Instrumentierung auch etwas "trop beaucoup", wirklich stören tut es mich aber nicht. Nach Bauernleben klingt es in meinen Ohren freilich nicht, sondern nach pariser Kunst. Für mich ist seit vielen Jahren Saint-Saëns' La Cloche der Inbegriff dieses französischen Gesangsstils (komponiert in den 1850er Jahren!). Ich höre es oft.
Ich denke, dass auch Fauré - sein Requiem etwa mit Pie Jesu - deutlich dieser Richtung entspricht.
Was Dein "Bauernleben" anbelangt, werter Kollege, so ist der Bailero dafür gewiss nicht repräsentativ, andere Nummern sind es aber durchaus, meine ich - so auch in der Auswahl enthalten, die ich oben mit Noten verlinkt habe. Mag auch sein, dass Sängerinnen wie Netania Davrath (1), Maria Bayo, Madeleine Grey (2) und schon auch Victoria de los Angeles sich da ganz in ihrem Element befinden.
Aber in einer Hinsicht stimme ich Dir auch bei den noch stärker folkloristischen Nummern gerne zu: Der Orchestersatz ist virtuos oder komplex oder pompös oder alles drei. Das sieht man bereits der Partitur an.
Den Klaviersatz kenne ich nur von einigen wenigen Aufnahmen des Bailero im Netz. Auch da spürt man die Nachahmung des Orchestersatzes: Es ist eine geradezu nervös flirrende Virtuosität wahrzunehmen. Da funkeln die Sterne in den Hochlagen des Mittelgebirges oder sind es die Insekten oder doch nur die Spreu ... ?
(1) Mit ihr kenne ich nicht nur den gesamten Zyklus, sondern auch noch später von Canteloube arrangierte "Neue Lieder".
(2) Da liebäugle ich mit einer Anschaffung. Der Tipp war ja von b-major.
Wolfgang
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Ich habe das Stück mit Victoria de los Ángeles kennengelernt und bin daher für andere Interpretationen leider verdorben. Ihre Aufnahme der "Chants d'Auvergne" halte ich grundsätzlich für eine der größten Errungenschaften ihrer Tonträgerkarriere. Bei anderen Sängerinnen stört mich oft allein schon der Eindruck, dass ihnen das sprachliche Idiom fremd gewesen zu sein scheint. Das gilt auch ein bisschen für die an und für sich sehr reizvolle Aufnahme von Netania Davrath, die außerdem gerade im Baïlèro ein bisschen an die Grenzen ihrer Technik und Phrasierung zu geraten scheint.
Victoria de los Ángeles singt übrigens vom Baïlèro nur die Strophen 1 und 3, was dem Spannungsbogen des Stückes durchaus gut bekommt.
Die Grenze zum Kitsch wird von Canteloube in seinen spätimpressionistischen Orchesterarrangements durchaus ausgetestet, aber nach meinem Dafürhalten nie rückhaltslos überschritten. Gerade beim Baïlèro erzeugt er für mich sehr stark die Wirkung, dass das Orchester die Landschaft der Auvergne und die Abendsonne malt, vor deren Hintergrund die Gesangsstimme den Hirtenruf anstimmt - in den Alpen würde man sowas als Jodler bezeichnen. Die Interpretation spielt allerdings eine große Rolle, je langsamer das Tempo und je plüschiger der Orchesterklang, umso kitschgefährdeter wird das.
Die Aufnahme von Gérard Souzay finde ich sehr spannend, auch die Klavierbegleitung, die weniger farbig und damit auch deutlich herber klingt - und das zupackende Tempo, bei dem man sehr schön sieht, was ich oben gemeint habe. Auch Gérard Souzay singt nur zwei Strophen.
Liebe Grüße,
Areios
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Dank an Areios! Ich habe den Eindruck, dass auch in anderen Aufnahmen, die ich gefunden habe, eine Strophe weggelassen wird. Unabhängig davon gibt es natürlich schon Unterschiede im Tempo oder die Kürzung des orchestralen Epilogs. Ob ich das langsame Tempo als stärker kitschgefährdend wahrnehme, weiß ich nicht pauschal - es hängt vom Timbre der Sängerin und der Professionalität des Orchesters ab. Aber per se magst Du Recht haben!
Netania Davrath wurde in der Ukraine geboren und ging dann mit ihrer Familie nach Israel. Ich habe, glaube ich, schon weiter oben festgestellt, dass die besondere Authentizität bei ihr in der Kritik behauptet wird - oder es steckt eben doch nichts anderes dahinter als eine Quasi-Authentizität in der Ausstrahlung des Hirtenmädchens. Selber beurteilen kann ich das Sprachelement nicht, auch wenn man mit der Zeit ein Gefühl dafür bekommt, was wie ausgesprochen wird - aber damit versteht man die Sprache noch lange nicht. Ich setze ja nun wie Du Victoria de los Angeles ganz oben an - vermutlich hat sie wirklich keine Konkurrenz zu befürchten, was den authentischen Tonfall anbelangt.
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Netania Davrath hat eine ziemlich "weiße", obertonarme, vibratoarme Stimme, die einem Volksliedton durchaus nahekommt, und das wird von vielen Menschen in den "Chants d'Auvergne" als sehr authentisch empfunden (das "singende Bauernmädchen"). Ich kann das auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen und für einige Stücke passt das auch sehr gut; es ist natürlich eine Schein-Authentizität, aber das macht ja nichts.
Aber gerade beim Baïlèro finde ich die Erwartungshaltung falsch, dass hier ein Bauernmädchen in der Stube singt: Das soll ja eine Hirtin sein, die "à pleine voix" (so die Partitur) mit ihrem Gesang eine weite Entfernung überbrückt. Und jeder, der ein Jodeldiplom gemacht hat, weiß, dass die dazu notwendige Technik dem Operngesang durchaus nahesteht. Sängerinnen wie Madeleine Grey und Victoria de los Ángeles singen immer noch vergleichsweise schlicht, haben aber das nötige Squillo, dass man ihnen abnimmt, auch am Gegenhang noch gehört zu werden. Frederica von Stade finde ich im Baïlèro stimmlich auch sehr überzeugend, aber sprachlich nicht ganz so idiomatisch.
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Heute ein neuer Versuch, diesmal mit Kiri Te Kanawa und dem English Chamber Orchestra unter Jeffrey Tate
Mit speziell Baïlèro habe ich nach wie vor große Schwierigkeiten. Heute habe ich allerdings auch einige andere Lieder aus der Sammlung gehört, die dann ja doch viel an Kontrasten bietet. Insofern macht der Kontext mit den anderen Liedern dann auch das Stück der Woche etwas attraktiver für mich.
Kiri Te Kanawas Gesang fand ich durchaus ansprechend. Aber ich bin ein Stimmenbanause.
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Ein Stimmenbanause bin ich mit Sicherheit auch. Auch ein Vibrato-Banause, vulgo ein milder Allergiker, der um die pinzipielle Notwendigkeit schon weiß - fürchte aber, über diese geschmäcklerische Hürde nicht mehr so schnell hinauszukommen. Insofern spricht mich Te Kanawa nicht so ganz an, Anna Moffo noch etwas weniger - ganz zu schweigen von einzelnen Sängerinnen, die diese Weltklasse nicht besitzen, es ihnen aber gleichtun wollen. Könnte das sogar ein Grund sein, warum manche hier so gerne den französischen Tenor hören wollen - nicht dass ich damit irgendwelche Problem hätte !?
Die Argumente von Areios finde ich interessant, nicht alle waren mir bislang so klar ersichtlich. Was ich nicht ganz verstehe, ist Deine vermutete Erwartungshaltung bezüglich des Bauernmädchens, das in der Stube singt. Das wäre nun eine technisch-vordergründige Sicht, da ein Orchester nicht im Freien auf der Alm spielt.
Vermutlich habe ich die Pointe nicht ganz erfasst.
Mir wird auch immer klarer, dass der Bailero ideologisch (Schmerz des Getrenntseins) und stimmungsmäßig (große epische Landschaft - siehe aber die Stube ??) von fast allen anderen Liedern abweicht. Warum ist er die Nummer eins auf der Hit-Liste der Auvergne-Volkslieder? Eben doch wegen des Sentiments, das im Zweifelsfall über Komik oder Klatsch oder Tändelei oder auch stille Zuneigung (Brezairola) hinausweist? Könnte sein.
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