Ich habe ihn im Februar mit einem Beethoven- Recital in Berlin gehört. Das Konzert war typisch Ivo. Technisch war er besser drauf als letztes Mal (mit Chopin und Liszt), weil nicht so unkonzentriert. Da kann man nix sagen, er kann das noch spielen. Trotzdem, ein wenig vermisste ich seinen alten Schwung, fast würde ich meinen, er wird vorhersehbar. Klanglich ist er immer noch toll, vor allem im pianissimo und wenn er volle Akkorde weichzeichnen kann. Aber mir fehlte manchmal das Funkeln, auch die Rasanz. Ich glaube, er wird immer mehr zum Maler mit dem anschmiegsamen Pinsel (wo er früher mal hier und da nen scharfen Strich hingesäbelt hatte).
Ich hätte z.B. gedacht, dass er in Beethoven mehr Existenzialismus reinbringt. Nö. Er zelebrierte Langsamkeit. Schon im Grave der Pathetique, aber dann erst recht am Beginn der Appassionata. Halbes Tempo würde ich sagen. In der Pathetique fand ich das passend. Aber die Appassionata hat mich so nicht überzeugt. Er wechselte ständig die Tempi und dann verliert das ganze Stück den Puls, finde ich. Diese eine Sonate hatte fast was Zwanghaftes, Gefesseltes, den Eindruck hatte ich vorher noch nie bei ihm. Die beiden "kleinen" Sonaten (F-Dur op. 54; Fis-Dur op. 78) waren für mich schöner, weil er da nicht so viel Schwere drin hatte. Auf jeden Fall war es keine Minute langweilig, weil man immer dabei ist, sich zu wundern, was er da gerade wieder macht.
Er spielte ein längeres Chopin-Nocturne als Zugabe, das war hinreißend und Hochspannung. Da waren sie wieder, die Kanonen unter den Blumen. Fast, als wenn er erst da die Anspannung richtig weglassen konnte.
Also alles in allem durchwachsen, der Abend. Berührend kantable langsame Sätze bleiben mir vor allem im Gedächtnis. Und seine übliche "Verrücktheit" - vermummtes Einspielen auf der Bühne bis 5 vor Start.
Heike