Es ist bedauerlich, dass sich die kritischen Stimmen, die sich hier und hier negativ geäußert haben, nicht an dieser Diskussion beteiligen, denn bisher wurde zumindest in diesem Thread überwiegend Positives geschrieben (was auch weitgehend mit meinen eigenen Höreindrücken übereinstimmt).
Warum habe ich diese Box gekauft? Nicht nur weil sie preiswert war, sondern weil die Kritiken bei Erscheinen der Einzel-CD's immer sehr positiv, teilweise schon fast enthusiastisch waren. An Aufnahmen der Bachschen Orchesterwerke herrscht in meiner Sammlung nun wahrlich kein Mangel, aber meine Erfahrung ist, dass man mit anderen Interpretationen auch immer wieder andere Facetten dieser Werke entdeckt.
Zum Thema der Tempi: Was sollte ein Ensemble heute noch Neues dazu beitragen? Die Bandbreite der HIP-Aufnahmen ist so groß, dass hier von "extrem langsam" bis "extrem schnell" alles bereits vertreten ist. Allerdings: Wenn zwei Ensembles im (nahezu) gleichen Tempo spielen, bedeutet das noch lange nicht, dass beim Zuhörer die gleiche Wirkung entsteht, denn das Tempo ist eben nur ein musikalischer Parameter von sehr vielen. Der dritte Satz des dritten Brandenburgischen Konzerts wirkt bei Musica Antiqua Köln gehetzt auf mich, so als ob da absichtlich an äußersten Tempolimit gespielt und alles andere beiseitegeschoben wird. Der entscheidende Unterschied zu Café Zimmermann ist jedoch, dass dieses Ensemble trotz des schnellen Tempos immer noch musikalisch differenziert gestaltet und nicht dem Tempo alles andere unterzuordnen scheint - und deswegen wirkt das Tempo hier nicht gehetzt auf mich.
Wem diese differenziert gestaltete, transparente Musizierweise mit historischen Instrumenten in kleiner Besetzung nicht zusagt, der kann ja beispielsweise zu dieser Aufnahme
greifen. Die Bachsche Polyphonie fällt dabei dem fetten, breiigen Orchesterklang zum Opfer und der Esprit den langsamen Tempi, aber der "Sound" entspricht dann wohl eher den Erwartungen und ist auch nicht mehr so weit von Schostakowitsch entfernt. Ob man allerdings damit Bachs Musik gerecht wird, wäre zumindest bedenkenswert - aber wer denkt schon beim Musikhören. Dass weniger durchaus mehr sein kann, leuchtet dem Hörer, der an üppig besetzte Orchester gewohnt ist, eben nicht unmittelbar ein - dafür muss man sich Zeit lassen, und hier ist es ähnlich wie beim Denken: Wer hat heutzutage schon noch Zeit...
Viele Grüße,
Andreas