Ich glaube nicht, daß man die Frage ob (und ggf. was) wir aus der Oper lernen völlig von der Frage nach Inszenierung und Regie trennen kann. Denn „so wie die Oper in der Partitur steht“ ist sie nur Tinte und Papier. Klang und Spiel wird sie nun mal erst auf der Bühne, und wenn man nicht gerade eine konzertante Aufführung daraus macht, ist die Inszenierung dann eben doch wieder wichtig, da es sich um MusikTHEATER handelt. Das ist jedenfalls meine Meinung.
Im Übrigen glaube ich persönlich nicht unbedingt, daß wir aus der Oper „lernen“ im Sinne von „Neues Erfahren“. Sie kann uns aber, in ihren besten Momenten, Tatsachen vor Augen führen die zu unserem Leben gehören und mit denen wir uns ohnehin rumschlagen.
Ich nehme mein Lieblingsbeispiel „La Traviata“: die Oper konfrontiert uns mit einem Umstand, den wir alle kennen, das nämlich in letzter Konsequenz niemand aus seiner Haut kann:
Germont père mag die Kurtisane menschlich noch so sympathisch finden, er ist in seinem Was-sollen-denn-die-Leute-denken-Gefühl gefangen.
Alfredo mag Violetta noch so lieben, er kann nicht vergessen, was sie war und traut ihr nur niedrige Berechnung zu als sie ihn verlässt.
Violetta schließlich teilt die Ansicht der bürgerlichen Gesellschaft, daß eine Frau wie sie nicht in eine „anständige“ Familie passt und dem Geliebten die Zukunft ruiniert. Sähe sie es anders, wäre sie nicht so schnell zu dem Opfer bereit.
Das sind Mechanismen, die für jeden von uns gelten und von denen wir uns nur bedingt lösen können. Die Oper führt uns das mit viel schöner Musik vor Augen. Ob und wie die Botschaft ankommt hängt dann eben auch an der Regie und nicht nur an den Noten in der Partitur.
Im Idealfall sind Musik und Handlung eine Einheit, ich gehe daher nicht wegen der Musik und trotz der Handlung in die Oper. Ich gehe auch nicht wegen der Handlung und trotz der Musik in die Oper. Ich gehe wegen der Oper in die Oper. Daher kann ich es auch kaum verzeihen, wenn ein Regisseur gegen die Musik inszeniert und diese Einheit zerstört. Leere Bühne? Moderne Kostüme? Blut und Nackte? Wenn es denn passt, von mir aus. Aber bitte keine Regie, die in direktem Gegensatz zur Musik steht. :boese:
EDIT
Ja selbstverständlich denke ich später über das nach was ich gesehen habe. Zumindest, wenn es das Nachdenken wert ist. Immer wieder stelle ich dabei fest, daß ich besonders über Inszenierungen nachdenke, die mir EIGENTLICH gar nicht gefallen haben, weil sie mit meinen Sehgewohnheiten gebrochen haben. Ich rege mich auf, ich wüte, ich gifte. Aber ich beschäftige mich noch sehr lange damit. Zeffirelli kann jeder der das Geld dazu hat :stumm: