Ich stimme Dir hier in vollem Umfang zu, allerdings scheint mir dies eher eine technische denn eine ästhetische Frage zu sein. Hier soll es ja gerade darum gehen, welche ästhetischen Gesichtspunkte eine Inszenierung zu "Regietheater" machen.
Volle Zustimmung auch hier, ich halte den Begriff ebenfalls für unsinnig. Von der semantischen Logik aber mal abgesehen, findet man ihn in vielen Feullitons (und Foren :hide: ), da sollte es ja eigentlich möglich sein, zu einer Eingenzung zu kommen. Und wenn nicht, wäre das vielleicht eine Überlegung wert...
Es geht doch bei dem Regietheaterbegriff nicht darum, ob es eine Regie gibt, sondern ob die Regie primär etwas mit dem Stück machen will oder ob die Regie primär das Stück auf die Bretter bringen will. So hatte ich zumindest bis jetzt die Kritik am Regietheater verstanden.
Hallo Gioachino,
bezüglich Deiner Einschätzung der Qualifikation mancher Regisseure pflichte ich Dir i. W. bei. Ein Regisseur muß schon ziemlich interessante Ideen mitbringen, damit solche handwerklichen Mängel in den Hintergrund treten.
Was Deine "Definition" des Regietheaters angeht: Einspruch, Euer Ehren! Ich halte die schimpfenden Besucher für ein ziemliches Klischee, das vielleicht durch manche ältere Opernbesucher, besonders in der Provinz (sorry, das mußte raus), die ihre "Buhs" mit besonderer Inbrunst anbringen, genährt wird. Viele Aufführungen des "Regietheaters" genießen nach einiger Zeit beinahe Kultstatus, Beispiele: Konwitschnys Hamburger "Lohengrin", Wilsons "Parsifal" a. a. O. - wenn man den denn "Regietheater" nennen möchte. Womit wir beim Ausgangsproblem wären...
Kommt natürlich auch drauf an, wie man "Provinz" definiert
. Wenn die Leute buhen, haben sie wenigstens nicht gepennt, sage ich einfach mal. 
Zu dem, was Micha eingangs sagte: Das von mir fettgedruckte, kann ich nur unterschreiben. Dennoch sehe ich aber auch, dass sich heute in aller Regel die Prioritäten verschoben haben. Bei der Übermacht der Eindrücke, welche durch die Regiearbeit ausgeübt werden - Wasserbecken mit Halbnackten auf der Bühne als drastischstes Beispiel - tritt natürlich irgendwie das Stück und auch die Schauspielerei in den Hintergrund. Letztlich macht das dann auch Vergleiche zu anderen Inszenierungen betreffend der Schauspieler schwerer, weil eben die Sinne (ich weiß, wir sind ja alle reizüberflutet und brauchen sowas angeblich) durch die Inszenierung mehr benebelt sind.
Jedenfalls kenne ich das aus persönlichen Gesprächen mit anderen Besuchern nach den Opern - v.a. auf lange Sicht. Dann erinnert man sich an eine Art Holzkasten auf der Bühne (ihr merkt schon, ich habe nur so Inszenierungen bis jetzt gesehen
), aus dem die Schauspieler und Sänger rausfallen mehr, als an die eigentliche Oper.
"King Arthur" war doch die Oper mit den Typen mit bedruckten T-Shirts an."
"Ähm, eigentlich geht es um einen britischen König."
"Ein König? Da war einer König?"
(Polemik aus.)
...
Regietheater, liebes Symbol, ist ein Kampfbegriff der Konservativen gegen eine Tendenz im Musiktheater, Inszenierungen als eigenständigen Teil des Gesamtkunstwerks Oper zu verstehen. Das Gegenteil wäre der Versuch, eine Oper schlicht zu illustrieren. Beide Bemühungen können mE gültige Ergebnisse hervorbringen, d.h. wer den einen oder den anderen Weg wählt, entscheidet damit nicht notwendigerweise über die Qualität der Regiearbeit.
Entscheidend ist die Gesamtkonzeption - "Wotan mit Aktentasche" kann als Aktualisierung gelingen, es kann aber Nachplappern einer schon bekannten Idee, es kann aber auch Kitsch sein. Das gilt für Wotan mit Bärenfell und Augenklappe gleichermaßen.
Es gibt keine Opernaufführung ohne Regie, selbst wenn sie implizit ist (in einer Art Schrumpfregie). Gluck hat etwa sehr intensiv mit den Sängern gearbeitet, wenn man das alles anführt, was Zeitgenossen berichteten, war das schon "Regietheater". Auf der anderen Seite gab es schon immer das Publikum, das die SängerInnen hören wollte, dem die Oper als solche nur der Anlass war, wunderbare Stimmen zu hören. Komponisten sahen das in der Regel sehr kritisch ...
Schrumpfregie würde mich einmal interessieren. Bei manchen (ich hoffe, ich gehe damit nicht OT) Leuten, welche HIP-Inszenierungen in Dtl. machen, scheinen mir ja gewisse Aspekte des Regietheaters geradezu Pflicht zu sein, dass sie künstlerisch nicht unten durch sind. Ich kann mich an das Programmheft von "Les fêtes d'Hébé" erinnern (Bayreuth 2008 ), worin nach der Auflistung der HIP-Aspekte dann recht ordentlich betont wurde, dass aber auch zur Entfremdung zwei schiefe Ebenen auf die Bühne gestellt wurden und die Kostüme angeblich bewusst aus künstlichen (nicht Naturfasern) Materialien hergestellt wurden. Also da sieht man schon, wie mancher scheinbar Angst hat, wenn man ihm eine spärliche Regietheatertätigkeit vorwerfen könnte...
Liebe Mitdiskutanten,
ohne jetzt hier unstatthaft als oberlehrerhafter Pseudo-Hilfsmod auftreten zu wollen, würde ich nur gerne daran erinnern, daß es in diesem Thread eigentlich um eine Definition "Was ist Regietheater", also um den Versuch ein Genre auszumachen, gehen sollte. Für die Diskussion "pro und contra Regietheater", die Einschätzung bestimmter Regisseure oder gar bestimmter Produktionen wäre es im Sinne der Übersichtlichkeit vielleicht hilfreich, einen Extra-Thread "Pro und Contra moderne Operninszenierungen" zu eröffnen (und dann ggf. Mod-seitig manche Beiträge dorthin zu verschieben). Ich bin gleich offline und werde diese Eröffnung nicht mehr schaffen, aber vielleicht mag es ja ein anderer User tun. Wenn nicht, würde ich das morgen früh übernehmen.
Das soll die Diskussion um Himmels Willen nicht abwürgen, sondern nur vielleicht helfen, den roten Faden nicht zu verlieren.
Nochmal kurz zum Ausgangsthema. Wir hatten u. a. folgende Hypothesen:
1) Regietheater als begrifflicher/semantischer Unsinn
2) Regietheater als Kampfbegriff seiner Gegner
3) Regietheater als schwierig zu definierender Begriff (wo beginnt es?)
4) Regietheater als Sammelbegriff für Dinge oder Regisseure, die eigentlich kaum zusammengehören
5) Regietheater als durch bestimmte stilistische "Bausteine" gekennzeichnete Machart von Opern, wobei m. E. noch offen wäre, wie mein Versuch einer Aufzählung dieser Stilelemente eingeschätzt wird
Was man vielleicht auch noch diskutieren könnte:
1) Vermeintliche Dominanz des Regietheaters auf deutschen/deutschsprachigen Opernbühnen - wahr oder nicht? Und wenn wahr: mögliche Gründe?
2) Sichtweisen im Ausland zum Regietheater des deutschsprachigen Raumes?
Soll nur ein Anstoß sein...
LG 
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A
2) Sehe ich nicht so. Ich habe auch von Fans des Regietheaters den Begriff ohne ironische Hinterbedeutung gehört.
5) Ich warte ganz gespannt auf die Stilelemente. 
B
1) Wahr. Ich zumindest habe bis jetzt noch nichts anderes hier in Deutschland gesehen. Kann vielleicht sein, dass ich just in Freiburg (mit einem geradezu penetranten Regietheater) wohne.
Gründe kenne ich keine. Vielleicht ist in Deutschland ein Problem, dass Kunst nicht kommerziell sein darf. Vielleicht würde die Notwendigkeit von Mainstreamaufführungen was nutzen.
2) Ich kann mich an ein Interview eines Regisseurs erinnern. Der wurde gefragt, warum er denn seine erfolgreiche recht konventionelle Inszenierung, die er in Israel aufführte, denn nicht auch in Deutschland brächte. Darauf antwortete er, dass er damit in Dtl. als Künstler unten durch wäre. Wenn ich mich recht entsinne, erwähnte er auch, dass in Israel nunmal auf die Zuschauerzahlen geachtet werden würde, was in Dtl. nicht so wichtig wäre.