Beiträge von Uwe Schoof

    Hallo,



    meine drei derzeitigen Lieblingswestern sind:


    -Zwölf Uhr Mittags“ von Fred Zinnemann: Ja, was soll ich dazu sagen? Da stimmt alles. Ein fantastisches Timing, ein ökonomisches Drehbuch, wunderbar passende Schauspieler, Spannung von der ersten bis zur letzten Minute. Und, wie es mir sehr gefällt, eine Ausstattung, die ein hohes Maß an Intimität mit sich bringt. Ein poetisches, zeitloses Meisterwerk.


    -Spiel mir das Lied vom Tod“ von Sergio Leone: Ein ebenfalls, auch in seiner Ruhe spannender Film, der stark von der Musik geprägt ist. Die Musik ist sehr ungewöhnlich eingesetzt: In dramatischen und schnellen Passagen erklingt häufig ruhige, intensive und sphärische Musik, die das Geschehen quasi auflöst und die Essenzen zurücklässt (erinnert mich etwas an Antonionis Beruf: Reporter). Wunderbar.


    -Weites Land“ von William Wyler: Ein klassisches Thema, das mit viel Ruhe (nicht nur beim nächtlichen Faustkampf) und Geschick erzählt wird. Wie häufig bei Wyler werden die Charaktere der Figuren gut herausgestellt und mit den Handlungssträngen verwoben. Die Auswahl des nach meiner Ansicht generell ziemlich ausdruckslosen Gregory Pecks für die Rolle des „fremden“ und vermeintlich verwöhnt-glatten Städters ist eine raffinierte Maßnahme, kann man doch zumindest am Anfang das Unverständnis der Cowboys umso besser nachvollziehen, was das Außenseiterbild verstärkt.

    Alle drei Filme habe ich bereits mehrmals gesehen; sie scheinen nicht zu verschleißen. Erwähnen möchte ich noch „Der mit dem Wolf tanzt“, einen Film, der mich fasziniert und mit Sensibilität reale Geschichte und Kunstwerk verbindet.

    Gruß,
    Uwe

    Da stimme ich mit Dir überein, Tharon. Ich bin u.a. der Meinung, dass die Technik eines Kunstwerks zum Inhalt gehört, und eine Analyse der technischen Komponente finde ich auf jeden Fall erstrebenswert.


    Dass Schönberg selbst und in der Nachfolge auch viele andere sich gegen die technische Analyse ihrer Werke gestellt haben, hat möglicherweise einen besonderen Grund. Ich denke, dass Schönberg darunter litt, dass damals seine Werke lediglich auf die neuen technischen Verfahren reduziert und in der Folge dessen abgelehnt wurden. Und irgendwie ergeht es seinen Werken bis heute kaum anders. Beethovens Musik z.B. erfährt in unzähligen Abhandlungen technische Analysen, aber in mindestens ebenso vielen Berichten wird über die emotionale Wirkung der Musik und ihrer Stimmung berichtet. Bei Schönberg geht es nahezu NUR um den Zwölftöner, so als sei die Erfindung und mathematische Anwendung von Reihen das einzige Wesen dieser Musik und als entstünde kein lebendiger Ausdruck.


    Dass dem natürlich überhaupt nicht so ist, ist eine andere Sache. Dass aber die Liebhaber von Schönbergs Musik den Reihengedanken nach außen hin gerne ausklammern wollen und endlich auf die Schönheit des Ausdrucks dieser Musik aufmerksam und ihre Neigung damit erklären wollen, ist doch irgendwie menschlich und verständlich.


    Uwe

    Der Schock sitzt tief: Wie ich bei Bernhards Beitrag gesehen habe, gibt es die gesammelten Streichquartette Schönbergs, Bergs und Weberns in dieser wunderbaren Einspielung des Lasalle Quartetts in 4 CDs nunmehr schon für einen Schnäppchenpreis von 13,- €. Ich habe dafür noch ein gefühltes Vermögen bezahlt - und nie bereut.

    Ganz unabhängig von der jeweiligen Technik, die er gerade anwendet: Ich liebe die Ausdrucksgewalt der Musik Schönbergs, von der Früh- bis in die Spätphase hinein, sehr. Ich teile Michas Ansicht, dass Schönberg bis zum Schluss ein Spätromantiker war. Dies beziehe ich insbesondere auf seinen Ausdruck, seine Erzähl- und Empfindungsweise. Hinsichtlich der Anwendung seines musikalischen Materials steht Schönberg jedoch für das scheinbare Gegenteil: Er organisiert genau und achtet ganz besonders das Prinzip der Notwendigkeit und Ökonomie; nichts erscheint "zuviel" oder "geschmückt", sondern stets notwendig bzw. wichtig.


    Die Verbindung bzw. Vermischung von Beidem macht für mich das Besondere und Große an Schönbergs Musik aus. Seine Musik wirkt spannend, erzählend und impulsiv, gleichzeitig eingefasst in streng formalem Rahmen. Diese Verbindung ist meines Erachtens in dieser Konsequenz selten erreicht und erfüllt meinen Wunsch nach geistig fordernder Unterhaltung sehr.


    Wegen meiner Vorlieben für bestimmte Besetzungen nenne ich als Beispiele meiner Lieblingswerke Schönbergs (und überhaupt) die "Verklärte Nacht", das 1., 3. und 4. Streichquartett, das Bläserquintett sowie auch die größerbesetzten "Pelleas und Melisande", die "Erwartung" und das von Amfortas09 erwähnte vom Namen her kleine Streichtrio, das aber eine unglaubliche Sprachgewalt vorweist.


    Uwe

    Mit Wulf zusammen möchte ich besonders Arriaga nennen. Ich finde, in den Streichquartetten, die ja wie gesagt in seiner Jugend komponiert wurden, eine erstaunlich reife Sprache. Die Musik klingt so selbstverständlich, klar und hat gleichzeitig Weite - ähnlich wie bei Mendelssohn. Ja, die beiden haben in ihrer Jugend schon erstaunlich reife Musik gemacht.



    Gruß,


    Uwe

    Schönberg: "VERKLÄRTE NACHT", Sextett für 2 Violinen, 2 Violen und 2 Violoncelli op. 4

    Liebe Musikfreunde,


    "ja, am Anfang hat der Schönberg noch schöne und verständliche Musik gemacht". Ähnliche Aussagen haben wir alle wohl schon gehört. Wer Schönbergs später entwickelten Zwölftontechnik ablehnend gegenübersteht, wird sich maximal auf die wenigen Frühwerke des Komponisten beschränken müssen. Dazu mag das Streichsextett "Verklärte Nacht" gehören, das 1899, in Schönbergs Alter von 25 Jahren, für jeweils 2 Violinen, Bratschen und Violoncelli komponiert und im Verlag Dreililien 1905 veröffentlicht wurde. Das fast halbstündige Werk ist das erste "große" veröffentlichte Werk Schönbergs; davor brachte er Stücke für Gesang und Klavier heraus, nach der "Verklärten Nacht" folgte dann das ebenfalls breit angelegte Orchesterwerk "Pelleas und Melisande". Die Erstaufführung fand im März 1902 im Wien durch das Rosé-Quartett statt.


    "http://www.di-arezzo.de/multimedia/images/schirmer/couv/gs23787.jpg"


    Ich selber bin ein großer Bewunderer und Liebhaber der Musik Schönbergs, von der frühen bis zu zur späten. Die "Verklärte Nacht" ist mir dabei besonders ans Herz gewachsen; von meiner Jugend bis heute hat sie mich gefesselt.


    Dem Sextett liegt ein Gedicht des deutschen Lyrikers Richard Dehmel (1863 bis 1920) aus der Gedichtsammlung "Weib und Welt" zugrunde. Wenngleich das Musikwerk seine volle Wirkung meiner Meinung nach auch ohne Kenntnis der programmatischen Vorlage, also als "absolute Musik", erzielt, ist der Aspekt der Programmusik durchaus reizvoll; und zwar nicht getragen von einem großen, vielfarbigen Orchester, wie zur Zeit der Komposition üblich, sondern von einer kammermusikalischen Streichsextettbesetzung. Schönberg stellte das Gedicht Dehmels der Partitur voran.


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    Verklärte Nacht


    Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain;
    der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
    Der Mond läuft über hohe Eichen,
    kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
    in das die schwarzen Zacken reichen.
    Die Stimme eines Weibes spricht:


    Ich trag ein Kind, und nit von dir,
    ich geh in Sünde neben dir.
    Ich hab mich schwer an mir vergangen;
    ich glaubte nicht mehr an ein Glück
    und hatte doch ein schwer Verlangen
    nach Lebensfrucht, nach Mutterglück
    und Pflicht - da hab ich mich erfrecht,
    da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
    von einem fremden Mann umfangen
    und hab mich noch dafür gesegnet.
    Nun hat das Leben sich gerächt,
    nun bin ich dir, o dir begegnet.


    Sie geht mit ungelenkem Schritt,
    sie schaut empor, der Mond läuft mit;
    ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
    Die Stimme eines Mannes spricht:


    Das Kind, das du empfangen hast,
    sei deiner Seele keine Last,
    o sieh, wie klar das Weltall schimmert!
    Es ist ein Glanz um Alles her,
    du treibst mit mir auf kaltem Meer,
    doch eine eigne Wärme flimmert
    von dir in mich, von mir in dich;
    die wird das fremde Kind verklären,
    du wirst es mir, von mir gebären,
    du hast den Glanz in mich gebracht,
    du hast mich selbst zum Kind gemacht.


    Er fasst sie um die starken Hüften,
    ihr Atem mischt sich in den Lüften,
    zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.


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    Arnold Schönberg war, wie er es selbst sagte, gleichermaßen von Brahms und Wagner / Strauss beeinflusst: Von Brahms (kurz zusammengefasst; wir können ja später bei Bedarf näher darauf eingehen) hinsichtlich seiner architektonischen Komponente, von Wagner / Strauss hinsichtlich der Motivbehandlung.


    Ich denke, dass dies u.a. ein Grund ist, weshalb mir das Sextett so gefällt: Es ist einerseits sehr dramatisch und von großem Ausdruck, andererseits verliert es sich nicht im rein Romantisch-Emotionalen, sondern verbleibt im mehr oder weniger streng formalen Rahmen.


    Ich bin gespannt, wie es Euch mit der "Verklärten Nacht" ergeht.


    Schöne Grüße,


    Uwe