Beiträge von leverkuehn

    Mir war übrigens vor dem Kennenlernen der Partitur gar nicht klar, dass die Musik konsequent für elektrische Instrumente geschrieben ist. Vom bloßen Hören ist das nicht so leicht auszumachen, meine ich, bin aber natürlich nicht geschult in solchen Dingen.

    Ich habe das Kronos-Quartett einmal bei der Gustav-Mahler-Woche in Toblach erlebt. Da hatten die an ihren Geigen Kabel angestöpselt. Das waren aber normale Geigen, die elektrische Verstärkung erfolgte vermutlich mittels Beschleunigungsaufnehmer am Resonanzkörper.

    Hab‘s jetzt gefunden. In der Kronos-Box „25 years“ gibt es ein umfangreiches Booklet, das ich bei meinem IDAGIO-Streaming-Abo zum Glück einsehen kann. Dort steht, dass das Quartett 1990 eine „Bühnenfassung“ inkl. spezieller Beleuchtung erarbeitet hatte und dann damit um die Welt gereist war. Black Angels war offensichtlich auch die Initialzündung, dass sich das Kronos-Quartett 1973 unter David Harrington gründete.



    Noch etwas nachgetragen:

    Bei Wikipedia gibt es auch eine ausführliche Beschreibung, wie Crumb vermittels einer Skizze in der Partitur sich die Anordnung der Spieler und der zusätzlichen Instrumente vorstellte bzw. wünschte.

    Wirkt die Musik schlicht primär live? Vielleicht.

    Ich denke auch, dass sie wahrscheinlich live eine größere Faszination bietet als von der Konserve. Irgendwo hatte ich etwas von einer bestimmten Positionierung der 4 Streicher und auch des zusätzlichen Tantams und der Gläser auf der Bühne gelesen. Der optische Eindruck bei einer Aufführung hat also sicher einen gewichtigen Anteil an der Gesamtwirkung des Stückes.

    Komisch, ich habe in den 1990er Jahren an der Komischen Oper Berlin 13x "Giustino" und 23x "Julius Cäsar" gesehen - tolle Aufführungen, aber auf die Idee, für Händel nach München zu fahren, wäre ich nicht gekommen.

    Ich hatte meinem Post danach noch etwas hinzugesetzt, was in Deiner Antwort nicht zu sehen ist. Das ist mir auch wichtig...

    Im übrigen hier die Liste der Händel-Opern in München, die ich gesehen habe:


    Giulio Cesare

    Serse

    Rinaldo

    Ariodante

    Rodelinda

    Acis and Galatea (zusammen mit Purcells Dido and Aeneas)

    Saul (szenisch)


    Ich wäre auch nicht nach Berlin gefahren, um dort Giulio Cesare zu hören, wenn es in München aufgeführt wird.


    EDIT: Abgesehen von Händel gab es außerdem auch die drei Monteverdi-Opern Ulisse, Poppea und L'Orfeo in wegweisenden Aufführungen...

    ....für einen Spielplan, den man überall bekommt.

    Händel bestimmt nicht, zumindest nicht in den 90er-Jahren!! Und abgesehen davon will ICH nicht regelmäßig mit Strauss und Wagner zugedröhnt werden. Als ich noch in München wohnte und Geld verdienen musste, bin ich auch nicht unbedingt in andere Städte gefahren um dort eine Oper anzuschauen, daher war für mir die Spielplanung von Jonas recht.

    Man war froh, daß Jonas neue Impulse brachte und man begeistert sein oder sich ärgern konnte.

    Nein, MAN war nicht froh, sondern DU warst froh und sicher auch noch viele andere, aber viele andere waren eben nicht froh, schon gar nicht darüber, sich ärgern zu können. Diese offensichtliche Lust am Ärgern teile ich (und viele andere) nicht mit dir (und anderen).

    ICH war auch froh...

    Jonas brachte frischen Wind in die Oper, vor allem mit Händel !! Strauss und Wagner sind nicht alles auf der Welt.

    Das „Spektakuläre“ beim Schluss von op. 111 ist eben, dass der Satz so simpel und völlig unspektakulär endet nach all den Steigerungen der Variationen. Nach dem Motto „alles ist gesagt, mehr braucht‘s nicht. Punkt.“ (*)


    „Spektakulär“ halte ich sowieso für eine zweifelhafte Bezeichnung.


    (*) das bezieht sich nur auf die 4 Schlusstakte 174-177.

    Frage an Kollegen leverkuehn: Beziehst Du Dich bezüglich Deiner Hörprobleme auf Hanson (mir nicht bekannt) oder Kronos - oder beide?


    Aber gut: Bei nochmaligem Nachlesen scheinst Du Hanson zu meinen und sonst nichts.

    ich meinte in erster Linie die Hanson-Aufnahme. Aber meine generelle Kritik geht schon an alle bzw. auch an Crumb, der überspitzt gesagt eben nur zwei Lautstärken benützt, entweder ffff oder pppp. Das finde ich schade, weil dadurch auch bei Kronos und dem YT-Video etliche Passagen fast nicht mehr zu hören sind, jedenfalls die filigranen Details streckenweise verloren gehen.

    Crumb ist mir zwar vom Namen her bekannt, aber das Streichquartett ist völliges Neuland für mich. Danke für diese interessante Wahl!

    Ich habe nun drei verschiedene Aufnahmen angehört, die verlinkte YT-Partitur, das bereits erwähnte Kronos-Quartett und diese sehr neue Aufnahme mit dem Quatuor Hanson:



    Dabei kommen schon deutlich verschiedene Höreindrücke heraus, so gibt es z.B. völlig konträre Betonungen beim Beginn mit dem "Hubschrauber"-Flirren. Kronos betont für mein Gefühl im Sekundentakt synkopisch auf den höheren Noten, Hanson umgekehrt auf den tieferen. Die YT-Aufnahme ergibt dagegen ein relativ ausgeglichenes und gleichmäßiges Flirren wieder, so wie es Crumb ja auch unter den Noten vermerkt hat ("without dwelling on given pitches").

    Aber es gibt für mich auch größere Unterschiede allein aus der Tatsache, dass meine Ohren nicht mehr so gut sind wie vor dreißig Jahren. In der Hanson-Aufnahme scheint mir einiges in der Spitzen-Dynamik zurückgenommen zu sein, z.B. habe ich keine lauten Tam-Tams deutlich gehört so wie bei den beiden anderen Aufnahmen (überhaupt kommt mir die Aufnahme nicht so "elektrifiziert" vor wie die der Kronos-Leute). Dafür sind aber viele der pppp-Passagen so leise, dass ich nur noch Stille höre... also habe ich z.B. vom Schubert im Prinzip überhaupt nichts mitbekommen.


    Eine Bewertung der Aufnahmen und der Interpretation ist für mich daher eigentlich nicht möglich, wenn ich einen Großteil der Musik gar nicht mehr höre (die Lautsprecher weiter aufzureißen verbietet sich aber, weil sonst die lauten Passagen nur noch übersteuert sind und meine Ohren weiter beschädigen). Nach dem äußerst instruktiven Mitlesen Partitur wage ich eine leise Kritik an der Komposition in dem Sinn, dass hier die Bandbreite der Dynamik vom pppp bis zum ffff übertrieben worden ist, so dass man die Feinheiten der leisen Passagen in den Details gar nicht richtig erfahren kann.


    Kleine Frage an die Experten: Gibt es irgend eine Verbindung zur Les Adieux-Sonate von Beethoven, die ja ähnliche Satztitel hat ?? Auf Wikipedia konnte ich dazu nichts finden.

    Ein Gedicht kann man viel detaillierter diskutieren als einen Roman, wodurch sich gänzlich unabhängig von dem, was man den Plot nennen könnte, ein tieferes Verständnis schneller ergibt. Man möge mir widersprechen, sollte ich hier einen Ruhestands-Schnellschuss abgefeuert haben. :)

    Hmmm, ich weiß nicht, ob man die späten Gedichte von Paul Celan (z.B. aus den Zyklen Fadensonnen oder Schneepart) so leicht verstehen kann, auch wenn sie teilweise nur wenige Zeilen haben. Da sind die 1800 Seiten Joseph und seine Brüder oder meinethalben auch der sperrigere Doktor Faustus doch einfacher…

    [...] dass es bei den Räsonanz-Stifter-Konzerten die Vorgabe gibt, nur zeitgenössische Stücke zu spielen.

    Übrigens würde mich sehr interessieren, wie eng hier der Begriff "zeitgenössische Musik" gefasst ist. Sind der Kurtág und der Xenakis durch die Vorgaben der Räsonanz-Stifter denn noch abgedeckt?

    Ich kenne die Interna der Stiftung nicht, bin aber während meiner Münchner Zeit mehrfach bei den Räsonanz-Stifter-Konzerten und auch den Siemens-Preisverleihungen dabei gewesen. Während bei den Preisverleihungen (natürlich) relativ brandneue Stücke der Preisträger gespielt werden (ich rede nicht nur vom Hauptpreis, der zuweilen ja auch an ausübende Musiker geht, sondern speziell auch von den Komponisten-Förderpreisen), ist die Programmgestaltung bei den Räsonanz-Stifter-Konzerten offensichtlich breiter gefächert.

    Als Beispiel hier die Programme der Jahre 2017-2019, in Klammern immer das Entstehungjahr:


    2017:

    Luciano Berio: Call (1987)

    György Ligeti: Lux Aeterna (1966)

    Claude Vivier: Lonely Child (1980)

    Luciano Berio: Coro (1975-77)


    Sophia de Burgos, Sopran

    Musica Aeterna Chor

    Mahler Chamber Orchestra

    Leitung: Teodor Currentzis


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    2018:

    Elliott Carter: Instances (2012)

    George Benjamin: Three Inventions (1995)

    Enno Poppe: Filz (2014)

    Elliott Carter: Penthode (1985)

    György Ligeti: Klavierkonzert (1985/1988)


    Tabea Zimmermann, Viola

    Pierre-Laurent Aimard, Klavier

    Chamber Orchestra of Europe

    Leitung: David Robertson


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    2019:

    Mark-Anthony Turnage: Dispelling the Fears (1994-95)

    Sir Harrison Birtwistle: The Shadow of Night (2001)

    John Adams: Harmonielehre (1984/85)


    Philip Cobb & Gábor Tarkövi, Trompeten

    London Symphony Orchestra

    Leitung: Sir Simon Rattle



    Am eindrücklichsten war für mich dabei das Konzert von 2017 mit der Aufführung von Berios einstündigem monumentalem Coro, einem Werk, das äußerst selten aufgeführt wird auf Grund des großen Aufwands. Hier ist übrigens die Sitzordnung der Musiker und Chorsänger von Berio genau vorgeschrieben und völlig anders als bei Beethovens 9. oder ähnlicher Stücke. Chor und Orchester sind bei Coro vollkommen durchmischt. So sitzt links vorne die Flöte und daneben ein:e Chorsänger:in usw.

    Die Programmgestaltung ist daher sicher sehr von der Siemens-Stiftung mitbestimmt worden.

    Das ist natürlich denkbar, aber ich würde das vorsichtig in Zweifel ziehen.

    Das war von mir sicher etwas überspitzt formuliert. Ich wollte eigentlich damit nur sagen, was ich in meinem Post ja erläutert hatte, nämlich dass es bei den Räsonanz-Stifter-Konzerten die Vorgabe gibt, nur zeitgenössische Stücke zu spielen.

    Zu dem Programm muss man darauf hinweisen, dass das Konzert eben vor allem im Rahmen der „Räsonanz-Konzerte“ der Ernst-von -Siemens-Stiftung in Zusammenarbeit mit Musical viva in München stattfindet. Die Programmgestaltung ist daher sicher sehr von der Siemens-Stiftung mitbestimmt worden und nicht allein aus den Überlegungen Petrenkos. Da die Siemens-Stiftung ja ausschließlich zeitgenössische Komponisten unterstützt, ist es sozusagen Pflicht, keinen Brahms oder Bruckner nach der Pause zu spielen. Insofern ist der Hartmann fast schon grenzwertig ;).

    Obwohl ich eine Einladung der Stiftung mit Freikarten nach München hatte, konnte ich das aus gesundheitlichen Gründen leider nicht wahrnehmen. Das hat mich besonders wegen der Gesangsszene mit Gerhaher sehr geschmerzt.

    [...] Vor Allem die hochgetürmten, langatmigen Steigerungswellen der späten Adagio-Sätze habe ich garnicht vermisst;-), dafür teilweise dieselbe Entrücktheit und Stimmung bekommen, aber in irgendwie frischerer, luftigerer Erscheinung (auch was die Instrumentierung betrifft). Weihe und irgendwie jenseitigssehnsüchtige, auch meditative Empfindungen jedenfalls durchaus schon in sattem Ausmaß [...]

    Ganz so weit bin ich quasi noch nicht. Ich vermisse schon noch irgendwie etwas. Aber Du magst sehr Recht haben mit Deiner milden Dialektik - dass das Weihevolle i.w.S. die Inszenierung gar nicht so sehr oder nicht immer braucht. Doch wir kennen ihn halt so, den Meister, der im realen Leben so herzhaft linkisch war und sich in seiner Musik über all das erhob, solange ihn nicht übelwohlwollende Mitstreiter wieder ins reale Leben zurückholten.


    :) Wolfgang

    Kurzer Einwurf: Als sehr seltener und sehr distanzierter Bruckner-Hörer finde ich die 1. Sinfonie in der Linzer Fassung das spannendste und erfrischendste, was Bruckner geschrieben hat.

    Bin aber schon wieder weg... :versteck1: