Manfred Trojahn
Streichquartett Nr. 2
Das 2. Streichquartett von Manfred Trojahn entstand 1979/80 als der Komponist ein Stipendium in der Villa Massimo in Rome absolvierte. Er wäre zu der Zeit wohl lieber in Paris gewesen und hat das Werk auch erst anschließend dort vollendet. Es war ein Auftragswerk des französischen Rundfunks.
Das hoch expressive und „unökonomische“ Werk hat sieben Sätze und dauert fast eine Stunde. Der Kopfsatz alleine ist mit 17:23 länger als viele zeitgenössische Streichquartette insgesamt. Trojahns 2. Streichquartett ist die Suche des Komponisten nach einem Individualstil jenseits der Avantgarde wie sie z.B. der Lehrer Ligeti vertrat. Diese Suche umfasst zahlreiche Reminiszenzen an die Gattungstradition wie auch das Stocken und manchmal nicht Weiterwissen, die zu in sich kreisenden Repetitionen führen.
Der Kopfsatz ist weitgehend ein wilder Ritt, der der Einordnung in die Kategorie "Neue Einfachheit" ad absurdum führt. Vermutlich ist es einfacher eines der Lachenmann Quartette einzustudieren als diesen Satz. Das Booklet spricht von Monaten der Vorbereitung bevor die Aufnahme unter Anleitung des Komponisten realisiert werden konnte.
In den Sätzen 2, 4 und 5 wird das Streichquartett durch eine Mezzosopranstimme und eine Klarinette ergänzt, die Texte stammen von Georg Trakl. Trojahn bezieht sich hier also u.a. auf Schönbergs op. 10. Die Lieder Melancholie (Satz 2) und In Venedig (Satz 5) sind sehr ruhig und lyrisch gefasst, das Lied Der Schlaf (Satz 4) ist im Gegensatz dazu und zu seinem Titel ein hysterischer Aufschrei wie nach einem Albtraum. Als 3. Satz ein hochexpressiver Trauermarsch. Der 6. Satz Bagatelle, Scherzo Frammento bringt auf 32 sec Fetzen von Beethoven Quartetten bevor im abschliessende Abgesang die Musik in mahlerscher Manie und immer ausgedünnterer Instrumentierung im Nichts verklingt. Ein IMO starkes Werk, das zu den bemerkenswerteren der 20. Hälfte des 20. Jahrhundert gehört.
Das Minguett Quartett - u.a. durch das "Stahlbad" der Rihm Quartette gegangen - ist für diesen Job natürlich das genau richtige Ensemble und ich bewundere mit welchem Einsatz diese Musiker seit Jahrzehnten sich der zeitgenössischen Musik ( und nicht nur der) widmen.
Verstärkt durch die Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner und den Klarinettisten Thorsten Johanns wird hier die Referenzeinspielung eines Werkes vorgelegt, dem man höchstwahrscheinlich weder im Konzert noch auf einer alternativen CD-Einspielung jemals begegnen wird.