7 Symphonien, Tapiola, 3 späte Fragmente - Klaus Mäkelä, Oslo Philharmonic
Noch keine Besprechung dieser neuen Gesamtaufnahme? Schade, denn Reinhören lohnt sich so richtig! Es mangelt ja nicht an finnischen Wunderknaben, die immernoch aus Jorma Panulas Zauberschmiede in die Welt entlassen werden.
Nach Santu-Matthias Rouvali nun also der mitterweile immerhin 26-jährige Klaus Mäkelä, der bereits Chef in Oslo und designierter Chef in Paris geworden ist. Da kann man mal eine neue Gesamtaufnahme auf den Markt schmeißen, warum nicht .
Wer nicht hier schon aussteigt und kategorisch lieber den "erfahrenen" Spezialisten lauschen möchte, dem sei doch zumindest das Anstreamen empfohlen. Für eine allzu detaillierte Besprechung habe ich gerade keine Muße, klar wird aber schnell, dass sich Mäkelä interpretatorisch weder auf der spätromantischen, noch auf der analytischen Seite klar positioniert. Insofern ist er auch mit Rouvali vergleichbar, von dem bislang leider nur die ersten beiden Symphonien und En Saga vorliegen. Der Klang der Osloer ist zwar nicht ganz so samtig dunkel wie der aus Gothenburg, dafür passt die Decca Aufnahmetechnik hier fantastisch! Der Sound hat große, aber keine extreme Dynamik. Insgesamt gibt es hier deutlich mehr Reverb, was natürlich mehr Konzertsaalfeeling erzeugt, an manchen Stellen aber zu Lasten knackiger Bässe gehen kann. Wer sich andererseits das Finale der 1. Symphonie anhört, wird schnell wieder glücklich. Die große Trommel macht ordentlich Rabauz (nein, hier ist nicht das gleichnamige Pokémon gemeint).
Die Interpretationen vereinen Emotion, Sinnlichkeit und ein großes Gespür für klangliche Übergänge und machen viele Details der Orchestrierung transparent und hörbar. Sibelius' Magie der extremen harmonischen Orgelpunkte wird hier fast schon preisgegeben, seine frühmodernen Eigenwilligkeiten schön rausgekitzelt. Die harmonisch schrägen Spitzen im ersten Satz der 5. oder der wundervoll lange und spannungsreich ausgekostete Beginn der 7. wären hier zu nennen. Tapiola insgesamt ist herausragend, alles ohne die dichte Atmosphäre zu opfern. Im Gegenteil! Es spukt und donnert gewaltig, und wie schön hier dann am Ende die luziden Obertöne der hohen Geigen auf dem Bassfundament in H-Dur liegen...
Klar, es gibt (wie immer bei Sibelius) einzelne Abschnitte, die im geschmacklichen Auge des Betrachters liegen. Die vielen Tempowechsel in der 7. könnten noch etwas schöner ausgereizt werden, ebenso das Accelerando in der 5., welches doch fast schon der Sinn des Ganzen ist. Dafür gibt es genug andere Stellen, die noch nie so gehört unerhört neu gehört und erhört werden :
So schön atmosphärisch ausgekostet habe ich das Nebenthema auf den Orgelpunkt fis im ersten Satz der 1. noch nicht gehört. Und dazu scharfe Paukenschläge wie Donner! Das melancholische Andantino der 3. trifft vom Tempo genau meinen "sweetspot". Oder der Beginn der 4., der einem die Schuhe auszieht.
Nur bei der 2. verliert Mäkelä gegen Rouvali für mich, das ist alles zu gewöhnlich. Zudem muss man sich hier mit einer Vielzahl herausragender Einzeleinspielungen messen (alleine Szell, Karajan und Co.).
Summa Summarum ein wirkliches Brett von Gesamteinspielung, Mäkelä hat trotz seines Alters (oder besser seines nicht vorhandenen "Alters") wahnsinnig Gespür für Orchesterklang, rhythmische Trennschärfe und Atmosphäre. Und offensichtlich genug Selbstvertrauen. Für erfolgreiche DirigentInnen immer gute Voraussetzungen