Beiträge von malsehn

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    Also sind Bachs "Italienisches Konzert", seine "Französischen Suiten" und der Contrapunctus im französischen Stil aus der "Kunst der Fuge" sowie Mozarts berühmter Marsch "alla turca" allesamt ein Zeichen für fehlenden Glauben an die eigene ästhetische Kraft dieser Komponisten und somit für ihren Niedergang. Na proste Malzeit!



    Erst einmal gehört die französische und die italienische Kunst zum abendländischen Kulturkreis, nur von diesem war ja in unserem Zusammenhang die Rede. Dein Verweis auf Bach zählt also wohl kaum. Und dann würde ich einen Unterschied machen, zwischen dem oberflächlichen Orientalismus von Mozart, der sich ja auch in der "Entführung aus dem Serail" zeigt, und der Übernahme von fremden Tonsystemen wie im Falle von Debussys oder auch der Übernahme von Jazzelementen bei Ravel.


    Für mich ist es eine Tatsache, dass die europäische Kunstmusik schon länger in einer tiefen Krise ist, und ich finde es nicht uninteressant, sich über Merkmale und Ursachen dieser Krise Gedanken zu machen.



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    Das entscheidende Wort, das Du im Zusammenhang mit "Dekadenz" eingebracht hast, ist der Begriff des Schwülen. Vielleicht willst Du Dich dazu äußern?


    Ich denke, das Schwüle in der Musik ist durch die Wagnerische Tonsprache in die Welt gesetzt worden. Tristan und Parsifal würde ich als die beiden schwülen Opern Wagners begreifen. Ein Vorgriff auf diese Tonsprache findet sich bezeichnenderweise im Wesendonk-Lied "Im Treibhaus" (sic!). Ich denke diese Tonsprache ist hörbar in der nachfolgenden Generation und kann auch musikalisch objektiv analysiert werden. Wie ich oben schon erwähnte, hat ja auch Nietzsche Wagner vorgeworfen, der Dekadenz anzugehören, womit er meiner Ansicht nach vollkommen Recht hatte.



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    Ich möchte mich allerdings nicht so sehr am Terminus "dekadent" festbeißen; interessanter finde ich den Nachsatz des Themas: "Gibt es eine übergreifende Ästhetik des Fin de siècle?" - also so etwas wie ein Europa insgesamt erfassendes Lebensgefühl, das sich in typischen (musikalischen) Kunstwerken dieser Zeit finden läßt?



    Hallo Gurnemanz!



    Na ja, wir können uns ja noch nicht einmal über einige Beispiele (allerdings aus verschiedenen Ländern Europas) einigen. Deine Frage ist ja dann noch weitreichender. Deine Hoffnung ist also nicht so ganz berechtigt. Allerdings habe ich oben schon drei Charakteristika des Dekadenzpoesie in den Raum gestellt: Schwüle Erotik, dandyhafter Weltschmerz, Nihilismus. Exotik (auch auf erotischem Gebiet) würde ich noch hinzufügen.


    Meiner Ansicht nach lässt sich all dies auch in der Musik einiger Komponisten finden, die ich hier genannt habe, wenn natürlich der eine mehr die eine, der andere mehr die andere Empfindung bedient. Aber einen "objektiven musikalischen Beweis" kann ich natürlich nicht liefern, da die ästhetische Empfindung notwendigerweise privat ist. Deshalb habe ich versucht, eine indirekte Argumentation über die literarischen Vorlagen gewisser Werk der von mir vermeinten Komponisten zu finden.


    Ein gutes Beispiel für eine Melange der Inhalte der Dekadenzpoesie sehe ich etwa bei Strauss' Musik zur "Josephslegende".



    Das Eindringen von Musik eines fremden Kulturkreises würde ich als ein vergleichsweises objektives Kriterium der Dekadenz ansehen. Debussy hat sich ja bekanntlich von der Musik Indonesiens für manche seiner Werke inspirieren lassen, und zwar nicht nur oberflächlich, sondern im Herz seiner Harmonik.


    Debussy war auch in ganz oberflächlicher Weise vom Exotismus seiner Zeit angesteckt. Er war begeisterter Besucher der exotischen Teile der Weltausstellung ("La mer" soll von japanischen Zeichnungen inspiriert worden sein etc). Aber das ist vernachlässigbar im Vergleich zu den Anleihen bei einem fremden Tonsystems.




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    Das macht nicht in geringstem Sinn und sabotiert die Eingangsfrage des Threads.



    Wir wollen nicht vergessen, dass die Eingangfrage des Strangs nachträglich gestellt worden ist. Am Anfang stand meine Behauptung, die Musik von Richard Strauss vor dem Ersten Weltkrieg weise Merkmale der Dekadenz auf. Und Du musst schon entschuldigen, dass ich meine ästhetischen Empfindungen so gut zu erklären versuche, wie ich es vermag. Wenn Dich das nicht befriedigt, kann ich Dir nicht weiterhelfen. Die Sprache stößt bei deratigen Empfindungen rasch an ihre Grenzen. Du musst mir aber dann nicht unveschämt kommen ("aal-gleich" etc). Und den Verweis auf vorherige Debatten, die rein gar nichts mit dieser Diskussion zu tun haben, habe ich mir auch schon von Christian Köhn verbeten, zumal Du hier auch noch Dein hermeneutisches Unvermögen unter Beweis stellst ("Kopf und Kragen" habe ich anders gemeint, als Du behauptest, wie ich mittlerweile schon mehrfach erläutert habe). Wenn Du jetzt auch noch meinst, ich müsse die Beweislast tragen, Dir eine "objektive" musikalische Formel der Dekadenz zu liefern, dann frage ich mich, ob Du keine Ahnung hast, über welche beschränkte Mittel die ästhetische Debatte verfügt, oder ob es sich hier um einen plumpen Überrumpelungstrick handelt. Du könntest mir ja als Vorschuss die "objektiven" musikalischen Kriterien der Nicht-Dekadenz der diskutierten Musik liefen. Danach sehe ich mal, was ich machen kann.



    Dein ganzer Kommentar ist leere Rhetorik ohne Argumente, und alles noch in einem gehässigen Tonfall, großartig!



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    Bevor es hier zu Mißverständnissen kommt: Viele Kunstwerke, die ich sofort mit dem Begriff der "Dekadenz" in Verbindung bringen würde, die aber andererseits noch diesseits der Abbruchkante liegen, liebe ich sehr! Das gilt nicht nur für Musik (beispielsweise von Debussy, Ravel oder Scriabin), sondern auch für Literatur wie die Romane von Jens Peter Jacobsen, die Lyrik des frühen George, die Bilder von Böcklin und Feuerbach etc. usf. - Probleme habe ich also nicht mit "dekadenten" Werken, sondern eher mit denen, die das repräsentieren, was diese "Dekadenz" radikal ablösen sollte! -



    Hallo Bernd!




    Da hatte ich Dich tatsächlich missverstanden. Unsere Positionen scheinen dann noch näher zu sein. Ich mag vieles aus dieser Zeit auch sehr gerne, für mich ist es aber auch eine Art guilty pleasure, allerdings wird diese Ambivalenz durchaus auch durch die isolierte ästhetische Empfindung hervorgerufen, nicht nur, "wenn ich auf das Ende sehe":





    P. S. Du scheinst ja ein harmoniesüchtiger Mensch zu sein. Ich versuche nur, Christian Köhn seine eigene Medizin zu schmecken zu geben (und ich finde mich ja auch noch vergleichsweise maßvoll).

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    Danach behauptest Du, diesen Begriff nur als Stil- bzw. Epochenbezeichnung, nicht pejorativ gemeint zu haben.


    Wo behaupte ich das?


    Ich habe nie behauptet, dass ich meine Dekadenzzuordnungen völlig wertneutral gemeint habe, ich hatte durchaus eine gewisse negative Wertung damit verbunden, wenn auch diese Wertung insofern relativiert wurde (ich war hier etwas weniger radikal als Bernd), als ich einen ästhetischen Genuss der "dekadenten" Werke nicht ausschließen wollte, einen solchen Genuss teilweise sogar bejaht hatte, "problematisch" war wohl mein bevorzugtes Adjektiv. Eigentlich kann ich Dein ganzes Gerede, dass ich zwischen negativer und neutraler Bewertung des Begriffs "Dekadenz" changiere, nicht nachvollziehen. Deshalb verstehe ich auch nicht, was Du mit "Eiertanz" meinst. Du führst hier das reinste Scheingefecht.


    Und dass ich behaupte, man könne nicht aus der Musik heraus argumentieren, warum diese schwül-dekadent sei, bedeutet dies natürlich nicht, wie Du mir anscheinend unterstellst, dass das ästhetische Urteil nicht über die betreffende Musik gefällt werden soll. Ich bezog mich lediglich auf die allgemein anerkannte Schwierigkeit, über musikalische Empfindungen sinnvoll reden zu können. Ich halte weder Bernd noch Gurnemanz für musikalisch inkompetent, doch anscheinend kommen sie zu konträren ästhetischen Urteilen beim Hören derselben Musik. Bevor sich beide bezichtigen, Ignoranten zu sein, kann man versuchen, über die außermusikalischen Beziehungen der Musik vielleicht eine Minimalverständigung zu erzielen. Diesen Gedankengang hatte ich auch erläutert. Ich bin durchaus der Meinung, dass Biographie, außermusikalische Bezüge der Werke etc. Erhellendes zum Charakter der Musik beisteuern können. Dass Du meinen Gedankengang völlig verzerrt wiedergibts, lässt mich an Deiner intellektuellen Redlichkeit zweifeln.


    Na ja, und die Verkürzungen meiner Argumentation, mit der ich Debussy teilweise in die Nähe der Dekadenz rücken wollte, verfangen ja nur bei denjenigen, die meine ursprünglichen Ausführungen nicht gelesen haben. Das Herzstück meiner Argumentation war ja wohl der "Martyre des Saint Sebastian", das Du völlig unter den Tisch fallen lässt. Und es ist übrigens auch gerade die Musik, nicht d'Annunzios Sado-Maso-Stück oder Ida Rubinsteins Androgynität, die in mir ein gewissen Unbehagen auslöst. Im übrigen sehe ich Debussy keineswegs als Musterbeispiel eines Dekadenzkomponisten, sondern als jemanden, dessen Werk von ziemlich großen ästhetischen Gegensätzen geprägt war. Zwischen dem "Nachmittag eines Fauns" und den "Etudes" liegen ästhetische Welten. Oft wird die Schwüle in Debussys Werk als "wagnerisme" angesprochen, doch ich glaube nicht, dass man es sich hier so einfach machen kann, da Debussy auch eine ganz eigenspezifische Schwüle erzeugen kann. Debussy ist ein schwieriger Fall... Deine Wiedergabe meiner Argumentation ist aber auf jeden Fall wieder vollkommen verzerrend.


    Und wenn Du am Schluss behauptest, man könne mich nicht ernst nehmen, nachdem Du zuvor jedes Gebot der intellektuellen Redlichkeit verletzt hat, dürfte das nur Ausdruck eines kurzfristigen Scheintriumphs sein.

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    Deinen Profil-Rang "Unfreiwilliges Echolot" möchte ich so umdeuten:
    "Jemand, der vollkommen unschuldig ist, und nicht das Geringste mit der Sache zu tun hat" ;+)



    Hallo Beat,



    kein Problem, die Umdeutung gefällt mir.



    Hallo Ralf,


    ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Fellner das WTK sehr schön gestaltet. Die Hörschnipsel bei jpc sind sehr vielversprechend. Ich habe mir neulich, die Beethoven-Cellosonaten mit dem Gespann Schiff/Fellner besorgt, und diese Version hat mich sehr begeistert. Fellner scheint die romantische Musik hingegen nicht so zu liegen. Ich habe eine Version von Schumanns "Kreisleriana" mit ihm gehört und die war richtig langweilig. Auf jeden Fall ist Fellner ein sehr guter Pianist, den man unbedingt im Auge behalten sollte.


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    Der Versuch ist überflüssig und geht wortreich, aber komplett am Thema vorbei: In der Musik gibt es den Begriff der Dekadenz weder als Stil- noch als Epochenbegriff. Wer ihn verwendet, hat also entweder keine Ahnung oder will herabsetzen. Daran ändert auch Dein nachträglicher Eiertanz nichts.



    Ein bisschen mehr sollte man argumentativ schon bieten können. Das war ja richtiggehend schwach.


    Ich habe gesagt, ich wolle aufgrund von literarischen Bezügen die von Dir genannten Komponisten in den Dunstkreis der Dekadenz rücken, und dies habe ich getan. Was daran "leeres Geschwätz" oder ein "Eiertanz" sein soll, entzieht sich vollkommen meinem Verständnis und Deine späteren Einlassungen sind wahrlich nicht erhellender. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Du ein Experte des leeren Geschimpfes bist.


    Auch einfach ohne Begründung mein Verfahren, die Musik der von Dir genannten Komponisten mit den von ihnen selbst gewählten literarischen Vorlagen ihrer Musik in Beziehung zu setzen, als "untauglich" zu bezeichnen, ist wahrlich schwach "argumentiert". Ich habe dieses Verfahren gewählt, da ich der Auffassung bin, dass man schlecht aus der Musik selbst heraus über den problematischen Charakter der Musik, den ich durchaus empfinde, diskutieren kann. Der eine empfindet die Musik als "schwül", der andere als "herrlich". Wie sollten sich beispielsweise Bernd (oder ich) und Gurnemanz über die Musik verständigen? Natürlich kann man auf die äußerste Anspannung des tonalen Korsetts oder die Zunahme der enharmonischen Verwechselungen hinweisen, aber dies impliziert ja keineswegs eines ästhetische Wertung. Ich denke, der leichter einsehbare problematische Charakter der Dichtungen, welche den Komponisten als Inspirationsquelle dienten, lässt den allgemein problematischen Charakter der Zeit erkennen, welcher sich meiner Hörempfindung nach auch in der Musik niederschlägt. Wohlgemerkt: Ich lehne diese Musik gar nicht´(vollständig) ab, Ausgangspunkt dieser Diskussion war ja meine Verteidigung der Musik von Strauss vor dem Ersten Weltkrieg, die ich durchaus als dekadent (angehaucht), aber auch als ästhetisch gelungen betrachte.


    Dass die hier diskutierte Musik von Zeitgenossen oft als problematische empfunden worden ist, ist eine überlieferte Tatsache. Nietzsche (selbst freilich auch von der Dekadenz mehr als nur ein bisschen angehaucht) bezichtigte ja auch schon Wagner der Dekadenz. Und fast alle Teilnehmer dieser Diskussion außer Dir empfinden den Begriff der "Dekadenz" anscheinend nicht völlig deplaziert bezüglich der hier diskutierten Musik. Und entgegen Deiner Behauptung ist es auch gar nicht so unüblich, den Begriff etwa auf Schönbergs "Verklärte Nacht" anzuwenden.


    Und immerhin hat Schönberg seine hier als dekadent eingestufte Musik ("Gurrelieder", "Verklärte Nacht") als so problematisch empfunden, dass er mit seiner Zwölftonmusik einen radikalen Bruch vollzog. Man kann der Zwölftonmusik so einiges vorwerfen, dekadente Schwüle sicherlich nicht. Die Zwölftonmusik hat natürlich andere Probleme, die hier nicht zur Debatte stehen. Ich für meinen Teil kann mir nur erklären, dass eine verwegene Kopfgeburt wie Schönbergs Zwölftonmusik, die niemals von mehr als einem recht kleinen Teil der Zuhörer als "schön" empfunden worden ist, so viele Anhänger unter den Komponisten gefunden hat, weil man die vorherige Epoche als äußerst problematisch empfand und im radikalen Bruch sein Heil suchte (na ja, beim näheren Nachdenken fallen mir auch noch andere Gründe ein).


    Als Nachsatz erlaube ich mir die Bemerkung, dass Dein Verweis auf eine vorherige Diskussion, die absolut nichts mit dieser zu tun hat, nur eine billige Stimmungsmache ist, ergo schlechter argumentativer Stil. Dein pseudo-Expertentum über die Diskussionstaktik "rechter Kreise", zu denen Du mich anscheidend zählst, ist eigentlich nur lächerlich.

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    Clements Oboenklang wirkt auf meine Ohren recht obertonreich, aber gleichzeitig auch sehr weich, warm und substanzvoll. Tonlich ist das ziemlich nahe an meiner Idealvorstellung, aber leider spielt Clement in agogischer und dynamischer Hinsicht sehr steif und geradeaus. Deshalb habe ich mit seiner Interpretation dann doch Probleme.



    Hallo Bernd!


    Um wieder vom dekadenzträchtigen Exkurs zum eigentlichen Thema dieses Strangs zurückzukommen: Ich habe mir heute noch einmal die Kempe-Aufnahme angehört, und ich nehme meine Charakterisierung des Tons von Clement als "quäkig" vollkommen zurück. Ehrlich gesagt fand ich den Ton sogar schöner als den von Holliger, der tatsächlich sehr hell, fast schon ein bisschen spitz im Vergleich ist. Auch das Dirigat von Kempe gefiel mir heute sehr gut. Vielleicht war mein Urteil über Kempe auch etwas ungerecht. Der Don Quixote in der Strauss-Box ist zum Beispiel sehr gut.


    Trotzdem war es tatsächlich so, dass ich mit dem Werk jahrelang in der Kempe-Aufnahme nicht recht warm wurde und erst mit Holliger der Durchbruch für mich kam. Und danach hatte ich die anderen Aufnahmen gar nicht mehr gehört, sondern nur noch Holliger (so oft höre ich das Werk auch nicht): In meinem Beiträg verließ ich mich ausschließlich auf mein trügerisches Gedächtnis.


    Das geht mir übrigens oft so: Eine Aufnahme stößt die Tür zu einem Werkverständnis auf, und anschließend gefallen mir auch die Aufnahmen gut, welche mich vor diesem Schlüsselerlebnis nicht ansprachen. O Wunder der Hörpsychologie...


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    Die Zeit vor dem ersten Weltkrieg war musikalisch keineswegs von "Dekadenz" bestimmt, sondern im Gegenteil eine Zeit des spannenden Aufbruchs: Die "russischen" Ballette von Strawinsky, Bartoks "Herzog Blaubart", die drei Orchesterstücke op. 6 von Alban Berg, das zweite Streichquartett, die Gurre-Lieder und der "Pierrot Lunaire" von Arnold Schönberg, die Préludes von Claude Debussy, Ravels "Daphnis et Chloé" usw..: alles Meisterwerke aus den Jahren vor dem ersten Weltkrieg und von teilweise weit in die Zukunft reichender Bedeutung.



    Hallo Christian!


    Na ja, was für den einen ein "spannender Aufbruch" ist für den anderen die "Dekadenz", würde ich mal ganz keck sagen.


    Ich will hier keineswegs eine große Dekadenz-Debatte anzetteln, die am Ende eh im berüchtigten Echolot-Strang landen würde (man wird mir vorwerfen, genau auf diese Debatte abgezielt zu haben:( Trotzdem versuche ich mal stichwortartig (ich habe erst am Wochenende mehr Zeit) eine Antwort zu geben:


    Zunächst bedeutet "Dekadenz" ja nicht gleich "Schrott". Ich habe ja gesagt, dass ich auch den Richard Strauss vor dem Ersten Weltkrieg schätze, obwohl ich meine, dass seine Werke die Dekadenz des Zeitalters wiederspiegeln (allerdings muss man auch sagen, dass Strauss grundsätzlich auch eine gewisse Robustheit und bürgerliche Erdung besaß. Strauss ist ein sehr widersprüchlicher Charakter). "Salome" wird wohl gemeinhin als die Dekadenz-Oper angesehen und dem würde ich nicht widersprechen. Ich erinnere mich noch sehr gut, welch ambivalenter Schwindel mich erfasste, als ich dieses Werk zum ersten Mal hörte. Und die überlieferten Publikumsreaktionen der Premiere waren ja auch ganz eindeutig. Hier kann ich übrigens das Werk einer radikalen Feministin namens Tony Bentley empfehlen, welche die Beziehungen von einigen Frauen dieses Zeitalters zur "Salome" von Strauss beleuchtet. Wenn man sich nicht von der feministischen Rhetorik abschrecken lässt (ich bin natürlich kein großer Anhänger der feministischen Ideologie), dann ist dieses Werk dazu geeignet, einen die dekadenten Atmosphäre vor dem Ersten Weltkrieg mit ungläubigen Staunen aufnehmen zu lassen. Man fühlt sich bei der Lektüre so wie als kleiner Junge, wenn in den "Expeditionen ins Tierreich" die weibliche Gottesanbeterin ihr Männchen nach dem Paarungsakt verspeist.


    http://www.amazon.com/Sisters-…ks&qid=1249597298&sr=1-12




    Weil es ja auch dekadente Meisterwerke geben kann, die "Salome" wäre ein gutes Beispiel, verschlägt Deine Behauptung, die von Dir genannten Werke seien "Meisterwerke", nicht, wenn es darum geht, das Zeitalter vom Vorwurf der Dekadenz freizusprechen.


    Ich werde versuchen, über die außermusikalischen Bezüge der von Dir genannten Werke diese in die Nähe der Dekadenz zu rücken. Sicherlich gibt es auch innermusikalische Bezüge, doch darüber lässt sich wohl nur schwer diskutieren. Und mit diesen außermusikalischen Bezügen meine ich vornehmlich literarische Bezüge.


    Es ist Dir vielleicht bekannt, dass viele Dichter, die heute als Wegbereiter der Moderne gelten (das meinst Du wohl auch mit "spannendem Aufbruch") sich selbst der Dekadenz zuordnen. Baudelaire, der ja bekanntlich von Debussy vertont worden ist, stilisiert sich ja selbst als Poet der Dekadenz. Und wenn man Baudelaire der Dekadenz zuordnet, dann auch einige andere Dichter, die von Ravel und Debussy vertont worden sind (Verlaine z.B). Richard Strauss hat mit Dehmel vor dem ersten Weltkrieg auch einen Dichter recht oft vertont, den ich der Dekadenz zuordnen würde. Schwüle Erotik, dandyhafter Weltschmerz, nihilistische Tendenzen, würde ich mal so als Charakteristiken dieser Dichter in den virtuellen Raum werfen.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Dekadenzdichtung


    Gibt es vom literarischen Standpunkt ein dekadenteres Werk als Ravels "Scheherazade"? Den Text verfasste ein pädophiler Dandy, der sich den Künstlernamen Tristan Klingsor gegeben hat. Die ambivalente Erotik der Texte scheint mehr als nur ein bisschen auch in Ravels Musik durch. Und die Tonsprache dieses Werkes scheint mir nicht weit von "Daphnis und Chloe" entfernt zu sein, dieselbe schwüle atmosphärische Musik hier wie dort. "Daphnis und Chloe" wurde für die Ballettgesellschaft von Diaghileff komponiert (Strauss komponierte für Diaghileff übrigens das überaus schwüle Ballett Josephslegende). Bei Diaghileff ließen sich unzählige Querverweise zur Dekadenz herstellen (Ida Rubinstein, Nijinsky etc.). Und wenn man von Diaghileff redet, dann ist man auch ganz schnell bei Stravinsky und den von Dir angesprochenen "russischen" Balletten...


    Und wenn man von schwüler Musik eines Ravel ist, dann sind die musikalisch total überladenen "Gurrelieder" nicht weit. Und wer hat den Text zu diesen verfasst? Der Däne Jacobson, den man gemeinhin auch zur Dekadenz rechnet. Schönberg ließ sich übrigens auch von Dehmel zur "Verklärten Nacht" inspierieren, einer überaus schwülen Musik, wie ich finde. Und bei dem von Dir genannten "Pierrot Lunaire" (ewig nicht mehr gehört, ich besitze auch keine Einspielung) kommt Lyrik von Stefan George vor, den ich auch dem Umkreis der Dekadenz zuordnen würde (gewisse Parallelen zwischen George und d'Annunzio sind unübersehbar).


    Bartoks "Blaubart" hat ein Libretto, das von Béla Balázs (ein Mann mit einer schillernden Biographie, die man durchaus einmal unvoreingenommen studieren sollte) verfasst worden ist. Gemeinhin wird dieser Text dem Symbolismus zugeordnet, wobei man große Schwierigkeiten hat, den Symbolismus von der Dekadenzdichtung abzugrenzen. Ich weiss ja nicht, wie es Dir geht, aber mich beschleicht immer ein gewisses Unbehagen, wenn ich den "Blaubart" höre (sehr selten!), eine unheimliche, den Schrecken der Zukunft fast schon vorwegnehmende Musik. Ich habe den Eindruck, das Libritto will Mitleid mit dem folternden Monster erheischen. Wenn man bedenkt, dass dessen Autor wenige Jahre später ein Helfer von Bela Kuhn bei dessen bolschewistischer Schreckensherrschaft in Ungarn war, dann kommt man ganz schön ins Grübeln. Einen ähnlichen sado-maso-Subtext wie im "Blaubart" scheint mir auch in Debussys "Martyre de Saint Sebastian" gegeben zu sein. Nur wirklich naive Menschen können dieses für Ida Rubinstein verfasste Werk für ein christlich-religiöses Werk halten (dabei fällt mir ein, dass das Ideal Androgynität auch ein Merkmal der Dekadenz ist). Es scheint mir auch kein Missverständnis zu sein, dass d'Annunzio just für dieses Werk exkommuniziert worden ist und seine Werke auf den katholischen Index gesetzt worden sind. Debussy, der ja auch fleissig Dekadenzdichter vertont hat, scheint sich also auch im geistigen Umfeld der Dekadenz bewegt zu haben. Die von Dir genannten "Preludes" würde ich aber auch nicht unbedingt zu den "dekadenten" Teilen seines Werkes zählen.


    Das war jetzt alles sehr aus der Hüfte geschossen, da ich sehr wenig Zeit habe. Aber ich sehe wirklich keinen Grund, die von Dir monierte Bemerkung zurückzunehmen.



    An die Moderation: Vielleicht wäre es wirklich besser, die letzten beiden Beiträge in einen passenden Strang zu verschieben (nicht in den Echolot-Strang!) oder einen neuen zu eröffnen.

    Hallo arundo donax und andere Richard-Strauss-Liebhaber!


    Ich bin auch ein Liebhaber des Spätwerkes von Richard Strauss, das ich als einen einzigartigen Ausdruck einer zweiten Naivität eines großen Künstlers betrachte. Während andere Spätromantiker, die vor dem Ersten Weltkrieg ihre künstlerische Reife erlangt hatten, im hohen Alter verstummten, man denke hier etwa an Sibelius, bekam Richard Strauss, dessen Werk zwischen den Weltkriegen deutliche Zeichen einer nachlassenden künstlerischen Kraft trägt, noch einmal einen großen Kreativitätsschub in seinen letzten Jahren. Vielleicht eine Belohnung der Musen für den berühmten Schritt zurück, den Strauss nach der Elektra nahm?


    Anders als dem Strangeröffner gefällt mir das ochestrale Werk von Richard Strauss vor dem Ersten Weltkrieg sehr gut, auch wenn natürlich hier mehr als nur ein kleiner Hauch der Dekadenz, welche die europäische Welt in dieser Zeit erfasste, vorhanden ist.Trotzdem gefällt mir die stupende orchestrale Meisterschaft und auch die inhaltliche Mischung aus Bombast und Ironie sehr gut. Glücklicherweise muss mich gar nicht zwischen Früh- und Spätwerk entscheiden, sondern kann beide genießen.


    Unter den späten Bläserkonzerten ist mir eigentlich das Concertino für Fagott und Klarinette mit seiner melancholischen Stimmung am meistens ans Herz gewachsen. Das Oboenkonzert höre ich mittlerweile aber auch gerne. Kennengelernt habe ich dieses Werk in der Box mit Orchesterwerken mit der Staatskapelle Dresden unter der Stabführung von Kempe, die es bei EMI, mittlerweile aber auch als Nachpressung bei Brilliant gibt. Die Kempe-Box hat einen sensationellen Ruf, den ich allerdings nicht ganz stützen kann. Sicherlich ist ihr Erwerb ein guter, und vor allem preisgünstiger Einstieg, aber ich hatte eigentlich keine Mühe, für die meisten Werke Alternativaufnahmen zu finden, die mir viel besser gefallen. So auch beim Oboenkonzert. In der Kempe-Box ist der Solist Manfred Clement. Irgenwie klang mir die Oboe hier zu quäkig, zu wenig körperhaft, und auch der Mischklang der Staatskapelle Dresden war meiner Meinung nach nicht optimal, um die Feinheiten der Partitur zur Geltung zu bringen.


    Als nächstes lernte ich das Obenkonzert mit Alex Klein, dem Solooboisten des Chicago-Symphony-Orchestra, unter der Leitung von Barenboim kennen. Hier gefiel mir das Werk schon viel besser. Der Schwachpunkt dieser Aufnahme ist das etwas zähe Dirigat, das aber immerhin die Partitur gut durchhörbar macht.


    Den richtigen Durchbruch mit diesem Werk verschaffte mir erst die Aufnahme mit Heinz Holliger (Solist und Dirigent) und dem Chamber Ochestra of Europe. Holliger ist nicht nur ein Meister auf seinem Instrument , sondern ihm gelingt es auch, die musikalischen Strukturen vollkommen logisch zu präsentieren, vielleicht hat er hier durch Betätigung als Komponist (ich kenne seine Werke allerdings nicht) einen Vorteil gegenüber seinen Kollegen.


    Soviel zu meinen laienhaften Eindrücken. Mit Interesse erwarte ich die Einschätzungen der Aufnahmen durch einen professionellen Oboisten wie arundo donax.


    Hallo liebe Musikfreunde!




    Obwohl ich kein großer Experte der Barockmusik bin, zählt das WTK zu den mir liebsten Werken der Musik überhaupt. Leider hatte ich keinen sehr glücklichen Start mit diesem Werk, da ich mir zuerst die Aufnahme der Version von Swatioslav Richter besorgt hatte.



    Richter hat für meinen Geschmack einen zu romantischen Anschlag für dieses Werk. Einzelne Stücke gelingen Richter schon sehr gut, aber insgesamt fehlte mir der Fluss. So fiel es mir immer schwer, mehr als eine halbe Stunde am Stück zu hören.


    Deshalb besorte ich mir vor ein paar Jahren die Aufnahme mit Gulda, und was soll ich sagen, diese gefällt mir ungemein gut.




    Hier hatte ich überhaupt kein Problem mehrere Stunden am Stück mir Genuss dem Werk zu folgen. Der Anschlag von Gulda ist recht trocken, seine Tempi sind anders als bei seinem Beethoven keineswegs flott. Ich gelange oft in eine meditative Stimmung, wenn ich diese Aufnahme höre. Gulda ist eine große Empfehlung!


    Auf dem Wunschzettel steht noch die Version von Gould, den ich bisher vor allem als Intepreten anderer Komponisten als Bach schätzen gelernt habe (Brahms, Beethoven, Strauss). Sein Bach hat mich bisher nicht 100%tig übezeugt.


    Nach Euren Ausführungen scheint auch Koriolov, von dem ich schon viel Gutes gehört habe, eine bedenkenswerte Anschaffung zu sein. Leider ist er doch recht teuer und seine Plattenfirma scheint auch nie nenneswerte Rabattaktionen zu unternehmen.


    Vielleicht werde ich auch einmal einer Cembalo-Version eine Chance geben, obwohl ich bisher meine Probleme mit dem Klang dieses Instruments hatte. Aber ich warte wohl noch ein paar Jahre, denn noch habe ich nicht die innere Ruhe, mich auf diese neuartige Klangwelt mit ihren eigenen Feinheiten einzulassen.


    Grundsätzlich bin ich aber mit Gulda sehr zufrieden, und ich habe noch nicht den Eindruck, alle Feinheiten dieser Version erschöpfend ausgehört zu haben.




    Nachsatz: Kann mir bitte jemand erklären, warum nur ein Cover hier aufscheint. Ich bin in beiden Fällen identisch vorgegangen, habe aber nur eine Erfolgsquote von 50% (immerhin, sagt der Opitimst).

    Da war irgendwie ein Tag zuviel. Das habe ich entfernt, jetzt geht's (mela)

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    Ich mag z.B. die "Junge Freiheit", "Criticón" oder die ganzen Ergüsse aus dem Grabert-Verlag nicht, wo Alt- und Jungnazis über tatsächliche oder vermeintliche Verbrechen an Deutschen jammern, dabei deutsche Schuld verkleinern wollen und die Niederlage des Hitlerreiches bedauern. Ganz so "mutig" bis Du hier nicht. Allerdings ist Dein Revisionismus durchaus "augenzwinkernd", da Du nicht hinreichend konkret wirst, weil Du Dich sonst - Deine Wortwahl - "um Kopf und Kragen" reden würdest, was darauf hindeutet, dass Deine "Weltanschauung" nicht unbedingt verfassungskonform ist und ihre unverhüllte Darstellung Dich daher in Schwierigkeiten bringen könnte. Insofern habe ich Dir nichts unterstellt, wozu Du keinen Anlass bieten würdest.



    Hallo GiselherHH!


    Ich will nur feststellen, dass die einzige Bemerkung, die ich über die NS-Zeit gemacht habe, lautete, dass ich mir nicht vorstellen könne, die Ausübung der Volksmusik sei aktiv bekämpft worden. Meine Bemerkung, dass Du mich aufforderst, mich um "Kopf und Kragen" zu reden, wenn Du mich aufforderst, die Drahtzieher der "Umerziehung" zu nennen, bezog sich mal mindestens genauso auf die hier zu findende Bereitschaft, alles von mir Gesagte in hysterischer Weise überzuinterpretieren, wie auf das zu Sagende selbst. Auch Du hast wieder ein Beispiel für diese extreme hermeneutische Unbilligkeit geliefert. Aber lassen wir das, sonst landet alles wieder einmal im "Echolot"-Strang...


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    aber libertär-konservatives Gedankengut, wie es hier präsentiert wird, ist immer noch meilenweit von dem augenzwinkernden Revisionismus unseres Tullius Destructivus aka malsehn entfernt.


    Hallo GiselherHH!


    Ich musste erst die Suchmaschine betätigen, um zu erfahren, wer Tullius Destructivus war. Zu meiner Überrschung stellte ich fest, dass es sich hier um eine Asterix-Figur handelt. Asterix fand ich freilich auch schon immer blöd und vollkommen unlustig. Erst letztens habe ich übrigens einen Artikel gelesen, der den Machern auch noch vorwirft, anti-deutsch bis auf die Knochen zu sein. Kein Wunder also, dass ich schon als Kind eine Abneigung gegen so etwas hatte.


    Im übrigen finde ich mich hier weder besonders destruktiv (ich habe in meinem vorherigen Beitrag meine weltanschaulichen Äußerungen gerechtfertigt, von denen ja auch Nocturnus, der gewiss nicht meine Weltanschauung teilt, sagt, dass sie zum Strangthema geäußert worden sind). Auch finde ich mich auch nicht augenzwinkernd (ich meine wirklich, was ich sage, und bin tatsächlich über die kulturelle Entwicklung in großer Sorge). Dass ich hier "revisionistische" Anschauungen verbreite, ist wohl nur in einem trivialen Sinn wahr, da ich die herrschende Weltanschauung durchaus "wiederbetrachte" und neubewerte (jeder sollte dies tun, das ist das Zeichen eines lebendigen Geistes!). Wenn Du unter "Revisionismus" etwas anderes meinst, indem Du mir etwa die Tätigung verbotener Meinungsäußerungen unterstellst, dann irrst Du Dich, und ich fände derartige Unterstellungen reichlich unfair.


    Da ich hier mehrfach (auch in nicht sehr schmeichelhafter Weise) angesprochen worden bin, möchte ich hier kurz meine Position zu weltanschaulichen Beiträgen in diesem Forum darstellen.


    Ich bin grundsätzlich schon dafür, dass der Schwerpunkt hier bei klassischer Musik liegt, weshalb es mir auch nicht in den Sinn käme, weltanschauliche Aphorismen ohne einen Bezug zur Musik hier zu veröffentlichen. Infolgedessen habe ich alle deratigen Stränge bisher vollkommen ignoriert, das gilt übrigens genauso für die Aphorismen von DlR wie für die Aphorismen von Peter Brixius.


    Wie auch andere Teilnehmer finde ich Stränge in einem Diskussionsforum grundsätzlich problematisch, die nicht von anderen kommentiert werden können. In einem Diskussionsforum sollten alle Beiträge zur Diskussion stehen.


    Ich bin gegen eine grundsätzliche Verbannung weltanschaulicher Diskussionen, und ich halte solche Diskussionen sogar für unvermeidlich. Wir leben nun einmal, ob es uns passt oder nicht, in Zeiten einer extremen politischen Zuspitzung (freilich hinter der Fassade einer politischen Normalität). Immer mehr intelligente Menschen ahnen das, weshalb sie sich für völlig politikfremde Themen nicht mehr so recht interessieren. Mir geht das auch so, obwohl ich eine sehr leidenschaftliche Beziehung zur klassischen Musik habe und durchaus auch Meinungen zu Fragen habe wie "Wer ist der beste Beethoven-Pianist?" etc. Mir kommt das Bild in den Sinn von französischen Adeligen am Vorabend der französischen Revolution, die sich ausschweifend über die Anmut ihrer Porzellanfiguren unterhalten, wenn ich Debatten lese, welche Sängerin x in Oper y das hohe C am besten singt (wie alle Gleichnisse hinkt auch dieses, da die Musik im Gegensatz zu Porzellanfiguren in offensichtlicher Weise eine weltanschauliche Dimension hat - bei Opern ist dies ganz deutlich). Damit will ich solchen Debatten über das hohe C nicht ihre Berechtigung abstreiten, sondern nur erklären, warum sie mich persönlich zur Zeit nicht so sehr interessieren.


    Weil mich zur Zeit weltanschauliche Fragen umtreiben (vor ein paar Jahren sah das ganz anders aus), und ich privat schon oft über die Fragen nachgegrübelt habe, wie man Menschen mit Musik manipuliert, und wie Musik Spiegel eines Zeitgeistes im Hegelschen Sinne ist, und natürlich auch über das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Möglichkeiten der Musik, und auch über die Frage, welcher ästhetische oder metaphysische Rest dann noch bleibt, habe ich mich hier vornehmlich in Strängen geäußert, die eine weltanschauliche Dimension besitzen.


    Nun haben wir hier eine Forenleitung bzw. Moderationsleitung, welche auf Teufel komm raus das herrschende politische Weltbild, das immer mehr Menschen für total verlogen erachten, stützen will. Deshalb haben wir hier auch Zensurdebatten, deren Bedeutung man nicht unterschätzen sollte. Wie diese entschieden werden, bestimmt den zukünftigen Kurs dieses Forums, weshalb sie auch großes Interesse erregen.



    Deshalb hat das Forum wohl einen seltsamen Charakter für Menschen, die sich einfach nur über ihe Lieblingsmusik und ihre Lieblingsinterpreten austauschen wollen. Ich kann den Unmut sehr gut verstehen, obwohl ich ihn natürlich nicht teile (mein Unmut hier speist sich in erster Linie aus den Zensurmaßnahmen und der Unfairness der Moderation).


    Natürlich könnte man weltanschauliche Debatten völlig unterbinden, doch glaube ich nicht, dass das die Mehrheit der Teilnehmer möchte, da das Reden über Musik einfach eine weltanschauliche Dimension hat. Viele sind es nur nicht gewohnt, mit ihren weltanschaulichen Meinungen Widerspruch zu ernten...Und wenn man einfach nur die weltanschaulichen Meinungen verbannt, die man selbst nicht mag, dann wird man auch kein wirklich lebendiges Forum haben, sondern nur das sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen der "politisch Korrekten".