„Bruckner 3“ – Fragen über Fragen mit Rätseln zum Schluss
Ich hatte mit Bruckner 3 zuvor nicht viel Kontakt. Aber bei der Einspielung halte ich es durchaus mit Igor Levit. Na gut, vermutlich bin ich nicht ganz so enthusiastisch, aber sie gefällt mir schon auch sehr.
Merkwürdig, so eine „kraftvolle“ Position wie bei Christian Kracht kann man bei Christian Thielemann nicht verorten. Nein, das fand ich gut im Falle Kracht, hat mir sehr gefallen. Ich mag es, wenn man in einem langwierigen Prozess zu einer starken Überzeugung gelangt und diese dann auch mit Überzeugung meinungsstark im Diskurs vertritt. Ich mag es sehr. I do confess!
Der Maestro Thielemann hängt ja drüben, bei deinen ungelesenen Büchern, mindestens genauso hoch wie Christian Kracht, wenn nicht höher. Ich persönlich habe noch kein Urteil zu Christian Thielemann fällen können, denn bei mir dauert es immer was länger. Hören, hören, nochmals hören. Auch mal was in die Noten kucken oder was lesen. Man konnte ja auch viel über ihn lesen in letzter Zeit.
Merkwürdig, wie enttäuscht war ich dann ob der „kraftlosen“ und „wohlfeilen“ Wortmeldung zu Christian Thielemann hier. Kein Feuer in diesen imaginären „Wortlenden“? Ist es doch nicht so stark, das Band zwischen euch? Wir wollen es etwas genauer „in Perspektive rücken“, wie sich Theodor W. Adorno in vergleichbaren Situationen immer auszudrücken pflegte.
Jetzt muss ich doch mal nachfragen. Was heißt in diesem Fall „nicht viel Kontakt“ konkret? Hast du „Bruckner 3“ jemals gehört? Hast du diese spezifische Aufnahme mit Christian Thielemann gehört? War es lediglich ein physischer Kontakt im Sinne von Haptik? Deinen Worten kann ich es nicht entnehmen. Ich möchte es sehr gerne wissen.
Oder verhält es sich hier so wie in „Eben gewälzt“? Ein Analogieschluss drängt sich da förmlich auf, oder? „Kraftvolle“ Bildchen werden so bunt und wortlos in Szene gesetzt, um dann ganz beiläufig durchschimmern zu lassen, dass die dazugehörigen Bücher bisher nicht gelesen wurden, so viele, wie dann in einem weiteren Beitrag der Radetzkymarsch übrigens auch. In „Eben gewälzt“. Damit ist gelesen gemeint, nicht im Staub gewälzt. So habe ich es jedenfalls verstanden. Mag mich auch irren, kann ja sein. Ich will es verstehen. Alles, ausnahmslos.
Und nach dieser diffusen suggestiven Einleitung geht es nahtlos über zu „halte ich es durchaus mit Igor Levit“. Das ist wirklich stark! Eine Überzeugung? Da merke ich dann auf. Eine risikopolitische Erwägung, wie mir scheint. Denn sobald er entbrennt, der Proteststurm, kann man sich auf sichere Positionen wie „habe ich gar nicht gelesen, eine Begründung aus einem renommierten und berufenem Munde schien mir adrett, so nett“ oder „habe ich gelesen, aber i-wie nicht verstanden, kann mich nicht mehr erinnern“. Dann würde es an Igor Levit hängen bleiben, gell? So eine Art Team Building, auch so ein beliebtes Szenario der Spalterei. Gegen Schwärmerei ist nix zu sagen, aber muss es immer gleich in Schwarmbildung ausarten? Oder ist das als Versuch einer Aufwertung deiner Person zu verstehen? Ich würde es gerne verstehen.
Aber der Igor Levit wird sich hüten, er hat bereits schlechte Erfahrungen mit Journalisten machen müssen. Der hat schon seinen Sturm gehabt, im Wasserglasformat war der aber nicht. Eine volle Ladung fieser Escherichia coli hat er erhalten. Ungefragt, dafür rezeptfrei, aber mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Das hält lange nach. Der junge Pianist ist nun nicht mehr so gut auf bestimmte Journalisten zu sprechen. Das kann ich nachvollziehen. Ganz bestimmt!
Und dann folgt ein abrundendes, wohlwollendes, so gönnerhaftes „sie gefällt mir schon auch sehr“. Das ist der Höhepunkt, klingt i-wie nach Krönung. Ja was denn genau? Die Optik? Die Akustik? Die Haptik? Oder die Musik, wie sie von Christian Thielemann und dem Orchester interpretiert wird, so sie denn gehört wurde? Oder etwas ganz anderes? Eine Abwertung vielleicht? Was ist es denn konkret, was so sehr gefällt? Keine singuläre eigene Silbe einer möglichen Explikation ist zu lesen. Keine Begründung i-wie. Es ist der so „wohlfeile“ und „mit Lautverstärkern orchestrierte Impressionismus“, der erneut frei im digitalen Raume schweben muss. Ich bin etwas enttäuscht, möchte es aber i-wie verstehen.
Soll man jetzt deiner eigenen Meinung nach „Bruckner 3“ hören? Mit Thielemann? Ich bin verunsichert. Für mich liest sich dieser Beitrag eher wie eine reflexartige Reaktion auf eine vorauseilende Schwarmbildung. Einem Hauptstrom folgen, weil es vielleicht gerade en vogue ist, Christian Thielemann zu hören? Irgendwie so trendy im Moment? Ich mag mich irren, warum auch nicht? Jeder ist schließlich fehlbar. Merkwürdig wäre das aber nicht.
Schließlich spielen wir hier nicht Frau Förster-Nietzsche. Hier wird nix verheimlicht, beschönigt oder geklittert. Es kommt alles auf den Tisch, ausnahmslos. Ich habe so viele Fragen, die werde ich jetzt einfach stellen. Dann kommt vielleicht endlich mal ein Hauch von Austausch zustande hier. Gut, ich habe bisher auch überwiegend nur Textbausteinchen geliefert. Ein Kiesel hier, zwei Kieselchen dort. Ich bin da nicht schuldlos. I do confess! Aber mit dem heutigen Tage endet es, diese endlose Passivität, dieses öde Phlegma. Hier muss sich endlich was bewegen!
Von einem, der es verstehen will. Weil er muss.
Robin
Förderhilfegeber für Leser mit Verständnisproblemen, obwohl er selbst einer ist. Rächen muss warten…
NB: Da habe ich noch einen schönen Tipp. Wenn du mal Zeit und Muße hast. Scheint mir ganz nützlich zu sein. Da wollte ich auch noch was zu beitragen: I-was mit lesen
NB 2.0: Sollte im Urlaub das Wetter auf dem Balkon mal nicht so toll sein, habe ich noch was Rätsel für dich. Die Lösungen darfst du gerne für dich behalten, ich bin nicht so ein Rätselfritze.
Zunächst ein Kreuzworträtsel: „Berufsstand, der aus nur drei Worten besteht: ‚merkwürdig‘, ‚kraftvoll‘ und ‚wohlfeil‘“. Die Anzahl der Buchstaben habe ich leider nicht, es ist wohl noch in der Entstehung.
Jetzt noch ein ganz anderes Rätsel: „Warum kann man etwas nicht entwerten, was genuin wertfrei ist?“ Da bin ich ad hoc nicht so ganz schlüssig, ob es um das „etwas“ geht oder ob das so ein Um-die Ecke-denken-Ding ist.
NB 3.0: Ich wünsche dir noch einen schönen Urlaub. Hoffentlich kommst du voran mit deinem ambitionierten Lektüreprogramm für den Kurzurlaub, obwohl du sehr viel hier im Forum abhängst. Ich werde jetzt mal was von Thielemann hören, auch was lesen dazu, vielleicht auch was in die Noten kucken. Hast du Lust, dich nach deinem Urlaub ein bisschen mit mir über Thielemann auszutauschen? So einszweidrei Sätzchen am Stück? Ich würde mich jedenfalls freuen.