Beiträge von Peter Jott

    Danach hatte ich heute morgen (anlässlich des Dutilleux) auch gegoogelt! Die Werle-Übersetzung hat wohl größtenteils gute bis begeisterte Rezensionen hervorgerufen.


    Nur eine kritischere Beurteilung habe ich gefunden:

    Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen - 0,0,Signaturen


    Dort sind zwei Gedichte in der Werle- wie in der älteren Fahrenbach-Wachendorff-Übersetzung wiedergegeben, so dass man – auch wenn man die Treue der Übersetzung an sich nicht beurteilen kann (wie ich) – zumindest eine vage Einschätzung der sprachlichen Gestalt der Gedichte in den unterschiedlichen Übersetzungen vornehmen kann.

    Diese Begründung empfinde ich allerdings ein wenig als "ex post" darübergestülpt. Beethoven ersetzte die Große Fuge mit dem alternativen Finale auf Wunsch des Verlegers und nicht aus "vorauseilender Verachtung" für die Zuhörer.

    Als Begründung für die von Abendroth vorgeschlagene Deutung war der Verweis auch nicht gedacht. Das Ersatzfinale von op.130 wäre nur ein Bespiel für einen in ganz anderer Weise dem Vorhergehenden – auf mich unverbunden wirkenden – hinzugefügten Schluss, dessen Zustandekommen sich eben auch auf eine – (in diesem Fall durch den Verleger) angenommene – Reaktion des Publikums bezieht.

    Dass mit dem Schluss etwas "nicht stimmen kann" (so ähnlich hat es glaube ich Felix zuvor ausdrückt), schwant wohl auch dem unbedarften Zuhörer beim einigermaßen aufmerksamen Anhören des Quartetts (so auch mir). Auf mich wirkt er jedenfalls wie zusammenhanglos angeklebt - hat er eigentlich nennenswerte thematische Verbindungen zum Vorangegangenen? Mir wären sie zumindest nicht aufgegangenen. Beim Lesen der möglichen Deutungen hat es bei dieser von Abendroth intuitiv bei mir am stärksten Klick gemacht:

    Ich finde die Coda eher sarkastisch. Als ob Beethoven sagen wollte: Ihr seid doch nicht reif für meine Musik, hier habt ihr einen schönen Schluss (Ganz ähnlich vielleicht das alternative Finale zum op. 130, das die grosse Fuge ersetzen soll.)

    Das würde nun für mich nicht auf eine ironische Haltung der Musik selbst hindeuten (die ich im Vorhergehenden auch bisher kaum würde ausmachen können), wohl aber auf eine des Komponisten seinem Publikum gegenüber – oder eben auf eine sarkastische (bei weniger günstigen Annahmen im Hinblick auf die Menschenfreundlichkeit des Komponisten). Dazu passt der Verweis auf das Ersatzfinale von 130 auch sehr gut, wie ich finde. Wo dort das Zugeständnis an das Publikum auf äußeren Druck hin im Nachhinein erfolgt, geschieht dies hier bereits in der ursprünglichen Konzeption - freilich mit dem notwendigen Bruch, so dass die "Wenigen" die Haltung des Komponisten nicht überhören können.

    Die großartige Margit Carstensen ist tot.


    Margit Carstensen ist tot: Hauptrollen in Fassbinder-Filmen wie »Die bitteren Tränen der Petra von Kant«
    Rainer Werner Fassbinder drehte immer wieder mit charismatischen Frauen in Hauptrollen. Eine von ihnen war Margit Carstensen, die später auch mit Schlingensief…
    www.spiegel.de


    Für mich gehört sie zu den seltenen Schauspielerinnen, die vor der Kamera nichts tun mussten und nur durch die reine Präsenz eine unglaubliche Wirkung entfalten konnten.


    Herausragend in "Martha" und "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" – Filme, bei denen ich mir nicht vorstellen kann, wie sie mit jemand anderem als Carstensen hätten funktionieren können...

    Gestern gab bei den Berliner Philharmonikern wieder die – nun seltener werdende – Gelegenheit, Barenboim am Dirigentenpult zu erleben. Ich muss zugeben, dass seine Interpretationen, insbesondere des deutsch-österreichischen „Kernrepertoires“, meinen Nerv meist nicht treffen, und ich vermutlich bei einem Beethoven-, Brahms-, Mozart-, Schumann-usw.-Programm auf den Besuch des Konzerts verzichtet hätte. Nun gab es aber die reizvolle Zusammenstellung von Faurés Pélleas-et-Mélisande-Suite, Wagners Wesendonck-Liedern (mit Elīna Garanča) und Francks d-moll-Symphonie, die mich – verbunden mit der Befürchtung, dass es vielleicht nicht mehr allzu viele Gelegenheiten geben wird, diesen Ausnahmemusiker live zu erleben – zum Besuch animiert hat.


    Der Gang auf das Podium fiel Barenboim sichtlich schwer, aber den bereitgestellten Dirigierhocker ließ er wieder vom Podest nehmen und wirkte dann beim Dirigieren auch sicher (offenbar hat sich sein Gesundheitszustand seit den letzten Auftritten, von denen man las, wieder stabilisiert). Die Zeichengebung ist äußerst sparsam und setzt phasenweise auch ganz aus – aber dies scheint nicht vorrangig durch körperliche Einschränkungen bedingt, sondern geschieht offenkundig im Wissen um die Vertrautheit und das musikalische Einverständnis mit dem – ihm ja seit Jahrzehnten eng verbundene – Orchester. Und dies spiegelt sich auch in dem, was zu hören ist, wieder: Der Fauré gehüllt in einen warmen, sanften Streicherklang und die Wesendonck-Lieder mit wunderbar delikaten, dunklen, sehr „dichten“ Klangfarben (Garanča hat mich hier mehr überzeugt als in Ihrer Thielemann-Aufnahme, die ich zuvor angehört hatte). In ihrer zugespitzten Haltung aber besonders beeindruckt hat mich Barenboims Interpretation von Francks Symphonie: So langsam, fast statisch habe ich sie wohl noch nie gehört, der Aufschwung des Finales merkwürdig gebremst, aber die fast still stehenden Klangflächen zeitweise, die souverän angelegte weite dynamische Amplitude und die intensiven, ganz unhektisch ausgesungenen Bläserchöre (wie natürlich auch Wollenwebers wundervolles Englischhorn-Solo) vermittelten die kunstvolle Fraktur dieser Musik auf eine ganz besondere Weise.

    Meine nächsten Konzerte:


    Do 1. Juni 20 Uhr // Philharmonie Berlin Berliner Philharmoniker, Elīna Garanča (Mezzosopran) , ML: Daniel Barenboim

    Fauré »Pelléas et Mélisande«, Orchestersuite op. 80

    Wagner Wesendonck-Lieder

    Franck Symphonie d-Moll



    Di 13. Juni 20 Uhr // Philharmonie Berlin
    Utopia, Wiebke Lehmkuhl (Alt), Staats- und Domchor Berlin, Vocalconsort Berlin. ML: Teodor Currentzis

    Mahler Symphonie Nr. 3

    Les' ich jetzt erst! Wie war' s denn?? :)

    Es war phantastisch! Erstaunlich, wie sinnfällig die Ligeti-Stücke und die Wollny-Stücke, vor allem aber Wollnys Improvisationen, ineinander griffen (beide "Halbzeiten" wurden als Kontinuum durchgespielt), wobei bei Wollny natürlich auch andere Einflüsse spürbar sind, Debussy, Ravel, aber auch Messiaen schienen mir anzuklingen. Durch die Konfrontation mit den Ligeti-Stücken wurde deutlich, wie stark er von klassischer Klaviermusik beeinflusst ist. Ich habe ihn zum ersten Mal live gehört - er ist wirklich ein unglaublicher Pianist, von geradezu orchestralen Wirkungen bis zu atemberaubend gleichmäßigen schnellsten Läufen im Piano und Pianissimo ist beim ihm alles da. Über Airmard muss man das nicht erst sagen, allerdings brauchte er nach meinem Eindruck zwei Stücke bis er sich freigespielt hatte (Ligetis vergleichsweise spröde Chromatische Phantasie an zweiter Stelle klang noch etwas hölzern), aber dann gings los ;). Die beiden Flügel waren mit Aufnahmemikros bestückt, deshalb nehme ich an, dass ACT das mitgeschnitten hat, und hoffe, sie veröffentlichen es.

    Das Philharmoniker-Programm 23/24 ist jetzt veröffentlicht und damit auch die acht (mit dem Waldbühnenkonzert neun) Programme mit Petrenko. Keine weitere Beethoven-, Mahler- oder Schostakowitsch-Symphonie (sehr schade, aus meiner Sicht), von Brahms die Vierte, was etwas erstaunt, da er die schon vor zwei oder drei Jahren präsentierte und jetzt eigentlich die Erste oder Dritte "fällig" gewesen wären. Das vorab veröffentlichte Programm vom 14.-16. Sept. mit u.a. K. A. Hartmanns Gesangsszene hatte mir Hoffnung gemacht, dass er sich nun - wie bei Amtsantritt schon vage in Aussicht gestellt - auch dessen Symphonien annimmt, aber auch das ist leider (noch) nicht der Fall. Die spektakulären Höhepunkte sind für mich wohl die konzertante Elektra sowie das Schönberg-Programm mit der Jakobsleiter (bei Walküre I an Silvester werd ich wohl nicht in Berlin sein). Auffällig ist für mich wie bereits in den vergangenen Saisons die geringe Präsenz von Intrumentalsolist*innen: in den acht regulären Programmen nur ein Fall, Batiashvili mit Szymanowskis 1. Violinkonzert (im Waldbühnenkonzert dann noch Yuja Wang mit Rachmaninows Paganini-Variationen).


    Hier die Übersicht:

    Musik im Umbruch
    Konzerte mit Chefdirigent Kirill Petrenko
    www.berliner-philharmoniker.de


    [Edit: Gerade gesehen: Das Programm vom 1.-3. Nov. mit Mozart KV 201, Berg op. 6 und Brahms IV fehlt in der Übersicht. Damit sind es neun reguläre Programme mit Petrenko.]


    Ein weiterer früher Höhepunkt der Saison in der Philharmonie – allerdings ohne Petrenko und die Philharmoniker – ist für mich auf jeden Fall die konzertante Aufführung von Berlioz' Trojanern unter Gardiner am 1. September.

    Ich wünsche dir ganz viel Freude in Berlin, Sokolovs klangliche Gestaltung ist vom Feinsten.

    Danke, Benutzername!

    Für mein Erleben war es zu viel Purcell, ich hätte mir noch einen weiteren Komponisten im Programm gewünscht.

    Das ist mein Empfinden schon im Vorhinein. Im Sokolov-Thread hatte ich schon geschrieben, dass ich die Karte wohl nicht gekauft hätte, wenn ich das Programm vorher gekannt hätte. Aber jetzt überlasse ich mich dem, was da kommt, und freue mich im Zweifel auf die Zugaben (die, was ich gelesen habe, wohl eher in Richtung des Repertoires gehen, das mir näher liegt).

    Heute ab 20 Uhr fast live aus der Berliner Philharmonie: Die Frau ohne Schatten unter Kirill Petrenko auf rbb Kultur (danach noch 30 Tage online)

    LIVE: Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker
    Richard Strauss: Die Frau ohne Schatten, op. 65
    www.rbb-online.de

    (Eine Aufzeichnung der Baden-Badener Bühnenfassung, inszeniert von Lydia Steier, morgen, 15. April, ab 20.15 Uhr auf 3sat und dann bis 14.7.23 in der Mediathek)


    In einer Woche, am 22. April ab 20 Uhr, dann noch ein Petrenko/Philharmoniker-Konzert mit Brahms' Haydn-Variationen, Schönbergs Variationen op.31 und Beethovens Achter auf rbb Kultur

    Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker
    Werke von Johannes Brahms, Arnold Schönberg und Ludwig van Beethoven in einer Konzertaufnahme vom 27.01.2023
    www.rbb-online.de

    Fr 14. April 18 Uhr // Philharmonie Berlin

    Berliner Philharmoniker, Cantus Juvenum Karlsruhe Kinder- und Jugendchor, NFM Choir Wroclaw // ML: Kirill Petrenko

    Clay Hilley (Kaiser), Elza van den Heever (Kaiserin), Michaela Schuster (Amme), Wolfgang Koch (Barak), Miina-Liisa Värelä (Färberin) u.a.

    Strauss  Die Frau ohne Schatten (konzertant)


    Do 20. April 19.30 Uhr // Staatsoper Berlin

    I: Damiano Michieletto // ML: Antonello Manacorda

    Asmik Grigorian (Jenůfa), Evelyn Herlitzius (Küsterin), Stephan Rügamer (Laca), Edgaras Montvidas (Števa) u.a.

    Janáček  Jenůfa (Její pastorkyňa)

    (Endlich Grigorian live!)

    Morgen, am 5.4., um 17 Uhr in der Aula der Alten Universität Heidelberg:


    Quatuor Diotima

    Das wird sicher fantastisch!


    Ich habe sie vor einem Monat in Berlin gehört und gesehen, ohne Bartok, dafür mit je beiden Quartetten der zwei anderen. Gegen Ende von Ligeti I ist dem ersten Geiger eine Saite gerissen, was der Intensität des Spiels entsprach. Und nach den Janaceks konnte ich mich am Ende nur nicht entscheiden, welches seiner beiden Quartette ich jetzt an die Spitze meiner Lieblings-Streichquartette setze. (Wobei ich kein so häufiger Streichquartett-Hörer bin wie du und andere im Forum.)

    Gestern habe ich im Konzert mit dem DSO Berlin unter Ticciati wieder mit ziemlicher Begeisterung das "Poème de l'extase" gehört – eine mitreißende Aufführung, bei der mein Begleiter, der das Stück noch nie gehört hatte, aber die lange Generalpause vor der leise einsetzenden Schlusswendung kritisierte. Tatsächlich wird diese Stelle bei den Aufführungen und Aufnahmen, die ich gehört habe, sehr unterschiedlich gehandhabt, von pausenlos über kurzes Absetzen bis zu mehrere Sekunden langer Generalpause. Ich habe in ein YT-Video mit Score reingeschaut:

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    In der Partitur selbst kann ich keine Pause entdecken, allerdings gibt es in der Partitur des Videos handschriftlich eingefügte Doppelstriche, die wohl ein Absetzen markieren sollen. In der Boulez-Aufnahme, in die ich gerade reingehört habe, gibt es keinerlei Absetzen, sondern das pp schließt direkt an das fff an.


    Ist diese oft ausgeführte Generalpause also eine Aufführungskonvention, die sich entwickelt hat, oder habe ich etwas in der Partitur übersehen?