Zum Thema "Kunst und Justiz" habe ich auch eine nette Geschichte beizutragen, eine westfälische Provinzposse, die hier gerade hohe Wellen schlägt
Das "Westfälische Volksblatt" berichtet:
Paderborn (WV). Das Urteil gegen den Paderborner Künstler und Kunstschmied Bruno Eikel ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Revision verworfen. Eikel muss für sechs Monate ins Gefängnis.
BrunoEikelWegen »strafbarer Verletzung der Gewerberechtsvorschriften« hatte das Landgericht Paderborn vergangenen November gegen den 41-Jährigen eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt. Der Fall schlug in der Künstlerszene hohe Wellen.
Dutzende von Solidaritätsadressen und Protestbriefen aus ganz Deutschland belegen es. Doch die Karlsruher Richter interessierte das wenig. Sie fanden in dem Paderborner Urteil keinen Rechtsfehler.
Eikel hat nach Auffassung der Justiz nicht nur künstlerisch, sondern auch handwerklich gearbeitet. Und das ist strafbar, weil ihm das Paderborner Ordnungsamt nach zwei Insolvenzen die Gewerbeausübung untersagt hatte.
Da der Angeklagte schon einmal wegen des gleichen Delikts verurteilt worden war und noch unter Bewährung stand, galt er als Wiederholungstäter und muss seine Strafe absitzen.Bruno Eikel sei zwar in Paderborn als Künstler anerkannt, konzedierte Richter Bernd Emminghaus. Aber es sei keineswegs alles Kunst, was er geschaffen habe.
Er habe auch handwerkliche Arbeiten wie ein Geländer, einen Raumteiler oder eine Bierklappe mit dem ermäßigten Künstler-Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent abgerechnet. »Die im Tatzeitraum geschaffenen Objekte stellen überwiegend keine Kunstwerke, sondern Kunstschmiedearbeiten dar«, heißt es in der Urteilsbegründung. Als Künstler sei er durchaus erfolgreich, als Geschäftsmann allerdings weniger. Wirklichen Kunstsachverstand sprechen Eikels Verteidiger dem Gericht in ihrer Revisionsschrift allerdings ab.
Die Kammer habe keinen Sachverstand dargelegt, sondern lediglich eine Meinung geäußert. Eikel hat unter anderem das »Abendmahl« in der Bartholomäus-Kapelle geschaffen. Es wurde gerade mit dem »Amerikanischen Kunstpreis für visuelle Kunst« im Bereich sakraler Kunst ausgezeichnet.
Nächstes Jahr hat der Paderborner deshalb eine große Ausstellung in Miami.Um so enttäuschter ist Bruno Eikel über die Entscheidung des BGH. »Ich bin fassungslos«, reagierte er Donnerstag auf das Karlsruher Urteil.
Vor allem, weil sich die Richter nicht mit dem Kunstbegriff als solchem auseinandergesetzt hätten. »Das Bundesverfassungsgericht hat in einem anderen Fall ausdrücklich festgestellt, dass keine Behörde Stil-, Niveau- und Qualitätskontrollorgan in Sachen Kunst sein darf«, zitiert Eikel und ergänzt: »Das gilt auch für das Ordnungsamt der Stadt Paderborn«. Er will jetzt Verfassungsklage erheben.Seiner Ansicht nach hätte der BGH auf Hinzuziehung eines Kunstsachverständigen drängen müssen. Was im Paderborner Verfahren auch schon sein Verteidiger Ulrich Griguleit beantragt hatte. Doch das Gericht meinte, die Kammer verfüge »über genügend eigenen Sachverstand«.
Vor allem die Katholische Kirche schätzt Eikels Werke und hat ihn schon mit zahlreichen Arbeiten betraut. In Paderborn betreibt der Künstler das Atelier »Kunst am angegebenen Ort«. Er beschäftigt nach eigenen Angaben fünf Mitarbeiter. »Wenn ich tatsächlich in den geschlossenen Strafvollzug muss, wäre das für mich beruflich existenzgefährdend«, sagt er und hofft bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf eine Aussetzung des Strafvollzugs.
Im Kern der Diskussion steht wieder einmal die Frage "Was ist Kunst?" und die eben so wichtige Frage "Wer darf beurteilen, was Kunst ist?". Das Landgericht hat ohne Sachverständigen entschieden, was Kunst sei und was nicht, dafür brauche man keinen Experten, das könne jeder durchschnittlich Gebildete beurteilen, fand das Gericht. Der Künstler sah das natürlich anders. Der Amtsrichter urteilte übrigens "Kunst ist, was keinen Zweck hat"!
Liebe Grüße aus der westfälischen Provinz,
Lars (Cherubino)