Beiträge von Cherubino

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    Es hatte schon seinen Grund warum die ganze Kunst nur einem gewissen Kreis vorbehalten war


    Nun, der Grund ist dich ganz einfach: Es gab den gewissen Kreis, der es sich leisten konnten, und die die dafür arbeiten und bluten mussten, dass der gewisse Kreis es sich leisten konnte!


    Ludwig II. war ein Visionär und Genie? In erster Linie war er ein Genie darin, Steuergelder zu verschwenden und sein Land zu ruinieren! Ich für meinen Teil bin heilfroh, dass heute solche Spinner nicht einfach über Leib und Gut anderer Menschen verfügen können, ich bin heilfroh, dass ich die Chance habe, Bücher, Musik und Kunst überhaupt kennen zu lernen, ich bin heilfroh, dass nach über 200 jahren Aufklärung Menschen mit solchen kruden Ansichten, wie sie hier vorgetragen wurden, nicht mehr über mich entscheiden dürfen!


    Entschuldigung, aber das musste jetzt sein! Es heißt ja nicht umsonst: "Wer austeilen kann, ..." :pfeif:

    Lieber thdeck,


    so einfach würde ich es mir nun auch wieder nicht machen. Ob der Herr nun ein "mieser, kleiner Steuerbetrüger" ist, oder ein Künstler, dem die Behörden übel mitgespielt haben, das ist ja gerade die Frage, die das Gericht zu klären hatte und in mehreren Instanzen klärt. Ich würde da, wie gesagt, nicht Richter seien wollen, weil letztlich beide Seiten nachvollziehbare Argumente haben und man sich mit einer Entscheidung, egal wie sie aussieht, eigentlich nur in die Nesseln setzen kann.
    Ich habe übrigens für diesen Fall keinen "Thread" eröffnet, schon gar keinen mit einem hochtrabenden Titel, sondern mir ist, als ich diese Diskussion hier gelesen habe, der besagte Fall eingefallen, und ich hielt es für vielleicht ganz interessant ihn hier, wo über Künstler und Justiz diskutiert wird, vorzustellen. In allen Fällen, die hier präsentiert wurden, geht es ja nun um die Fragen "Was ist Kunst?" und "Wer darf entscheiden, was Kunst ist?".


    Liebe Grüße,
    Lars

    Ich höre gerade im Radio Verdis "La Traviata" von den Festspielen in Orange. Patrizia Ciofi, Vittorio Grigolo und Marzio Giossi singen die Hauptrollen, Dirigent ist Myun-Whung Chun. Es ist sicher keine Spitzenaufnahme des Werkes, aber eine lebendige, spannende Aufführung mit guten Sängerdarstellern.

    Liebe Fairy Queen,


    ich habe die Aufführung auch im Fernsehen mitverfolgt und auch ich fand es schade, das Don Ottavio seine zweite Arie gestrichen bekommen hatte. Matthew Polenzani war für mich eines der vokalen Highlights des Abends, so eine schöne Stimme!
    Ganz und gar nicht d´accord bin ich aber mit dir, was die Scena ultima angeht! Die wegzulassen finde ich völlig daneben, sie ist integraler und notwendiger Bestandteil des Dramas. Letztes Jahr konnte man auf der Internetseite der Salzburger Festspiele ein Interview mit Claus Guth lesen, das mich ziemlich auf die Palme gebracht hat. Er hat dort (wohlgemerkt in besagtem Interview, nicht in der Inszenierung) den "Don Giovanni" so missverstanden, wie das nur eben möglich ist! Leider finde ich den Text auf der Seite der Festspiele nicht wieder, so dass ich jetzt nicht ohne weiteres auf Details eingehen kann.


    Liebe Grüße,
    Cherubino (Lars)

    Es ging in dem Fall, von dem ich berichtet habe, in erster Linie um steuerrechtliche Fragen. Herr Eikel ist Kunstschmied und fertigte neben Metallskulpturen ebn auch besonders gestaltete Bänke, Gitter, Rankgerüste und Ähnliches. Die verkaufte er dann zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz, der für Kunstwerke gilt. Der Richter urteilte nun, Kunst ist, was keinen Zweck hat, ein Rankgerüst für Blumen, eine Bank etc. sind, egal wie künstlerisch wertvoll sie auch gestaltet sein mögen, zuerst Gebrauchsgegenstände, können also nicht dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen. Er wollte damit Kunst und Kunsthandwerk voneinander trennen.
    Der Kunstschmied sah das natürlich anders, er ließ verlauten, er finde es unmöglich, Maßstäbe an Kunst anzulegen, "die seit mindestens 150 Jahren überholt" seien. Er bestand natürlich auch darauf, alles, was er schaffe sei Kunst, manches nur eben Gebrauchskunst. Ich finde, man kann beide Positionen nachvollziehen, und ich hätte in diesem Fall auf keinen Fall Richter sein wollen!
    Ich bin auf die Geschichte wieder aufmerksam geworden, weil vorgestern in den Lokalnachrichten wieder über sie berichtet wurde. Der WDR fragte dann noch weiter. Die Künstlersozialkasse legte die Definition vor, Künstler ist, wer Kunst erdenkt, nicht, wer sie praktisch umsetzt. Diese Definition finde ich sehr krude. Was will ich mit einem Bildhauer, egal, ob er mit Holz, Metall oder Stein arbeitet, der tolle künstlerische Ideen hat, sie aber nicht praktisch-handwerlich umsetzen kann? Und nach welchem mehrwertsteuersatz haben überhaupt die Bauhauskünstler ihre Salzstreuer, Blumenvasen etc., die sie designt haben, abgerechnet?
    Zuletzt wurde dann noch eine nordrhein-westfälische Künstlerorganistation befragt (den namen habe ich mir leider nicht merken können). Die Vertreterin dieser Organisation definierte: "Künstler ist, wer Kunst studiert hat!". Das ist kurz und bündig, aber in der Praxis doch wohl auch nur für die Verwaltung tauglich!


    Liebe Grüße,
    Cherubino (Lars)

    Zum Thema "Kunst und Justiz" habe ich auch eine nette Geschichte beizutragen, eine westfälische Provinzposse, die hier gerade hohe Wellen schlägt
    Das "Westfälische Volksblatt" berichtet:



    Paderborn (WV). Das Urteil gegen den Paderborner Künstler und Kunstschmied Bruno Eikel ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Revision verworfen. Eikel muss für sechs Monate ins Gefängnis.


    BrunoEikelWegen »strafbarer Verletzung der Gewerberechtsvorschriften« hatte das Landgericht Paderborn vergangenen November gegen den 41-Jährigen eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt. Der Fall schlug in der Künstlerszene hohe Wellen.


    Dutzende von Solidaritätsadressen und Protestbriefen aus ganz Deutschland belegen es. Doch die Karlsruher Richter interessierte das wenig. Sie fanden in dem Paderborner Urteil keinen Rechtsfehler.


    Eikel hat nach Auffassung der Justiz nicht nur künstlerisch, sondern auch handwerklich gearbeitet. Und das ist strafbar, weil ihm das Paderborner Ordnungsamt nach zwei Insolvenzen die Gewerbeausübung untersagt hatte.


    Da der Angeklagte schon einmal wegen des gleichen Delikts verurteilt worden war und noch unter Bewährung stand, galt er als Wiederholungstäter und muss seine Strafe absitzen.Bruno Eikel sei zwar in Paderborn als Künstler anerkannt, konzedierte Richter Bernd Emminghaus. Aber es sei keineswegs alles Kunst, was er geschaffen habe.


    Er habe auch handwerkliche Arbeiten wie ein Geländer, einen Raumteiler oder eine Bierklappe mit dem ermäßigten Künstler-Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent abgerechnet. »Die im Tatzeitraum geschaffenen Objekte stellen überwiegend keine Kunstwerke, sondern Kunstschmiedearbeiten dar«, heißt es in der Urteilsbegründung. Als Künstler sei er durchaus erfolgreich, als Geschäftsmann allerdings weniger. Wirklichen Kunstsachverstand sprechen Eikels Verteidiger dem Gericht in ihrer Revisionsschrift allerdings ab.


    Die Kammer habe keinen Sachverstand dargelegt, sondern lediglich eine Meinung geäußert. Eikel hat unter anderem das »Abendmahl« in der Bartholomäus-Kapelle geschaffen. Es wurde gerade mit dem »Amerikanischen Kunstpreis für visuelle Kunst« im Bereich sakraler Kunst ausgezeichnet.


    Nächstes Jahr hat der Paderborner deshalb eine große Ausstellung in Miami.Um so enttäuschter ist Bruno Eikel über die Entscheidung des BGH. »Ich bin fassungslos«, reagierte er Donnerstag auf das Karlsruher Urteil.


    Vor allem, weil sich die Richter nicht mit dem Kunstbegriff als solchem auseinandergesetzt hätten. »Das Bundesverfassungsgericht hat in einem anderen Fall ausdrücklich festgestellt, dass keine Behörde Stil-, Niveau- und Qualitätskontrollorgan in Sachen Kunst sein darf«, zitiert Eikel und ergänzt: »Das gilt auch für das Ordnungsamt der Stadt Paderborn«. Er will jetzt Verfassungsklage erheben.Seiner Ansicht nach hätte der BGH auf Hinzuziehung eines Kunstsachverständigen drängen müssen. Was im Paderborner Verfahren auch schon sein Verteidiger Ulrich Griguleit beantragt hatte. Doch das Gericht meinte, die Kammer verfüge »über genügend eigenen Sachverstand«.


    Vor allem die Katholische Kirche schätzt Eikels Werke und hat ihn schon mit zahlreichen Arbeiten betraut. In Paderborn betreibt der Künstler das Atelier »Kunst am angegebenen Ort«. Er beschäftigt nach eigenen Angaben fünf Mitarbeiter. »Wenn ich tatsächlich in den geschlossenen Strafvollzug muss, wäre das für mich beruflich existenzgefährdend«, sagt er und hofft bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf eine Aussetzung des Strafvollzugs.



    Im Kern der Diskussion steht wieder einmal die Frage "Was ist Kunst?" und die eben so wichtige Frage "Wer darf beurteilen, was Kunst ist?". Das Landgericht hat ohne Sachverständigen entschieden, was Kunst sei und was nicht, dafür brauche man keinen Experten, das könne jeder durchschnittlich Gebildete beurteilen, fand das Gericht. Der Künstler sah das natürlich anders. Der Amtsrichter urteilte übrigens "Kunst ist, was keinen Zweck hat"!


    Liebe Grüße aus der westfälischen Provinz,
    Lars (Cherubino)

    Ein paar Stimmen fallen mir auch ein, die auf eine ganz seltsame Weise emotional sind und die wohl Felsen zum Weinen bringen könnten.
    Zunächst einmal würde ich da Maria Callas nenne. Callas hat keine schöne Stimme, dafür viel Marotten, aber wenn sie veristische Arien singt, Adriana Lecouvreur, Maddalena (aus "André Chenier") und all diese "Reißer", dann ist ihr Stimme, ihr Klang so berührend und ergreifend, wie ich es sonst selten bei Musik erlebt habe. Die Musik wird zum reinen Schmerzenston, es ist der Klang abgrundtiefen Leids, der allein in dieser Stimme mitschwingt.
    Sehr berührend finde ich auch die Stimme von Phillippe Jaroussky. Mir geht es so, dass ich diesen Klang erst als seltsam wahrnehme, die Stimme ist mir nicht wirklich angemehm, eher bizarr. Wenn ich dann länger zuhöre, fühle ich mich, als würde ich nach und nach in einer Art Spinnennetz gefangen und irgendwann höre ich so gebannt zu, dass ich für ein paar Minuten völlig abgehoben bin. Jaroussky hat eine Stimme, die einem durch und durch geht und ganz tief innen packt. Das ist für mich eindeutig so eine Stimme, die "Felsen zum Weinen bringen kann".
    Ein letzter Name fällt mir da noch ein, meine Lieblingssängerin, Lisa della Casa. Die pure Schönheit dieser Stimme, diese Makellosigkeit, macht sie für mich auch zu einer Kandidatin für diese Diskussion.


    Nächtlich gerührte Grüße,
    Lars

    Da sich - wie gesagt - kaum ein Nichtbläser mit Bläserquintetten beschäftigen mag, erwarte ich jetzt keine besonders große Resonanz. Aber vielleicht habe ich ja doch den einen oder anderen ein wenig für dieses meiner Meinung nach spannendste und gewichtigste Werk seiner Gattung interessieren können...


    Nun bin ich ein großer Fan, von Bläserkammermusik, sowohl beim Hören als auch beim Selbst-Spielen, aber ich muss gestehen, dass ich von Nielsens Bläserquintett noch nie etwas gehört habe. (Die "Zwei Fantasiestücke" hätte ich gekannt, ziemlich gut sogar^^). Du hast mich aber in der Tat neugierig gemacht, wenn mir das Stück über den Weg läuft, weiß ich jetzt woran ich mit ihm bin und das es sich lohnt.
    Auch wenn ich hier nicht mehr beitragen kann, wünsche ich dem tollen Beitrag immerhin eine große Resonanz! Ein paar "Exoten-Hörer" gibt es hier doch sicherlich...

    Wie nähert sich ein Künstler wie z.B. der genannte Matthias Kirschnereit einem neuen Stück:
    Spricht er mit Kollegen oder gar Lehrern?
    Liest er Fachliteratur?
    Hört er Aufnahmen von Weltklasse-Künstlern?
    Oder lässt er sich möglichst wenig von anderen beeinflussen?


    Nach allem was ich weiß, ist das von Musiker zu Musiker ganz, ganz unterschiedlich. Die Einen versuchen eher, einen emotionalen Zugang zu finden, die Anderen vertiefen sich zunächst in Fachliteratur und Hintergrundinformationen, die Einen wollen völlig unbeeinflusst zu ihrer eigenen Interpretation kommen, für die Anderen sind Gespräche und die Rückmeldung von Kollegen, Freunden und Lehrern sehr wichtig. Letzendlich muss aber jeder Musiker üben und seine Interpretation am Instrument mit sich allein austüfteln. Lesen und Aufnahmen hören kann das Studieren eines Stückes ergänzen, aber es wird nie der Hauptaspekt sein, der ist für jeden Musiker die praktische Arbeit am Instrument.
    Was mich allerdings auch sehr interessieren würde: Inwieweit hat ein Künstler bei Konzertprogrammen Mitspracherecht? In welchen Fällen wird er für ein bestimmtes Stück gebucht, dass er dann aufführt, wann stellt er sein Programm selbst zusammen?
    PS: Matthias Kirschnereit habe ich auch schon live gehört :wink:

    Bei mir gab es heute schon

    Verdis "La Traviata". Die Aufnahme ist nich schlecht, aber auch nichts Besonderes. Lucia Aliberti ist gewöhnungsbedürftig, Peter Dvorsky nicht in seiner Bestform, der brave Renato Bruson glänzt da als sängerisches Highlight, indem er einfach seine wunderbare Stimme fließen lässt.


    Außerdem eben gehört

    habe ich Oboenkonzerte von Bellini, Molique, Moscheles und Vivaldi, gespielt von Heinz Holliger und dem Radio-Symphonieorchester Frankfurt unter Eliahu Inbal.

    :thumbup:
    Ach woher - das ist doch wohl typisch deutsch! Welcher Engländer baut scvhon solche Schachtelsätze!? Und dann noch mit Rhabarber- deutscher geht es doch wohl kaum! :D


    Man glaubt es kaum, aber in einem anderen Roman des Autors findet sich auch schon das Wort "shoppen"!

    Das ist mir noch nie passiert! Ich stelle es mir auch ziemlich komisch vor, plötzlich in der dritten Person angesprochen zu werden. Von Ärzten und Arzthelferinnen kenne ich nur: "Ach, sie waren der gebrochene Arm!?" (gerne mit dem medizinischen Fremdwort statt der allgemeinverständlichen Bezeichnung, so á la "Herr Dokter, die Ösophagusathresie wäre jetzt da!")

    Dann noch der zunehmende nicht-reflexive Gebrauch von "sich erinnern" (also ohne "sich"): "ich erinnere das gerne" statt "ich erinnere mich gerne daran".


    Über diese Formulierung rege ich mich auch regelmäßig auf!! Man kann doch nicht ernsthaft Deutsch mit englischer Grammatik reden wollen! Leider Gottes hört und liest man diese Formulierungen auch bei "gebildeten" Menschen immer öfter. Der Literaturkritiker Ijoma Mangold berichtete kürzlich im Fernsehen, er "erinne eine Urlaubsreise nach Island" und hier im Forum las ich, jemand erinnere die Züricher "Cosi" "als ganz nett, aber nicht überragend"!
    Das ist aber eher eine Hass-Formulierung und kein "ungeliebtes Wort" im eigentlichen Sinne. Zu meinen "ungeliebten Wörtern" zählt zum Beisspiel das arrogante "Minderleister" und "Elite" und die euphemistischen "Studiengebühren". Umständliches Amtsdeutsch, dass in die Alltagssprache indringt, wie zum Beispiel die "Mitbürger mit Migrationshintergrund" finde ich eher lächerlich, als das ich mich aufregen würde, bei politischer Hyperkorrektheit wie "ein Sinti und Roma" (als Bezeichnung für eine Bevölkerungsgruppe ist das ja okay, aber für eine Person...) ist die Absurdität zur unfreiwilligen Parodie geworden.
    Es gibt dann natürlich noch ein paar Begriffe, die ich wegen ihres Inhaltes "unliebe", "G8" zum Beispiel. Wenn auch Formulierungen erlaubt sind, möchte ich noch etwas nennen, was mir in einigen wissenschaftlichen Publikationen unter gekommen ist: "Wir" als Form, das "ich" peinlichst zu vermeiden. Da wird einen gesamten Absatz über auf etwas angespielt, und am Ende heißt es "Wir denken dabei natürlich an..." oder "Wir wollen auf... hinaus". Schön auch "In diesem Zusammenhang wollen wir..." oder "Wir schlagen damit den Bogen zum beginn unserer Überlegungen.". Was ich denke, oder war ich für Bögen schlage, weiß der Autor nicht, und seine Formulierungen erinnern fatal an die Krankenschwestern, die fragen "Wie geht´s uns denn heute?" oder "Waren wir denn schon zur Toilette/zur Untersuchung/zum Essen?"

    Liebe Musiker ,


    Ihr könnt euch das Grinsen wahrscheinlich lebhaft vorstellen, das man von Nicht-Musikern erntet, wenn man erklärt, "Bläser" zu sein! :stumm:
    Ich versuche mich mal an einer ebenso ernstgemeinten wie unwitzigen Antwort: Temperaturschwankungen sind für Holzbläser ein großes Problem, weil sich die Instrumente heftig verziehen. Das macht erst einmal nur die Intonation schwierig, es kann aber auch bis zu Rissen im Holz führen (oft sogenannte Haarrisse, die man mit bloßem Auge kaum sieht - aber hört). Die Querflötistinnen (ich kenne eine ganze Reihe davon persönlich, aber keinen einzigen Querflötisten :D ) haben da noch die geringsten Probleme, weil ihr Holzblasinstrument vollständig aus Metall gefertigt ist und sich deshalb nicht ganz so heftig verzieht wie Holzinstrumente. Eine Blockflöte habe ich allerdings schon brechen (und die dazugehörige Musikerin in Tränen ausbrechen) sehen, als sie von norddeutschen Minusgraden in den mollig warmen Musikraum kam und "schockaufgetaut" wurde.


    Liebe Grüße,
    Lars

    Mir ist eine Züricher Così in Erinnerung, die aber schon etwas verblaßt ist.


    Ich nehme an, dass du auf die Züricher Inzenierung von Jürgen Flimm anspielst. Sie müsste, wenn ich mich recht erinnere, von 1999 stammen, Cecilia Bartoli und Liliana Nikiteanu singen die beiden Schwestern, Agnes Baltsa ist die Despina. Ich liebe die Aufführung sehr, sowohl wegen der Sänger als auch wegen der Inszenierung, die ich aber ein paar Mal sehen musste, um sie wirklich schätzen zu lernen. Vielleicht kann man ja diese Aufführung auch in die Diskussion einbeziehen, ich könnte mir vorstellen, dass eine ganze Reihe der Mitlesenden sie kennen.

    Es wird also noch ein längeres und sicher des Öfteren unterbrochenes Programm hier, zu dem hoffentlich auch andere noch ihre Schätze beitragen.


    Mit so großem Interesse und Gewinn ich die Diskussion über verschiedene DVD-Aufnahmen der "Carmen" auch gelesen habe, ich will, ganz im Sinne von Rideamus obigem Zitat, eine kurze und subjektive Besprechung einer CD-Aufnahme beitragen. Diese Aufnahme ist für mich im wirklichen Sinne ein "Schatz", sie begleitet mich schon fast seit dem Beginn meiner Opernleidenschaft. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich sie geschenkt bekommen, kurz nachdem ich zum Gymnasium gekommen bin, sie begleitet mich also schon seit ca. zehn Jahren, ich habe sie wieder und wieder gehört und mit ihr die Geschichte von Carmen und die "Hits" der Oper kennen gelernt. Dementstprechend ist die CD mir natürlich lieb und teuer, ich habe sie aber noch einmal konzentriert und kritisch gehört, um möglichst gerecht zu urteilen.

    Meine CD hat ein anderes Cover, aber das ist für den Inhalt ja egal. Es handelt sich bei dieser Einspielung um einen deutschsprachigen Querschnitt, den die Deutsche Grammophon 1958/1959 in München produziert hat. Welche Auszüge gewählt wurden, lässt sich in der Titelliste bei jpc leicht sehen. Man hat die bekannte alte Übersetzung von Julius Hopp verwendet, über deren Vor- und Nachteile man an anderer Stelle sicher auch noch einmal trefflich diskutieren könnte. Das ist hier aber nicht das Thema.
    Dirigent ist Ferenc Fricsay, der im Jahr der Aufnahme seinen Abschied als Generalmusikdirektor in München nahm. Er hat in jenen Jahren für die DG ja eine ganze Reihe von Querschnitten und Gesamtaufnahmen beliebter Opern geleitet. Fricsay dirigiert mit zügigen Tempi, viel Schwung und großer Präzision Er macht hörbar, wie glänzend instrumentiert diese Musik ist, aber auch, welche Leidenschaft in ihr streckt. Mit seiner Interpretation führt er das Bayrische Stattsorchester leider hörbar immer wieder an seine Grenzen.
    Eine Aufnhame der "Carmen" steht und fällt mit der Darstellerin der Titelrolle, ist hier geschrieben worden. Das gilt natürlich auch für einen Querschnitt, und mit Oralia Dominguez tritt hier eine Carmen auf, von der bisher kaum die Rede war: Eine wirkliche Altistin mit profunder Tiefe. Ich finde diese Stimme ungeheuer faszinierend, vor allem, weil man solche Stimmen so selten hört, in dieser Rolle schon gar nicht. Die Kartenarie, in der Dominguez ihre beeindruckende Tiefe voll zur Schau stellen kann, geht so besonders unter die Haut. Das Problem der Sängerin ist aber, dass die Stimme eher groß und schwer ist, sie spricht manchmal nicht schnell genug an, klingt in den lockeren Liedern des ersten und zweiten Aktes nicht leicht genug, zumal Dominguez noch zusätzlich Probleme mit der schnellen und korrekten Artikulation in der Fremdsprache hat.
    Oralia Dominguez stellt dementsprechend auch vor allem das Selbstbewusstsein und die Durchsetzungskraft der carmen in den Vordergrund. Ihre Carmen ist das, was man modern gerne als "Vollweib" bezeichnet (etwas bösartig könnte man auch "Wuchtbrumme" sagen ;+) ), man wäre kaum verwundert, wenn am Ende sie Don José umbringen würde, anstatt umgekehrt. Diese Frau möchte man wahrlich nicht zur Feindin haben!
    Neben solch einer Carmen hat es Don José natürlich schwer. Josef Simándi, zu seiner Zeit ein beliebter Tenor an der Busapester Staatsoper, singt korrekt und mit guter Stimme, aber er kann wenig Akzente setzen, das kligt tadellos, aber viel zu brav. Für ein so starke Carmen wie Dominguez ist dieser José kein ernstzunehmnder Gegner. Auch Simandi hat Probleme mit der deutschen Sprache.
    Das kann man von den weiteren Rollen nicht sagen, sie sind mit Muttersprachlern besetzt. Josef Metternich singt den Escamillo, der hier nur mit dem Torerolied vertreten ist. Metternich ist nicht schlecht, er singt einen derben, sehr teutonischen Stierkämpfer, aber wie er seinen "Reißer" im einheitlichen Dauerforte herusbrüllt, was die Stimmbänder hergeben, das ist meiner Meinung nach musikalisch einfach ungenügend. Selbst sein "die Lieb!" im Ensemble direkt nach seinem Auftrittslied brüllt er Carmen entgegen, als sei sie seine schwerhörige Großmutter, mit viel Stimme, aber wenig Charme und einem völlig verunglückten Triller (oder sollte dieses Zittern gar keiner werden?).
    Maria Stader, eine von Fricsays Lieblingssängerinnen, gibt die Micaela, und sie ist für meine Ohren das sängerische Highlight der Aufnhame. Man kann das vielleicht anders singen, aber wohl kaum besser. Ihre Stimme ist kräftig genug für die Musik, hat aber gleichzeitig den schlichten und natürlichen Klang, der zu der Rolle gehören sollte. Sie klingt nicht künstlich mädchenhaft, sondern die Stimme ist jung und angenehm. Stader singt mit großer Musikalität, wunderbaren Bögen und viel Gefühl. Das hat meinetwegen etwas vom "Seelchen" des deutschen nachkriegsfilms, aber was Stader und Fricsay aus Micaelas großer Arie machen ist einfach wunderbar!
    Die weiteren Rollen sind mit Hanny Steffek und Lieselotte Fölser als Carmens Gefährtinnen und Paul Kuen und Kurt Wehofschitz als Schmuggler tadellos besetzt. Sie fallen weder positiv noch negativ auf.


    Wer etwas gegen Oper in deutscher Sprache hat, sollte die Finger von dieser Aufnahme lassen, wegen Carmen und Don José muss man sie auch nicht unbedingt haben, wenn man schon mehrere Regalmeter "Carmen" sein eigen nennt, aber sie lohnt sich dennoch: Für den Anfänger, der die Oper kennen lernen möchte, für den Opernfan, der einmal eine wirkliche kellertiefe Altstimme in ganzer Pracht bewundern möchte, für den "Carmen"-Sammler, der auf der Suche nach einer dem Ideal nahekommenden Micaela ist- und vor allem lohnt sie sich wegen des großartigen Dirigates von Ferenc Fricsay.


    ...und der Schuldige bereut seine Missetat noch nicht einmal! :hide:


    Aber wenn du mit dem Fagottkonzert durch bist, will ich auf jeden Fall deine Meinung dazu hören! 8+)

    Ich habe dazu folgendes gelesen und zitiere aus dem Gedächtnis: Die von Dir genannte Stelle hat ihre Entsprechung in der Exposition. Dort wird sie von Hörnern gespielt. In der Reprise schreibt Beethoven Fagotte vor. In der Reprise wird die Stelle höher als in der Exposition gespielt (Exposition: beginnend mit es1, Reprise: beginnend mit g1). Nun hat man gemeint, dass Beethoven an sich, wie in der Reprise, ein Hornklang vorgeschwebt ist. Weil die damals verwendeten Hörner aber (angeblich) die höhere Stelle in der Reprise nicht spielen konnten, musste er zwangsläufig auf Fagotte umsteigen. Mit modernen Hörnern ist die genannte Stelle zu spielen, also meinte man im Sinne Beethovens zu handeln, wenn man uminstrumentiert. Diese Herangehensweise war zu Karajans Zeiten "in", jetzt ist sie "mega-out".


    Ähnliche Fälle von Uminstrumentierungen und Umkomponierungen gibt es auch in anderen Beethoven-Sinfonien.


    Falstaff


    Lieber Falstaff,


    vielen lieben Dank für deine schnelle und erschöpfende Antwort! Was du da schreibst, klingt ja sehr plausibel und nachvollziehbar, ich habe davon aber noch nie gehört oder gelesen. :hide: Meine Karajan-Aufnahme ist, wie geschrieben, von 1962, da war man offensichtlich weniger puristisch als heute. ich habe noch eine zweite Aufnahme der Symphonie, die Ungarische nationalphilharmonie spielt unter Leitung von Janos Férencsik. Leider kenne ich das Aufnahmedatum dieser Einspielung nicht (es steht schlichtweg auf der CD nicht drauf), es wird dort die besagte Stelle in der Reprise aber von den Fagotten gespielt.


    Noch einmal vieln Dank und liebe Grüße,
    Lars

    Wer könnte und sollte denn für Dich derzeit eine Carmen nach Deinem Wunsch singen und wer dirigieren? Als Dirigent könnte ich mir Minkowski vorstellen, vielleicht auch Gardiner


    Und dann frage ich mich auch, ob Magdalena Kozená die Rolle jemals gesungen hat und wie das war...


    Auf dem Soloalbum "French Arias" singt Magdalena Kozená als letztes Stück Carmens "Les tringles des sistres tintaient", begleitet vom Mahler Chamber Orchestra unter Marc Minkowski. Die Aufnahme dieser einen Arie ist grandios gut, Sängerin und Orchester beginnen sehr leise und steigern sich dann mehr und mehr, das Orchester scheint sich in einen wahren Rausch zu spielen, das Tanzlied fegt am Ende wie eine Naturgewalt über den Hörer hinweg. Welches Feuer, welchen Esprit und welche halb-urtümliche, halb-bedrohliche Lebensfreude Kozena, Minkowski und das hervorragende Orchester in dieser Szene zeigen, das ist schon phänomenal und eine wirkliche Gänsehautstelle.
    Ich denke aus Kenntnis dieses Ausschnittes auch, das Minkowskis "Carmen" derzeit eine der interessantesten wäre. Magdalena Kozená hat die Rolle, soweit ich weiß, nicht komplett im Repertoire, ich bezweifle auch etwas, dass sie sich auf der Bühne damit einen Gefallen tun würde. Ich denke, die Stimme ist zu leicht und zu hell für die Rolle- darstellerisch könnte sie aber eine interessante, weil so ganz anders geartete Carmen sein. Trotzdem glaube ich, dass das nicht ihr Fach ist.
    Eine Sängerin, die ich mir als Carmen sehr gut vorstellen könnte, ist Liliana Nikiteanu vom Opernhaus Zürich. Ich denke, sie hat sowohl die Stimme, als auch die Spielfreude und das darstellerische Talent für die Rolle. Ich würde von ihr eher eine Carmen in der Richtung, die Petra hier als "Tiger" oder "Vamp" bezeichnet hat, erwarten, vielleicht auch etwas veristisch, aber, wie gesagt, ich stelle sie mir in dieser Rolle sehr überzeugend vor. Von den Sängerinnen, die ich schon live gehört habe, würde ich Evelyn Krahe gerne einmal in der Rolle hören (ich habe sie in der Diskussion über aktuelle Altistinnen kurz vorgestellt)- für sie könnte die Rolle aber vielleicht ein Stück zu hoch liegen.
    Hat jemand von euch Angelika Kirchschlagers Debüt als Carmen verfolgt?

    Ich habe schon gestern Beethovens fünfte Symphonie gehört, gespielt von den Berliner Philharmonikern unter Karajan, und dabei die Partitur mitgelesen. Dabei ist mir etrwas Merkwürdiges aufgefallen, ich weiß nicht, wo die Frage besser hinpasst (es gibt offenbar noch keine Diskussion über Beetovens Fünfte):
    Kurz nach dem Beginn der Reprise im ersten Satz gibt es in Takt 301 eine Generalpause, dann einen Tutti-Akkord, dann wird in Takt 303 das erste Thema gespielt. In meiner Taschenpartitur sind an dieser Stelle zwei Fagotte vorgesehen. Die Fagotte spielen drei Takte unisono und solo, dann kommen in Takt 306 die Hörner mit der Quinte als Halteton hinzu. In der Karajan-Aufnahme (von 1962) spielen hier statt zwei Fagotten ganz unverkennbar Hörner! Ist das ein Druckfehler in meiner Partiturausgabe (vielleicht eine verrutschte Zeile, Fagotte und Hörner stehen ja direkt übereinander) oder hat Karajan an der Stelle tatsächlich Beethovens Instrumentation geändert?
    Ist vielleicht irgend jemandem das auch schon mal aufgefallen? Hat irgend jemand schon davon gehört, gelesen...?


    Liebe Grüße,
    Lars