Alles anzeigenUauauauahh - zuerst habe ich mir den McGegan reingepfiffen, und heute kam das hier mit der Post:
(P) 1959 RCA Victor "Red Seal" LDS 6409 (4-LP-Box)
Jennifer Vyvyan (s)
Monica Sinclair (a)
Jon Vickers (t)
Giorgio Tozzi (b)
Royal Philharmonic Orchestra & Chorus
Dirigent: Sir Thomas Beecham
Meine Fresse! Einen größeren Unterschied zu McGegan ist wirklich nicht mehr möglich. Was Beecham mit seiner dritten und letzten Messiah-Einspielung auf den Plattenteller zauberte, ist der ultimative Overkill. Hier ist alles übergroß, ins Monumentale versetzt, mit einer Inbrunst und Wucht gesungen, das einem die Spucke wegbleibt. Das ist nicht HIP, das ist noch nicht einmal authentisch (technisch gesehen ist es eine Bearbeitung, weil Sir Eugene Goossens das Werk neu orchestriert hat), und irgendwie verstehe ich jetzt gut, weshalb sich solche Leute wie Harnoncourt nach einer neuen Sichtweise auf alte Werke umgesehen haben. Beechams Einspielung ist nicht mehr von dieser Welt...
Aber was soll ich sagen: es funktioniert!
Wenn "Kitsch" mit brillantem Handwerk und einem exzellentem Konzept auf mich zutritt, hat es mich immer gefangengenommen, einfach weil es konsequent polemisch daherkommt. Das ist wohl auch der Grund, warum ein Film wie IMITATION OF LIFE bei mir so heftig eingeschlagen hat. Und hier ist es nicht anders.
Denn man kann beim besten Willen nicht behaupten, daß diese Einspielung nicht exzellent gemacht worden ist. Der Chor ist klasse, das Orchester musiziert wunderbar, die Solisten dröhnen (zwar mit Vibrato) über alle hinweg, und die Aufnahmetechnik fängt alles gestaffelt ein. Und Beecham läßt die ganze Besetzung trällern, als würde es nötig sein, für den bevorstehenden Himmelgang noch schnell seine Sünden durch ein spezielles Frohlocken auszulöschen. Warum auch nicht? Er war damals schon 80 Jahre alt.
Das Hallelujah kommt daher wie ein festlicher Marsch, wo man sich nicht wundern sollte, weshalb König George II. damals aufgestanden sein sollte. Überhaupt sind die Chorpartien zumeist sehr wuchtig orchestriert worden, zum Teil mit Schlagwerk und jeder Menge Dynamiksprüngen; das Worthy Is The Lamb endet in einem Amen, das so gewaltig besetzt ist, daß einem beim Zuhören schwindlig wird. Hier heißt es: Messiah hören...und sterben... ;+)
Die Amis nennen sowas "Over The Edge", und ich zweifel nicht daran, daß Beecham ein letztes Mal noch ein großes Zeichen setzen wollte, bevor er aufhört. Deshalb pfiff er auf jede Authenzität, ließ den Messiah auf optimale Wirkung hin bearbeiten und gab der Welt seinen definitiven Jubelabschied. Und wir hören uns das noch über fünfzig Jahre danach an (oder auch nicht ;+) ) und zerreißen uns das Maul darüber, ob es korrekt ist, so zu musizieren oder nicht. Doch ich sage es ganz klar: in fünfzig Jahren wird diese Aufnahme ihre Faszination auf die Zuhörer immer noch nicht verloren haben. Egal, ob sie es toll finden oder furchtbar; vergessen werden sie es nicht.
So - genug polemisiert!
jd
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:faint: :juhu:
Ich zitiere ausnahmsweise einmal vollständig und erlaube mir an dieser Stelle den Hinweis, dass man sich von der Frage, ob das toll oder furchtbar ist, Anfang nächsten Jahres in Frankfurt auch live überzeugen kann: Denn die Frankfurer Singakademie wagt sich am 19.02.2016 in der Alten Oper Frankfurt an eine Komplettaufführung eben dieser Fassung von Sir Eugene Goossens und Sir Thomas Beecham. Ich bin daran nicht gänzlich unbeteiligt, und so ist es auch dieses Forum nicht, denn auf die Idee, diese Fassung mal zu machen, bin ich (neben Rattles "Halleluja"-Zugabe nach der "Carmina Burana" im Silvesterkonzert 1999) vor allem durch die Beiträge hier und die Begeisterung für diese Fassung gekommen. Alleine das Auffinden von Aufführungsmaterial war schon sehr spannend (Agatha Christie lässt grüßen), und jetzt sind wir auf die Aufführung sehr gespannt....Dass Capriccio an der Entscheidung, das zu machen, nicht unbeteiligt war, werden Vereinsmitglieder möglicherweise noch dankend merken
LG - Claus