Beiträge von Ecclitico

    Hintergrund der Frage ist einfach, dass ich dort derzeit nach ein paar Tickets schaue und eigentlich vermeiden möchte, in eine etwas angestaubte Produktion zu geraten, in der eher nur die "C-Liga" die xxx-te Aufführung einer 10 Jahre alten Produktion herunterspielt und -singt.

    Ich halte es für ausgeschlossen, dass du mit diesem Kriterium gute von schlechten Aufführungen unterscheiden kannst. Z.B. könnten "Dauerbrenner" genau deswegen so lange gespielt werden, weil sie halt so gut sind. Und die Mitwirkenden spielen das besonders gern und sind daher "besser" als sonst.


    Das ist jetzt natürlich genauso spekulativ wie deine Mutmaßungen.


    Ich wollte mal in London ein halbwegs interessantes Musical sehen. "Billy Elliot" sollte es sein. Stand schon ewig auf dem Spielplan. Jede Rolle mehrfach besetzt, und es war an einem Dienstagabend, mit mutmaßlich der Fünftbesetzung oder so. Und es war hinreißend.


    Das kann man so nicht voraussagen. Ich würde ein Stück nehmen, welches mich an sich schon anspricht. Egal ob Hänsel und Gretel oder Parsifal. Und dann versuchen herauszufinden, wie die Inszenierung ist.


    Oder umgekehrt: Du findest heraus, welche "Stars" (Sänger, Dirigenten, Regisseure) wann tätig sind und besorgst dir die Karten, völlig unabhängig vom Stück.


    Ich weiß allerdings nicht, wie gut man sich auf die Besetzungsliste verlassen kann...

    Die Bayreuther Festspielleitung ist da übrigens in einer Zwickmühle. Mir gehen die Berufsbuher auch auf den Wecker. Allerdings bilden sie den harten Kern der unverbesserlichen "Wagnerianer". Die kommen immer, egal bei welchem Wetter, welchen Preisen, welchem kulinarischen Angebot, etc.

    Man darf sie "leider" nicht allzusehr vergraulen. Man muss sie nehmen, wie sie sind, und gleichzeitig auch die diversen anderen Klientels nicht vernachlässigen. Keine ganz leichte Aufgabe...


    PS: Das ist wie in einem Internet-Forum. Manche Leute nerven. Aber ohne sie sinkt die Aktivität...

    Allgemeiner gefragt: Wer kennt Einleitungen, die aus 3 präganten Tönen bestehen? Aber bitte nur 3, danach muss ein Wechsel kommen, Pause, Rhythmusänderung oder dergleichen.


    Leider fallen mir im Moment nur 3 weitere Beispiele ein:


    Haydn Klaviersonate Hob. XVI:51

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    (wieder die 3 ersten Töne der Tonleiter)


    Haydn Klaviersonate Hob. XVI:50

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    (C-Dur-Dreiklang)


    Bach BWV 1054

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    (D-Dur-Dreiklang)


    Es müsste eigentlich viel mehr geben...

    Neulich beim Hören von Haydns "Schöpfungsmesse" ist mir diese charakteristische Tonfolge aufgefallen:

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    (Beginn des Glorias)


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    ("Et vitam venturi saeculi" im Credo)


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    ("Dona nobis pacem")


    Dabei sind es ja nur die ersten 3 Töne der B-Dur-Tonleiter: b-c-d


    Ergibt sich damit das "Charakteristische" einfach nur durch die passende Betonung an exponierten Stellen im Werk?

    Oder ist das eine bekannte Technik und hat einen entsprechenden Namen?

    Kennt ihr weitere Stücke, in den das so verwendet wird?

    Ein paar Gedanken zu Haydns fünfter seiner sechs späten Messen, komponiert 1801 und uraufgeführt im selben Jahr in der Bergkirche Eisenstadt.


    Der Beiname kommt aus der Verwendung eines Themas aus seiner "Schöpfung" am Ende des ersten Teils des Glorias. Wie in vielen seiner Kompositionen wollte er damit die Erwartungshaltung seines Publikums konterkarieren. Der Text lautet "Qui tollis peccata mundi" und leitet üblicherweise einen neuen Abschnitt ein. Das klingt dann z.B. so:

    https://youtu.be/7EiefC0eesc?t=474 (Nelsonmesse)

    oder so:

    https://youtu.be/J7PDLor8NrI?t=322 (Theresienmesse)


    In der Schöpfungsmesse dagegen:

    Haydn: Schöpfungsmesse - Gloria - Harnoncourt
    Haydn: Schöpfungsmesse - GloriaChristiane Oelze - sopranoElisabeth von Magnus - contraltoHerbert Lippert - tenorGerald Finley - bassArnold Schönberg ChorConc...
    youtu.be


    Der Hörer "weiß", dass nach dem "Domine Deus, Agnus Dei, Filius Patris" ein neuer Abschnitt beginnt. Aber der Sänger hat offensichtlich die falschen Noten bekommen. Die Melodie aus der "Schöpfung" war damals natürlich bekannt:

    https://youtu.be/stKZXSS3GAE?t=234 ("Der tauende Morgen, o wie ermuntert er")


    In der Schöpfungsmesse nimmt erst der Chor die "richtige" Haltung an: "miserere, miserere nobis". Haydn musste angeblich auf Anweisung von Maria Theresia diese Stelle entschärfen. Die heutigen Aufnahmen verwenden natürlich immer das Original. Wir sehen daran einmal mehr, dass sich der gläubige Haydn niemals von irgendwelchen "Experten" vorschreiben ließ, auf welche Weise er mit seinem Gott zu kommunizieren hatte.


    Apropos:

    Bei Haydns Messen ist es immer wieder interessant, wie er im Credo das "Et incarnatus est", das "Crucifixus" und das "Et resurrexit" gestaltet. "Crucifixus" müsste ja traurig sein, "Et resurrexit" jubelnd. Zumindest letzteres steht bei Haydn oft in Moll, was man dann als "dramatisch" interpretieren könnte. In der Schöpfungsmesse ist alles in Dur. Hier der gesamte Abschnitt:

    Haydn: Schöpfungsmesse - Credo - Harnoncourt
    Haydn: Schöpfungsmesse - CredoChristiane Oelze - sopranoElisabeth von Magnus - contraltoHerbert Lippert - tenorGerald Finley - bassArnold Schönberg ChorConce...
    youtu.be

    Das "Et incarnatus est" (G-Dur) klingt sehr intim, mit delikatem Orgelsolo. Beim "Crucifixus" (inzwischen in D-Dur) bleibt die intime Grundstimmung unverändert, als ob Menschwerdung und Kreuzigung irgendwie zusammengehörten. Dann aber haut der Chor auf die Pauke: "sub Pontio Pilato". Er wird dann gleich wieder leiser: "passus et sepultus est". Das war also nur ein Weckruf. Nicht dass da jemand einschlafen sollte, beim zentralen Thema des christlichen Glaubens. Der Abschnitt endet in D-Dur.

    Das "Et resurrexit" steht dann in der Haupttonart B-Dur und beginnt mit einem B-Dur-Dreiklang aufwärts: b-d-f-f-d. Es kann also in der Tat als "jubelnd" interpretiert werden. Es ist die gleiche Tonfolge wie ganz am Anfang der Messe (Kyrie).


    Das Werk wird noch durch eine weitere charakteristische Tonfolge zusammengehalten: b-c-d. Besonders deutlich am Anfang des Glorias:

    Haydn: Schöpfungsmesse - Gloria - Harnoncourt
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    Weniger klar, aber vorhanden am Anfang des Credos:

    Haydn: Schöpfungsmesse - Credo - Harnoncourt
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    Dann wieder klar bei der Einleitung zum "Et vitam venturi saeculi":

    Haydn: Schöpfungsmesse - Credo - Harnoncourt
    Haydn: Schöpfungsmesse - CredoChristiane Oelze - sopranoElisabeth von Magnus - contraltoHerbert Lippert - tenorGerald Finley - bassArnold Schönberg ChorConce...
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    Schließlich beim "Dona nobis pacem":

    Mass in B-Flat Major, Hob. XXII:13, "Schöpfungsmesse" ("Creation Mass") : VI. Agnus Dei. Dona...
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    Das Sanctus erinnert an einen Satz aus den "Sieben letzten Worten" (V: Mich dürstet):

    Haydn: Schöpfungsmesse - Sanctus - Harnoncourt
    Haydn: Schöpfungsmesse - Sanctus, BenedictusChristiane Oelze - sopranoElisabeth von Magnus - contraltoHerbert Lippert - tenorGerald Finley - bassArnold Schön...
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    Der Beginn des Benedictus erinnert an "Ombre insepolte" aus dem "Orlando Paladino":

    https://youtu.be/jZYa_so2Z6Y?t=185 (Benedictus)

    https://www.youtube.com/watch?v=64HrfQrM3g4 (Ombre insepolte)


    Man sieht: Haydn konnte mit seinen 69 Jahren aus dem Vollen schöpfen...

    Das Wort "trainieren" ist auf Software nicht anwendbar.


    Software wird entweder verbessert (besser programmiert), oder sie bekommt Zugriff auf mehr Daten. Oder beides.


    Das klingt dann für den Laien wie "Training". Ist es aber nicht. Es ist nur stumpfes - wenn auch schnelles - Abarbeiten eines Algorithmus. Insbesondere kann die Software nichts entscheiden. Sie muss sich zu 100% an den Algorithmus halten.

    Zunächst: Es gibt keine "künstliche Intelligenz".


    Was derzeit so gehypt wird, ist nur eine weiter verbesserte Software. Sie ist aber exakt genau so intelligent wie eine Türklingel. Sie kann nur das machen, was der Algorithmus, also der Programmierer, vorschreibt. Das Ergebnis ist vorbestimmt. Insbesondere kann "KI" niemals kreativ sein.


    Dennoch wird sie das zukünftige Leben stark beeinflussen. So wie es auch der Taschenrechner, der Computer und das Navi getan haben. Es ist ein Hilfsmittel, das einige der bisherigen menschlichen Tätigkeiten überflüssig machen wird. Dafür werden anderen Tätigkeiten neu hinzukommen. Siehe Taschenrechner, Computer, Navi, etc.


    Macht mal einen Test, fragt ChatGBT, warum Ausländer so kriminell sind. Da werdet ihr sehen, der Automat ChatGBT antwortet so, wie er programmiert wurde. Bei den Nazis würde er ganz anders antworten. Oder fragt das russische Gegenstück nach dem Ukraine-Krieg.


    Zu Beethovens 10. Sinfonie:

    Beethoven hätte das Werk mit neuen Gedanken vollendet. Die KI kann nur bestehende Ideen nach irgendeinem Schema geschickt kombinieren.

    Dass Chile mit Argentinien, Kolumbien oder Kuba kulturell nicht mithalten kann, sieht man schon an der Hauptstadt. Ist einfach 1-2 Stufen weniger spektakulär als Buenos Aires, Bogotá, etc. In Chile ist Landschaft angesagt. Einer meiner Vermieter kam aus Venezuela, ihn fragte ich nach dem Hauptunterschied zu seiner Heimat: "Weniger karibisch." Er meinte damit sowohl das Klima als auch das Temperament der Leute. Was wohl zusammenhängt.


    Die Musik war also in diesem Urlaub entsprechend weniger präsent. Und doch benötigte ich etwas zur "Erinnerung". Ich fragte zwar hier und da vor Ort. Aber am Ende kann man auch einfach diese Liste hier nehmen:

    Anexo:Los 50 mejores discos chilenos según Rolling Stone - Wikipedia, la enciclopedia libre


    Das Ganze übersetzt (Übersetzung der Musiker und Albumtitel bitte ignorieren):

    Anexo:Los 50 mejores discos chilenos según Rolling Stone - Wikipedia, la enciclopedia libre


    Vor Ort wurden mir u.a. Los Jaivas, Los Prisioneros und Inti-Illimani genannt. Wieder zuhause, hörte ich in diverse Alben rein und entschied mich dann für diese beiden:


    Inzwischen schon mehrfach gehört: Eine gute Wahl. Und bei dem Album von Los Jaivas hat man auch noch Pablo Neruda (Nobelpreis 1971) dabei. Inti-Illimani interpretieren übrigens mehrere Stücke von Violeta Parra (Nr. 1 auf der Rolling-Stone-Liste), evtl. muss man sich deren Album auch noch besorgen.


    Fazit: Die aktuelle chilenische Musikszene erscheint zwar etwas Rock-lastig und damit irgendwie "global", aber wenn man sich auf die historischen Highlights beschränkt, kommt man durchaus auf seine Kosten...

    Die Debatte erinnert mich gerade an einen Konkret-Artikel vor etlichen Jahren, der die Frage aufwarf, was eigentlich falsch an gefälschter Kunst sei. Ein von allen Kunstexperten für echt gehaltenes Gemälde hängt im Museum, die Leute stehen ergriffen davor. Dann kommt heraus, dass es eine Fälschung ist. Ist die künstlerische Wirkung damit auch nichtig?

    Natürlich nicht. Die Leute bewundern ja nicht die Realisierung des "Werkes" (hier: die Reproduktion), sondern das "Werk an sich", also die Idee.


    Oder meinst du eine Fälschung, zu der es gar kein Original gibt? Dann gilt die Bewunderung dem (vermeintlichen) Autor, also seinen sonstigen, bekannten Werken.


    Streng genommen darf man eine solche Fälschung nicht bewundern, jedenfalls nicht aufgrund ihres künstlerischen Gehaltes. Der Fälscher könnte eine sogenannte "künstliche Intelligenz" sein (sogenannt, weil es künstliche Intelligenz nicht gibt, das sind nur Algorithmen), dann wäre das Werk per definitionem keine Kunst, weil die Kreativität fehlt. Die KI kann das "Werk" ja nur aus bekannten Werken des "echten" Künstlers und seiner damaligen Kollegen zusammensetzen. Das würde der echte Künstler aber niemals tun (außer es ist ein Scharlatan), da er einen kreativen Anspruch hat (sonst wäre er kein Künstler).


    Allerdings kann auch der Fälscher ein Künstler sein, also eigene Kreativität einbringen, aber so ein Werk kann nicht so gut sein wie das des "echten" Künstlers. Ansonsten wäre der Fälscher nämlich so gut wie der echte Künstler und bräuchte gar nicht zu fälschen.


    Natürlich ist es in der Praxis oft schwierig, die Unterschiede zu erkennen, daher weise ich immer wieder darauf hin, dass es zwar nach wie vor auf die "Wirkmächtigkeit" ankommt, dass es aber sehr wichtig ist, diese auf geeignete Art zu definieren.

    Also: Wer bewundert das Werk, und wie entwickelt sich die Bewunderung über die Zeit.


    Daher fliegen Fälschungen meistens irgendwann auf und verlieren so ihren Wert, d.h. ihre Wirkmächtigkeit. Solange aber eine Fälschung nicht auffliegt, ist es de facto keine Fälschung.


    Einfacher ausgedrückt: Kunst ist das, was wir dafür halten.

    Und damit sind wir wieder bei der Subjektivitaet jeder Kunstdebatte, weil: Ich bin für mich das Maß aller Dinge.

    Du überschätzt dich. In Wirklichkeit machst du auch nichts anderes als ChatGPT: Du sammelst Daten. Daten zu den Vorlieben bzw. Einschätzungen von anderen. Laien und Experten. Diese gewichtest du, und damit erstellst du - unbewusst - eine Art Rangliste. Mit den Werken, die deine Rangliste anführen, befasst du dich bevorzugt. Wenn dir manche davon nicht gefallen, änderst du die Gewichtung in deiner Datensammlung, bis es passt.


    Letzteres macht auch ChatGPT, allerdings nicht aus eigenem Antrieb (weil es nur eine Software ist), sondern auf Geheiß seiner Programmierer.


    Und auch wenn ich mich wiederhole: Deine Lieblingswerke sind die, welche - bei dir - die größte Wirkung erzielen.

    Das heißt, die Qualität von Musik hinge vom Rezipienten ab? Genauer: Von der Qualität der Rezipienten?

    Der Rezipient ist integraler Bestandteil von Kunst. Töne, die nicht wahrgenommen werden können, sind physikalisch existent, künstlerisch aber nicht. Bei einer Komposition ist nur das Niedergeschriebene Teil des Kunstwerks. Zusätzliche Notenzeilen, die anschließend vernichtet wurden, zählen nicht dazu. Selbst wenn es sich um einen Unfall handeln würde. Es zählt nur das, was ankommt.


    Das liegt daran, dass Kunst grundsätzlich und immer die Absicht hat, etwas zu bewirken. Man hat also gar keine andere Wahl, als auf die Wirkung zu achten. Du kannst übrigens getrost davon ausgehen, dass es Millionen von "unverstandenen" Künstlern gibt. Solange sie nicht verstanden werden, wirken sie auch nicht. Sie werden relevant, sobald sie verstanden werden. Falls nicht, dann halt nicht.


    Dass die Rezpienten unterschiedlich gewichtet werden müssen, habe ich mit dem McDonald's-Michelin-Beispiel schon erwähnt.


    Aber zur Sicherheit: Es gibt keine objektiv "richtige" Methode, die Relevanz von Kunst zu messen. Z.B. könnte man bei Opern die Zahl der Aufführungen nehmen. Aber in welchen Ländern? Ist die Mailänder Scala relevanter als das Stadttheater Bielefeld? Wie bewertet man eine Oper, die als herausragend eingestuft wird, aber aus Kostengründen kaum aufgeführt wird?

    Man muss sich für ein paar Kriterien entscheiden, diese offenlegen und dann entsprechend auswerten. Und sich dann überlegen, ob das Ergebnis "passt", und wenn es nicht passt, woran das liegt. Anschließend passt man seine Kriterien an und wiederholt die Auswertung. Oder aber man sieht ein, dass manche Werke über- oder unterschätzt werden.


    Ich mache das übrigens mit Restaurants regelmäßig. Ist allein schon deswegen sinnvoll, weil man bei Fehleinschätzungen der Leidtragende ist. Und reizvoll, weil man seine "Rangliste" anschließend direkt per Restaurantbesuch überprüfen kann. Ist außerhalb von Europa recht schwierig, da es da keine etablierten Restaurantführer gibt. Reiseführer sind unzuverlässig. TripAdvisor ist besser als nichts. Dann diverse private Webseiten. Demnächst auch ChatGPT.


    Man könnte übrigens meinen, dass in ferner Zukunft ChatGPT "weiß", welches die besten Opern sind. Die Annahme ist aber falsch. ChatGPT macht nämlich auch nichts anderes als wir: Er sammelt Daten, gewichtet sie und wertet dann aus. Im Gegensatz zu uns kann er aber nicht einschätzen, ob seine Ergebnisse sinnvoll sind. Er kann weder Musik hören noch Speisen zu sich nehmen.

    Oder wirst du etwa bestreiten wollen, dass englischsprachige Musik derzeit die wirkmächtigste ist...?

    Leider nein. Allerdings bestreite ich, dass in 100 Jahren noch viel übrig bleibt von der Rolling-Stone-Liste. Bob Dylan ja. Michael Jackson nein.


    Und mal rein von der Logik her: Die Mehrzahl der Musiker weltweit ist nicht Englisch-Muttersprachler. Und diese können ihr Potenzial nur ausschöpfen, wenn sie in ihrer Muttersprache singen. Das gilt für Lena genauso wie für Shakira. Bei Shakira kann ich dir klipp und klar sagen: Auf Spanisch ist sie besser. Glaub es oder lass es bleiben. Und Lena meidet das Deutsche, weil sie es sich nicht zutraut. Da kann sie nichts dafür. Ist halt so.


    Daraus folgt natürlich nicht, dass in 100 Jahren bei der dann als "relevant" betrachteten Musik zwischen 1950 und 2050 der Schwerpunkt nicht im Englischen wäre. Da hat sich nämlich in der Tat etwas verschoben. Aber der nicht-englischsprachige Anteil wird in der Nachbetrachtung höher sein als heute.


    Zumal die Rolling-Stone-Liste eh nicht neutral ist. Frag mal das chinesische oder das südamerikanische Pendant. Allerdings hört man in China US-Musik, in den USA dagegen keine China-Musik. Die Chancen, mit englischer Musik seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist höher als im Fall mit chinesischer Musik. Daher kann der englische Sprachraum aus einem größeren Potenzial an Musikern schöpfen.


    Wie gesagt: Das Kriterium "Wirkmächtigkeit" ist unbestritten. Die Frage ist, wie man sie objektiv misst. Ein gewisser Euro-Zentrismus bleibt immer, so lange sich Europäer über das Thema unterhalten...

    Es ist schwierig mit euch. Daher Gedankenspiel:


    Sommerhit 2022 (was immer das war).

    Er erzielte Wirkung. Zwar nur ein paar Wochen lang, aber "größer als Null".

    Und das vergleichen wir jetzt nicht mit Bach, sondern mit einem Musiker, der auf der Hochschule erfolgreich Kompositionslehre studiert hat. Und sich mit "Sommerhits" problemlos ein Zubrot verdienen könnte. Kann er aber nicht.


    Weil Kunst allgemein und Musik im besonderen irgendetwas auslösen soll. Im Gegensatz zu Handwerk. Daher kann man in der Kunst (egal ob Malerei oder Musik) nur die handwerklichen Basics per Ausbildung erlernen. Das Erzielen von künstlerischer Wirkung erfolgt auf einer anderen Ebene. Und die ist wesentlich komplexer.


    Neulich hörte ich Edith Piaf. Stimme ok. Musik kompositorisch ok. Nicht mehr und nicht weniger. Gibt es tausendfach auf der Welt. Der Unterschied zu den heute Vergessenen: Piaf gelang es, eine Welt zu erzeugen, in der sich die Leute wiedererkannten. Das waren sowohl reale als auch imaginäre Welten. Und es wirkt bis heute. Also nix "Sommerhit".


    Das meine ich mit "Wirkung". Und ich bin nicht mal ein Piaf-Fan...

    "White Album", "Let it Be" und "Abbey Road" entstanden zu der Zeit, als der Zerfall der Gruppe immer sichtbarer wurde.

    "Abbey Road" ist auf Platz 5 von "Rolling Stone's 500 Greatest Albums of All Time".


    Wenn du jetzt sagst, dass die Leute von Rolling Stone keine Ahnung haben, beeindruckt mich das nicht. Genau genommen würde das keinen einzigen Menschen auf dieser Welt beeindrucken. Also null von 8 Milliarden.


    Die Frage kann also nur lauten: Was sind die Kriterien der Experten von Rolling Stone, und was sind deine?


    Davon abgesehen, dass ihr alle viel zu Englisch-zentriert seid...

    Zur Erinnerung:

    "Wirkmächtigkeit" muss selbstverständlich definiert werden. U.a. müssen die "Kritiker" passend gewichtet werden.


    McDonald's ist wirkmächtig. Einerseits mehr, als man denkt. Z.B. ist die aktuelle Burger-Welle ganz klar von McDonald's inspiriert. Andererseits haben die McDonald's-Freunde nur eine beschränkte Relevanz. Michelin-Tester haben einen größeren Einfluss. Daher wird man einem Sterne-Restaurant eine höhere Qualität zubilligen als einer McDonald's-Filiale.


    Was die genannten Musiker betrifft: Wer wirklich gut ist, wird auch aufgeführt. Man versucht es bei vielen. Manchmal halt vergeblich.


    Bei Meyerbeer könnte man z.B. fragen: Entfalten die Opern ihre Wirkung nur bei extrem aufwändigen Inszenierungen? Falls ja, dann wäre das ein Grund, warum er so wenig Wirkung erzielt. Falls nein, was hindert einen Indendanten daran, Meyerbeer mit schlichtem Bühnenbild aufzuführen?


    Schönberg: Er wird wohl von zu wenig Leuten verstanden. Geht so manchem "genialen" Ingenieur auch so. Genie allein reicht nicht. Man muss auch die Fähigkeit haben, seine Erkenntnisse so aufzubereiten, dass sie beim Rezipienten ankommen. Ansonsten sind die wertlos.


    Ives: Mahler hin oder her. Der Autor des eigentlichen Werkes hat immer höheres Gewicht als die Künstler, die ihn inspiriert haben. Daher ist Reinhold Messner auch berühmter als die Leute, die ihm seine Landkarten gezeichnet haben.

    Leute, wenn`s schlecht ist, ist es keine Kunst.

    1. Die Aussage ist falsch.

    2. Selbst wenn sie richtig wäre, müsstest du immer noch definieren, was "gute" Kunst ist.


    Letzteres habe ich bereits für dich erledigt. Wirkmächtigkeit. Allerdings wirkt auch "schlechte" Kunst. Nur halt auf niedrigem Niveau. Und irgendein Grenzwert lässt sich nicht seriös festlegen. Zumal die Wirkung im Lauf der Jahre zu- oder abnimmt. Kunst ist es immer. Nur halt bisweilen "über-" oder "unterbewertet".


    Noch mal zur Ausgangsfrage:

    Kunst hat nicht die Aufgabe, irgendwelche "externe" Elemente aufzunehmen. Sie kann es, muss es aber nicht. Letztendlich gibt der Erfolg recht. Nicht der finanzielle. Die Wirkung.


    Interessanter wäre die Frage:

    Warum kam die europäische Kunstmusik so lange (fast) ohne außereuropäische Einflüsse aus?

    Was müsste die europäische Kunstmusik ändern, um auch noch im 21. Jahrhundert als weltweit führend angesehen zu werden?

    Falls es im 21. Jahrhundert eine andere "Nummer 1" geben wird: Was macht sie anders?

    Es ist kein Zufall, dass die "expansiven" Nationen der Vergangenheit eine katholische Geschichte haben.

    Genau. Zum Beispiel die Mongolen, Hunnen und Wikinger.

    Keine von denen waren expansiv. Kannst du natürlich nicht wissen. Aber jetzt weißt du es.


    Das waren halbstarke Spinner. Einfluss auf die Nachwelt praktisch null.


    Übrigens waren die Nazis auch nicht expansiv. Sie wären es gern gewesen. Typischer Fall von Selbstüberschätzung.