Beiträge von Guercoeur

    Lieber Gurnemanz,

    vielen Dank für die schöne Thread-Eröffnung über einen der faszinierendsten englischen Komponisten der Jahrhundertwende.

    In den kürzeren Tondichtungen Delius', die überwiegend Natur-Sujets in atmosphärischer Verdichtung vermitteln, sind der Frühling und der Sommer nicht nur im jeweiligen Titel besonders häufig vertreten, sondern fangen die für diesen Komponisten so typische sommerliche Stimmung in schönster Vollendung ein.
    Besonders hervorzuheben, sind in diesem Zusammenhang die meist als 'Tondichtung', 'Symphonische Dichtung', 'Fantasie-Ouvertüre' oder 'Rhapsodie' bezeichneten Orchesterstücke In a Summer Garden 1908, Summer Night on the River 1911, On Hearing the First Cuckoo in Spring 1912 und A Song of Summer 1929/30.

    Die zentralen Charakteristika wurden in der Einführung sowie den Folgebeiträgen bereits genannt: Delius' Musik ist häufig geprägt von langsamen Tempi, einem fast gänzlich undramatischen Verlauf, ein warm und breit dahin fließender Strom, der eine behagliche Stimmung zaubert und den Hörer in seinen Bann zieht.

    Ein weiteres meiner Lieblingswerke ist das Orchesterpoem mit textlosem Vokalisenchor A Song of the High Hills (1911). Zwar entwickelt Delius jeweils im Anfangs- und Schlußteil eine Steigerung nebst einigen Dissonanzen mit einem großen klanglichen Höhepunkt - der zentrale und ausgedehnte Mittelteil ist jedoch geprägt von ausgesprochener Ruhe und Entspanntheit, von idyllischen Klängen von unendlicher Schönheit. Die Lautstärke bewegt sich hier ausschließlich zwischen einfachem bis dreifachem Piano.
    Zieht man den Vergleich zu einem etwa im selben Zeitraum entstandenen und diverse Naturphänomene beschreibenden Orchesterwerk, nämlich zur 'Alpensymphonie' (1911-15) von Richard Strauss, fällt auf, daß Delius exakt das andere Extrem wählt. An der Stelle, an welcher Strauss 'Gewitter und Sturm' in heftigster Dramatik "nachmalt" und den Hörer mit dem Naturschauspiel unmittelbar konfrontiert, tut Delius das genaue Gegenteil. Er läßt das Gewitter und den Regen in großer Entfernung vom Hörer vorüberziehen. Gleichzeitig ertönt aus weiter Ferne ein himmlischer Vokalisenchor, der die paradiesische Szene nochmals intensiviert - eine wundersame Stimmung von betörender Weltentrücktheit.

    Auch wenn Delius in etlichen seiner Werke es durchaus versteht, dramatische Höhepunkte zu gestalten, würde ich ihn nur mit großer Vorsicht Klassikhörern empfehlen, die überwiegend orchestralen Bombast und Sensationen eruptiver Art gewöhnt sind; denn auch mein Eindruck ist, daß Delius' Musik am stärksten und suggestivsten in ihren lyrischen und ausgesprochen stillen Passagen wirkt!

    Vor allem die Vokalwerke möchte ich den Interessierten gerne ans Herz legen:

    Cynara für Bariton und Orchester 1906/07
    Sea Drift für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1903
    Songs of Sunset - Liederzyklus für Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester 1906/07
    An Arabesque für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1911
    A Song of the High Hills für gemischten Chor und Orchester 1911

    Zwei weitere wichtige Chorwerke des Komponisten müßte ich nach längerer Zeit mal wieder hören:
    A Mass of Life - Oratorium in 2 Teilen für S, A, T, Bar, gemischten Doppelchor und Orchester 1904/05
    Requiem für Sopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester 1914-16

    Von den Bühnenwerken hat mich von den Opern
    Fennimore and Gerda - Zwei Episoden aus dem Leben Niels Lyhnes in 11 Bildern 1909/10
    und von den Schauspielmusiken
    Hassan - Bühnenmusik für Tenor, Bariton, gemischten Chor und kleines Orchester 1920-23
    am meisten begeistert.

    Was Einspielungen von Delius' Werken betrifft, liegt meine Vorliebe bei den von Eric Fenby (dem Vertrauten und Assistenten des Komponisten) geleiteten Aufnahmen, da diese die betörenden Naturstimmungen und lyrischen Stimmungen mit besonderer Sensibilität wiederzugeben vermögen:

    Frederick Delius (1862-1934):
    A Song of the High Hills
    für gemischten Chor und Orchester 1911
    Ambrosian Singers, Royal Philharmonic Orchestra, Eric Fenby
    Unicorn-Kanchana, 1983, 1 CD

    Frederick Delius (1862-1934):
    Songs of Sunset - Liederzyklus für Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester 1906/07
    An Arabesque für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1911
    Fennimore and Gerda - Intermezzo 1909/10 & Dance Rhapsody No. 2 für Orchester 1916
    Sarah Walker, Mezzo; Thomas Allen, Bariton; Ambrosian Singers;
    Royal Philharmonic Orchestra, Eric Fenby
    Unicorn-Kanchana, 1983/1986, 1 CD

    Frederick Delius (1862-1934):
    Songs of Farewell - Liederzyklus für gemischten Doppelchor und Orchester 1930
    Idyll für Sopran, Bariton und Orchester 1930-32
    Fantastic Dance für Orchester 1931
    A Song of Summer für Orchester 1929/30
    Cynara für Bariton und Orchester 1906/07
    Irmelin Prelude für Orchester 1931
    A Late Lark für Tenor und kleines Orchester 1925
    La Calinda für Orchester 1887 (Arr. aus: Florida Suite für Orchester 1887)
    Caprice and Elegy für Cello und kleines Orchester 1930
    Two Aquarelles für Streichorchester 1917
    (Arr. von: Two Songs to Be Sung of a Summer Night on the Water für gemischten Chor a cappella 1917)
    Felicity Lott, Sopran; Anthony Rolfe Johnson, Tenor; Thomas Allen, Bariton; Julian Lloyd Webber, Cello
    Ambrosian Singers, Royal Philharmonic Orchestra, Eric Fenby
    Unicorn-Kanchana, 1981, 2 CD

    Da von 'Sea Drift' anscheinend keine Einspielung unter Fenbys Leitung existiert, möchte ich diese hier gerne empfehlen:

    Frederick Delius (1862-1934):
    Sea Drift für Bariton, gemischten Chor und Orchester 1903
    Thomas Hampson, Bariton;
    Chorus & Orchestra of the Welsh National Opera, Sir Charles Mackerras
    Decca Argo, 1990, 1 CD

    Viele betörende Momente beim Entdecken des im deutschen Konzertleben so sträflich vernachlässigten Komponisten wünscht
    Johannes
    :wink:

    Aufbruch 1909

    Di., 19.05.2009 - Deutschlandradio Kultur - 20.03-22.00 Uhr
    Konzert zum Thema » A u f b r u c h 1 9 0 9 «


    Ferruccio Busoni (1866-1924):
    Berceuse Élégiaque - Des Mannes Wiegenlied am Sarge seiner Mutter für Orchester, opus 42 1909

    Rudi Stephan (1887-1915):
    Musik für Orchester in 1 Satz 1910

    - ca. 20.35 Uhr Konzertpause -

    Franz Schreker (1878-1934):
    Nachtstück für Orchester 1907
    (Arr. aus 3. Akt von: Der ferne Klang - Oper in 3 Akten 1901-10)

    Max Reger (1873-1916):
    Symphonischer Prolog zu einer Tragödie a-moll für Orchester, opus 108 1908


    Interpreten:
    Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
    Leitung: Ingo Metzmacher


    Konzertaufzeichnung aus der Philharmonie Berlin von Mo., 18.05.2009.

    Weitere Informationen zum Konzert auf der Homepage von Deutschlandradio Kultur

    :wink:
    Johannes