Ich geh grad in Gedanken früher übliche Striche durch. Possente amor mi chiama?
Beiträge von Areios
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Was wär denn da die regelmäßig gestrichene große Arie im ersten Akt?
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Putto hat doch gemeint, dass ihm der Baïlèro besser gefallen habe als frühere Musikstücke der Woche, oder?
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Ein früher Fall von Fachkräftemangel. Die meisten Sänger*innen singen zwei oder drei Rollen.
😂😂😂
Fjodor Schaljapin hat ja auch mal den fünften Akt „Don Quichotte“ ganz alleine gesungen.
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Magdalena Kozená arbeitet auch schön den dynamischen Kontrast zwischen dem "gerufenen" A-Teil der Hirtin und dem von Ferne antwortenden B-Teil des Hirten heraus:
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Lieber Andréjo,
mit der falschen Erwartungshaltung der Stube meinte ich, dass der Baïlèro (im Gegensatz zu vielen anderen Liedern) nicht kammermusikalisch konzipiert ist und nicht in einem kammermusikalischen Setting spielt. Es ist eben die von dir benannte große epische Landschaft, die in der Orchesterbegleitung hörbar wird, und die hier aber auch aufgrund der Kommunikationssituation, die im Lied (das vielleicht eher ein Ruf ist), notwendig vorauszusetzen ist.
Liebe Grüße,
Areios
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Netania Davrath hat eine ziemlich "weiße", obertonarme, vibratoarme Stimme, die einem Volksliedton durchaus nahekommt, und das wird von vielen Menschen in den "Chants d'Auvergne" als sehr authentisch empfunden (das "singende Bauernmädchen"). Ich kann das auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen und für einige Stücke passt das auch sehr gut; es ist natürlich eine Schein-Authentizität, aber das macht ja nichts.
Aber gerade beim Baïlèro finde ich die Erwartungshaltung falsch, dass hier ein Bauernmädchen in der Stube singt: Das soll ja eine Hirtin sein, die "à pleine voix" (so die Partitur) mit ihrem Gesang eine weite Entfernung überbrückt. Und jeder, der ein Jodeldiplom gemacht hat, weiß, dass die dazu notwendige Technik dem Operngesang durchaus nahesteht. Sängerinnen wie Madeleine Grey und Victoria de los Ángeles singen immer noch vergleichsweise schlicht, haben aber das nötige Squillo, dass man ihnen abnimmt, auch am Gegenhang noch gehört zu werden. Frederica von Stade finde ich im Baïlèro stimmlich auch sehr überzeugend, aber sprachlich nicht ganz so idiomatisch.
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Ich habe das Stück mit Victoria de los Ángeles kennengelernt und bin daher für andere Interpretationen leider verdorben. Ihre Aufnahme der "Chants d'Auvergne" halte ich grundsätzlich für eine der größten Errungenschaften ihrer Tonträgerkarriere. Bei anderen Sängerinnen stört mich oft allein schon der Eindruck, dass ihnen das sprachliche Idiom fremd gewesen zu sein scheint. Das gilt auch ein bisschen für die an und für sich sehr reizvolle Aufnahme von Netania Davrath, die außerdem gerade im Baïlèro ein bisschen an die Grenzen ihrer Technik und Phrasierung zu geraten scheint.
Victoria de los Ángeles singt übrigens vom Baïlèro nur die Strophen 1 und 3, was dem Spannungsbogen des Stückes durchaus gut bekommt.
Die Grenze zum Kitsch wird von Canteloube in seinen spätimpressionistischen Orchesterarrangements durchaus ausgetestet, aber nach meinem Dafürhalten nie rückhaltslos überschritten. Gerade beim Baïlèro erzeugt er für mich sehr stark die Wirkung, dass das Orchester die Landschaft der Auvergne und die Abendsonne malt, vor deren Hintergrund die Gesangsstimme den Hirtenruf anstimmt - in den Alpen würde man sowas als Jodler bezeichnen. Die Interpretation spielt allerdings eine große Rolle, je langsamer das Tempo und je plüschiger der Orchesterklang, umso kitschgefährdeter wird das.
Die Aufnahme von Gérard Souzay finde ich sehr spannend, auch die Klavierbegleitung, die weniger farbig und damit auch deutlich herber klingt - und das zupackende Tempo, bei dem man sehr schön sieht, was ich oben gemeint habe. Auch Gérard Souzay singt nur zwei Strophen.
Liebe Grüße,
Areios
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Auch Schlager und Popsongs haben meistens (nicht immer) Strophen, Refrain und Bridge oder zumindest zwei dieser drei Teile. Das ist auch sinnvoll, weil die Hörer sonst abschalten.
Das "Gebet einer Jungfrau" besteht aber, um in der Schlagerterminologie zu bleiben, ausschließlich aus einer Kette von Refrainwiederholungen. Da hätte ich tatsächlich gern ein konkretes Beispiel, wo das in erfolgreicher moderner Popmusik auch so ist. Funktionale Sonderformen wie Techno oder Rap lasse ich nicht gelten (bzw. nur dann, wenn man mir beweist, dass man im 19. Jh. zum "Gebet einer Jungfrau" Disco machte oder das Stück einen Gutteil seines Reizes aus seinem kontroversen Text beziehe).
Liebe Grüße,
Areios
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Um auf Tekla Badarzewska-Baranowska zurückzukommen, von der ich mittlerweile mehrere Klavierminiaturen gehört habe: Im Vergleich zu ziemlich allen anderen Werken von ihr ist "Gebet einer Jungfrau" tatsächlich einfach ganz besonders dröge, und zwar in auffälliger Weise. Alles andere, was ich gehört habe, ist harmonisch und formal zumindest geringfügig, manchmal auch deutlich komplexer, auch wenn freilich alles zur walzerseligen Humtata-Begleitung tendiert. Sogar ein Stück namens "Das zweite Gebet einer Jungfrau", das über weite Strecken exakt das Erfolgsrezept des ersten kopiert, erhält wenigstens einen konstrastierenden B-Teil in der Mitte.
Deshalb stellen sich mir doch zwei Fragen:
(1.) Die nervige, zu häufige Wiederholung derselben Melodie ohne harmonische Veränderungen ist nicht typisch für die Kompositionen von Tekla Badarzewska-Baranowska, sie muss also Absicht sein. Handelt es sich vielleicht doch, wie von mir anfangs des Threads vorgeschlagen, eine Vorstudie zu Saties "Vexations"? Immerhin kann Badarzewska-Baranowska mit anderen Stücken (namentlich L'Écho des bois mit dem Gesang der Mönchsgrasmücke) auch als Vorläuferin von Messiaen gelten. Jedenfalls wollte die Komponistin, dass das Stück so nervig wird. Warum?
(2.) Warum ist von den zahlreichen Klavierminiaturen der Komponisten ausgerechnet das musikalisch wertloseste so populär geworden (und in Teilen Asiens bis heute)?
Liebe Grüße,
Areios
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Und besonders die Mozart-Rollen schreien förmlich "secondo soprano" oder "soprano di mezzo carattere", weil seine modern mit Sopran besetzten Rollen eigentlich konsequent tiefer liegen als die modern mit Mezzosopran besetzten rollen (Fiordiligi vs. Dorabella, Susanna vs. Marcellina), d.h. er erwartete von seinen Primadonnen offenbar nicht nur eine bessere Höhe, sondern auch eine bessere Tiefe als von den comprimarie.
Wer hat denn bei der jeweiligen Premiere die Zerlina, Elvira, Dorabella... gesungen und was hatte diese Sängerinnen für eine Stimme bzw. was haben sie ansonsten gesungen? Wusste Mozart was darüber? Wenn ja: Hat er es berücksichtigt?
Wisst Ihr darüber was?
Mozart stammt noch aus einer Zeit, wo die individuellen Stimmen der Uraufführungsbesetzung in der Komposition grundsätzlich berücksichtigt wurde. Auch Mozart hat das getan, dazu gibts in seiner Korrespondenz einige einschlägige Stellen.
Die Uraufführungsbesetzungen der Da-Ponte-Opern:
Le nozze di Figaro (1786)
Contessa Almaviva: Luisa Laschi-Mombelli - Sang auch Königin Isabella in Solers "Cosa rara" sowie die Zerlina bei der Wiener Premiere des "Don Giovanni". Macht sie das jetzt zu einer Sopranistin oder einer Mezzosopranistin?
Susanna: Nancy Storace - Sang viele Soler-Rollen, darunter die Lilla in der "Cosa rara", und Sopran in Haydns "Ritorno di Tobia". Mozart komponierte die Konzertarie KV 505 für sie.
Cherubino: Dorotea Bussani - Sang auch die Despina in "Così fan tutte", Ghita in Solers "Cosa rara" und Fidalma in "Il matrimonio segreto" von Cimarosa. Publikumsliebling in komischen Partien, wurde besonders für den intelligenten Einsatz des Brustregisters gelobt.
Marcellina: Maria Mandini - Sang auch die Britomarte in Solers "Arbore di Diana", soll laut zeitgenössischen Kritiken eine "kleine Stimme" gehabt haben, die sie aber sehr anmutig eingesetzt haben soll.
Barbarina: Anna Gottlieb - Sang auch Pamina in der "Zauberflöte".
Ensembles (für Cherubino): Contessa und Susanna teilen sich den ersten Sopran; Cherubino, Marcellina und Barbarina teilen sich den zweiten Sopran. Dieser zweite Sopran ist von Stimmführung und Tonumfang allerdings deutlich eine Sopranstimme und hat nichts mit einer Altstimme in einer Mozart-Messe gemeinsam. In den Duetten von Contessa und Susanna singt Susanna die obere Stimme.
Don Giovanni (Prag 1787)
Donna Anna: Teresa Saporiti - War später prima buffa assoluta in St. Petersburg, komponierte selbst Einlagearien und hielt Salonkonzerte in Mailand ab, wo sie mit Verdi korrespondierte und erst 1869 im stolzen Alter von 106 Jahren starb. Von ihren zahlreichen sonstigen Partien in italienischen Opere buffe kenne ich keine einzige.
Donna Elvira: Caterina Micelli - Da finde ich keine brauchbaren Quellen, um ein aussagekräftiges Rollenprofil zu erstellen. Sie soll an einer Aufführung von Glucks "Orfeo ed Euridice" in Warschau 1789 mitgewirkt haben, wohl nicht als Orfeo, und ansonsten als seconda donna in Opere buffe ihr Auskommen gefunden haben. Manche Leute vermuten, dass die Quellen die beiden Caterinas verwechseln und in Wirklichkeit die Bondini die Elvira, die weniger bedeutende Micelli die Zerlina sang.
Zerlina: Caterina Bondini - Sang auch die Susanna in der Prager Aufführung des "Figaro".
Don Giovanni II (Wien 1788)
Donna Anna: Aloysia Weber - Sang auch Konstanze, Madame Herz, Sesto; Mozart komponierte mehrere schwierige Konzertarien für sie (z.B. KV KV 316 und KV 418), hatte wohl einen agilen und hohen Sopran.
Donna Elvira: Caterina Cavalieri - Sang auch Konstanze, Mademoiselle Silberklang, Sopran I in Davide penitente; hatte wohl ebenfalls einen agilen hohen Sopran (Mozart sprach von einer "geläufigen Gurgel"), wenn auch vielleicht nicht ganz so zwitschernd wie die Weberische.
Zerlina: Luisa Laschi-Mombelli - Sang auch Contessa Almaviva und Königin Isabella in Solers "Cosa rara", beide gelten allgemein als Sopranpartien.
Ensembles: in dieser Reihenfolge von oben nach unten.
Così fan tutte (1790)
Fiordiligi: Adriana Ferrarese del Bene - Sang u.a. die Diana in Solers "Arbore di Diana" und die Susanna bei der Wiederaufnahme des "Figaro", zeitgenössische Zeitungskritiker vermerken, dass sie unglaublich hoch und überraschend tief singen könne, wie man es in Wien noch nie gehört habe.
Dorabella: Louise Villeneuve - Sang auch, als Einspringerin für Luisa Laschi-Mombelli (s.o.), den Amore in Solers "Arbore di Diana". Mozart komponierte für sie auch die Konzertarien KV 578, KV 582 und KV 583.
Despina: Dorotea Bussani - Sang auch den Cherubino im "Figaro", Ghita in Solers "Cosa rara" und Fidalma in "Il matrimonio segreto" von Cimarosa. Publikumsliebling in komischen Partien, wurde besonders für den intelligenten Einsatz des Brustregisters gelobt.
Ensembles: in dieser Reihenfolge von oben nach unten.
Alle genannten Sängerinnen wurden damals wie heute immer als Sopranistinnen bezeichnet. Unterschiede zwischen ihnen finde ich, der für sie komponierten Musik nach zu schließen, weniger in der Tessitura als vielmehr in der Agilität und im Ambitus (wobei hohe Agilität und großer Tonumfang meist zusammengehen). Laschi-Mombelli z.B. scheint am liebsten in der Oktave g'-g'' und nicht zu schnell gesungen zu haben.
Hab auch schon mal einen leichten (hohen) Sopran bei den Tiefen in Susannas "Deh vieni, non tardar" ganz böse scheitern erlebt.
Das ist meiner Erfahrung nach fast schon der Normalfall und liegt halt daran, dass die Susanna nicht für einen leichten (hohen) Sopran komponiert wurde, auch wenn sie heutzutage gern so besetzt wird.
Liebe Grüße,
Areios
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Ein Blick in die Noten zeigt aber, dass "Batti, batti" die tiefere Tessitura hat und die hohen Töne nur punktuell erscheinen, während bei "Vedrai carino" die Melodie selten unter das h' geht.
Die betreffende Aufführung ist aber über zwanzig Jahre her, ich will (1.) nicht völlig ausschließen, dass ich mich falsch erinnere und "Batti batti" die gestrichene Arie war, und (2.) auch nicht ausschließen, dass die Mezzosopranistin selbst von "Batti batti" nur den A-Teil gesungen hat oder die hohen Koloraturpassagen, die eh von den Violinen gedoppelt werden (aber meiner Meinung nach eigentlich an sich schon belegen, dass es sich um eine Sopranpartie handelt), nach unten oktaviert oder sonstwie adaptiert hat. Ich versuche mal, das Programmheft zu finden, dann kann ich die Anekdote auch belegen. Es gab jedenfalls zwei alternierende Besetzungen, und die Sopranistin hat alle Arien gesungen, die Mezzosopranistin nicht.
Ich stimme dir aber völlig zu, dass die Besetzung der Donna Elvira mit einem Mezzo noch absurder ist. Klar sind Stimmen individuell und es mag leichte Koloraturmezzos geben, denen die Elvira gut in der Stimme liegt, aber ich habe auch schon erlebt, dass die Elvira auch dann mit Mezzos besetzt wird, wenn kein solcher leichter Koloraturmezzo zur Verfügung steht - mit den von dir geschilderten Folgen.
Liebe Grüße,
Areios
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Hm, interessant, dass Zedler 1732 schon die moderne Mezzosopran-Definition gehabt hat, war mir definitiv neu, obwohl ich von der Existenz des C-Mezzosopranschlüssels natürlich wusste. Die Mozart-Frauenrollen stehen aber alle im Sopranschlüssel, soweit ich Ausgaben mit C-Schlüsseln in den Gesangsstimmen kenne.
Und besonders die Mozart-Rollen schreien förmlich "secondo soprano" oder "soprano di mezzo carattere", weil seine modern mit Sopran besetzten Rollen eigentlich konsequent tiefer liegen als die modern mit Mezzosopran besetzten rollen (Fiordiligi vs. Dorabella, Susanna vs. Marcellina), d.h. er erwartete von seinen Primadonnen offenbar nicht nur eine bessere Höhe, sondern auch eine bessere Tiefe als von den comprimarie.
Liebe Grüße,
Areios
Bei solchen Besetzungfragen ist der Blick in zeitgenössische Lexika und Wörterbücher sicher interessant, noch interessanter ist aber der Blick in die Partitur. Was zählt, ist am Ende nicht das Etikett, sondern Stimmen, die möglichst gut zu den Anforderungen passen, die der Notentext an sie stellt. Und blickt man in die Noten des "Don Giovanni", so stellt man fest, dass die Zerlina in den Ensembles immer die tiefste der drei Frauenstimmen ist, ihre Tessitura liegt deutlich unter der von Donna Anna und Donna Elvira. Auch in ihren Arien muss sie zwar mal ein hohes b antippen (als Spitzenton in einer Sechzehntelkette), bewegt sich aber ansonsten vor allem in der unteren Mittellage und geht nach oben kaum einmal über das Notensystem hinaus (in "Vedrai, carino" überhaupt nicht). Deshalb waren es ja gerade die Dirigenten der sogenannten historisch informierten Aufführungspraxis, die darauf hingewiesen haben, dass von der Lage her Zerlina eigentlich eher mit einer Stimme besetzt werden sollte, die wir heute als Mezzosopran bezeichnen. Nun verlangte aber lange Zeit die Tradition, dass ein junges Bauernmädchen als Typ einfach mit einer Soubrette besetzt werden muss, so dass sich generationenlang hohe, bewegliche Stimmen mit dieser tiefen Lage abmühen mussten.
Ähnlich verhält es sich mit der Despina in "Cosi fan tutte": Vom Typ her eine Soubrette, man erwartet also eine kleine, hohe, bewegliche Stimme - musikalisch aber wenn alle drei Frauenstimmen zusammen singen die tiefste der drei (zum Beispiel im Finale des ersten Aktes: Fiordiligi oben, Dorabella mitte, Despina unten).
Hm, ich habe auch in die Noten geschaut, zwar nicht in die Partitur, sondern in die Klavierauszüge, aber für die Gesangsstimmen kommt das aufs selbe raus.
Und ich kann nicht finden, dass Arien, deren Tessitura in der Tiefe bis zum f' oder g' reicht, einen Mezzosopran verlangen. Die sehen einfach aus wie eine ganz normale barocke oder klassische Sopranarie. Außerdem habe ich konkrete (anekdotische) Beispiele gebracht, dass Arien in Mozart-Opern nicht aufgeführt wurden, weil sie der Mezzosopranistin zu hoch lagen. Das finde ich ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Rollen nicht mit einer Stimme besetzt werden sollten, die wir heute als Mezzosopran bezeichnen.
Gerade in der Così hat Fiordiligi, die Primadonna, die auch heute (zu Recht natürlich) immer mit einem Sopran besetzt wird, eindeutig die Arien mit dem tiefsten Ambitus (Come scoglio bis a, Per pietà bis ais) und (!) der tiefsten Tessitura (in Per pietà ständig h), dagegen sind Despina und auch Dorabella, die heute immer mit einem Mezzosopran besetzt wird, deutlich höher. Sowohl Despina als auch Dorabella bewegen sich schon hauptsächlich in der Oktave g'-g'', das würde ich zumindest für Mozart als typische Sopran-Tessitura bezeichnen wollen.
Der wesentlichste Punkt ist aber, dass Mozart die Soubretten-Rollen Marcellina, Despina und Zerlina dennoch mit Musik für eine bewegliche Stimme ausgestattet hat (Koloraturen, Triller). Jetzt gibt es natürlich modern sehr unterschiedliche Mezzosopran-Stimmen, von dunkel-altartig bis hin zu leichten Koloraturmezzos, die eher wie kurze Soprane klingen. Letztere sollten das natürlich schon singen können, denn Mozart hat die Rollen wohl genau für solche kurzen (oder jungen) Soprane komponiert - erstere haben aber definitiv eine zu schwere Stimme. An den meisten Häusern leistet man sich nun für Nebenrollen aber keinen Gast, sondern besetzt einfach den ortsansässigen Mezzo... (oder wie Erich Kleiber eine ausgewachsene Altistin)
Was Fehlbesetzungen betrifft, hatte ich am Wochenende im Grazer Opernhaus wieder das Vergnügen. Man spielte "Contes d'Hoffmann" mit einem Mezzo als Giulietta, verwendete dann aber erstaunlicherweise die Kaye-Keck-Fassung, in der Giulietta ein Koloratursopran ist. Und die mir bisher in anderen Rollen eigentlich als sehr gut aufgefallene Mezzosopranistin musste sich mit der G-Dur-Fassung von "L'amour lui dit: la belle" abquälen, was hörbar nicht ihre Sahnelage war.
Liebe Grüße,
Areios
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Hm, es muss wohl sowas ähnliches wie Heifetz plays Gershwin oder so sein. Aber Heifetz hat da wohl (hoffentlich) auf die bestehenden Klavierauszüge zurückgegriffen und den Klavierpart nicht selbst arrangiert, so dass es eher was sein müsste, von dem es noch keinen Klavierauszug gab.
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B muss wohl der Pianist sein, oder? A dann Geiger oder Cellist?
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Lieber Wolfram, mal eine Frage:
Wenn man selber Oper fernsteht, aber kämpft sich dieses Genre ein wenig zu erschließen; und wenn man eine, nur eine einzige Aufnahme der Callas gern hätte (zumindest für den Anfang), welche könnte das sein? Als Einstieg? Zum eventuellen Süchtig machen?
Egal ob es eine Komplettaufnahme einer Oper ist, eine DVD vielleicht, oder bloß Höhepunkte - ich stehe da doch ratlos vor einem Gebirge. Klangqualität ist nicht so wichtig, nur unterirdisch sollte es nicht sein.
Mein Votum ginge an die Manon Lescaut von 1957 mit der Bedingung, das Anhören mit dem letzten Akt zu beginnen:
Liebe Grüße,
Areios
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Hm, interessant, dass Zedler 1732 schon die moderne Mezzosopran-Definition gehabt hat, war mir definitiv neu, obwohl ich von der Existenz des C-Mezzosopranschlüssels natürlich wusste. Die Mozart-Frauenrollen stehen aber alle im Sopranschlüssel, soweit ich Ausgaben mit C-Schlüsseln in den Gesangsstimmen kenne.
Und besonders die Mozart-Rollen schreien förmlich "secondo soprano" oder "soprano di mezzo carattere", weil seine modern mit Sopran besetzten Rollen eigentlich konsequent tiefer liegen als die modern mit Mezzosopran besetzten rollen (Fiordiligi vs. Dorabella, Susanna vs. Marcellina), d.h. er erwartete von seinen Primadonnen offenbar nicht nur eine bessere Höhe, sondern auch eine bessere Tiefe als von den comprimarie.
Liebe Grüße,
Areios
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Dann schiebe ich was ein, das wohl bekannt sein dürfte.
Die Tochter von A meinte: „B ist nur ein Sänger, mein Vater ist ein Künstler!“ B strich ihr daraufhin über die Wange und sagte: „Sag deinem Papa: wenn er ein hohes C hätte, wäre er auch lieber nur ein Sänger!“
Wer sind A und B?
Und wer ist C?
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Ein Teil der Antwort liegt darin, dass bis zum frühen 19ten Jht das Wort "mezzosoprano" nicht für eine tiefere Stimme als Sopran galt sondern eher für einen Sopran in mezzo carattere, das heißt nicht serio (edel) und nicht buffo. Und das sind eben Zerlina oder Despina.
Es wurde dann auch benutzt für den secondo soprano, also den Sopran, der nicht die Hauptrolle sang, z. B. Matilda in Rossinis Elisabetta oder Adalgisa in Norma, Giovanna Seymour in Anna Bolena ...
So findet man haufenweise "authentische" Schriften, die beweisen, dass diese Rollen von einer Mezzosopranistin gesungen werden müssen ...
Danke, dieser Hinweis ist sehr interessant und wohl zutreffend.
Liebe Grüße,
Areios
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Es gibt auch sonderbare Besetzungstraditionen, von denen ich nicht genau weiß, wie lange es sie schon gibt, ob sie also mit dem beschriebenen Trend zusammenfallen oder unabhängig sind. Z.B. in Mozart-Opern die Besetzung von Zerlina und Marcellina mit Mezzosopranistinnen bzw. Altistinnen. Mozart hat die Rollen eindeutig für Koloratursoubretten komponiert, und die moderne Fehlbesetzung führt regelmäßig dazu, dass die Arien "Vedrai carino" und "Il capro e la capretta" gestrichen werden, weil die besetzten Mezzos sie nicht schaffen. Für "Vedrai carino" habe ich diese Erklärung einmal explizit in einem Programmheft gelesen ("Frau X singt "Vedrai carino" nicht, weil es für ihre Stimme zu hoch liegt."). Für "Il capro e la capretta" sei nur auf Erich Kleibers klassische Aufnahme von 1955 verwiesen, wo sich Hilde Rössl-Majdan mit der Höhe und den Koloraturen quält (unbegreiflich, dass man das so veröffentlicht hat und die Sängerin nicht zeitnah ersetzt hat, selbst in den Rezitativen gerät sie öfter an ihre Grenzen). Beide Rollen wurden selbstverständlich auch bei der Uraufführung von Sopranistinnen verkörpert (Zerlina übrigens in Wien von der Uraufführungssängerin der Figaro-Contessa).
Aber anscheinend - und das schlägt den Bogen zur Turandot zurück - möchte man einen Rollentypus wie Marcellina (alte Haushälterin) von einer Altistin hören, ohne Rücksicht auf Mozarts Noten. So wie man die Turandot als männermordende Walküre interpretiert und von einer Hochdramatischen hören will, ohne Rücksicht auf die hohe Tessitura der Rolle. Allenfalls werden dann noch die überhöhten Anforderungen, die die Komponisten an den heute besetzten Stimmtyp stellen, beklagt, anstatt sich bewusstzumachen, dass die Komponisten an ganz andere Stimmen dachten.
Es gibt allerdings zumindest einen umgekehrten Fall von traditionellen Fehlbesetzungen in Mozart-Opern, und das ist die Susanna, die gern zu leicht besetzt wird. Die standesgemäß "seriöseren" Arien der Contessa dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen,* dass Susanna die Primadonna der Oper ist (deutlich ersichtlich nicht nur daran, dass sie an allen Ensembles beteiligt ist, sondern auch, dass sie die letzte Arie der Oper singt, die im 18. Jh. traditionell der Primadonna vorbehalten ist) und zumindest für "Deh vieni, non tardar" einen großen lyrischen Sopran benötigt, der für die verführerische Serenade die nötige Wärme und Tiefe ("notturna face") aufweist. Nancy Storace, die Uraufführungs-Susanna, verfügte zweifellos über dieses Organ.
* Dieselbe Konstellation gibt es übrigens auch in Martin Vicente y Solers "Una cosa rara" mit Königin Isabella und dem Dorfmädchen Lilla, die ebenfalls von den Uraufführungssängerinnen von Contessa und Susanna kreiert wurden.
Liebe Grüße,
Areios