Aber das ist doch der Punkt: "...ob es gelingt...". Dieses ist doch abhängig vom jeweils Beurteilenden und kein objektives Kriterium und gegenfalls eine Schutzbehauptung? Denn, das Gelingen wird ja gerade bestritten (hier: i. S. "Musik/Komposition und Identität")?
Ob ein "Künstler alles darf, was er kann." mag dahingestellt sein. Aber die Kritik darf dieses ebenfalls und zumindest lebende Komponisten/Autoren sehen dieses "Dürfen - Können" anders und haben dementsprechend ggf. Möglichkeiten der Vermeidung.
Das Gelingen konnte hier gar nicht bestritten werden, weil die konkrete Aufführung (in meinem Beispiel die von Sokolov) entweder von niemandem hier gehört oder doch wenigstens nicht konkret besprochen wurde. Es wurde die Möglichkeit des Gelingens ausgeschlossen, ohne überhaupt irgendeine konkrete Realisierung im Blick zu haben. Das ist ein Fundamentalismus, der m.E. in der Kunst - und darüber hinaus - nichts zu suchen hat.
Zu den zeitgenössischen Komponisten: Auch das ist nicht so einheitlich, wie Du behauptest. Edwin hat an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass er schon Interpreten erlebt hat, die seine Musik anders als von ihm gedacht, aber auch für ihn überzeugend interpretiert haben. Nichts anderes habe ich in aller Regel bei zeitgenössischen Komponisten kennengelernt. Im Übrigen finde ich es geradezu absurd, anzunehmen, Couperin habe bei seinen Kompositionen an eine mögliche Aufführung 350 Jahre später gedacht und dafür verbindliche Regeln aufgestellt. Er hat Musik für den sofortigen Gebrauch geschrieben und vermutlich, wie alle Komponisten der Zeit, mit dem baldigen Ver-brauch gerechnet. Die angeblich unsterblichen und ewig gleich bleibenden künstlerischen Wahrheiten entstammen eher der Vorstellungswelt der Romantiker, mit denen heutige Museumswächter der historischen Korrektheit eine wahrlich bemerkenswerte Koalition eingehen.
Viele Grüße,
Christian