Kennt jemand dieses Buch von Goldmark :
Es könnte doch ganz interessant sein, da es wohl von ihm selbst stammt...
Lieber Maurice,
danke für den Hinweis! Ich habe mir das Buch besorgt und mit Gewinn gelesen: ein spannender und authentischer Zeitzeugenbericht eines Lebens im Österreich der Jahre 1850-80. Er erzählt vom mühevollen Aufstieg des Sohnes eines jüdischen Kantors und Notars aus einem kleinen ungarischen Dorf zu einem europaweit geachteten Komponisten.
Goldmark wächst in burgenländischen Deutschkreuz zusammen mit elf Geschwistern auf mit kaum Zugang zu Bildung. "Den ersten Unterricht im Schreiben und Lesen erhielt ich als Zwölfjähriger von meinem nachmaligen Schwager Friedemann".
Mit klassischer Musik kommt G. in Ödenburg in Berührung: "Ich sah und hörte das erste Mal ein Klavier. Man spielte Liszt'sche und Thalberg'sche Fantasien. Mein Entzücken war ebenso groß wie mein Erstaunen darüber, dass die Finger nur so dahinrasten ohne sich zu verwirren oder daben zu greifen. Auch warum die Leute klatschten war mir unbegreiflich."
Sein Leben ändert sich, als er zu seinem Bruder, einem Chemiker, nach Wien kommt: "Ich lernte reines Deutsch sprechen. Das erste Buch, das mir mein Bruder in die Hand drückte, war Knigges 'Umgang mit Menschen'. Es war wohl sehr nötig."
Er erhält Geigenunterricht am Wiener Konservatorium. 1848 gerät G. in die Kriegswirren der Revolution, entgeht einer willkürlichen Erschießung nur mit Glück und lässt sich dann nach Buda verpflichten. Das Honorar ist ebenso kläglich wie die Besetzung des Orchesters: "Einen Winter bloß Erdäpfel ohne Brot, den daruf folgenden Sommer nur Quark und rohe Gurken u.s.w. . Die langen Hungerjahre blieben für meinen Körper nicht ohne böse Folgen. In namenloser Schwäche war ich fast dem Siechtum verfallen".
G. kehrt nach Wien zurück, wo er von einem dem Bruder befreundeten Arzt aufgepäppelt wird, kann in Wien bleiben und kommt als Theatergeiger am Karltheater beim legendären Volksschauspieler Johann Nestroy unter: "Ich lernte das Theater kennen in- und auswendig. 10 Jahre Abend für Abend die Bühne vor sich ..."
Als Autodidakt und Theaterpraktiker verschafft er sich solide Kenntnisse in Sachen Komposition. Er überzeugt den führenden Geiger Wiens, Josef Hellmesberger, seine Werke aufzuführen. 1857 organisierte er in Wien ein Konzert auf eigene Kosten ausschließlich mit seinen Werken.
Da geht es langsam bergauf: G. wird in der Wiener Musikszene wahrgenommen. Neben Kammermusikwerken entstehen Orchester-Ouvertüren, u.a. 'Penthesilea'; der damals tonangebende Kritiker Eduard Hanslick brandmarkt ihn deshalb als 'Dissonanzenkönig' und meint, Wagners Walküren sprengten rücksichtsvoller herein als Goldmarks Amazonen.
Um die UA DIE KÖNIGIN VON SABA am Wiener Hoftheater muss G. jahrelang ringen. Nach dem Börsenkrach von 1873 geht es den Theatern schlecht. Die Hofoper bleibt oft leer, obwohl 1875 Wagner Tannhäuser undLohengrin und Verdi die Aida inszeniert. DIE KÖNIGIN VON SABA bekommt überhaupt nur eine Chance, weil der Oberst Hofmeister Fürst Hohenlohe, zuständig für Theater in Wien, den Hofopern-Intendanten drängt, nach zugkräftigen neuen Stücken Ausschau zu halten. Erstein Wutausbruch des Fürsten stimmt den Intendanten um.
Die Generalprobe ist ein Desaster: Marie Wilt, Star der Hofoper, für die G. die Partie der Sulamith geschrieben hat, ist indisponiert. Doch als sich endlich der Vorhang hebt, verändert sich G.'s Leben: "Das ganze Haus war bis an die Decke voll. Die Wilt, eine Gestalt wie die einer verunglückten Kartoffel, aber mit einer der herrlichsten Stimmen, hatte gleich mit ihrer ersten Szene 'Der Freund ist dein...' frenetischen Applaus. Der Bann war gebrochen, die Stimmung hergestellt, alle Künstler kamen ins Feuer. Es war ein voller Erfolg".
Goldmark bekennt freimütig: "Ich war nie im Orient, aber die Intuition half mir darüber hinweg."
Die Handlung der KÖNIGIN VON SABA spielt am Hof von König Salomo in Jerusalem. Titelheld ist nicht Salomo, sondern die Königin von Saba, reich erotisch und sehr eigensinnig. Sie verführt heimlich den jungen Assad, der von Salomo als Botschafter an ihren Hof gesandt worden war, leugnet aber in der Öffentlichkeit ihn zu kennen. Assad ist mit der frommen Sulamith verlobt. Er zerbricht an dem erst brüsk ablehnenden und dann wieder verführerisch fordernden Verhalten der Königin. In Melancholie und Treauer versunken, bleibt dem unglücklich Verliebten schlussendlich nur der Liebestod: das Dahinschwinden mit einem Lächeln auf den Lippen, das Zelebrieren einer einsamen Liebe im Tod.
Zwischen 1875 und 1937 wurden allein in Wien 277 Vorstellungen der KÖNIGIN VON SABA gegeben; Strauss und Mahler haben sie oft und gern dirigiert.
Den Welterfolg mit der Königin von Saba kann Goldmark mit keiner seiner weiteren 6 Opern wiederholen, doch er wird ein gefragter Lehrer, sitzt in wichtigen Jurys, verkehrt mit allen führenden Musikern seiner Zeit und inszeniert Aufführungen seiner "Königin" in ganz Europa.
In Freiburg hatte die Königin von Saba am 18. April 2015 Premiere. Meine Frau und ich werden die Aufführung dort am 14. Mai besuchen. Wir sind sehr gespannt. Ich werde berichten.

lysiart