Beiträge von Knulp

    Sehr interessant. Danke für den Thread. Danke auch für den Link zur in der Tat sehr informativen Einführung. Erste Gedanken:


    Altes Thema: Ist das noch Musik?

    Spontan nahm ich an, die zu sehenden Noten stammten von Ligeti. Stimmt nicht, siehe den vorherigen Beitrag.

    Der Klang und die Musik selbst klingt sehr alt. Witzig, dass "moderne" elektronische Musik aus den 50ern des letzten Jahrhunderts schneller altert als z. B. Barockmusik.

    Schön ist das nicht.

    Wäre interessant, das mit modernem Equipment neu einzuspielen.

    Witzig ist das Stück auch nach Ligeti bzw. es enthält Humor, siehe die Einführung.

    Klingt ein wenig nach C3PO unterhält sich mit R2D2.

    Artikulation: Sprache von Maschinen ohne Worte.

    Ingenieurs-Kram ohne Sinn für den Sinn von Musik.

    Quadrophenia.


    Bei mir heute 106. Die Sinfonia hat in dieser Aufnahme einen extrem ansteckenden Drive (sängerisch sind andere besser).

    Es gibt dazu eine Parallele in der Rechtstheorie: Ist alles Normierte Recht? So die reine Rechtslehre. Oder ist nicht Recht, was zwar normiert ist, aber gegen übergeordnete (Rechts)Sätze verstößt und daher unerträglich unmoralisch ist: gesetzliches Unrecht?

    Das Umfeld und das Vorfeld müssen dann von Haydns Werk aus rückblickend begutachtet werden, insbesondere, da Haydn für die folgende Entwicklung die entscheidende Erscheinung war.


    Was ich so improvisierend als "vorklassisch" erwarten würde, wäre eine Hervorhebung der gesanglichen Oberstimme, ein Vorhandensein von Vorstufen eines klass. Sonatenhauptsatzes also eine Art Zäsur bei Erreichen der Dominanttonart im ersten Teil und beim Erreichen der Grundtonart im zweiten Teil, oder ein Menuett. Vorform des Streichquartetts sollte wohl 4 mehr oder weniger eigenständige Stimmen aufweisen, wobei eine die Basstimme sein sollte. Polyphonie ist weder Argument für noch gegen Vorklassik.

    Lieber putto,


    vielen Dank für diese Erläuterungen. Diese können der weiteren Klärung dienen, meine ich. Denn aus ihnen wird offenbar, weshalb zum Teil aneinander vorbei gesprochen wird. Wenn ich dich nicht falsch verstehe, argumentierst du hauptsächlich von Haydn her. Das ist sehr gut nachzuvollziehen, ist Haydn doch der Begründer, der Gottvater des Streichquartetts.


    Nur, ist er das wirklich? Richtig ist, dass Haydn der Begründer des klassischen Streichquartetts ist. Wenn du argumentierst wie im zweiten Zitat, verwendest du Elemente der Klassik i. e. S. Das ist wiederum nachvollziehbar, weil die Streichquartettgeschichte mit dem klassischen Streichquartett begann und ein Vor-Streichquartett damit auch vor-klassisch sein muss. Dennoch ist es m. E. sachlich überzeugender, beide Aspekte zu trennen, weil das klassische Streichquartett eben nur eine Teilmenge aller Streichquartette ist. Wenn wir uns, wie in diesem Thread, die Gattung Streichquartett uns seine konstitutiven Elemente vergegenwärtigen wollen, sollten wir uns nicht auf das klassische Streichquartett beschränken.


    Übrigens hat auch Telemann ein Quartett mit der "richtigen" Streichquartettbesetzung geschrieben: TWV 40:200 (allerdings mit Violone statt Cello). Ist bei Goebel mit drauf und ich hatte erwogen, es zu nennen. Leider ist es in meinen Ohren viel weniger hörenswert: Telemann - Sonata à 4 TWV 40:200: I. Affetuoso | QUARTETTO NERO - YouTube

    Nochmals: Die Frage ist, was ein Streichquartett ausmacht.


    Das mag man musikwissenschaftlich untersuchen und es mag darüber musikwissenschaftlichen Konsens geben. Warum sollen wir uns aber nicht trotzdem hier im Forum mit unserem unterschiedlichen Wissen damit beschäftigten? Ist doch interessant, und zwar gerade mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Gattung. Musikwissenschaftlich Ausgebildete sind mit ihrem Wissen hochwillkommen, um uns andere zu bereichern.


    Eine mathematisch exakte Definition lässt sich kaum geben, das hat Mauerblümchen überzeugend gezeigt und darüber scheint Einigkeit zu bestehen.Es liegt dann nahe, sich hier über die wesentlichen Merkmale oder Mindestbedingungen für die Gattung Streichquartett auszutauschen. Die da sind:


    1) Vier Instrumente

    2) Nur Soloinstrumente

    3) Abbildung unterschiedlicher Stimmlagen


    Darüber lässt sich im Einzelnen diskutieren.


    Zu 1: In der Regel handelt es sich um 2 Violinen, Bratsche und Cello. Es kann aber Ausnahmen geben (strittig?). Es handelt sich bei diesen Ausnahmen dennoch um ein Streichquartett, wenn die weiteren streichquartettkonstituierenden Faktoren vorliegen (Stimmt das?)


    Zu 2: Unstreitig, nehme ich an.


    Zu 3: Schwierig wegen der beiden Violinen. Vermutlich eher von der Übertragung der Streichergruppen eines Barockorchesters ins Solistische zu denken (1. Violinen, 2. Violinen, Bratschen, Celli. Hier anknüpfend stellt sich die Frage, weshalb nicht das Streichtrio die führende Gattung der Kammermusik geworden ist. Ginge es zentral um die unterschiedlichen Tonhöhen der Instrumente, hätte es keiner zweiten Geige bedurft. Warum gibt es die also? Um einen vierstimmigen Satz schreiben zu können?


    Lieber Putto, danke für deine bisherigen Beiträge. Mehr als dein Hinweis auf besser geeignete Stücke und auf "Steht im Grove" würden uns hier inhaltliche Aspekte weiterführen.


    Natürlich ist mir bewusst, dass Telemanns hier vorgestelltes Konzert kein Streichquartett nach heutigem Verständnis ist. Ich wollte es gern unterbringen, weil es schöne Musik ist. Außerdem fand ich es reizvoll, sich an diesem Beispiel näher mit der Gattung als solcher zu beschäftigen. Zudem:


    Die Bezeichnung als Konzert, ein sehr allgemeiner Begriff, dürfte wenig aussagen, wenn die Gattung Streichquartett damals noch nicht bestand. So gesehen könnte man auch Streichquartette Haydns als Konzerte bezeichnen. Beides schließt einander kaum aus. Falls ich mich da täusche und es inhaltliche Abgrenzungen gibt, lade ich gern dazu ein, die oben genannten konstitutiven Merkmals insoweit zu ergänzen. Bin gespannt.


    Mein Hörempfinden, erst recht, wenn ich das YouTube-Video sehe, legt bei diesem Quartett im besonderen Maße eine Streichquartett-Ähnlichkeit dieses Konzerts nahe. Wie gesagt: Vier Streicher musizieren, die Merkmale 1 und 2 sind somit gegeben. Nur die Abbildung unterschiedlicher Stimmlagen ist stark eingeschränkt. Ein Gedankenexperiment, das an die oben angesprochenen Transkriptionen anknüpft: Würden die Stimmen 2 und 3 in Stimmen für Bratsche und Cello transkribiert, wäre es dann ein Streichquartett?

    Die Frage ist, was ein Streichquartett ausmacht. Wie gesagt, durch und nach Haydn ist die Gattung gesetzt. Aber davor? Ein Quartett besteht erst einmal aus vier Musikern. Violinen sind Streicher. So weit, so banal. Über das darüber hinaus Gattungsbestimmende nachzudenken, ist reizvoll, meine ich. Das Werk von Telemann lädt dazu ein und passt daher bestens in diesen Thread.


    Vorläufer des Streichquartetts gab es mehrere, vor allem die Triosonate und das Concerto grosso mag man nennen. Entscheidend im Sinne von gattungsstiftend dürfte sein, dass die verschiedenen Streichinstrumente nun solistisch besetzt werden (Geige x2) und dabei das Continuo durch das Cello ersetzt wird. Ergebnis ist die Streichergruppe des Barockorchesters im Kleinen.


    Aus dem letztgenannten Grund halte ich Werke, die als Quartette bezeichnet, aber mit Generalbass gespielt werden, hier für deplatziert und das hier vorgestellte "Concerto" für deutlich "quartettiger", Hier wird solistisch gespielt und werden verschiedene Stimmen und Spielweisen miteinander verflochten im Sinne eines gleichberechtigten Musizierens. Selbstredend ist das gleichberechtigte Spiel nicht voll entwickelt. Das ist es aber auch bei vielen frühen formalen Streichquartetten nicht, wenn ich an manch mickrige Cello-Stimmen denke.


    Es bleibt die nicht wegzudiskutierende Tatsache, dass statt der Streichquartett-Besetzung vier Violinen musizieren. Dazu möchte ich an den Club der toten Dichter paraphrasieren. Vergesst die starren Formvorgaben. Auf den Inhalt kommt es an!

    Ja, in allen Bereichen. Soll sogar im Fußball-Thread vorkommen. Oft scheitert es aber nicht erst an musiktheoretischen und -praktischen Fachkenntnissen, sondern bereits am Lesevermögen. Ich kenne das aus wissenschaftlichen Arbeiten. Zitiert man falsch, lässt sich die Gegenposition viel besser angreifen.

    Empfehlen möchte ich diese CD:


    Goebel hat das Werk ebenfalls eingespielt (auch bei YouTube zu finden):


    oder zum Beispiel hier:

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    Guten Tag, euch allen. Eben habe ich nochmals den Eröffnungsbeitrag gelesen, denn: Was ist ein Streichquartett? Vor Haydn wurde diese Frage sicherlich anders beantwortet als nach Haydn. Kammermusik ohne Generalbass für vier Streicher? Sicherlich. Muss es sich aber um 2 Violinen, eine Bratsche und ein Violoncello handeln? Erst nach Hadn vermutlich. Umso interessanter, den Vorhang in die Musikgeschichte ein wenig weiter hervorzuziehen und ein kleines, unterhaltsames Werk hervorzuholen, das ich für besonders gelungen ansehe, obwohl die Besetzung Langeweile erwarten lässt: 4 Violinen!


    Telemann hat mit der Werkgruppe 40:201 bis 40:203 gleich drei dieser Stücke geschaffen. Datieren lassen sie sich nicht exakt, 1709 bis 1721 lautet die Datierung im Buch von Rampe (Telemann und seine Zeit, Laaber, 2. Aufl. 2017). Rampe schreibt, Telemanns Kammermusik ohne Generalbass gehe auf die Tradition des ein- oder zweistimmigen Instrumentalspiels ohne Begleitung zurück (S. 159). Das ist so allgemein wie zutreffend, weist uns aber darauf hin, dass wir keinen vierstimmigen Satz erwarten dürfen. Ungeachtet dessen ist es bemekenswert, was Telemann aus dieser Formation herausholt. Übrigens steht das ausgewählte Wert TWV 40:203 auch noch in C-Dur. Na, das ist ja mal spannend (Achtung: Ironie).


    Telemanns Musik ist von Schostakowitschs denkbar weit entfernt. Letzte Woche ging in diesem Fadden noch um alles bzw. letzte Dinge. Magenzusammenschnürende, sargnagelnde Todesmusik. Diese Woche darf es entspannter sein. Musik als Freude. Man sehe sich die Musiker:innnen in den YouToube-Videos an. Glückliches Lächeln ruft diese Musik hervor. Das ist sehr viel, meine ich, und wird Telemann, anders als früher, m. E. schon längst nicht mehr vorgeworfen. .


    Die Konzerte und Sonaten für 4 Violinen seien ausschließlich handschriftlich überliefert und mögen als Hausmusik ebenso wie als höfische Musik gelten, schreibt Rampe weiter. Diese Schubladen brauchen wir nicht. Sie besagen wenig und hier gelten die Werke ja sogar als Streichquartette.


    Gerade dieses in C-Dur habe ich ausgewählt, weil ich es für das Schönste und Interessanteste der Gruppe halte. Dabei denke ich nicht nur an die klanglichen Wirkungen, das akkordische Spiel, sondern auch an den dritten Satz, den ich spieltechnisch gewitzt nennen mag.


    Viel Spaß mit Telemann: Quartett für 4 Violinen "Concerto" C-Dur, TWV 40:203.

    Interessante Frage: Hat der Silber- bzw. Plastikscheibenhörer den besseren Überblick oder der Streamende?


    Die Antwort dürfte von der Größe des verfügbaren Angebots abhängen. Selbst in Zeiten meines größten Sammlungsausmaßes (fast alles ist inzwischen verkauft), waren das nur einige Tausend Tonträger (LPs besaß ich zeitgleich maximal zehn). Das Streaming-Angebot ist vielfach größer.


    Meine Erfahrung ist, dass man bei CDs zudem in aller Regel auf das aktuell Beworbene, günstig Angebotene (2001) oder in Zeiten des Erwerbs in einem realen Laden konkret Vorhandene zurückgegriffen hat. Beim Streamen ist auch meine tatsächliche Auswahl größer.


    Klarer Vorteil fürs Streamen, meine ich also. Allerdings schließen beide Hörweisen einander erfreulicherweise nicht aus.

    Für Überheblichkeit ist wenig Platz, scheint mir. Ich erinnere noch gut, wie stolz die Schachspieler, darunter mein Vater, vor einigen Jahrzehten waren, dass ihr Spiel viel zu komplex sei, um von Maschinen gekonnt zu werden. Nur eine Frage der Zeit dürfte es sein, bis Kunstwerke aus dem Bereich der klassischen Musik Beethoven et al. Ebenbürtiges produzieren.