Beiträge von pedrillo

    Also, ich bin nicht aus Wien und vielleicht kein Strauß-Experte - aber schon BArenboim-Fan; ich teile zumindest seine Vorliebe für Josef Strauß. Für mich war dieses Neujahrskonzert schon eine besondere Sache. Was von anderen als "Valium" klassifiziert wurde, hatte für mich eine sehr persönliche, weil teilweise melancholisch-verhaltene Note. Ich denke, dass man sich gerade bei Josef Strauß ruhig ein bisschen Zeit lassen sollte, denn dann kommt so ein wunderbares Stimmungsbild heraus wie Neujahr bei den "Sphärenklängen". Man hat deutlich wie selten heraushören können, warum dieser Walzer so heißt.

    Und, ganz nebenbei: Dieser verhaltene Grundton passt dann auch sehr gut in die Zeit, in der ich ein vorbehaltlos zelebriertes Amüsement als geradezu zynisch empfunden hätte - und dazu passt dann auch Barenboims kurze Ansprache am Ende. Aufgefallen ist mir außerdem die gelassen-entspannte Haltung der Philharmoniker, denen der Gesang bei Ziehrer sichtlich Freude bereitet hat. Für mich eine wirklich runde Sache - das bemerkenswerteste Neujahrskonzert seit Hatnoncourt 2003.

    Jaromir Weinberger: Frühlingsstürme - Komische Oper Berlin, 25.01.2020

    Es ist keine einfache Aufgabe, heute „Frühlngsstürme“ von Jaromir Weinberger aufzuführen. Das liegt nicht etwa an mangelnder Qualität dieser „Operette“ – die Produktion in der Komischen Oper überzeugt den Zuhörer auf glanzvolle Weise vom Gegenteil – sondern an der seltsamen Aufführungsgeschichte dieses Werks: Zehn Tage vor der Machtergreifung der Nazis in Berlin mit Erfolg uraufgeführt, wurden die „Frühlingsstürme“schon wenige Wochen später abgesetzt. Weil der Komponbist, der Librettist und drei der Hauptdarsteller (darunter Richard Tauber) jüdischer Herkunft waren, fiel das Stück gleich der ersten „Säuberungswelle“ der brutalen neuen Machthaber zum Opfer. Danach sind einige Aufführungen zwischen 1946 und 1950 in der damaligen Tschechoslowakei belegt – das war’s bis zum 25. Januar 2020.



    Die Partitur ist verschollen: Es existieren ein Klavierauszug mit verschiedenen Instrumentationshinweisen, ein paar Schellack-Aufnahmen, u.a. mit Richard Tauber, die zu Werbezwecken bereits vor der Uraufführung 1933 in der originalen Orchesterbesetzung aufgenommen wurden, die zum selben Zweck gedruckten „Schlagerhefte“ zuim häuslichen Nach-Musizieren mit Notenmaterial sowie einige wenige Orchesterstimmen.



    Im Programmheft beschreibt der Arrangeur Prof. Norbert Biermann, der 2017 von Intendant und Regisseur Barrie Kosky mit der aufführungsgerechten Rekonstruktion der „Frühlingsstürme“ beauftragt worden war, diesen Prozess spannend wie ein Krimi. Das Endprodukt enthält – so Barrie Kosky – 85 % „reinen Weinberger“ sowie ein paar Zutaten, die aus Weinbergers Themenmaterial von Biermann auf Wunsch des Regisseurs neu arrangiert bzw. komponiert wurden – neben einigen Tanzeinlagen vor allem ein Quartett für die vier Solosänger im ansonsten musikarmen dritten Akt, das sein Themenmaterial aus einem Liebesduett im ersten Akt ( „Frühling in der Mandschurei“) schöpft und dem Stück einen wehmütig-elegischen Ausklang verschafft.



    Was für eine Musik!!Weinberger, u.a. von Ulrich Schreiber in seiner Besprechung des Erfolgsstückes „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ des Ekektizismus und der Oberflächlichkeit bezichtigt, zeigt sich in den „Frühlingsstürmen“ als ein wahrhaft kosmopolitischer Hansdampf in allen stilistischen Gassen der damaligen Zeit. Mit Schwung und Inspiration gibt er der Operette, was der Operette ist: Tango, Foxtrott und Anklänge an Jazz durchziehen das Werk ebenso wie ganz andere, ernste Töne. - Anklänge an Puccini, Strauss oder Schreker. Stets haben seine auch durch sein ur-tschechisches Musikantentum geprägten melodischen Einfälle Originalität, Stil und Schwung. Die Partitur enthält durchaus einige Nummern, die das Zeug zum Ohrwurm und Schlager haben wie „Nimm mich nach China mit…“, „Man sieht sich einmal, man sieht sich zweimal…“, „Wann soll man küssen…“ oder auch die für Richard Tauber geschriebene Romanze „Du wärst die Frau für mich gewesen“. Dass sie es (noch) nicht sind, liegt nach meinem Dafürhalten weniger daran, dass sie – wie mancherorts zu lesen – für ein Operettenpublikum zu komplex und zu wenig eigängig wären – sodern viel eher daran, dass die Geschichte diesem Stück bis heute den Ehrenplatz und damit die Popularität verweigert hat, die es längst verdient.



    Worum geht es in den „Frühlingsstürmen“? Das Stück ist im japanisch-russischen Krieg von 1904 angesiedelt, schon dies bemerkenswert: Zwar ist der Krieg als Folie für die Operette schon seit Offenbach („Die Großherzogin von Gerolstein“) und Strauß („Der Zigeunerbaron“) nicht selten; hier aber wählten die Autoren jedoch eine reale kriegerische Auseinandersetzung, die im Gedächtnis des Publikums noch sehr präsent war, auch weil es 1932 erneut zur Besetzung der chinesischen Mandschurei durch japanische Truppen kam. Genau dort spielt die „Operette“ und erzählt eine bewegte und nicht glücklich endende Liebesgeschichte zwischen einer russischen Generalswitwe und einem japanischen Offizier, der sich, als chinesischer Diener verkleidet, im Hauptquartier der russischen Truppen aufhält. Er wird enttarnt, verhaftet und doch auf Bitten seiner Geliebten – freigelassen vom russischen General Katschalow, der auch ein Auge auf die Dame geworfen hat. Diese tragende Rolle ist von den Autoren als reine Sprechrolle angelegt – auch dies eine Besonderheit des Stückes, dass im übrigen ohne Chor und große Ensembles auskommt. Zum Ausgleich für den großen Umfang der Sprechszenen hatte sich Barry Kosky mit untrüglichem Theaterinstinkt von Norbert Biermann zusätzliche Tanzeinlagen gewünscht, die von einem zwölfköpfigen Damen-Ensemble mit viel Temperament (Choreografie: Otto Pichler) und in auffällig-vielfältigen Kostümen (Dinah Ehm) absolviert werden.



    Barrie Kosky sieht Weinbergers Werk im Kontext der „zweiten Berliner Operette“ der zwanziger Jahre, der er – vor allem durch seine Aufführung des „Ball im Savoy“ von Paul Abraham (uraufgeführt nur wenige Wochen vor den „Frühlingsstürmen“) - ganz neue Beachtung und Geltung verschafft hat. Seine Inszenierung ist nun geradezu ganz „klassisch“ zu nennen, vorzüglich ausbalanciert zwischen den ernsten Handlungsmomenten, den dezent eingestreuten Showelementen und dem pfiffigen Klamauk des Buffo-Paares, das anders als die beiden Protagonisten am Ende ein Happy-End erlebt. Den Werkstattcharakter der Produktion betont vor allem das Bühnenbild (Klaus Grünberg): Eine überdimensionale Holzkiste mit beweglichen Wänden und vielen Türen beherrscht die Drehbühne und vermittelt immer neue Einsichten und Perspektiven. In diesem Ambiente kommt Kosky mit wenigen Versatzstücken und Requistien aus, für das Hauptquartier der rusischen Truppen, für die Hinterzimmer des Ballsaals (den Ball selbst bekommen wir nicht zu sehen) und auch – versehen mit einer slapstick-fähigen Drehtür – das Foyer des Hotels in San Remo, wo der dritte Akt anlässlich der Friedensverhandlungen nach dem Krieg spielt.



    Musikalisch ist das Werk beim groß besetzten Orchester der Komischen Oper unter der Leitung von Kapellmeister Jordan de Souza in den besten Händen. Er bringt die buffonesken und tänzerischen Elemente der Partitur ebenso griffig zum Klingen wie die spätromantisch-lyrischen Passagen. Die Sprechrolle des Generals Katschalow ist dem Schauspieler Stefan Kurt glänzend besetzt. Kosky hat ihm ein paar geradezu herzzerreißend komische Auftritte inszeniert, die aber nie dazu führen, dass der Figur ihre Würde genommen wird. Mit dezenter Ironie kommentiert der Regisseur die Liebesduette – etwa, wenn die Liebenden von einem Wald von Federfächern umhüllt werden, den die Tänzerinnen tragen. Vera-Lotte Böcker gibt die verführerische russische Gräfin und überzeugt als leidenschaftlich Liebende eher denn als männermordende Grand-Dame, die sie dem Libretto nach auch ist – ein bisschen zumindest.



    Rundum überzeugend auch das Buffo-Paar: Alma Sadé als rotzfreche Generalstochter und Dominik Köninger als deutscher Skandaljournalist in ständig wechselnden Verkleidungen zelebrieren die Duett-Couplets mit Charme, Temperament und stimmlichem Glanz.



    Die Richard-Tauber-Rolle des japanischen Offiziers Ito übernimmt schließlich Tansel Akzeybek. Als rein lyrischem Tenor fehlt ihm natuigemäß das Feuer und der Glanz, den Tauber selbst auf der oben angesprochenen Schellack-Aufnahme (anzuhören bei youtube) verströmt. Er gleicht das aus durch musikalische Sorgfalt und glänzende Technik – außerdem überzeugt er – wie alle außer Vera-Lotte Böcker – durch geradezu vorbildliche Textverständlichkeit. Besonders zu loben sind die Sänger außerdem für die Souveränität und schauspielerische Qualität, mit der sie die zahlreichen Dialogszenen absolvieren. Von dem aus früheren Operetten- und Spielopernaufführungen bekannten und beklagten heulenden Singsang, mit dem Opernsänger sich ehemals durch Sprechszenen quälten, ist hier nichts mehr übrig. Man merkt, hier sind Spezialisten am Werk.


    .
    Obwohl schon eine ganze Reihe Kritiken zur Premiere erschienen sind, die die Qualitäten der Aufführung teilweise treffend schildern und zusammenfassen, habe ich mich doch dazu entschlossen, meine Eindrücke ausführlich wiederzugeben – nicht zuletzt, um auch den Leserinnen und Lesern hier Appetit zu machen auf diese wahrhaft spektakuläre Neuentdeckung und eine herzerfrischend originelle Produktion!




    PS: Einen Eindruck verschaffen kann man sich bei Operavision durch den dort (oder bei Youtube) bereitgestellten Liverstream der Premiere. Die nächsten Aufführungen sind am 08., 13., 23. Februar sowie 01., 12., 28. und 31. März – teilweise in anderer Besetzung.


    Ähnlichkeiten zu früheren Jahren sind durchaus beabsichtigt:


    1. Mozart: Cosi fan tutte
    2. Mozart: Die Hochzeit des Figaro
    3. Verdi: Die Macht des Schicksals
    4. Janacek: Jenufa
    5. Verdi: Don Carlos
    6- Mozart: Die Entführung aus dem Serail
    7. Janacek: Das schlaue Füchslein
    8. Verdi: La Traviata
    9. Mozart: Idomeneo
    10. Verdi: Rigoletto
    11. Tschaikowsky: Eugen Onegin
    12. Dvorak: Rusalka
    13. Janacek: Die Sache Makropulos
    14. Händel: Xerxes
    15. Verdi: Ernani


    Dann zählt mal schön!

    KOmische Oper Berlin

    Morgen wird der Spielplan der Komischen Oper Berlin veröffentlicht, aber die ganz Neugierigen - so wie ich - finden zumindest die Premierenliste jetzt schon unter diesem link:


    https://www.komische-oper-berl…ische-oper-festival-2020/


    finden. Auffällig, dass es fünf Opernpremieren und diesmal nur eine Operette gibt. Mutig, gleich zweimal auf Jaromir Weinberger zu setzen; ein "Weinberger-Festival" wird es auch geben.


    Bezüglich "The Rake's Progress" bleibt zu hoffen, dass der Hausarrest für Kirill Serebrennikov 2020 aufgehoben ist.


    Dass Kosky die 2012 selbst verhängte Verdi-Sperre aufhebt, freut mich. Allerdings hätte es vielleicht nicht schon wieder La Traviata sein müssen; die Neuenfels-Inszenierung von 2008 schien mir weniger abgespielt als Koskys eigener Rigoletto von 2009, der wohl wieder aufgenommen wird.


    Insgesamt scheinen mir weniger tragende Rollen aus dem Ensemble heraus besetzt zu sein als zuvor, so bei Händels Jephtha und bei "Schwanda, der Dudelsackpfeifer". Vor allem muss das Haus den internen Tenormangel überbrücken mit Namen, über die ich in aller Regel nichts weiß: Kresimir Spicer (Jephta), Sean Panikkar (Dionysos in den "Bassariden"), Ivan Magri (Alfredo)... Tansel Akzeybek tritt zweimal an, ebenso wie Bariton Günter Papendell, aber alles können die eben auch nicht singen..


    Wieder aufgenommen werden neben dem erwähnten Rigoletto vermutlich auch Don Giovanni, Jewgeni Onegin, Semele (Händel), die Bohème aus dieser Spielzeit und Pelleas und Melisande - bis auf Don Giovanni alles Kosky-Inszenierungen. Hinzu kommen vermutlich die Kassenknüller Zauberflöte und My fair Lady und die eine oder andere Operette. Bei der West Side Story dürfte es wieder eine Frage der Verlängerung der Rechts sein...


    Der ganze Spielplan müsste jedenfalls am Mittwoch online sein...

    Dises Ranking ist eine echte Herausforderung. Na, die ersten vier oder fünf sind einfach, aber dann fällt einem doch auf, dass man dauernd Äpfel und Birnen vergleicht...Tatsächlich fiel mir das auch bei den Solonummern leichter....Nun denn, versuche ichs mal so:


    1 Verdi: La Traviata - Duett Violetta/George Germont, 2. Akt
    2 Mozart: Die Hochzeit des FIgaro - Duett Susanna/Gräfin, 3. Akt
    3 Mozart: Cosi fan tutte -Duett Fiordiligi/Dorabella, 2. Akt
    4 Verdi: Die Macht des Schicksals - Duett Leonore/Pater Guardian, 2. Akt
    5 Janacek: Jenufa - Schlussszene Jenufa/Laca
    6 Verdi: Rigoletto - Duett Gilda/Rigoletto - 1. Akt
    7 Giordano: André Chenier - Finalduett Maddalena/Chenier
    8 Mozart: Lucio Silla - Friedhofsszene Giunia/Cecilio - Finale 1. Akt
    9 Dvorak: Rusalka - Schlussszene Rusalka/Prinz
    10 Verdi: Don Carlos - Duett Posa/Philipp - Finale 2. Akt (1. Akt in der italienischen Fassung)
    11 Verdi: Simone Boccanegra - Duett Simone/Fiesco Prolog
    12 Verdi: Simone Boccanegra - Duett Simone/Fiesco 3. Akt
    13 Mozart: Die Entführung aus dem Serail - Duett Konstanze/Belmonte 3. Akt
    14 Puccini: Manon Lescaut - Duett Manon/Des Grieux 2. Akt
    15 Bellini: Die Puritaner - DUett GIorgio/Riccardo 2. Akt
    16 Massenet: Cendrillon - Duett Lucette/Le prince charmant - 2. Akt
    17 Verdi: Don Carlos - Duett Elisabeth/Carlos - 5. (4.) Akt
    18 Mascagni: Cavalleria rusticana - Duett Santuzza/Turridu
    19 Mozart: Cosi fan tutte - Duett Fiordiligi/Dorabella 1. Akt
    20 Donizetti: Lucia di Lammermoor - Duett Lucia/Edgardo 1. Akt




    Geschafft! In ein paar Tagen allerdings könnte die LIste schon wieder ganz anders aussehen....

    La Bohème an der Komischen Oper Berlin - Aufführungen am 27. 01. (Premiere) und 08.02.2019

    Nun hat er’s auch getan: Wie alle seine Vorgänger an der Komischen Oper Berlin, Chefregisseure oder Intendanten, hat sich auch Barrie Kosky seine „Bohème“ gegönnt. Puccinis Dauerbrenner gehört – weltweit sowieso, aber auch an diesem Haus zu den meistaufgeführten Stücken überhaupt: Allein die legendäre Inszenierung von Harry Kupfer brachte es zwischen 1982 und 2006 auf mehr als 350 Aufführungen.



    Die neue „Bohème“ ist ein echter Kosky geworden: Handwerklich und ästhetisch souverän und gut durchdacht, mit einer Kosky-Freakshow in abgeschwächter Form im zweiten Bild und mit einer hübschen szenischen Klammer: Der Regisseur belässt die Handlung im Paris des 19. Jahrhunderts, etwa zu der Zeit, als Daguerre die ersten fotografischen Apparate erfand: Sein Marcello ist ein experimentierender Fotograf. Oft harren die Figuren in bestimmten Posen lange aus (Guter Trick für die Arien!), auch das Bühnenbild (Rufus Didwiszus) besteht aus verblichenen Fotoplatten, im zweiten und dritten Bild begrenzen altmodisch-verwaschene Fotowände die Szenerie. Das alles ist hinreichend originell, ohne dem Stück Gewalt anzutun.



    In der Charakteristik der Figuren bleibt Kosky dann doch deutlich hinter Kupfer und eigentlich auch hinter Homoki (2008) zurück: Diesen beiden Regisseuren war der soziale Kontext der Handlung, die Trennlinien zwischen den sorglos dahinlebenden Bohemiens einserseits und den eher dem Proletariat zuzuordnenden Frauen andererseits, wichtig. Mimi stirbt auch an der sozialen Kälte ihrer Umgebung. Auch sahen beide insbesondere Rodolfo eher kritisch, der „Mimi verlässt, weil er ihre Krankheit nicht erträgt“ (Homoki) – „Rudolf kompensiert die Trennung von MImi dadurch, dass er den zweifellos echt empfundenen Schmerz auch gleichzeitig als das nun einmal notwendige Leiden genießt - eine ungeheure Brutalität gegenüber dem wirklich leidenden Menschen“ (Kupfer).



    Kosky mag so tief nicht schürfen; er erzählt das Stück einfach als eine Geschichte über junge Menschen, die unverhofft mit dem Tod konfrontiert werden und dieser Herausforderung letztlich nicht gewachsen sind; er fühlt mit ihnen, verurteilt nicht. Dem ganzen Abend ist das Bedürfnis anzumerken, es nicht nur dem „klassischen“ Opernpublikum recht zu machen sondern insbesondere jungen Zuschauern Möglichkeiten zur Identifikation und Anteilnahme zu bieten. Das wirkt dann ein bisschen beliebig, ist aber immerhin flüssig und gänzlich kitsch-frei inszeniert.



    Vor allem in diesem Punkt ist sich Kosky offenbar ganz einig mit dem Dirigenten Jordan de Souza gewesen. Der bietet eine straffe, kraftvolle Interpretation, die sich mit leisen Tönen noch schwer tut und insbesondere in der Premiere am 27. Januar dynamisch ein bisschen aus dem Ruder läuft: So laut war Bohème wohl selten. Offenbar hat man nachjustiert – in der dritten Aufführung war der Eindruck unvergleichlich günstiger.



    Das allerdings hatte auch wesentlich mit der Umbesetzung einer Hauptrolle zu tun: Weil der für die Premiere vorgesehene Tenor erkrankte, übernahm die eigentliche Zweitbesetzung die Partie des Rodolfo: Jonathan Tetelman besitzt eine klangvolle, in der Höhe gar strahlende Tenorstimme, die viel besser zur Geltung käme, wenn er nicht dauernd die Spitzentöne maximal herausdrücken würde. Viel mehr scheint ihn nicht zu interessieren. Den ganzen Abend hört man keinen leisen Ton von ihm, und das geht schließlich zulasten seiner Partner: Dass das Zusammenspiel mit der Mimi von Nadja Mchantaf so holprig und verkrampft gerät, mag der kurzen Probenzeit für den Einspringer geschuldet sein; dass er aber den Marcello von Günter Papendell im Duett im vierten Bild in Grund und Boden singt, ist nicht nur stillos sondern schon geradezu unkollegial. Diese beiden (Mchantaf und Papendell) können viel mehr als sie in der Premiere zeigen konnten; sie sind ein bisschen Opfer einer tour de force, die Tenor und Dirigent da anzetteln.



    Zwei Wochen später ein völlig anderer Eindruck: Jetzt ist Gerard Schneider gesund und am Start, und alles klingt ganz anders: Schon wie er seine erste Arie behutsam angeht und ganz unverkrampft aus dem Text entwickelt, ehe die Stimme dann zu leuchten beginnt: Da stellt sich sofort das „So-muss-das-klingen“-Gefühl ein – es hält den ganzen Abend an. Jetzt blüht auch die Stimme von Nadja Mchantaf auf; sie traut sich die leisen Töne zu; sie zeigt eine viel größere stimmliche Bandbreite als in der Premiere. Sie verzichtet ganz auf unnötiges Forcieren, und weil sie – am Haus längst bekannt – eben auch eine glänzende Schauspielerin ist, geraten vor allem die Szenen mit Rodolfo/Schneider zu beglückenden und bewegenden Ereignissen.



    Alle Sänger – neben Papendell noch Vera-Lotte Böcker (Musette), Philipp Meierhöfer (Colline) und der junge Daniel Foki (Schaunard), offenbar ein wirklich vielversprechendes Talent, wirken viel entspannter und gleichzeitig konzentrierter als in der Premiere, und auch das Orchester schiebt sich nur noch ganz vereinzelt zu massiv vor die Singstimmen. So gelingt eine stimmige und bewegende dritte Aufführung – schade, dass der ins Netz gestellte Livestream die Premiere zeigt. Und schade auch, dass die Besetzung Mchantaf/Schneider in dieser Spielzeit nur noch zweimal zu erleben ist: am 17. und 30. März.

    Zur Diskussion, was das Ranking genau ausdrücken soll: Ja, es ging mir darum, welche Opern man ZUR ZEIT als SEINE liebsten einstuft. Das kann natürlich von aktuellen Aufführungen beeinflusst sein, muss aber nicht. Es geht auch nicht um die Wichtigkeit oder welche Opern man als die größten Werke einstufen würde, sondern um eine rein subjektive und temporäre Momentaufnahme.

    Ja, so hatte ich das seinerzeit auch verstanden, und so stelle ich die Liste auch zusammen: Dabei sind die ersten zehn Plätze ziemlich fest vergeben, weil sich in mehr als 40 Jahren doch einige "Größen" festsetzen. Der Rest ist dann so etwas wie die "Auswertung" des zurückliegenden Opernjahres und enthält in der Regel Stücke, die mich in den letzten Monaten auf der Bühne besonders beeindruckt haben.


    Ein bisschen bedenklich finde ich allerdings die starke Konzentration von Verdi/Mozart/Wagner (9 der ersten 10 und 23 der ersten 50), auch wenn ich selbst - bezüglich der zwei Erstgenannten - daran deutlich beteiligt bin. Es verdeutlicht allerdings, dass sich die Vorlieben unter den Capricciosi gar nicht so sehr von denen des Opernpublikums im allgemeinen unterscheiden...Und, ehrlich gesagt: Das sind nun einmal lauter wunderbare Opern, oder?


    Vielen Dank jedenfalls auch von mir an Amaryllis für die Initiative und die erkenntnisreiche Aufbereitumg! Auf ein Neues anno 2019!

    Abraham: Viktoria und der Husar - konzertant an der Komischen Oper Berlin (23.12..18)

    „Mausi – süß warst Du heute Nacht“ – einer der markantesten Hits in Paul Abrahams angejazzter Operette „Viktoria und der Husar“, die 1930 ihre umjubelte Uraufführung am Berliner Metropol-Theater erlebte. Just dort befindet sich heute die Komische Oper, und die quietschbunte Personnage der Operette kehrt für zwei „konzertante“ Aufführungen an den Ort der Uraufführung zurück.



    Wenn Alma Sadé und Peter Renz sich mit Pfiff und Verve tanzend, blödelnd und singend durch diesen Schlager lachen, gerät das Publikum angesichts dieser Kaskade der Ausgelassenheit seinerseits aus dem Häuschen. Hier erweist sich die Berliner Operette, ein Lieblingskind des Intendanten Barrie Kosky, als geradezu unverwüstlich. Der ungarische Graf (Renz) und sein japanisches Mädel aus Yokohama räumen mächtig ab – eine Explosion der guten Laune, fünf Minuten, die allein die ganze Veranstaltung lohnen.



    Das eigentlich titelgebende Paar, die Gräfin Viktoria (Vera-Lotte Böcker) und ihr ungarischer Rittmeister (Daniel Prohaska) kann da, schon rollenbedingt, nicht so ganz mithalten. Beide sind gesanglich untadelig, sie in der Höhe ein bisschen angestrengt, er mit schönem Tenorschmelz. Doch nehmen sie das „konzertant“ ein bisschen zu wörtlich, bleiben distanziert und immer sehr ernsthaft. So ganz ohne ironisches Augenzwinkern wirkt Abraham ein bisschen wie schwächerer Lehar – deshalb zünden auch die Tophits wie „Nur ein Mädel gibt es auf der Welt“ oder „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“ nicht ganz so wie die buffonesken Einlagen, für die auch die Darsteller des dritten Paares (Marta Mika und Daniel Foki) mit etwas dezenter ausgespieltem Temperament verantwortlich sind. Beide gehören dem Opernstudio an – da imponiert die Souveränität, mit der sie ihre Gesangs- und Tanzeinlagen servieren.



    Vielleicht hätten sich Böcker und Prohaska auch einfach ein bisschen von dem selbstironischen Understatement des Grandseigneurs Gerd Wameling abschauen können, der mit Charme und Präzision als Moderator durch den Abend führt – diese Art, die ausufernden Dialoge der Vorlage zu ersetzen, hat sich schon in den Vorjahren bei der konzertanten „Weihnachtsoperette“ an diesem Haus bewährt.Er übernimmt gleichzeitig die Rolle des amerikanischen Botschafters, der erst als betrogener Gatte und dann als deux ex machina zum guten Ende auftritt. Dabei hat er sogar einige Takte zu singen – was er auch mit noblem Anstand und leichtem Augenzwinkern erledigt.



    Was die ganze Veranstaltung aber insgesamt zum rauschenden Erfolg macht, sind Chor und Orchester unter Leitung des hellwachen, mit allen Wassern gewaschenen Stefan Soltesz – ein Routinier im allerbesten Sinn des Wortes.Mit Temperament und Präzision führt er die Beteiligten durch den aufregenden Abraham-Stilmix zwischen Wiener Walzer, ungarischen, russischen und japanischen Exotismen und jazzigen Tanzrhythmen. Ja, die ganze Veranstaltung lässt so ein bisschen den Geist der auch kulturell so bewegten Zeit vor 1933 spüren, die dann – wie auch die Karriere Paul Abrahams – ein jähes Ende fand.



    Die „Weihnachtsoperette“ wird traditionell nur zweimal gespielt – die zweite Vorstellung am 30.12. ist so gut wie ausverkauft. Die gute Nachricht: Am 13. Januar 2019 gastiert die Komische Oper mit „Viktoria und der Husar“ in der Kölner Philharmonie – unbedingt empfehlenswert!!

    Na, dann will ich auch nochmal die 18'er Liste abschicken - obwohl sie der 17'er doch deutlich ähnlich ist....


    1 Mozart: Cosi fan tutte
    2 Verdi Die Macht des Schicksals
    3 Janacek: Jenufa
    4 Mozart: Die Hochzeit des FIgaro
    5 Verdi: Don Carlos
    6 Mozart: Die Entführung aus dem Serail
    7 Janacek: Das schlaue FÜchslein
    8 Verdi: La Traviata
    9 Mozart: Idomeneo
    10 Verdi: Rigoletto
    11 Schreker: Die Gezeichneten
    12 Janacek: Die Sache MAkropulos
    13 Massenet: Cendrillon
    14 Händel. Xerxes
    15 Dvorak: Rusalka


    Viel Spaß beim Auswerten! Ich bin gespannt...

    Komische Oper Berlin - Spielplan 18/19

    Einen Tag nach der Pressekonferenz ist auch der Spielplan 18/19 der Komischen Oper Berlin online zu finden, derzeit noch etwas mühsam. Man muss den Pressebereich anklicken, dort unter "Aktuelle Mitteilungen" den Bereich "Spielzeit 2018/19". Dort ist das neue Spielzeitheft zu finden.


    Ein paar Überraschungen sind auch diesmal wieder dabei. Mit einer neuen "Bohème" hatte ich nicht unbedingt gerechnet, aber Barrie Kosky möchte eben auch mal eine machen. Eine Uraufführung liegt an: "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" nach FRiz Langs Film, eine Oper von Moritz Eggert. Kosky inszeniert auch, musuikalischer Leiter ist der neue GMD Ainars Rubikis, der mit zwei Premieren (außerdem "Die tote Stadt"/Inszenierung Robert Carsen), drei Symphoniekonzerten und vier Wiederaufnahmen mächtig loslegen soll.


    Zwei Premieren bekommt auch Kapellmeister Jordan de Souza, neben der Bohème auch "Candide" von Bernstein (Regie: Kosky).


    Ein Coup ist Kosky mit der Rückkehr von Harry Kupfer gelungen, der die (mir bisher unbekannte) Oper "Poro" von Händel inszeniert.


    Alles in allem wieder ein mutiger Entwurf, wobei sich der Schwerpunkt in der nächsten Spielzeit stärker in Richtung des leichteren Fachs verlagert: Neben 10 Opern und 2 Kinderopern gibt es je 4 Operetten und Musicals; auch "West Side Story" kommt nochmal.

    Nochmal Die Gezeichneten in Berlin

    Letztlich wirkt die Inszenierung (wie einiges von Bieito in letzter Zeit) halbfertig, oft nur arrangiert, gelegentlich sogar statisch.

    Dieser Eindruck ist in vielen Kritiken wiedergegeben worden und trifft im ersten Akt auch nach meinem Dafürhalten zu. Irgendwo stand auch, bei diesem Stück sei der Regisseur ständig in der Gefahr, "entweder zu viel oder zu wenig" zu tun.Dann ist mir persönlich zu wenig lieber als zu viel. Außerdem tappt Bieito hier in eine selbstgestellte Falle, denn das was er zum Rahmenthema macht (organisierter Kindesmissbrauch) ist - schon aus rechtlichen Gründen - praktisch real nicht darstellbar. So erklären sich die Video-Projektionen und die Spielzeugwelt im dritten Akt.


    Gleichwohl hat mich die Aufführung (es war die zweite) insgesamt sehr überzeugt, szenisch vor allem im dritten Akt, da die Intensität der finalen Auseinandersetzung zwischen den drei Protagonisten vor der gespenstisch anmutenden Spielzeugeisenbahn den Rahmen in den Hintergrund treten lässt.


    Dass die beiden Aktivposten der Aufführung Michael Nagy und Stefan Soltesz (+ Orchester) heißen, habe ich allerdings genauso empfunden. Die szenische Magerkost am Anfang wird durch das in unzähligen Farben schillernde und dabei immer sehr transparente und gut ausbalancierte Orchesterspiel mehr als aufgewogen.


    Die Kürzungen sollen vor allem den dritten Akt betreffen. Weil ich das Stück zuvor noch nie gesehen hatte und nur eine vor Urzeiten entstandene und vor vielen Jahren gehörte Rundfunkaufnahme kenne (Zillig/ Lear, Krebs, Stewart), ist mir derlei nicht aufgefallen.


    Insgesamt ist die Aufführung jedenfalls hörens- und trotz der von Zwielicht angesprochenen Mängel - auch sehenswert.

    Na, dann will ich mich auch mal an einer Liste versuchen. Ist (natürlich) eine Momentaufnahme und fällt wohl eher konventionell aus:


    1 Mozart: Die Hochzeit des Figaro: "De vieni, non tardar..." Susanna, 4. Akt ("Rosenarie")
    2 Mozart: Cosi fan tutte: "Per pieta, ben mio, perdono.." Fiordiligi, 2. Akt
    3 Mozart: Die Hochzeit des Figaro: "Dove sono i bei momenti" - GRäfin, 3. Akt
    4 Mozart: Idomeneo:(Wiener Fassung): "Non temer, amato bene...", Idamante, 2. Akt (Einlagearie KV 490)
    5 Mozart: La clemenza di Tito: "Non piu di fiore, vage catene" - Vitellia, 2. Akt
    6 Janacek: Jenufa "Das ist die Stube meiner Mutter...Ave maria" Jenufa 2. Akt
    7 Verdi: Die Macht des Schicksals:"Madre, pietosa vergine" Leonore, 2. Akt
    8 Mozart: Idomeneo : "Fuor del mar" Idomeneo, 2. Akt
    9 Verdi: Otello, Lied von der Weide und Ave Maria - Desdemona, 4. Akt
    10 Rossini: Otello: Lied von der Weide und Preghiera - Desdemona, 3. Akt
    11 Janacek: Das schlaue Füchslein : Schlussmomnolog des Försters, 3. Akt
    12 Smetana: Die verkaufte Braut: "Ach, tut das weh..." Marenka, 3. Akt
    13 Verdi: Don Carlos : "Ella giammai m'amo.." - Philipp, 4. Akt
    14 Dvorak: Rusalka, Lied an den Mond, Rusalka, 1. Akt
    15 R. Strauss; Der Rosenkavaler: "Da geht er hin...", Marschallin, 1. Akt
    16 Verdi: Rigoletto: "Cortigiani, vil razza dannata" - Rigoletto, 2. Akt
    17 Mozart: Il re pastore: "L'amero, saro costante" Aminta, 2. Akt
    18 Donizetti: Lucia di Lammermoor: "Regnava del silenzio" Lucia, 1. Akt
    19 Verdi: Simone Boccanegra: "Il lacerato spirito" Fiesco, Prolog
    20 Tschaikowsky: Eugen Onegin: "Wohin seid ihr entschwunden" Lenski, 2. AKt


    Puuh, ganz schön anstrengend - und eigentlich fallen mir sofort noch ein paar andere ein, die da reingehört hätten - egal, ist buchstäblich eine MOmentaufnahme.
    Viel Spaß beim Auswerten - ich bin mal gespannt...

    Fast hätte ichs vergessen. Hier mein Beitrag:


    1 Mozart: Cosi fan tutte
    2 Verdi: Die Macht des Schicksals
    3 Janacek: Jenufa
    4 Mozart: Die Hochzeit des Figaro
    5 Verdi: Don Carlos
    6 Mozart: Die Entführung aus dem Serail
    7 Janacek: Das schlaue Füchslein
    8 Verdi: La Traviata
    9 Mozart: Idomeneo
    10 Verdi: Rigoletto
    11 Dvorak: Rusalka
    12 Tschaikowsky: Eugen Onegin
    13 Debussy: Pelleas und Melisande
    14 Händel: Xerxes
    15 Smetana: Die verkaufte Braut


    Wenig Veränderung. 2017 war kein so tolles Opernjahr...

    Wiederaufnahme - Aufführung am 14. Januar 2017

    Ob und wann es einen neuen Generalmusikdirektor an der Komischen Oper Berlin gibt, ist wohl nach wie vor unklar; erst recht weiß man nicht, wer das sein wird. Durch den Eklat um Antonello Manacorda - der Intendant wollte ihn, das Orchester nicht - ist die Suche gewiss nicht einfacher, vor allem, weil dieser DIsput öffentlich ausgetragen und von ein paar der üblichen Verdächtigen auf der Journalistenszene verantwortungslos angeheizt wurde....


    Kommen wir zu Erfreulicherem, denn einen neuen Kapellmeister gibt es schon: Er heißt Jordan de Souza, stammt aus Kanada und war bisher Studienleiter am Haus. Zur kommenden Saison tritt er sein Amt an und ein paar Kostproben gibts schon: So dirigiert er im Frühjahr die "Don Giovanni"-Serie, und die letzten beiden Aufführungen von Koskys "Onegin"-Inszenierung in dieser Spielzeit sind ihm ebenso anvertraut.


    Der Einstand scheint geglückt, de Souza hat die Aufführung am 14. Januar gut im Griff, die Balance zwischen Bühne und Graben stimmt, die Arbeit mit dem Chor wirkt souverän und auch die Solisten dürfen sich bei ihm gut aufgehoben fühlen. Ein paar eigene Akzente setzt er auch: Aus dem Graben dringt weniger russische Seele als vielmehr geradezu mediterran anmutendes Feuer: Selten hört man so genau, wie viel sich Tschaikowsky auch bei Verdi abgeguckt hat, zB beim großen concertato im vierten oder Onegins Arie im sechsten BIld. So entsteht eine spannungsvolle, "runde" Wiedergabe - dieser Start macht Hoffnung!


    Zwei Umbesetzungen gegenüber der Premierenserie: Önay Köse, neu im Ensemble, führt seinen klangvollen Bass etwas unausgeglichen, punktet aber mit echtem Gefühl und in der Gremin-Rolle ungewohnter Leidenschaft. Die Vermutung, dass es sich bei der Ehe Tatjana-Gremin um eine "platonische" Beziehung handeln könnte, scheint in dieser Aufführung widerlegt. Etwas enttäuschend die Tatjana von Evgenia Muraveva - die Aufführungen mit Nadja Mchantaf habe ich leider verpasst: Gesanglich ist Muraveva eindrucksvoll, aber sie wirkt ziemlich kühl, die Verletzlichkeit und Sensibilität im ersten Akt wirkt aufgesetzt. Insgesamt zu viel Diva und zu wenig Teenie. Konsequent, dass ihr die Schlussszene besser gelingt: Ist, packend im Zusammenspiel mit dem wieder sehr überzeugenden Günter Papendell, der nach der Premiere im Vorjahr stimmlich noch zugelegt hat. Das gilt erst recht für Ales Briscein, den ich seit einem Traviata-Alfredo 2007 in Prag nicht mehr so gut gehört habe: Von Intonationsschwächen ist nichts zu spüren, Leidenschaft und Präzision dominiert, und auch die leisen Passagen gelingen teilweise berückend schön. Offenbar profitiert gerade er von der Neubesetzung am Pult.


    INsgesamt wieder ein schöner Opernabend: Noch einmal am 22. Januar, danach wird die Inszenierung irgendwann in Zürich zu sehen sein.

    Noch eine Liste....

    Na, dann schieb ich auch nochmal eine Liste nach. obwohl sie am Gesamtbild wohl kaum etwas ändern wird:


    1. Cosi fan tutte
    2. Le nozze di figaro
    3 Die Entführung aus dem Serail
    4 Idomeneo
    5 La clemenza di Tito
    6 Lucio Silla
    7 Don Giovanni
    8 La finta gardinera
    9 DIe Zauberflöte
    10 Il re pastore
    11 Thamos, König in Ägypten
    12 L' oca del Cairo


    Die übrigen Werke kenne ich nicht oder zumindest nicht gut genug.

    Auf ein Neues - obwohl soviel nicht neu ist....


    1 - 10 sind ziemlich fest vergeben, 11 - 15 aktuellen Eindrücken geschuldet....Also:


    1. Mozart: Cosi fan tutte
    2. Mozart: Die Hochzeit des Figaro
    3. Verdi: Die Macht des Schicksals
    4. Janacek: Jenufa
    5. Mozart. Die Entführung aus dem Serail
    6. Verdi: Don Carlos
    7. Janacek: Das schlaue Füchslein
    8. Verdi: Rigoletto
    9. Mozart: Idomeneo
    10. Verdi: La Traviata


    11. Dvorak: Rusalka (dank Nadja Mchantaf!)
    12. Händel: Xerxes
    13. Tschaikowsky: Eugen Onegin
    14. Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg
    15. Massenet: Cendrillon (s. o. 11!)

    Tja, die Replik Adams lässt durchscheinen, dass ja vielleicht doch noch nicht alle Messen gesungen sind. Wäre ja schön - in der B-Premiere des "Barbier von Sevilla" gestern war jedenfalls von einer Trübung des Verhältnisses zwischen dem Dirigenten Manacorda und dem Orchester gar nichts zu spüren - im Gegenteil (s. mein Aufführungsbericht).

    Rossini: Der Barbier von Sevilla - Komische Oper Berlin, "B-Premiere" am 19.10.2016

    Am 09.Oktober hatte die Neuinszenierung von Rossinis "Barbier von Sevilla" in der Neuinszenierung des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikov Premiere an der Komischen Oper Berlin. Dirigent war Antonello Manacorda, bis dahin heißer Kandidat für den ab 2017 vakanten GMD-Posten am Haus. Dass Manacorda diesen Posten wohl doch nicht bekommen wird, hat weniger mit den Qualitäten dieser Produktion zu tun. Vielmehr gelangten - offenbar durch Indiskretionen aus dem Haus selbst - Einzelheiten zum Stand des Auswahlverfahrens an die Presse und damit an die Öffentlichkeit. Am Montag sah das Haus sich gezwungen, eine knappe Erklärung dazu abzugeben: Demnach habe sich das Orchester gegen die Verpflichtung Manacordas ausgesprochen; das Auswahlverfahren sei nicht abgeschlossen und werde fortgesetzt. Dass es nun nicht einfacher wird, liegt auf der Hand, und polemische Ausfälle in der Presse (s. dazu Capriccio-Presseschau) haben die Rahmenbedingungen weiter verschärft. Spätestens dadurch dürfte der Bewerber Manacorda "verbrannt" sein.


    Insofern knisterte es am Mittwoch vor der "B-Premiere", weil diese Aufführung die erste nach dem beschriebenen Eklat war. Das Ergebnis allerdings belegt zumindest, dass alle Beteiligten (anders als einige Journalisten) hochprofessionell und engagiert arbeiten. Womöglich hat das Pressefeuerwerk Dirigent und Orchester sogar noch beflügelt. Wir hörten jedenfalls eine brilliante Rossini-Aufbereitung, sprühend vor Energie, hinreissend präzise und auf den Punkt genau, getragen von schlichtweg perfekter Abstimmung zwischen Dirigent, Orchester und Solisten. Diese müssen angesichts teilweise atemberaubend angezogener Tempi hellwach sein, werden aber mit sicherer Hand durch alle Klippen geführt - zum Glück dürfen sie italienisch singen, in einer Übersetzung wäre solche Virtuosität kaum erreichbar. Dass und warum Vorbehalte gegen Manacorda im Orchester bestehen, erschließt sich an diesem Abend nicht. Es ist nur schade fürs Haus, dass eine Verpflichtung dieses profilierten Musikers jetzt in so weite Ferne gerückt scheint.


    Die Inszenierung ist nach der Premiere überwiegend positiv beurteilt worden. Serebrennikov findet einen aktualisierten Bezug zum Stück, indem er die im Original hin und her schwirrenden geheimen Briefchen einfach in WhatsApp- und facebook-Nachrichten übersetzt.. Kaum ein Stück, dass für so einen Ansatz besser taugen würde, die Komödien-Maschinerie schnurrt in dieser Verkleidung perfekt ab. Der Regisseur bleibt jedoch hier nicht stehen: In der Personenführung konzentriert er sich stark aufden gehörnten Bartolo: Hier ein Antiquitätenhändler im Pullunder, tatsächlich verliebt in sein junges Mündel. Die Kommunikationswege der "neuen Zeit" sind ihm fremd. Er ist ein Mann von gesern, den die Regie am Ende einsam und isoliert an einer verstimmten Drehorgel zeigt. Im Gegensatz dazu stehen der Graf Almaviva, ein selbstgefälliger Macho, der mit Geld nur so um sich wirft und Rosina, der jedes Mittel recht ist, aus dem Gefängnis Ihres Vormunds zu entkommen. Dass dieser "Liebe" keine große Zukunft vorauszusagen ist, hat schon ihr Erfinder Beaumarchais gewusst. Und Serebrennikov ist hier auch ganz nah bei Rossini, dessen dynamisch und rhythmisch überdrehte, bisweilen geradezu maschinell konstruierte Musik diese Zivilisationskritik, die wahsende Entfremdung, durchaus in sich trägt. Auch wenn nicht jede Pointe sitzt und nicht jede Rechnung aufgeht: Insgesamt eine gelungene szenische Umsetzung, der Musik näher als es vielleicht zunächst den Anschein hat.


    Unter den Sängern profitiert Philipp Meierhöfer als Bartolo am meisten von dieser Lesart. Gesanglich souverän, gelingt ihm eine interessante, geradezu liebevolle Charakterstudie, mit der die Figur ins Zentrum des Interesses rückt. Seine Gegenspieler sind weniger Almaviva und Rosina, für die der Regisseur erkennbar wenig Sympathie aufbringt: In der B-Premiere singen und agieren Karolina Gumos und Tuomas Katajala solide und zuverlässig, ohne zu glänzen. Immerhin ist Rosina, anders als in der Premiere wieder, wie es im Buche steht, einer Mezzosopranistin anvertraut.


    Ganz anders profiliert sich Günter Papendell als Figaro: Ein wahrhaft irrwitzig hektischer magister ludi, der die Fäden der Intrige mit geradezu mephistophelischer Perfidie knüpft und doch am Ende durchscheinen lässt, dass das Ergebnis ihn zweifeln lässt. Er beschäftigt eine ganze INtrigenmaschinerie, verkörpert durch drei umtriebige stumme Figaro-Doubles. Gesanglich bringt er mit seiner präzise, klangschön und virtuos geschmetterten Auftrittsarie (teilweise im ersten Rang gesungen) das Haus zum Kochen und ist auch in der Folge für die meisten sängerischen Highlights verantwortlich. In der Premiere nicht dabei, weil er ja nicht alle Premieren singen kann, was bei seiner Vielseitigkeit wohl kaum ein Problem wäre: Die Stimme hat durch die Übernahme auch "schwerer" Rollen wie Onegin, Escamillo oder auch Gianni Schicchi nicht von ihrer Beweglichkeit verloren. Chapeau!


    In weiteren Rollen Jens Larsen, der für den Basilio seine imposante Statur, profunde Basstöne und ausgeprägte Lust an der Karikatur mitbringt, Annika Gerhards als missmutige Haushälterin und Dennis Milo als stimmlich kaum geforderter, aber szenisch dauerpräsenter dienstbarer Geist Almavivas. Alles in allem ein vergnüglicher, aber nicht oberflächlicher Abend, dessen Glanzlichter Manacorda und Papendell setzen. Drei Stunden lang lässt sich erleben, welche Zukunftsperspektive hier durch Indiskretion und gedankenloses Geschreibsel in den Medien verbaut wurde - außer, die Beteiligten raufen sich doch noch zusammen...

    Ich denke, man kann das aus der Ferne auch nicht richtig beurteilen. Natürlich wäre es "schön" und nahe liegend gewesen, sich den Chef eines benachbarten Kammerorchesters zu holen, immerhin liegen die Bequemlichkeiten auf der Hand. Vielleicht wäre diese Konstellation auch für das Orchester gut gewesen, doch hier muss man Insider sein, sonst kann man nur spekulieren.

    Also, an der Qualität beider Kandidaten liegts wohl nicht: Nach meinem Eindruck wäre jeder der beiden ein Gewinn für das Haus im Vergleich zum jetzigen GMD Nanasi. Manacorda hörte ich im März mit einer wirklich fulminant gelungenen Vorstellung von "Eugen Onegin". Trinks hat eine wunderbar entspannte, sehr gut organisierte und gelungene "Meistersinger"-Aufführung am 08.10. dirigiert. Unter seiner Leitung haben sich auch die Sänger sichtlich und hörbar wohl gefühlt.


    Letztlich geht es vermutlich um eine inhaltliche Auseinandersetzung zwischen dem Intendanten und dem Orchestervorstand um die künftige Ausrichtung der Komischen Oper. Trinks, Favorit des Orchesters, steht eher für eine Stärkung des "traditionellen", insbesondere deutschen Kernrepertoires - nicht Koskys Schwerpunkt: Der hatte ja Neuproduktionen von Wagner und Strauss (und leider auch von Verdi) bei Übernahme der Intendanz generell ausgeschlossen. Manacorda ist wohl als Kandidat eher geeignet, den bunten, vielfältigen und eher in Richtung gehobener Unterhaltung schielenden Erfolgskurs des Hauses mitzutragen. Er wäre sozusagen eine "organisch" überzeugendere Lösung - aber was hilft das, wenn das Orchester ihn nicht mag?


    Vielleicht wünscht man sich im Orchester auch, einen Chef zu haben, der die eigenen Belange gegenüber dem allgegenwärtigen Intendanten stärker betont. Dann wäre das Ganze auch ein Machtkampf, dessen erste Runde Kosky verloren hätte - das ist es wohl, was Herrn Brug am ganzen Vorgang so aufregt.


    Wer weiß, vielleicht zaubern die Beteiligten ja noch einen Kompromisskandidaten aus dem Hut (oder eine Kandidatin) - mir fiele da momentan allerdings niemand ein. Es bleibt spannend....