Beiträge von Waldi
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Abgesehen davon, daß man mit der Tontechnik der 1940er Jahre nicht immer alle Nuancen einer Stimme vermittelt erhält, muß man nur ein paar Aufnahmen Jussi Björlings aus seiner besten Zeit hören, um das Klischee des kühl-zurückhaltenden Sängers zurückweisen zu können. Ich nenne dafür einerseits den Duca (in der Rigoletto-Aufnahme mit Bidu Sayao und Leonard Warren aus dem Jahr 1945), der mit hinreißender Leidenschaftlichkeit aufgeladen ist und Emotion pur verströmt,
sowie das Duett Barinkay/Saffi mit Hjördis Schymberg, wo Björling sehr wohl unter Beweis stellt, daß er kein bloßer Rampentenor ist. In der Operette zeigt sich der Meister!
LG
Waldi
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Meine Lieben,
Da ich den Film nur teilweise gesehen habe, kann ich mir kein endgültiges Urteil erlauben. Mein provisorisches: Am besten gefiel mir die Kameraführung, die allerdings alles andere zu sehr in den Hintergrund drängte und dem Ganzen etwas Geschmäcklerisches verlieh. Der Film schien mir dadurch oberflächlicher als er wahrscheinlich war. Außerdem schien es mir, daß man ohne historische Vorkenntnisse im Nachteil war.
LG
Waldi
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Meine Lieben,
Araiza hat sich mir vor allem als Ernesto eingeprägt, da verbindet er Charakterisierungskunst und Wohlklang mit stimmlicher Wendigkeit aufs beste. Sein stimmlicher Abbau scheint mir aber bereits vor 1995 eingesetzt zu haben. Der MET-Tamino von 1991 unter Levine mutet zwar oberflächlich sympathisch, aber ausgesprochen fad und glanzlos an. Da fehlte ihm schon das Besondere, das ihn sonst auszeichnete.
LG
Waldi
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29.Mai
+ 1935 Benesov
Josef SUK, Geiger und Komponist, Schwiegersohn Antonín Dvoráks
+ 1975 Bad Aibling (an den Folgen eines Verkehrsunfalls)
Kurt GROSSKURTH, Schauspieler und Operettensänger
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Liebe gilestel,
Diese "Rigoletto"-Aufnahme bete ich an! Bitte berichte, wenn's geht, im entsprechenden Thread über Deinen Eindruck.
LG
Waldi
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Meine Lieben,
Eine echt schlechte Aufnahme von "Rigoletto" kenne ich gar nicht, nur gute und sehr gute. Anders gesagt: Es gibt für mich mehrere Lieblings-"Rigolettos". Leider steht nur ein Teil davon daheim im Schrank.
Francesco Molinari-Pradelli hatte für diese Oper ein besonderes Händchen. Die von mir erwähnte Aufnahme mit Gedda wird auch von ihm dirigiert, und da gebührt ihm zweifelsfrei die Höchstnote. Nach der von Rideamus gelobten Version werde ich die Augen und eventuell die Brieftasche offen halten!
Alfredo Kraus als Herzog besitze ich nur mit Bastianini/Scotto/Gavazzeni. Natürlich gehört er zu den besten Duca-Darstellern, aber in dieser Aufnahme kommt er mir eine Spur zu kühl vor. Bastianini ist dafür phantastisch.
Mein Traum für den Ruhestand ist, drei Wochen lang nur "Rigoletto", "Traviata" und "Trovatore" zu hören und genüßlich zu vergleichen. Derzeit vergesse ich zwangsweise bereits, welche zehn oder zwölf "Rigolettos" ich wieder zwecks Bericht hervorsuchen müßte. Aber vorgenommen habe ich es mir. Nur eins: Bei den DVDs ist die Ponnelle-Inszenierung mit Pavarotti bis jetzt mein ungeschlagener Favorit.
LG
Waldi
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VERDI: Rigoletto – Welche Einspielungen sind die besten?
Mit dem "Rigoletto" schuf Giuseppe Verdi die erste der drei großen Opern seiner mittleren Schaffensperiode. Das Libretto von Francesco Maria Piave beruht auf Victor Hugos "Le roi s'amuse" (1832). Die Uraufführung erfolgte 1851 in Venedig.
Da in einem anderen Forenleben schon viel Grundsätzliches über den Stoff und die Charaktere geäußert wurde, wird man sich hier vielleicht mehr auf einzelne Besprechungen konzentrieren können. Glücklicherweise ist das Angebot an Einspielungen sehr groß, und auch an Qualität mangelt es nicht. Höchstens könnte man sagen, solche, die in allen Partien und Teilen gleichmäßig entsprechen, sind eher rar. Bedeutende Interpreten der Titelrolle, der Gilda und des Herzogs sind leicht zu finden. Meist aber muß man aber irgendwo, sei es bei den kleineren Rollen, sei es in der Abstimmung untereinander, Abstriche hinnehmen. Deshalb möchte ich zum Auftakt auf eine – zudem nach wie vor sehr günstig zu erwerbende – Aufnahme hinweisen, die in punkto Geschlossenheit und Musikalität zu den allerbesten gehört: die 1965 entstandene Studio-Aufnahme der rumänischen Oper Bukarest, die 1996 digital bearbeitet wurde und 1998 von Cantus-Line ins Programm aufgenommen wurde.
Bei dieser Gelegenheit sei wieder einmal angemerkt, daß gerade die aus Bukarest stammenden Opernaufnahmen der 1960er Jahre viel zu wenig bekannt und gewürdigt sind. Das ist fast unbegreiflich, und verrät viel über das Käuferverhalten, das sich bei im Westen nur wenig bekannten Namen erstaunlich scheu zeigte. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Dabei handelt es sich um wahre Schätze, welche das seinerzeit – nicht zuletzt aus propagandistischen und identitätsstiftenden Motiven geförderte - hohe Niveau jenseits des Eisernen Vorhangs exemplarisch beweisen. Nicht nur Rumänien verfügte über hervorragende Stimmen und Musiker, auch Ungarn, Bulgarien, die damalige Tschechoslowakei usw. hatten ein künstlerisches Reservoir zur Verfügung, aus dem nur verhältnismäßig wenige Einzelpersönlichkeiten auch diesseits der Grenzen auftreten durften. Es mag auch sein, daß sie deswegen nicht so bekannt wurden, weil sie meist billiger waren und weniger Tantiemen fließen ließen als die großen Namen des Westens. Immerhin gab es Opernhäuser, die sich zeitweise sehr gern mit solchen Protagonisten verstärkten.
Die "Schwächen" des Bukarester "Rigoletto" sind schnell erledigt. Der ausgesprochen hallige Klang wird Liebhabern einer nüchternen Aufnahmetechnik vielleicht nicht so gefallen, ist meiner Ansicht nach aber dem Pathos sehr angemessen. Im Prinzip ist die Tonqualität jedoch ausgezeichnet. Stilistisch etwas veraltet sind einige wenige Schluchzer, die aber nicht übertrieben werden und nicht weiter stören.
Ansonsten aber kann ich nur begeistertes Lob von mir geben. Selten hört man ein so homogenes Ensemble, das so grundmusikalisch und so stimmpotent agiert und so perfekt harmoniert.
Natürlich kann man bei jeder einzelnen Partie Künstler nennen, die subtilere und raffiniertere - von mir aus: großartigere - Leistungen bieten, aber das Spitzenniveau ist unbestreitbar. Hier wird quasi ehrlich, nicht manieristisch gesungen, die Stimmen leuchten, wenn sie voll aus sich herausgehen und sind sämtlich in Volumen und Farbe ein Erlebnis. Da wird kein Ton verzittert und man braucht nicht zu fürchten, daß irgendwer in der Höhe verhungert. Anders als bei vielen "Rigolettos" weisen die Stimmen eine ausgesprochen dramatische Färbung auf. Die Gilda ist kein zartes Pflänzchen, sondern erinnert fast an eine Elisabeth oder ein Fidelio, was nicht heißt, daß Magda Ianculescu des lyrischen Beiklangs entbehrt. Auch der Herzog, Ion Buzea, ist kein übermäßig komplizierter Geselle, sondern eben ein etwas oberflächlicher Strahlemann mit Substanz, geradliniger als etwa bei Gedda oder Pavarotti, aber der leicht heldische Anstrich steht ihm prächtig, und er ist keineswegs simpel. Das "Ella mi fu rapita " – also ich bekam die Gänsehaut!
Nicolae Herlea in der Titelrolle reicht vielleicht nicht ganz an einen Warren und andere heran, aber die Distanz ist höchstens hauchdünn. Eine sehr intensive, wunderschön vorgetragene, fast mätzchenlose Gestaltung – richtig traumhaft.
Der Dirigent Jean Bobescu müßte, gäbe es Gerechtigkeit, längst unter den Spitzen-Maestri des vorigen Jahrhunderts gereiht sein.
Das restliche Ensemble begeistert mich ebenso: Nicolae Rafael (Sparfucile), Dorothea Palade (Maddalena), Nicolae Florei (Monterone) usw.
Für "Rigoletto"-Einsteiger ist das die ideale Edition, für "Rigoletto"-Kenner ein Muß.
Entschuldigt meinen schwärmerischen Ton, aber ich kann nicht anders. Das ist eben eine meiner besonderen Lieblingsaufnahmen.
Liebe Grüße
Waldi
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Lieber Konrad Nachtigall,
In bezug auf Ännchen und Agathe: Ja!
In bezug auf Max: Nein! Der ist doch ein klassischer Ambivalenzler im modernen Sinn ("Schwach war ich, jedoch kein Bösewicht"), nämlich kurze Zeit Mitläufer und in einer für ihn kritischen Situation ohne das nötige Rückgrat. Als das Unglück passiert ist, tut es ihm dann leid. Gerade, daß er nicht sagt: "Das habe ich nicht gewollt!". Ich sehe da deutliche Parallelen zur Gegenwart oder nicht sooo lange zurückliegenden Vergangenheit.
Man kann es auch so sehen: In uns selbst steckt natürlich sowohl ein Stück Max wie ein Stück Kaspar, ein Stück Erbförster und besonders ein Stück Kilian. Bei den Damen, zugegeben, fehlt im "Freischütz" der böse Gegenpol. Aber es soll auch derzeit holde Weiblichkeit geben, die das Leben ernster nimmt (wie die heiligmäßige Agathe) oder leichter (wie das simpler gestrickte, aber vielleicht lebenstüchtigere Ännchen).
Vielleicht ist nur die Fähigkeit, Aussage und Gehalt auf uns selbst zu beziehen, weniger ausgeprägt als früher. Denn der Umgang mit Literatur, Musik, Kunst, Theater kommt zum Beispiel im Schulunterricht bedauerlicherweise viel zu kurz. Kein Politiker spricht von "brotlosen Künsten", aber handeln tun unsere Großkopferten trotzdem meist, als wären die wirklich so. Da darf man sich nicht wundern, daß man ohne entsprechende Vorbereitung den Werken ein wenig hilflos gegenübersteht. Aus diesem Unvermögen zum Brückenschlag resultieren unter Umständen auch manche regielichen Holzhammermethoden, die vermutlich vielfach gut gemeint sind, aber mit ihrer Vereinfachung letztlich danebenliegen.
Liebe Grüße
Waldi
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+ 1787 Salzburg
Leopold MOZART, Komponist (da gab's doch noch jemanden in der Familie...)
+ 1805 Madrid
Luigi BOCCHERINI, Komponist
+ 1836 Paris
Anton REICHA, Komponist
* 1906 Budapest
Sándor SVÉD, Sänger (Bariton)
* 1915 Wien
Wolfgang SCHNEIDERHAN, Geiger, Gatte von Irmgard Seefried, Vater der Schauspielerin Mona Seefried
* 1923 Dicsöszentmárton
György LIGETI, Komponist
* 1925 Berlin
Dietrich FISCHER-DIESKAU, Sänger (Bariton), Gatte von Julia Varady
* 1943 Athen
Elena SOULIOTIS, Sängerin (Sopran), ruinierte ihre Stimme leider frühzeitig
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Meine Lieben,
Also als bloßes Festtagserlebnis würde ich die Neunte nicht empfinden (als Wiener assoziiere ich da eher das Neujahrskonzert). Einige Hemmungen gegenüber dem Werk mögen freilich aus dem Glauben entspringen, sie würde nur mehr als solches eingeschätzt, weil man sie ohnehin schon kennt (gute Dirigenten überlegen sich diese Pflichtübung wahrscheinlich in Wirklichkeit deswegen, weil sie wissen, daß man von ihnen einen überdurchschnittliche Wiedergabe erwartet und eine durchschnittliche oder schlechte ihnen lange nachhängen würde - bei diesem Werk wird man ja doch gnadenlos mit den Granden des Orchesterpults verglichen).
Tatsächlich ist eher das Gegenteil anzunehmen: Man kennt die Symphonie viel zu wenig und neigt oft ein bisserl dazu, sie auf ihre Ohrwurmhaftigkeit bzw. auf bestimmte Teile zu reduzieren. Da die 6., 7., und 8. in der populären Begrifflichkeit weniger verankert sind, ist mit deren Kennerschaft vermutlich mehr Ansehen verbunden. Die 9. ist - für mich - in sich weniger homogen, aber zu entdecken gibt es bei jedem Anhören genauso wie bei den anderen (und ich runzle die Stirn über mich selbst, daß ich die 1.-5. nicht einbeziehe, was doch nur gerecht wäre) immer wieder etwas. Es ist halt ein reifes Werk und dessen Wesen zu begreifen, fällt oft schwerer als ein nicht so vollkommenes. Auch mir sagen die 6.-8. mehr zu, aber das gilt nur so lange, bis ich die 9. einlege.
Gegenüber einer Konzertankündigung wäre ich wahrscheinlich etwas kritischer, weil ein gutes Orchester, ein guter Dirigent und vier gute Stimmen allein noch keine gute 9. machen. Eine ganz ideale Gesamtinterpretation wüßte ich nicht zu nennen. Mag sein, daß ich mich bloß wieder einmal durch ein paar Favoriten durchhören muß (und Fricsay gehört sicher dazu).
Liebe Grüße
Waldi
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27.Mai
+ 1690 Venedig
Giovanni LEGRENZI, Komponist
* 1979 Budapest
Károly PELLER, Operettensänger (Tenorbuffo)
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Lieber Peter,
Nicht die Flinte gleich ins Korn werfen. Ich habe gerade erst entdeckt, daß es diesen Thread - sozusagen wieder - gibt, halte mich aber klarerweise ein bißchen zurück und gebe nur einen Hinweis auf das erste Bild, das meiner Erinnerung nach "Die Zigeunerin" heißt und etwas mit H bzw. R bzw. D (für Deutschtümler mit Z) zu tun hat.
LG
Waldi
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26.Mai
+ 1871 Moulins
Louis-Aimé MAILLART, Opernkomponist
+ 1999 Basel
Paul SACHER, Dirigent und Mäzen vieler zeitgenössischer Komponisten
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+ 25.Mai 1959 München
Ferdinand FRANTZ, unvergessener Wagner-Bass(bariton)
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Meine Lieben.
Auf Grund meiner beruflichen Verbindung mit dem 19.Jahrhundert ist mir die Sprache des "Freischütz" ähnlich angenehm vertraut, wie dies bei Peter der Fall ist. Ich habe nicht unbedingt etwas dagegen, daß einzelne Ausdrücke, die heute nicht mehr leichtverständlich sind, eventuell angepaßt werden, bin aber kritisch gegenüber den Ergebnissen und schlucke sie nur, wenn sie wirklich gelungen sind. Einen "wackeren" Mann durch einen "tüchtigen" zu ersetzen, träfe zwar den prinzipiellen Sinn, aber klangmäßig, "sprachmelodisch" ist da ein himmelweiter Unterschied. Da stößt man auf ein Problem, das sich auch bei Übersetzungen immer wieder einstellt. Der Sinn an sich wird getroffen, und trotzdem hört sich das Ganze unausstehlich an. Es reicht eben nicht, nur an den Inhalt bzw. Gehalt zu denken, sondern auch die Form muß stimmen, das heißt die neue Form muß stimmig sein. Sie wird im Idealfall der ursprünglichen Form in vielem entsprechen, meist ist dies aber gar nicht möglich, und es muß der Übersetzer daher mehr sein als Handwerker - ein Künstler eben.
Ich blase hier sozusagen in das Horn von Walter Widmer ("Fug und Unfug des Übersetzens").
In der allergrößten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot, will heißen, ein "Freischütz" ohne Dialoge ist mir lieber als gar keiner. Aber natürlich fehlen sie mir dann, sehr sogar. Schließlich ist das Geplauder des Ännchens zugleich eine Art ästhetisches Gegengewicht gegen die Idealität Agathens (pardon, mir gefällt die veraltete Genetivform eben besser), die ohne jenes leicht einen Stich ins Gestelzte abbekommen kann. Leider scheint es vielen Regisseuren der Jetztzeit schwer zu fallen, kunstvoll-echte Naivität zu akzeptieren oder sie zu gestalten. Ich würde mir überhaupt wünschen, daß bei Opern- und Operettenaufnahmen viel öfter kundige Dialogregisseure eingeschaltet würden. Man kann nämlich auch aus nicht so versierten Protagonisten mit etwas Nachhilfe viel herausholen. Wie gut sich das anhört, erlebt man beispielsweise bei der Agathe Claire Watsons (die zwar ein paarmal ihre fremdsprachigen Wurzeln nicht ganz unterdrücken kann, die aber trotzdem eine ausgezeichnete Interpretation bietet).
Liebe Grüße
Waldi
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Als Papageno war Berry sogar Erich Kunz eindeutig überlegen; in den 1960er Jahren war das eine richtige Paraderolle für ihn, Ich fand ihn einfach umwerfend... Musikalische und darstellerische Interpretation bildeten eine solche Einheit, daß man es sich gar nicht anders vorstellen konnte.
LG
Waldi
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VERDI: Il Trovatore - Virtuoser Reißer oder perfekte Italianità?
Das Dramma lirico von Salvatore Cammarano und Leone E. Bardare beruht auf dem Stück El trovador des erfolgreichen spanischen Autors Antonio García Gutiérrez aus dem Jahr 1836 und wurde 1853 in Rom uraufgeführt (auf Gutiérrez geht übrigens auch der Stoff von Simon Boccanegra zurück). Es ist eine der beliebtesten Schöpfungen Verdis, aber auch eine in manchen Belangen - wie inhaltliche Verständlichkeit oder Stimmprotzerei (der hohe Ton der Stretta war aber ursprünglich nicht vorgesehen!) – ein wenig umstrittene, jedenfalls aber eine Oper, die mit hochklassigen Stimmen steht und fällt – wobei die wichtigen Partien alle mit unterschiedlichen Stimmlagen besetzt sind (Manrico: Tenor [Spinto], Leonora: Sopran, Ines: Mezzosopran, Luna: Bariton, Ferrando: Baß). Ich betone das "umstritten", denn auf der einen Seite hört man Urteile wie "schwer verständlich" und "unlogisch", auf der anderen heißt "geniale Verdichtung" und ähnliches. In der Erstfassung dieses Threads, die beim Supercrash zugrundeging, fanden sich solche deutlich artikulierten Pro-Stimmen, für die ich selbst eine gewisse Sympathie hege. Natürlich enthält die Oper einige Bravourstücke, allen voran die Stretta "Di quella pira", aber erstens ist das nichts prinzipiell Schlechtes, und so etwas Großartiges muß man halt erst komponieren können, und zweitens kann man das Werk wirklich nicht auf die berühmten Zugnummern reduzieren. Ich empfinde es von Anfang bis zum Ende als von atemraubender Qualität.
An Einspielungen mangelt es nicht. Nicht alle davon sind uneingeschränkt empfehlenswert, und unter den besten werden meist schon ältere Ausgaben genannt; mit der folgenden, unter Schellackisten oft hochgepriesenen Aufführung bewegt man sich trotz ihres inzwischen methusalemischen Alters jedenfalls auf sehr hohem Nivau:
MET-Matinée-Livemitschnitt 1941
URANIA 2003
Diese schon unter mehreren Labels edierte konzertante Einspielung überrascht in dieser Edition mit einer hervorragenden Monoqualität, wie man sie sonst eher aus den 1950er Jahren kennt. Das geradezu beneidenswerte Niveau der Metropolitan Opera New York wird hier unter Beweis gestellt.
Der einstmals international renommierte, heute ziemlich vergessene Ferruccio Calusio dirigiert sehr ordentlich und routiniert, wenn man auch vom heutigen Standpunkt sich manchmal eine etwas spannungskräftigere Auffassung wünschen würde. Das resultiert aber wohl mehr aus einer veränderten stilistischen Sicht. Damals liebte man es oft weniger hektisch und legte auf die schöne Form mehr Gewicht als auf den dramatischen Ausdruck. Das gilt hier auch für die Sänger, die erst in zweiter Linie ihre seelischen Konflikte gestalten und dafür auf Klangschönheit, Volumen und belcantesken Effekt bedacht sind. Das gelingt ihnen durchwegs sehr eindrucksvoll.
Jussi Björling beherrscht die Schwierigkeiten des Manrico mühelos, nicht nur die Spitzentöne. Die Stimme ist noch unverbraucht und elastisch, von allen Interpreten bringt er noch am ehesten das nötige Feuer ein, das freilich ein wenig lyrisch geläutert wird. Aber warum soll man den Manrico unbedingt als Haudrauf gestalten (daß ihm Eleganz gut ansteht, hört man beispielsweise besonders in der DG-Aufnahme bei Carlo Bergonzi und Tullio Serafin)? Björling gehört zweifellos zu den besten Sängern dieser Rolle, seit es modernen Ansprüchen genügende Schallaufzeichnungen gibt.
Seine Leonora, Norina Greco, die Schwester des bekannten spanischen Tänzers José Greco, erlebte nur eine ziemlich kurze Karriere. Tatsächlich hört sich ihre Stimme in einigen wenigen Momenten irgendwie eine Spur gefährdet an (das müßten berufenere Hörer mit entsprechendem feinem Gehör beurteilen; angeblich, ich weiß es nicht genau, bekam sie bald technische Probleme und mußte nach zwei Saisonen an der MET aufhören), aber vor allem im dritten Akt singt sie beinahe bis wirklich traumhaft. Ihr etwas frauliches Timbre entspricht dem damaligen Ideal.
Francesco Valentino als Graf Luna versprüht zwar nicht unbedingt temperamentvolle Haß- und Eifersuchtsgefühle, aber für einen Bariton der zweiten Reihe singt er erstklassig. Da müßte man wirklich schon, wie andernorts schon geschah, auf Bastianini, Warren oder Cappuccilli verweisen, um ihn zu übertreffen.
Die Azucena Bruna Castagnas (1905-1983) läßt mich am ehesten Virtuosität assoziieren, hier fehlt mir doch ein wenig die Psychologie. Ihren Tönen lausche ich trotzdem in genußvoller Bewunderung, obwohl ich eine Fiorenza Cossotto höher einschätze..
Nicola Moscona (1907-1975), der "Italiener" aus Griechenland, singt den Ferrando mit prächtiger Stimme und einem deklamatorischen Pathos, das etwas altertümlich anmutet.
Das Preis/Leistungsverhältnis (mein Exemplar kostete unter 10 Euro) ist sehr gut.
Wer nicht absolut auf Stereo besteht, kann mit dieser Doppel-CD seine Freude haben.
LG
Waldi
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Gestern habe ich noch ein bißchen Ramon Vinay unter Toscanini gehört. Die Portion Edelmetall in dieser Stimme charakterisiert seinen Otello vor allem als Nobile und Herrn. In dieser Beziehung ist Placido Domingo sein Gegenpol; der gestaltet sehr glaubhaft den Emporkömmling, der im Grund unsicher ist und deshalb beim geringsten Verdacht sofort Seelenqualen durchleidet und die Haltung verliert. Auch Jon Vickers strahlt diese Souveränität des Befehlshabers aus, bleibt auch als Gekränkter vornehm und nicht voll barbarisch . Vielleicht wirkt Peter Glossop deshalb als Gegenspieler nicht ganz so überzeugend wie andere Iagos, weil er es eben schwerer hat als Justino Diaz. Bei Toscanini hat Giuseppe Valdengo dagegen stimmlich genug drauf, um den strahlenden Tönen Vinays Paroli zu bieten.
LG
Waldi