Hallo zusammen,
gestern Abend habe ich mir also die Münchner 'Passagierin' in der zweiten Aufführung der diesjährigen Aufführungsserie angeschaut. Wie schon geschrieben, kenne ich - absichtlich - keine andere Aufführung, sondern lasse mich auf das Gehörte ein. Als sehr regelmäßiger Hörer seiner Streichquartette kenne ich die Weinberg'sche Tonsprache recht gut und konnte mich sehr gut auf das Dargebotene konzentrieren.
Abgesehen von einem offensichtlich kleineren Versingen (es ist live!!) z.B. von Charles Workman als Walter im ersten Abschnitt (den ich erkannt habe, weil die Übertitelung einen anderen Text zeigte, als er gesungen hat) fand ich das alles sehr gelungen. Das schnelle Kippen aus einer sorglosen Atmosphäre im ersten Akt, das Einbrechen von Erinnerungen aus der Lagerzeit war szenisch wie musikalisch sehr gut gelungen, ich habe mich sehr schnell an dieses Spiel mit den Zeitebenen gewöhnt. Ich fand die Menge und die gestalterische Qualität der dargebotenen Opferstimmen (Krystina, Vlasta, Hannah, Bronka und Yvette) im Rahmen der Gesamtlänge des Stücks gut disponiert, ich hatte nicht den Eindruck, dass ich davon ca. 25 Minuten mehr gebraucht hätte - ich habe halt keinen Vergleich mit der 'Normalfassung'. Die Einfügung der dritten Zeitebene (mehr oder minder 'heute') im ersten Akt, die mit dem Einsatz der Schauspielerin Sibylle Maria Dordel als alte Lisa als Zutat der Inszenierung hinzukam, fand ich plausibel.
Nach der Pause zeigte die Bühne den großen Speisesaal des Kreuzfahrtschiffes, in dem alle Gräuelszenen aus dem Konzentrationslager abliefen - damit sollten diese vermutlich vom konkreten Umfeld abstrahiert werden -, auch hier war ich wieder sehr angetan vom sängerischen und schauspielerischen Können aller Beteiligten. Die in den einschlägigen Hervorhebungen insbesondere von Elena Tsallagova in der Rolle der Marta finde ich absolut berechtigt, sie hat - wie schon bei der Janacek'schen Füchsin an gleicher Stelle - großartig agiert und gesungen. Die beiden Tenöre - Workman als Walter und Jaques Imbrailo als Tadeusz - waren ebenfalls absolut überzeugend. Sophie Koch als Lisa hatte sicher die schwerste Rolle, hat mich aber nicht so überzeugt. Das Bayerische Staatsorchester unter Vladimir Jurowski hat großartig gespielt, hier bleiben für mich wenig Wünsche offen. Allerdings gibt es natürlich auch orchestral gewichtigere Opern als Weinbergs erste Oper.
Es waren sehr viele Schüler in der Aufführung, ich nehme an, die Staatsoper hat so versucht, viele zu Normalpreisen nicht verkäufliche Tickets an den Mann zu bringen. Mein Eindruck, dass es ziemlich viel Jubel gab und alle Teilnehmer positiv überrascht waren, wie gut die Zuschauer auf dieses thematisch belastende Stück reagieren, wurde von meiner netten Begleit-Runde bestätigt. Alles keine Afficionados für Oper des 20. Jahrhunderts, die sich aber von mir überzeugen lassen, mitzukommen. Alle waren sehr erreicht und überzeugt von dem Dargebotenen. Das finde ich schon sehr viel bei einem derartigen Stück.
Gruß Benno