Meine Vermeidungsstrategie ist ganz einfach und sie funktioniert seit vielen Jahren: verweigere Dich konsequent dem Radiohören. Im Radio werden nun mal bestimmte Popsongs so lange gedudelt, bis man sie irgendwann nicht mehr hören mag. Als es noch Jazzsender gab, war es dort ähnlich: spätestens ab dem 50. Mal "A Tisket, A Tasket" von Ella will man von ihr etwas anderes hören. Hört man aber nicht. Denn man hört, wenn Ella mal wieder dran ist, zum 51. Mal "A Tisket, A Tasket".
Die Radiosender, die sich der Klassik annehmen, spielen ebenfalls überproportional viel "Die vier Jahreszeiten", "Die Moldau", "Eine kleine Nachtmusik", "Nessun dorma", das Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowsky, die Sinfonie Nr. 5 von Beethoven, die "Jupiter"-Sinfonie von Mozart oder ähnliche "Hits" der Klassik. Es tritt beim Hörer der Effekt ein, dass man sich von diesen an sich großartigen Werken irgendwann geradezu verfolgt fühlt. Man will sie nicht mehr hören (müssen). Das ist ähnlich wie mit Straßenmusik. Wer in einer Fußgängerzone wohnt oder arbeitet, in welcher von Frühling bis Herbst tagtäglich dieselben Straßenmusiker immer dieselben Stücke spielen (sie können meistens nur ein oder zwei), der kann irgendwann einfach "Besame mucho", "El condor pasa" oder "Sous le ciel de Paris" nicht mehr ertragen. Deswegen gilt für mich die Devise: Fenster schließen, wenn die Straßenmusiker anrücken, und vor allem das Radio ausgeschaltet lassen bzw. am besten gleich wegschmeißen. Wenn man nämlich nur noch selbst auswählt, was man hört, kann es nicht dazu kommen, dass man etwas hört, was man an sich nicht (mehr) hören mag. Natürlich setzt das eine gewisse Auswahl von Tonträgern voraus (ich hatte übrigens in Jugendjahren mal eine Freundin, die besaß tatsächlich nur eine einzige LP: "Born in the USA" von Bruce Springsteen. Wenn ich bei ihr war, hatte ich in musikalischer Hinsicht die Wahl zwischen Pest und Cholera: entweder Radio hören oder zum 284. Mal "Born in the USA" ertragen müssen), aber da ich LP- und CD-mäßig ganz gut sortiert bin, habe ich keine Probleme, mir jederzeit selbst ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Hörprogramm zusammenstellen zu können. Werke, die ich mir "übergehört" habe, gibt es seitdem eigentlich nicht mehr für mich. Und sollte ich doch mal eine Tendenz in mir erkennen, dass es zuviel wird mit einem bestimmten Werk, lege ich es eben für fünf Jahre beiseite.