Tja, obwohl ich beruflich abgesichert bin, war und ist die Welt eine andere geworden.
Was das Musikalische betrifft, war es ein Absturz von 180 auf 0 innerhalb einer knappen Woche. Glücklicherweise kein größerer Einkommensverlust, da ich nie davon leben musste, jedoch erschließt sich der Abgrund für die nicht angestellten Hauptberuflichen. Das geht sehr weit in die Bereiche hinein, die vorher damit ordentlich leben konnten.
Ein mir sehr am Herzen gelegenes Projekt einer Operettengala mit Stückern von Komponisten, die von den Nazis verfolgt waren, wäre für Ende März schon gestanden und war dann weg. Ein Versuch nächstes Jahr soll gestartet werden, aber man weiß natürlich nicht, ob die Pandemie es dann zulässt. Das ist eine rein auf Live gebaute Sache und brächte im Rahmen von Veranstaltungen in den Wochen gegen den Rassismus durchaus neue Publikumsschichten. Im Moment fehlt mir allerdings der Mumm. Ich hoffe, das wird besser.
Noch kurz davor hat sich eine dritte Säule für meine Gesangstätigkeit mit Liederkonzerten aufgetan, worauf ich mich besonders gefreut hatte. Drei Tage vor dem ersten Konzert Absage. Alles richtig und der Situation geschuldet, aber halt schade. Halt Knall auf Fall nix mehr, muss durchaus verdaut werden.
Wie gesagt, das Gefühl, dass einen die Gesamtsituation lähmt, ist mir auch nicht fremd. Ich habe zwar Aufnahmen für digitale Kirchenandachten gemacht, korrepetiere unter strengen Hygienebedingungen in regelmäßigen Abständen und nahm an einem abgespeckten Workshop teil, jedoch passierte wegen Corona - Kontakt wiedermal eine Weile nix...
Naja, gibt in der Tat Schlimmeres. Noch haben die meisten von uns andere Alternativen, um nicht ganz in der Lähmung zu versinken. Elektra aus Salzburg habe ich im Fernsehen gesehen und die Aufführung des Verdi - Reqiems anlässlich des Gedenkens an die Corona - Opfer in Milano und Bergamo. Das ist nicht viel anders als es bei mir vorher ging, weil ich wegen eigener Aktivitäten wenig Zeit für Konzertbesuche hatte. Ein Highlight habe ich mir allerdings im Juli gegönnt. Im Hof des Heimatmuseums sind zwei Chöre aufgetreten (Riesenabstand etc.), in denen alte Freund*innen von mir mitwirken. Der Klang war faszinierend, verbunden mit der hoch anspruchvollen mordernen Chormusik.
Insgesamt meine ich aber doch, dass wir auch auf Dauer live weitermachen können. Ich halte die Kontakte, das ist mE. wichtig für Neustarts
Die ganze Situation geht mir schon schwer auf meine Stimmung.
Und ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert.
Das kann ich in deinem Fall gut nachfühlen, denn du hast eh sehr viel zu verkraften und viel Verlust für dich wichtiger Lebensaspakte erlebt. Ich wünsche dir wirklich alles erdenklich Gute und bessere Gesundheit vor allem, lieber Michael
Ich fühle mich wie eine Milchkuh, die nur zum Melken gehalten wird. Will sagen: Ich soll anscheinend nur Geld verdienen, um es dann für Konsumgüter ausgeben zu müssen.
Ich geniesse aber Erfahrungen mehr als materielle Güter. Und nun ist das auf dem Weg unmöglich zu werden.
Das ist der Sinn des Kapitalismus und steht nun sehr klar mit allen verschärften Folgen für uns alle in Raum. Um den Erwerb von Konsumgütern kommen wir alle nicht herum und es ist an sich erstmal weder gut noch böse. Vieles ist schlichtweg notwendig, mit oder ohne Corona. Imanent ist allerdings, dass das Ganze bizarre Züge angenommen hat. Ich strebe allerdings nur dann danach, wenn es etwas in meinen Augen Gescheites zu kaufen gibt, etwa Bücher, CDs und sowas. Das, was du über den Genuss von Erfahrungen schreibst, deckt sich mit meiner Einstellung dazu, jedoch sehe ich nicht, dass dies unmöglich wurde. Vielleicht ergibt sich aus diesen Umständen ein Anschub für Dinge, die länst angegangen werden müssen, etwa, was die Wertigkeit der Situation für die Kinder (Schulen, Kitas ertüchtigen), der Kultur und derer, die die Grundlagen und die Versorgung von Menschen in jeder Form aufrechterhalten, zu heben. Noch habe ich Hoffnung....
