Mir gelingt es mittlerweile ganz gut, die besonderen Lebensumstände Petterssons beim Hören auszublenden, und ich habe damit das Gefühl, der Musik näher zu kommen.
Genauso geht es mir. Ich habe bisher drei Interpretationen der 9. Sinfonie von Pettersson kennengelernt, und zwar in der folgenden Reihenfolge:
Alun Francis (cpo),
Sergiu Comissiona (youtube),
Christian Lindberg (BIS) .
Die Aufnahme mit Francis hat mich schon beim ersten Hören nicht nur überzeugt, sie hat mich überwältigt. Comissionas Darstellung war danach für mich eine Enttäuschung, wie es ein Freund beschrieb: „Pettersson ohne Ecken und Kanten, Pettersson weichgespült“. Das war überraschend, weil Pettersson doch gerade Comissiona und den Göteborger Symphonikern diese Sinfonie gewidmet hatte. Allerdings ist dabei wohl zu bedenken, dass zu jener Zeit (1971) die Anzahl der an Petterssons Musik interessierten Dirigenten noch geringer war als heutzutage.
Lindbergs Aufnahme hatte ich mit Spannung, aber auch – nach den Erfahrungen mit seiner Aufnahme der Sechsten – nicht ohne Skepsis entgegengesehen. Es gab mehrere positive Kritiken. Mein persönlicher Eindruck: Sie ist nahezu makellos, transparent, glatt, neutral – aber auch darüber hinaus Pettersson gerecht werdend? Es herrscht die gleiche gewisse Distanziertheit gegenüber der Musik vor wie bei Lindbergs Interpretation der Sechsten, formal korrekt, aber – verglichen mit Francis – nüchtern, emotionale Akzente wie um jeden Preis vermeidend. Der Booklet-Text reicht bei weitem nicht an das Niveau der Ausführungen von Andreas K.W. Meyer bei cpo heran. Lindberg plant, in den nächsten Jahren alle Sinfonien Petterssons einzuspielen, aber ich werde mich für die folgenden CDs von ihm wohl nicht mehr interessieren.
Als Ärgernis bei der neuen BIS-Veröffentlichung empfinde ich die mitgelieferte DVD, die im letzten Teil, gleichsam als Illustration zur 9. Sinfonie gedacht, einen schonungslosen dokumentarischen Einblick in Petterssons Krankheitsmartyrium (Treppenabstieg des vor Schmerzen sich windenden, stöhnenden Komponisten) bietet. Diese Dokumentation ist nicht nur irreführend für jeden, der auf Petterssons Musik unvorbereitet ist, sie ist an dieser Stelle für meine Begriffe eine Geschmacklosigkeit.
Die Dokumentation hat für sich genommen unbedingt ihren Wert, aber um Himmels willen bitte nicht im Zusammenhang mit Petterssons Musik in derselben Kassette.
Grüße von Auscultator 