Beiträge von Halef

    Ich habe mir jetzt diese hier zugelegt:
    Habe erst zwei Quartette daraus gehört. Die Aufnahmen klingen schon toll, die Pellegrinis spielen exakt, sehr vibratoarm, die Tempi wirken auf mich bei allerdings bisher wenig Vergleichsmöglichkeiten angemessen. So richtig will der Funke aber bei mir nicht überspringen, das klingt für mich alles sehr gut, aber ein bisschen zu wenig individuell, böse formuliert, zu harmlos.

    Hör Dir auf der ersten CD noch das D-Dur-Quartett an, das klingt überhaupt nicht harmlos und ist eine mitreißende und ziemlich geradlinige Deutung! Deine sehr positive Einschätzung zum Klang der Aufnahmen teile ich.

    Insgesamt würde ich aber sagen, dass die Pellegrinis einen eher intellektuellen Ansatz haben: Wiederholungen von Durchführung und Reprise werden teils deutlich unterschiedlich gespielt; den vollen Einsatz hebt das Quartett sich häufig für ein, zwei Stellen im Werk auf, was die Interpretationen natürlich zunächst etwas zurückgenommen wirken lassen kann. Teilweise sind auch einige Manierismen zu finden: Zum Beispiel werden im Dur-"Einbruch" im Capriccio des C-Dur-Quartetts überdeutliche Schleifer eingesetzt, die der Stelle nach meinem Empfinden ein Stück weit ironisch brechen, statt sie als zwischenzeitliche Idylle stehen zu lassen.

    Ich würde insgesamt sagen, dass das keine Aufnahme für den Erstkontakt ist, aber eine, die es sich sehr lohnt noch zusätzlich zu besitzen, wenn man die Werke schon kennt.

    Die Aufnahme mit Leonard Bernstein (2 DVD Box DGG 00440 073 4331) wartet wieder mit einer kurzen Einführung durch den Dirigenten auf. Bernstein erinnert sich an leidenschaftliche Konzerte mit Sergei Kussewizki, die er in Boston erlebt hat. Und er erinnert an den Bostoner Kritiker Philip Hahn, der Brahms nicht mochte. Bernstein meint, heute streiten nur Snobs, ob man Brahms mag oder nicht. Er spielt am Klavier die ersten fünf Takte an, dann zeigt er, ebenfalls am Klavier, wie Brahms aus dem zweiten Thema heraus die Musik weiter entwickelt, und er fasst zusammen, wie das erste Motiv des Werks bestimmend für alle Sätze ist.

    Die Einführung gibt es übrigens bei Youtube, zusammen mit einer zur Ersten:

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    Auch wenn's hier nicht ganz hinpasst: Diese ausführliche Einführung zum Kopfsatz der Vierten ist da auch zu finden: :juhu:

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    Viele Grüße
    Frank

    Auch sehr gewinnbringend für mich war vor Kurzem:

    Das habe ich mir vor zwei Jahren auch mal für 4 Euro oder so bei Amazon geholt und arbeite mich seitdem langsam durch. Das ist deutlich schwerere Kost als der Rosen, nicht zuletzt durch den (m.E. häufig unnötig komplizierten) Schreibstil von Gülke. Eine durch zufälliges Aufschlagen gewonnene Kostprobe, zu finden auf Seite 57 in der Erörterung des Verhältnisses zwischen Klavier und Orchester in Mozarts Konzerten:

    "Einer überstark auf die Fälligkeit eines zweiten Themas orientierten Rezeption wird die Frage zweitrangig erscheinen, wer es vorträgt, und die Empfindlichkeit dafür abgehen, wie, wenn der Komponist i.e. Mozart spielt, in der Komposition einiges davon aufgehoben ist, daß es ihm jetzt und hier einfällt, inwiefern er dem Eindruck der bereits fixiert gewesenen, nun lediglich zum Klingen gebrachten Struktur entgegenarbeitet im Sinne eines in dieser je einmaligen Situation vollzogenen, cum grano salis offenen Prozesses."

    Geisteswissenschaftler... :P :D

    Andererseits kann man da eine ganze Menge spannender Konzepte lernen, z.B. über die Methoden, mit denen Mozart einen Bogen nicht nur über eine, sondern über drei Symphonien spannt; oder auch allgemein über musikalische Dramatik, wie eben im angesprochenen Kapitel über die Klavierkonzerte. Man nimmt auch als Laie eine Menge mit. Ebenso interessant, aber auch genauso schwierig:

    Da findet sich insbesondere auch ein langer Aufsatz über die zyklische Konzeption der drei Quartette op. 59, der auch sicherlich in der Gegenüberstellung mit der Darstellung über KV 543, 550 und 551 interessant ist.


    :wink:
    Frank

    Das wichtigste mir unbekannte Werk eines Lieblingskomponisten sind vermutlich die Diabelli-Variationen :faint: . Ansonsten fehlt mir von Beethoven nicht viel, was ich als "Lücke" erachte: Die C-Dur-Messe, das Es-Dur-Trio aus op. 70, einige weitere Klavierwerke (Bagatellen, Variationen, ...).

    Auch recht komplett ist Mozart, es fehlen insbesondere das Klavierquintett und das Streichtrio, dann noch ein paar Klavier- und Violinsonaten und eine Handvoll interessanter früherer und kleinerer Werke.

    Bei Haydn sind dann nur noch die Symphonien, Klaviertrios und Streichquartette relativ komplett (bei letzteren fehlen op. 17 und die ganz frühen).

    Lücken bei insgesamt sehr bekannten Werken gibt's vornehmlich bei den Opern: Mozart und Wagner sind ganz gut abgedeckt, dazu kenne ich noch eine gute Handvoll weiterer Opern (Monteverdi, Purcell, Gluck, Beethoven, Weber, Verdi und Strauss sind mit je einer Oper in meiner CD/DVD-Sammlung vertreten). Meine Motivation, daran in nächster Zeit etwas zu ändern, ist allerdings nicht besonders groß...

    Viele Grüße
    Frank

    Das Kennenlernen dieses Quartetts (als erstes Werk von Debussy überhaupt) war mein Beitrag zu Debussys Jubiläumsjahr. ;+) Ich fand das Werk beim ersten, zweiten Hördurchgang zunächst auch etwas fade, habe es aber glücklicherweise dann nicht zur Seite gelegt.

    Es scheint mir insgesamt ein eher introvertiertes Werk zu sein: Es gibt zwar auch immer wieder kräftige Momente, aber die werden nicht selten schnell in zurückgenommenere lyrische Passagen umgebogen, statt ausgekostet zu werden -- aktuell eine meiner Lieblingsstellen ist, wie im B-Teil des langsamen Satzes das Thema langsam aufgebaut und im affirmativsten Moment ("très expressiv") sogleich von einer nachdenklichen Variante zurückgenommen wird.

    Bemerkenswert finde ich die Mannigfaltigkeit an großartigen Momenten, die Debussy aus seinem knappen Material holt. Die Häufigkeit schöner Stellen "verführt" schon sehr, sich einfach von einer zur nächsten treiben zu lassen, statt konzentriert zu hören. Trotzdem wirkt das Quartett im Charakter so eigen auf mich wie sonst vielleicht nur Schuberts G-Dur-Quartett, was sich irgendwie aus der Kombination von Thematik und Klangcharakter zu ergeben scheint. Ein großartiges Werk!


    Ich bin hier ein bisschen unentschlossen, kann die Faszination (nachdem ich jetzt Beethovens op. 59 mit den Juilliards wiedergehört habe) nachvollziehen, tendiere aber grundsätzlich schon zu einem "natürlichen" Klangbild, wie es in einem relativ kleinen Saal zu erleben ist - selbst wenn etwas mehr Hall ab und zu die Strukturen verschleiern kann und die Mittelstimmen etwas weniger gut hörbar sind. Zuviel Hall ist natürlich immer schlecht.

    Was meint Ihr?

    Ich mag's knochentrocken, nicht als Selbstzweck natürlich, sondern wegen der Durchhörbarkeit. Wenn die Mittelstimmen zu sehr verwischen, kann das schonmal zwischen dem Werk und mir stehen (so geschehen z.B. bei Beethoven mit dem Gewandhausquartett, es ist schon erstaunlich, wieviel mehr im Detail man bei Guarneri oder Artemis hören kann).

    Viele Grüße,
    Frank.

    Hm, hm, also ich fand 59/2 von Anfang an großartig, alle vier Sätze (der letzte ist doch wirklich sehr mitreißend und hat dieses tolle Seitenthema in Vierteln).

    Es war eben nicht das, was ich von einem Mollwerk des mittleren Beethoven erwartet hatte, eigentlich schon im ersten Satz, spätestens aber ab dem bizarren Allegretto; vermutlich ein gutes Beispiel dafür, wie man an Musik "vorbeihören" kann, wenn man nur die falsche Erwartungshaltung hat. Inzwischen mag ich das Quartett aber sehr, der einzige Satz aus op. 59, der mit noch relativ fremd ist, ist das Andante aus dem C-Dur.

    Zitat

    Ich finde nach wie vor die Hypothese einer "Parodie" nicht von der Hand zu weisen, nicht als Rache an Rasumovsky, wie Kerman meinte, sondern eher als Verspottung des Themas (möglicherweise auch mit politischer Implikation?): dieser extrem simple Kontrapunkt, dann das "falsche" Komponieren an der von Czerny als "bizarr" bemängelten Stelle.

    Eine einfache Implikation ist vielleicht die Abgrenzung zum F-Dur-Quartett, das ja auch sonst in einiger Hinsicht antagonistisch zum e-moll ist; dies hier wäre eine Stelle, wo der Antagonismus sehr deutlich vorgeführt würde. Im F-Dur-Quartett entsteht ja nicht nur ein ganzer Sonatensatz aus dem Thema, sondern ganz am Ende, quasi als Ziel des Quartetts, wird es Adagio ma non troppo in seiner dem Volkslied-Original ähnlichsten Version gespielt (wie nah ist die eigentlich am Original?). Im e-moll-Quartett wird dieses Ziel hingegen mit dem "Beweis", dass das Thema unzureichend ist, aufgegeben (und im dritten Quartett wird dann "folglich" auf ein originales Théme russe verzichtet).


    Viele Grüße,
    Frank.

    Hallo!


    Liebe Beethoven-Hörer :wink: , welches von den drei Werken gefällt Euch denn am besten? Und welche Sätze? Und welche Stellen darin? (Und warum?)

    Ich höre tatsächlich seit ein paar Wochen kaum andere Musik als Beethovens Quartette! Lange Zeit sind mir viele davon verhältnismäßig fremd gewesen, verglichen mit den Quartetten von z.B. Haydn, Mozart und Schubert, aber das legt sich offenbar gerade mit Macht (zumindest für die meisten Quartette). Während op. 59,2 und op. 59,3 durchaus zu den Quartetten gehören, die ich jetzt erst richtig zu schätzen lerne, zählt op. 59,1 schon seit dem ersten Hören zu meinen Favoriten unter den Werken Beethovens.
    Großartige Stellen finde ich in den Werken unzählige; beispielsweise den Repriseneintritt im ersten Satz des F-Dur-Quartetts, wo das Thema, zuvor in der Durchführung minutenlang malträtiert, endlich "freigelassen" wird und kaum mehr wieder auf den Boden zurückkommen mag; oder im Adagio desselben Quartetts die "Adorno-Stelle", und wie ihre unbeschreibliche Süße und Leichtigkeit eingerahmt wird durch zutiefst bedrückende Passagen, in denen sich die Instrumente eine kleine Seufzerfigur zuwerfen. Oder eigentlich den ganzen zweiten Satz, der einen großartigen Moment nach dem anderen generiert.



    Die Quellenlage gibt ja nicht viel her: es kann Zufall sein, dass sich die zwei zeitgenössischen Begebenheiten, in denen sich Musiker konsterniert über die Werke zeigen, auf 59/1 beziehen. Vielleicht aber auch nicht. Beim Anfang von 59/1 ist ja nicht nur das (scheinbar) lyrische Thema ungewöhnlich, sondern auch die instabile Tonalität, bei der die Achtelbegleitung in F-dur verbleibt, während die melodieführenden Instrumente davon wegstreben. Dann auch noch das weitgespannte Crescendo, die Entwicklung zur "orchestralen" Achtstimmigkeit und die Erweiterung des Ambitus auf vier Oktaven zwischen erster Geige und Cello. Das alles widerspricht ja dem scheinbar lyrischen Charakter des Themas. Auch später in der Durchführung werden immer wieder ungewöhnlich entspannte, fast rhapsodische Partien mit außerordentlicher Verdichtung konfrontiert. Ich will nicht sagen, dass der Anfang von 59/2 konventioneller wäre, aber bereits der Anfang mit den Akkordschlägen auf Tonika und Dominante folgt einem bekannten Haydn'schen Muster - was dann später natürlich durch die permanente Verarbeitung dieser Schläge auf eine andere Ebene gehoben wird.

    Vor einiger Zeit habe ich die interessante Monographie von Peter Gülke über op. 59 gelesen, die im Buch "'...immer das Ganze vor Augen'. Studien zu Beethoven" enthalten ist. Gülke sieht bei den ersten beiden Sätzen des F-Dur-Quartetts eine gewisse Ambivalenz; diese entstehe dadurch, dass die formale Stringenz immer wieder verschleiert werde. Im ersten Satz brächten "Passagen großer Suggestivität" den Zuhörer mutwillig vom Ziel ab (nämlich einen zielgerichteten musikalischen Prozess wahrzunehmen). Es werde so eine "Unbekümmertheit über den Gesamtzusammenhang" vorgespielt, die ein solcher Kopfsatz nicht haben könne und nicht habe. Gülke nennt z.B. Takt 30ff, wo vermutlich eigentlich eine Überleitung zur Dominante den Satz vorantreiben sollte, stattdessen erst einmal ein Aussingen in langen, mit dolce bezeichneten Kantilenen erfolgt.

    Noch stärker beim zweiten Satz: Gülke diagnostiziert dort eine Musizieren, "das mit kleinen harmlosen Motiven umgeht, immer neue hinzuerfindet", bei dem selbst die immer wiederkehrende Figur des Anfangsrhythmus als Bindemittel es nicht schaffe, mit der Fülle an Objekten fertigzuwerden; stattdessen verliere sich der Satz in dieser Fülle so sehr, dass sich eine kaum noch organisiert scheinende Aneinanderreihung ergebe. Dem stehe gegenüber strengste musikalische Stimmigkeit (z.B. durch die streng befolgte Reprise). Der Satz mit dem einfachsten Material im ganzen Opus ist in diesem Sinne gleichzeitig der doppelbödigste.

    Eventuell hat diese Ambivalenz dem damaligen Publilum größere Probleme bereitet als einem heutigen, das es möglicherweise eher gewohnt ist, über solche Feinheiten hinwegzuhören. Andererseits stellt das e-moll-Quartett vermutlich für das heutige Publikum einen schweren Brocken dar, zum Beispiel wegen der permanent nebeneinanderstehenden, nie aufgelösten Kontraste im Kopfsatz, oder weil auf zwei sehr gut "emotional" hörbare Sätze zwei folgen, für die das nicht gilt. Es könnte sozusagen sein, dass das F-Dur-Quartett quer zu den damaligen Hörgewohnheiten steht, das e-moll hingegen zu den heutigen (meine den heutigen Hörer betreffenden Thesen treffen auf mein eigenes Kennenlernen der Werke übrigens vollständig zu ;) ).

    MIr kommt keiner der Sätze ironisch vor. Kerman behauptet das von dem Trio, aber weniger wegen der slawa-Melodie, sondern wegen der übungsmäßigen kontrapunktischen Behandlung (so ähnlich urteilt er auch über die C-Dur Prestissimo-Abschnitte in op.74). Ich wäre da von mir aus nicht drauf gekommen.

    Mir leuchtet hier Gülkes Sichtweise sehr ein: Im Gegensatz zum Théme russe im F-Dur-Quartett sei das im e-moll nicht differenziert genug, um daraus einen vielschichtigen Sonatensatz zu entwickeln; seine musikalische Substanz erschöpfe sich quasi in der Kombination mit verschiedenen Kontrapunkten.
    Wenn der Satz gegen Ende des Maggiore dichter wird, führt das ja auch zu ziemlichen Dissonanzen (die Czerny wohl noch Jahrzehnte später befremdet haben, zusammen mit der Hornstelle vor Repriseneintritt in der Eroica seien das "Kinder eines genialen Mutwillens und einer bizarren Laune"), so als sei hier die Grenze des Machbaren schon überschritten. Die Frage ist dann natürlich, warum Beethoven ein solch "ungeeignetes" Lied für das Quartett auswählt, nur um diesen Umstand dann im dritten Satz vorzuführen?


    Ich dachte nicht an eine bestimmte Stelle bei Haydn, sondern vielmehr an dessen Neigung, Hörererwartungen zu enttäuschen, etwa an einen vermeintlichen Symphonieschluß noch eine Coda anzusetzen (ich meine, in einer der Londoner Symphonien ist das so). Vielleicht gibt es auch den Fall, daß Haydn, anstatt in die erwartete Reprise einzusteigen, noch etwas Überraschendes einschiebt? Dann wäre das immerhin formal eine Parallele.

    Also, ich finde diese Passage in einer Hinsicht ziemlich konkret haydnsch: Haydn liebt es, in langsamen Sätzen aus dunklen Passagen in Kantilenen von großer Süße und Leichtigkeit überzuleiten. Das Modell ist da wohl das "hodie mecum eris in paradiso" in den sieben letzten Worten, wo in der Reprise der Seitensatz plötzlich in Dur ertönt; und später, noch wirkunsvoller, die Dur-Passagen, die in der Verzweiflung von "Consummatum est" erscheinen und letztlich die Oberhand behalten. Der Unterschied zu Beethoven ist, dass bei Haydn die Utopie näher oder sogar Wirklichkeit ist, bei Beethoven erfolgt sogleich der Rückfall in die Trostlosigkeit der Reprise. Gleichwohl schwingt m.E. auch bei Haydns Passagen die Melancholie einer nicht erreichbaren Utopie mit, wenn nicht in den sieben letzten Worten, dann doch bei ähnlich wirkenden Stellen, z.B. den Dur-Variationen in den Kopfsätzen von op. 55,2 und des es-moll-Trios Nr.31; oder den Themenköpfen der Variationen in op. 77,2.


    Viele Grüße,
    Frank.

    Seit zwei Jahren höre ich mich nun mit stetig wachsender Begeisterung durch diese Werkgruppe. Ich kenne auch längst noch nicht alle Quartette, oder alle gleich gut; aber ein paar, die mich besonders faszinieren, bunt durch die Opera, schmeiße ich hier mal in den Raum. Die Kommentare sind aus dem Kopf und damit ohne Gewähr: ;+)

    - op. 20,4 mit einem tollen Variationssatz und "Balkan"-Finale
    - op. 54,2 mit einem sehr intensiven zweiten Satz - vielleicht könntest Du den mit seinen schmerzlichen Tonrepetitionen abgründig finden? -, danach einem sehr fahlen Menuett und einem langsamen Finale, das zum Schluss versucht, sich als Presto schwungvoll zu beenden, aber doch zurück in die Adagio-Melancholie fällt. Ein sehr eindrucksvolles Quartett!
    - op. 55,2 ("Rasiermesser"), mit einem tollen, gewichtigen langsamen Doppelvariationssatz am Anfang, der zweite Satz ein sehr dichtes Allegro mit Chromatik und Fugenelementen, das Menuett (teils) im doppelten Kontrapunkt, und das Finale von Chromatik durchsetzt. Sicher auch eins von Haydns intellektuellsten Quartetten!
    - op. 64,6; den ersten Satz finde ich einfach enorm elegant, die zurückgenommene, teils kontrapunktische Durchführung faszinierend; der langsame Satz schließt eine "empfindsame" Violin-"arie" ein, und im Menuett-Trio macht sich eine in höchste Höhen entschwindende 1. Violine über die süßliche Melodie lustig.
    - op. 77,2: Ein eher entspannter Kopfsatz - bis auf die Ausbrüche in der Durchführung - und ein tolles, wirbelndes Finale schließen ein vor Witz sprühendes Menuett - mit einem den Rhythmus unterminierenden Cello - und einen meiner liebsten Variationssätze - ja, Sätze wie diesen finde ich abgründig! - ein.

    Op. 76 spare ich mir erstmal, die Quartette werden von anderen bestimmt noch genug gelobt werden. Aber auch abseits davon habe ich jetzt so viel ausgelassen, dass es eigentlich eine Schande ist - vielleicht lege ich deswegen heute abend noch einen Schwung nach! 8+)


    Viele Grüße,
    Frank.

    Edit: Ach so, Aufnahmen sind ja auch gefordert. Da kann ich leider nicht mit Empfehlung dienen; die meisten Quartette habe und mag ich mit dem Amadeus-Quartett, das aber wohl nicht jedermanns Sache ist. Es wird durchaus mit Vibrato gespielt, sehr energisch - da quietscht's auch schonmal zwischendurch - und in den langsamen Sätzen sehr einfühlsam. Die Box ist glaube ich sehr günstig erhältlich und enthält alles ab op. 54 und die "Sieben letzten Worte".

    Der wunderschöne 6. Satz aus Schönbergs Serenade Opus 24. Wie alle Werke Schönbergs kostenlost auf dessen Website anhörbar. Diese Website ist allerdings längst nicht uneingeschränkt empfehlbar, die allermeisten Aufnahmen sind grottenschlecht.

    Gerade getan, aber auf Yout*be und auch das ganze Stück. Den sechsten Satz fand ich spontan ziemlich neutral, aber vor allem die Ecksätze haben mich erstaunt, denn die haben für mich jetzt gar nicht so spanisch geklungen wie der Rest der mir bekannten atonalen Welt - fehlt es vielleicht einfach an einfacheren, eingängigeren atonalen Stücken, mit denen man sich den Weg zu den komplexen Werken bahnen kann?


    :wink:
    Frank.

    Gut, dass wir endlich einmal auf diesen wegweisenden Komponisten zu sprechen kommen! In seiner frei-atonalen Phase, die man zwischen 1879 und 1877 festmacht, hat Honk das Tor zum 20. Jahrhundert so weit aufgestoßen, dass die Scharniere beschädigt wurden und daraufhin ausgewechselt werden mussten. Honk machte sich in dieser Phase mit atonaler Klavierimprovisation den Namen eines Wunderkinds erster Güte, und leider, leider, sind bis auf einige musikwissenschaftlich nicht sehr ergiebige Äußerungen von offenbar von der frappierenden Modernität des Gehörten überforderterten Besuchern und Anwohnern des elterlichen Pfarrhauses ("Ahhh!", "Nix wie raus hier!", "Ich rufe gleich die Polizei, wenn das nicht aufhört!") keine Zeugnisse überliefert.

    Weiter möchte ich darauf hinweisen, dass Honk auch eine breite Palette erstklassiger symphonischer Musik hinterlassen hat. Zu nennen ist vor allem das Klavierkonzert für zwei linke Hände op. 19,1b von 1853, das dem romantischen Ausdrucksspektrum das kunstvolle, rhythmisch vertrackte Zusammenspiel von Achtel-, Sechzehntel- und Zweiunddreißigstelpausen in der Klavierstimme hinzufügt. Leider ist sich die Fachwelt derzeit uneins, ob der Pianist den Klavierpart auszieren soll, so dass Aufführungen - und damit erst recht Aufnahmen - Mangelware sind.


    :wink:
    Frank.

    Hallo!

    Zitat

    1. Auf den marschartigen Rythmus achten. Diesem im inneren Ohr behalten auch während der anderen Teile des 3. Satzes...

    2. Zu Beginn: auf das Hauptthema achten, aber nicht versuchen sich daran festhalten zu wollen...

    3. Zwischen den Abschnitten sind ausgeprägte Kadenzen...

    Das alles aber nicht lauernd hören, sondern sich einfach beschenken lassen - ich habe keine bessere Wortwahl - und zwar so, dass der Faden nicht abreisst, also gleichzeitig unangestrengt lauschen. Die Kadenzen würde ich versuchen, nicht gleichzeitig als Kadenzen zu hören.. sondern dabei die Klänge spontan und unvermittelt abschmecken... und der Rest ergibt sich und jeder wird dann seinen eigenen Weg mit diesem großen Violinkonzert gehen....

    Ich verfolge die Diskussion hier mit viel Interesse; alleine, ich habe auf konkretere Hinweise gehofft, als Ihr sie bisher gegeben habt. Und jetzt, wo Du z.B. konkret wirst, bleibst Du trotzdem irgendwo schwammig, z.B.: Ach ja, da sind Kadenzen - aber hört sie bitte nicht als Kadenzen; achtet auf das Hauptthema, aber haltet Euch nicht daran fest. Die Hauptempfehlung ist dann wieder, einfach zu hören, ohne sich auf irgendetwas besonders zu konzentrieren, sich "beschenken zu lassen".

    Das ist aber gar nicht so einfach für mich! Du sagst zum Beispiel, dieser dritte Satz sei sehr düstere Musik - das nehme ich kaum wahr, höchstens ganz am Ende, wenn das Orchester die letzte "Kadenz" beendet.

    Es gab vor einer Zeit mal einen ähnlichen Thread, wo als guter Einstieg Schönbergs Violinkonzert in der Aufnahme von Hahn empfohlen wurde - diese CD habe ich mir dann beschafft, und vielleicht war ich ja nicht der einzige. Wie wäre es also, das Werk einmal ausführlich in einem eigenen Thread zu besprechen? Ein Mangel an Teilnehmern ist ja kaum zu erwarten!


    :wink:
    Frank.

    Hallo!

    So wie Ralph sehe ich das auch - geteilte Freude ist doppelte, und wenn man eine Freude oder gar Begeisterung nicht mit jemandem teilen kann, dann fehlt etwas, und daraus entsteht dann ein "Missionierungstrieb", ganz unterbewusst und ohne, dass man sich darüber Gedanken machen würde, was eine solche Missionierung denn tatsächlich einbrächte.
    Deswegen sind ja meist auch die Komponisten, Musikrichtungen, etc. betroffen, die nicht gerade im Fokus des "öffentlichen" (bezogen auf die Zielgruppe) Interesses stehen - will meinen, im Freundeskreis "missioniert" man z.B. Klassik allgemein und in Internetforen Nono, Lully, etc.
    Ich sehe in einer solchen "Missionierung" nichts Schlimmes, da es doch nur der notwendige Ausdruck der Begeisterung ist, die sich Luft macht.


    Gruß,
    Frank.

    Zitat

    Ist das eine Geschmacksverirrung oder ein Zufallstreffer? :rolleyes:

    Na, weder das eine noch das andere, will ich hoffen! ;+)
    Ich habe Bernsteins Pariser, die auch in der von Georg genannten Box enthalten sind; die finde ich ausgezeichnet! Die Ecksätze kontrastreich und schwungvoll, die langsamen Sätze und Trios sehr schön auskostend - vielleicht könnte man ihm z.B. beim Capriccio ( :) ) in 86 eine sehr romantische Herangehensweise vorwerfen, aber mir gefällt das gerade bei diesem Satz sehr -, die Menuette für meinen Geschmack aber einen Tick zu langsam nehmend. Dass die mit genügend Schwung gespielt werden, ist wahrscheinlich bei einigen Londonern noch wichtiger, aber diese Aufnahmen kenne ich nicht.


    Gruß,
    Frank.

    Hallo!

    Ich glaube, mich hat selten ein Musikstück beim (und seit dem) ersten Hören so fasziniert wie dieses Quartett. Der ständige Wechsel zwischen Ruhe und höchster Erregung im Kopfsatz, die Klangwirkung, die dort durch die ständigen Tremoli erzeugt wird, das vor nervöser Anspannung schier platzen wollende Finale - ganz faszinierend die Stelle kurz vor Schluss, wenn nach den Tonrepetitionen in fff plötzlich alle Spannung abfällt und der Satz ruhig zuende plätschert -, das war schon zutiefst beeindruckend.
    Die Tage werde ich mich mal eingehender mit dem Werk beschäftigen, danke für die ausführliche Einführung!


    Viele Grüße,
    Frank.

    Ja, und zwar laaaaangsam. In der Partitur mitverfolgendes Hören geht momentan nur bei langsamen Sätzen oder sehr wenigen relevanten Stimmen (will meinen: höchstens zwei). Auf jeden Fall kann ich dann aber nicht mehr konzentriert hören, weil alle Konzentration für das nicht verlorengehen aufgewendet werden muss, so dass meine momentane Technik eher ist, einen Teil des Stücks zu hören und den dann in der Partitur nachzuvollziehen (so höre ich die Musik natürlich nicht immer ;+) ).

    Die angesprochenen Probleme mit Bassschlüsseln habe ich auch - ich löse sie wie Wulf durch "zwei Stufen nach oben denken" der Noten. Das ist natürlich umständlich und lässt das Auffinden von Akkorden ziemlich langwierig werden, aber ich denke, dass sich das alles mit der Zeit einüben wird. Akkorde während des Mitverfolgens zu erkennen, finde ich von meinem jetzigen Standpunkt unglaublich...

    Was ich auch noch nicht gut kann, aber woran ich arbeite, ist, anhand der Noten im Kopf das Stück zu "hören", zumindest die führende Stimme. Das finde ich schon deshalb interessant, weil in Werkbesprechungen häufig die wichtigsten Themen abgedruckt sind und ich häufig lese, ohne CD-Spieler / Computer in Reichweite zu haben.

    Ich bin mir aber recht sicher, dass das mit dem Noten lesen so etwa ist wie mit Sex oder Autofahren: Üben, üben, üben.... :D


    Gruß,
    Frank.

    Hallo Pius!

    Zitat

    Ich denke schon. Fang Du mal an mit op.1 Nr. 1 und 2, danach komme ich dann mit Nr. 3.

    Wir könnten auch die kompletten Klaviertrios unter uns aufteilen. Nimmst Du noch op. 97 und op.121a? Dann würde ich außer op. 70/2 noch op. 70/1 machen und den ganzen WoO-Kram.

    Ich würde lieber erstmal op. 74 und op. 1,1/2 fertigmachen, dann können wir ja weitersehen (op. 121a kenne ich noch nicht einmal :hide: ). Mit den beiden ersten Trios könnte es auch noch ein wenig dauern, möglicherweise ist es besser, wenn Du schonmal eine allgemeine Einleitung und den Beitrag zum c-moll-Trio machst.


    Gruß,
    Frank.

    Hallo!

    Die Quartette op. 12 und 13 gehören seit dem Kennenlernen zu meinen Favoriten! Das f-moll-Werk liegt ein Stück dahinter. Die aus op. 44 habe ich je zwei oder drei Mal gehört, ohne dass ein Eindruck geblieben wäre. Ich habe die Gesamtaufnahme mit dem Cherubini-Quartett und war damit bisher ganz zufrieden (bis ich eben die Hörschnipsel vom von Bernd gelobten Henschel-Quartett gehört habe :D ).

    Bei den beiden frühen Werken ist mir noch nicht so recht klar, worin die Beethoven-Rezeption liegt. Ok, einige Themen sind mindestens inspiriert von Beethoven (vor allem das Fugenthema im zweiten Satz von op. 13 finde ich sehr auffällig...) und die Sonatenform scheint auch von Mendelssohn recht frei behandelt zu werden. Und dass bei op. 13 ein Rezitativ den letzten Satz einleitet, erinnert mich natürlich an Beethovens a-Moll-Quartett.

    Von diesen Gesichtspunkten abgesehen finde ich die Tonsprache aber ziemlich weit weg vom späten Beethoven: Spontan, emotional, leidenschaftlich; irgendwie jugendlich (und vielleicht ist das ein Grund, warum ich mit diesen Quartetten viel weniger Probleme hatte als mit opp. 127 - 135). Außerdem haben beide Quartette ziemlich deutliche thematische Verknüpfungen zwischen den Sätzen (sehr ergreifend z.B., wenn am Ende von op. 13 nach dem wilden Kampf des Schlusssatzes der Choral vom Anfang wiederkehrt); in dieser Form ist mir das bei den Beethovenquartetten nicht bewusst. Es gibt außerdem keine ausufernden langsamen Sätze, sondern Viersätzigkeit mit prinzipiell nicht unüblichen Satzproportionen, und keinen einzigen Variationssatz.

    Was sind also die großen Gemeinsamkeiten?


    Gruß,
    Frank.

    Hallo Pius!

    Schön, Dich hier wiederzutreffen!

    Zitat

    Mal überlegen... interessanterweise gingen ja die Streichquartette hier am schnellsten weg - natürlich auch hocherfreulich! Op. 95 und op. 74 sind zwar schon vergeben, aber ich hätte da noch op. 135 und op. 59/2 zu bieten (und auch eines aus op. 18? - weiß nicht mehr genau).

    Zu 135 gibt es schon eine sehr ausführliche Einführung von Zwielicht - auch von T. herübergerettet. Gab es da denn zwei Threads für dieses Quartett? :-O

    Edit: Viel zu spät... Habe ich tatsächlich eine halbe Stunde für diesen Beitrag gebraucht???

    Zitat

    Und ich glaube das Klaviertrio op. 1/3 (?).

    Ja, ich erinnere mich auch dunkel daran, dass Du da eine Einführung geschrieben hattest. Du kannst ja die Nummer 3 von T. übernehmen, und ich mache die Einführungen für 1 und 2 - das hat mir schon bei T. länger unter den Fingern gejuckt. Reicht ein Thread zu den drei Trios?


    Insgesamt stehe ich dem "Recyclen" ein wenig zwiespältig gegenüber - ich finde es sehr interessant, die Werke unter neuen Voraussetzungen noch einmal diskutieren zu können. In wieweit das von einem neuen Einführungsbeitrag abhängt, weiß ich nicht, allerdings sollten wir m.E. nicht zu schnell zu viele Threads auf diese Weise anlegen, sonst droht der "Haydn-Projekt-Effekt", und die Threads verlanden aus Übersättigung schnell.
    Ich werde meine wenigen Einführungen erst einmal nicht herüberkopieren - da ist aber sowieso kein Beethoven dabei, sondern ausschließlich Haydn.


    Gruß,
    Frank.