Ich schätze Aufführungen, die mir möglichst viel Spielraum für meine eigenen Gedanken und Emotionen lassen. Das "Interpretieren" des Stückes erledige ich für mich dann schon selber - das schaffe ich auch ohne schulmeisternde Rippenstöße durch den Regisseur.
Viele Grüße
Bernd
Lieber Bernd,
schon lustig: Wir suchen beide das gleiche, finden es aber unter völlig gegensätzlichen Voraussetzungen. Während Dich offensichtlich eine historisierende Inszenierung zum Nachdenken anregt, blockiert sie mich total. Ein Zeffirelli erschlägt meine klares Denkvermögen mit einer Flut von Bildern, die sich dem freien Assoziieren ebenso in den Weg stellen wie den Sängern die Plüschsofas auf der realen Bühne, denen sie ständig ausweichen müssen.
Damit sich meine Phantasie entfalten kann, brauche ich Freiräume im wahrsten Sinn des Wortes, also ein möglichst minimalistisches, abstrahiertes Bühnenbild. Welche Fragen sollen sich z.B. bei der "Traviata" von Zeffirelli aufdrängen? Da ist doch schon alles beantwortet, bis ins kleinste Detail der vollgerammelten Bühnenräume springt Dir doch ein "So ist es und nicht anders!" entgegen. Hingegen die Willy-Decker-Inszenierung in Salzburg: Hier ist nichts beantwortet, alles offen und daher von der ersten Minute an spannend. (Auch wenn man den Ausgang kennt ;+) )
Wie Matthias beurteile ich den "Wert" einer Inszenierung nach dem Diskussionsstoff, den sie mir liefert. Wenn beim Retaurantbesuch danach die Speisekarte das Interessanteste ist, dann war's nix, wenn der Ober dreimal nachhaken muss, ob wir nun endlich gewählt haben, ist die Regie gelungen. Denn ehrlich, worüber soll man bei einer Schenkinszenierung diskutieren? Höchstens, ob ein grünes Kleid nicht doch besser zur Haarfarbe der Sopranistin gepasst hätte. Aber ansonsten wird sich der Kommentar in einem "Schön war's!" oder "Grauenhaft war's!" erschöpfen, je nach den Regievorlieben des Besuchers.
Das heißt jetzt nicht, dass ich mich hin und wieder nicht auch an einer biederen konventionellen Inszenierung erfreuen kann, weil ich nicht 100%ig immun gegen Kitsch bin ;+)
. Unseren Schenk-"L'Elisir" finde ich z.B. herzig und will ihn gar nicht hergeben :hide: , wahrscheinlich auch deshalb, weil ich an dieses Werk keine besonderen intellektuellen Anforderungen stelle, sondern mich dabei schlicht und einfach gut unterhalten will. Das gleiche gilt für unseren "Barbiere di Siviglia", auch da stört mich die Uraltinszenierung nicht. Wenn aber inhaltlich tolle Werke wie "Tosca" oder "Don Carlo"als zahnlose Ausstattungsschinken verkauft werden, sehe ich rot! :wut2:
lg Severina 