Bei Schenker staune ich nicht nur über die außergewöhnliche Qualität der Musik, sondern auch darüber, dass er mit diesen Werken keine massiven Probleme mit dem DDR Staatsapparat bekommen hat. (Ich bin allerdings kein DDR Experte.) Die Musik klingt für mich nicht nach real existierendem Sozialismus, sondern nach Avantgarde - die vertonten Texte auch nicht besonders angepasst.
Nach Stalins Tod gab es wohl schon ein paar Veränderungen im Ostblock, nicht zuletzt kulturell. Dass Avantgarde dort verboten, gar verfolgt wurde oder jedenfalls eine besonders dissidente Angelegenheit war, ist wohl spätestens ab den 70ern ein Klischee. Als ob im Westen Avantgarde ganz unumstritten gewesen wäre. Aber immerhin bescherte dieses Klischee dem westdeutschen Fernsehzuschauer den markanten Ausschnitt aus Witold Lutosławskis Konzert für Orchester als Intro von Gerhard Löwenthals "ZDF Magazin", der im Intro von Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" immer noch anklingt.
Ich habe nicht viel DDR-Avantgarde in meiner Sammlung. Aber die Box "Herbert Kegel - Legendary Recordings" (edel Classics, 2001) mit Aufnahmen der VEB Deutsche Schallplatten von 1960 - 1989 gibt schon einen ersten Eindruck:
Neben Werken der Schönberg-Schule findet sich da eine Aufnahme von Krzysztof Pendereckis Threnos von 1978. Von Friedrich Schenker gibt es die Landschaften für großes Orchester. Subtil dissident oder systemkritisch war vielleicht die vierte und letzte: "Wolken, aus einem Flugzeug gesehen".
Friedrich Goldmann, der mit Marcus Creed und Claudio Abbado Karlheinz Stockhausens Gruppen für die Deutsche Grammophon dirigierte,
ist in der Kegel-Box mit seiner ersten Sinfonie (1972 / 73) vertreten.
Und Paul Dessaus darin enthaltene Orchestermusik Nr. 2 - Meer der Stürme darf man wohl auch zur Avantgarde zählen. Diese findet man noch auf dieser Dessau-Scheibe bei Berlin Classics: